Beiträge von Jojo im Thema „Was sind Gedanken, was sind Gefühle?“

    Frank1:

    Mich würden Eure Meinung und die buddhistische Sichtweise, besonders Textstellen dazu interessieren.
    Als Anregung:
    http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChlen_%28Psychologie%29
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gedanke


    Eine sehr interessante Frage.


    Ich kann nur aus meiner Erfahrung berichten.
    Meiner Erfahrung nach sind Gefühle/Emotionen keine eigenen Entitäten, sondern automatisierte Zusammensetzungen aus (a) Gedanken und (b) körperlichen Empfindungen.


    Dabei ist wichtig festzustellen, was man unter "Gefühl" versteht. Ich trenne zwischen "Gefühl/Emotion" und "Empfindung/Sensorik". Eine "Empfindung" ist für mich ein rein sensorisch-physisches Ereignis.


    Eine "Empfindung" kann entweder wahrgenommen werden oder unterhalb der Wahrnehmungsschwelle verbleiben. Empfindungen sind wie Schauspieler auf einer unbeleuchteten Theaterbühne. Es kann sein, dass auf der Bühne (Körper) ein Schauspieler (Empfindung) vorhanden ist. Wir hören ihm rumpeln, reden und auf und abgehen, können ihn aber nicht sehen (Bewusstheit). Erst wenn das Spotlight (Wahrnehmung) eingeschaltet wird, wird der Schauspieler (Empfindung) sichtbar.


    Wenn ein sensorisch-physisches Ereignis bewusst wahr-genommen wird, kann es gedanklich passend verarbeitet werden. Das ist nicht-getäuschtes Bewusstsein.


    Wenn das sensorisch-physisches Ereignis unterhalb der Schwelle der bewussten Wahrnehmung verbleibt, kann es uns dennoch beeinflussen. Wir befinden uns dann in einer nicht-analysierten Verfassung, die wir uns und anderen erklären wollen oder müssen. Z.B. "ich fühle mich morgens unbehaglich, also bin ich ein Morgenmuffel". Das ist fast immer getäuschtes Bewusstsein.


    (Um im obigen Bild zu bleiben: wir hören den Schauspieler rumpeln und reden, und versuchen uns in einer logischen Erklärung, was das sein könnte.)


    Wenn diese Koppelung (sensorisch-physisches Ereignis, ohne bewusste Wahrnehmung, mit selbsterklärenden Gedanken) immer wieder in gleicher Weise geschieht, entwickelt sich ein automatisierter Empfindungs-/Gedankenkomplex. Diesen Komplex nennen wir dann irgendwann "Gefühl".


    Ein Gefühl ist immer ein nicht-durchschautes Ereignis.


    Wenn ich ein Gefühl durchschauen will, konzentriere ich mich im Fall seines Auftauchens komplett auf das rein sensorische Empfinden. Die dazu auftauchenden Gedanken nehme ich zur Kenntnis, und kehre dann zum Atem oder zu dem sensorischen Haupt-Empfinden - sozusagen zu der Schmerzspitze - zurück.


    Wenn ich ein Gefühl durch-schaue, löst es sich immer in Empfindung und Gedanke auf. Sobald das geschieht, kann ich das Gefühl fallen lassen. Es kann mich dann nicht mehr überwältigen.


    Ein kleines Problem dabei ist, dass ich nur sehr selten den Willen aufbringe, meine Gefühle in dieser Weise zu analysieren. Das mache ich eigentlich nur, wenn mir ein Gefühl absolut unerträglich erscheint, z.B. in Situationen von Herabsetzung, nicht-erwiderter Liebe und so weiter. Ich hoffe, dass das Sitzen meine Wahrnehmung so weit verfeinert, dass mir alle negativen Gefühle irgendwann absolut unerträglich erscheinen, so dass ich mich in allen Situationen gezwungen sehe, so zu verfahren.


    Ein terminologischer Aspekt:
    Die fünf Skandhas werden oft wie folgt aufgezählt: Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Gedanken, Bewusstsein.
    Im Gespräch stellt sich dabei immer wieder heraus, dass die Worte "Gefühl" und "Gedanke" unterschiedlich verstanden werden. Daraus ergeben sich viele Missverständnisse.


    Zunächst ist es also wichtig, genau zu klären, was du unter jedem einzelnen dieser Worte verstehst.
    Ich verstehe die Skandhas so:
    1. Körper = Objekte,
    2. Empfindungen = Sensorik,
    3. Wahrnehmungen = Perzeption,
    4. Gedanken = Geistesformationen,
    5. Bewusstsein = Bewusstheit.


    Viele verstehen den Punkt (2) Empfindung als "Gefühl" im Sinne von "Emotion". Ich glaube, dass das falsch ist, kann das aber nicht belegen.