Doris Rasevic-Benz:Wenn Du in blöde Beziehungen verstrickt bist, dann löse diese Beziehungen. (...)
Eine Frage könntest Du Dir noch stellen: Biete ich selbst Nestwärme oder bin ich nur fordernd und kann deshalb nicht selber geben? (...)
Ich möchte hierzu etwas ergänzen, weil ich eine Person kenne, die in einer tiefen Lebenskrise steckt, und für die diese Anhaltspunkte noch nicht ausreichen würden.
Diese Person ist fordernd, und kann selber nicht geben.
Und sie ist in Beziehungen verstrickt, die sie selbst als unzureichend empfindet.
Aber sie kann auch sich selbst nichts geben.
Und sie lehnt im Moment jede Art von Nähe ab.
Sie würde sich so etwas vielleicht sehr zu Herzen nehmen, und anfangen, sich selbst Vorwürfe zu machen, weil sie nicht geben kann, und vielleicht die letzten Beziehungen auflösen, die sie noch hat.
Deshalb möchte ich etwas schreiben, als ob ich es für diese Person schreiben würde.
Zum Loslassen gehört für mich vor allem, alle meine Forderungen an mich selbst loszulassen. Die Forderung, dass ich irgendwie sein soll. Gebend. Kompetent. Andere nicht im Stich lassend. Keine Belastung für andere. Mit einer Partnerschaft, die gut aussieht, oder sich gut anfühlt. Vielleicht ist gerade alles zu Ende, was bisher getragen hat.
In diesem Moment kann es hilfreich sein, Menschen zu suchen, die so etwas schon erlebt haben, oder die schon viele andere in schweren Zeiten begleitet haben. Sie befragen. Was sie durchlebt haben, was sie gehört haben. Einfach ihre Geschichten hören, viele verschiedene Geschichten. Und das eigene Unglück ganz und gar ausbreiten, ohne um Rat oder Lösung zu suchen. Es loslassen, und die Illusion loslassen, dass man das Problem schon irgendwie lösen kann, oder dass man es lösen muss.
Das kann eine Selbsthilfegruppe sein, eine Gemeinde, eine Beratungsstelle, ein Pastor - auch wenn man nicht zur Gemeinde gehört - , oder ein einzelner Mensch, dem man vertraut. Es kann auch ein Zenlehrer sein - wenn es ein wirklicher Lehrer ist. Ob es ein wirklicher Lehrer ist, merkst du schon selber. Zertifikate sind nicht wichtig. Wichtig ist, dass man sich selbst prüft, ob man diesem Menschen intuitiv Vertrauen entgegen bringt. Immer wieder, bei jedem Gespräch neu. Wenn nicht oder nicht mehr, kann man nach ein paar höflichen Worten aufstehen und gehen. Es bringt gar nichts, sich jemandem zu öffnen, nur weil man glaubt, das müsse so sein, oder weil er eine Funktion ausfüllt.
Er sollte ganz ungezwungen die Freundlichkeit aufbringen können, die Du dir selbst gegenüber und anderen gegenüber im Moment vielleicht nicht aufbringen kannst. Das reicht.
Mir hat in einer tiefen Krise so etwas sehr geholfen. Viele Geschichten von "Gescheiterten" zu hören, die hässlich aussahen, arm waren, alleine waren, und trotzdem ganz offenbar irgendwie Spaß hatten, gab mir die Zuversicht, dass ein Leben auch möglich ist, ohne all die Forderungen, die ich bis dahin an mich und mein Leben gestellt hatte.
Vorher hatte ich einfach nicht gewusst, dass das geht.
Das hört sich jetzt sehr dramatisch an, und war es auch. Vielleicht ist es bei dir gar nicht so dramatisch.
Wenn es nur um die technische Seite des Loslassens in der Praxis geht, kann ich mich nur Andreas anschließen.