Gibt es eine buddhistische Heillehre für den Körper?

  • Euch kann ich ja fragen :)


    Aryuveda und Yoga kommen aus dem Hinduismus, wo der menschliche Körper eigentlich nur wie ein Transportmittel auf dem Weg in eine neue Wiedergeburt betrachtet wird. TCM entstand aus dem Daoismus, wo der Gelehrte lange leben wollte und die Lebensenergie möglichst lange erhalten werden sollte. Tibetische Heilkunde hat ihre Wurzeln eher im Bön oder Schamanismus. Bitte korrigiert mich hier wenn ich mit meiner Einschätzung falsch liege. Ich frage ins Blaue.


    Im Buddhismus wird der Heilung des Körpers von Krankheiten keine Aufmerksamkeit gewidmet? Haben den alten Buddhisten die übernommenen Methoden ausgereicht? Warum ist die Heilung des Körpers bei Krankheiten dort kein Thema, das man heute noch kennt? Wird der menschliche Körper im Buddhismus anders betrachtet?


    Wäre schön, wenn jemand eine Idee hat. Vielen Dank dafür!

  • Zunächst würde mir einfallen, dass im Buddhismus Körper und Geist als eine Einheit betrachtet wird. Beides hängt miteinander zusammen. Aber der mentale (geistige) Aspekt wird im Buddhismus tendenziell schon mehr betont wie der körperliche Aspekt (es gibt aber auch Ausnahmen, wie im buddhistischen Tantra).

  • Witzig, ich habe über genau das Thema in den letzten Tagen nachgedacht.


    Einen eigentliche buddhistische Heillehre für den Körper kenne ich nicht, aber die Regeln für Mönche und Nonnen (die ja auch als Anregung für Laien gedacht sind) enthalten einiges, mit dem die meisten Mediziner heute wahrscheinlich einverstanden wären.


    • regelmäßiges, entschleunigtes Leben
    • regelmäßig jeden Tag einen langen Spaziergang zur Essensbeschaffung
    • regelmäßig längere Wanderungen von Kloster zu Kloster
    • einfaches, mäßiges Essen, weitgehend vegetarisch (ich rede vom Ideal, nicht der heutigen Realität)
    • regelmäßige Körperpflege
    • Verzicht auf Drogen
    • regelmäßige geistige Beschäftigung durchs ganze Leben
    • regelmäßiger, eher kurzer Schlaf
    • ...


    Vielleicht hat ja jemand Gegenbeispiele aus den Regeln für mich.

  • Danke mkha',


    kenntnisreicher Beitrag.
    Fragen - vielleicht hast Du die Hintergrundinformationen


    • Gibt es irgendeine ernste Erkrankung, die im Westen regelmäßig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung behandelt wird, bei der die Behandlung auf Erfahrungen der tibetischen Medizin erfolgt?
    • Was sind die konkreten Haupterfolge der tibetischen Medizin aus über 3.000 Jahren?
    • Hat schon jemand auf der Basis der Lehren der tibetischen Medizin einen Nobelpreis für Medizin erhalten?
    • Gibt es religionsunabhängige Forschung zur Frage möglicher negativer Nebenwirkungen tibetischer Medizin?
  • Zitat

    die Tibetische Medizin hat laut Überlieferung ihre Wurzeln im Bön. Es ist ein umfassendes Wissen, wurde nach bestem Können überliefert, und mit neuem Wissen angereichert.


    Zitat

    "Tibetologen nehmen derzeit meist an, dass die tibetische Medizin überwiegend indischen Ursprungs oder indisch inspiriert sei", schrieb Christopher Beckwith. "Die geschichtlichen Zeugnisse legen jedoch die Schlussfolgerung nahe, dass sie in Wirklichkeit zumindest im ersten Jahrhundert des Tibetischen Reiches (ca. 634-755) primär westlichen und sekundär chinesischen Ursprungs war." Tibetische Quellen erwähnen neben dem mythischen Gelben Kaiser aus China und dem legendären Bharadvāja aus Indien den griechischen Arzt Galen und seinen Beitrag zur tibetischen Medizin. Diese wurde beispielsweise durch die Humoralpathologie beeinflusst.[4] Mehrere Werke von Galen oder Pseudo-Galen wurden unter Songzain Gambo in Tibet bekannt.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Tibetische_Medizin


    Nicht nur im tibetischen Tantra gibt es Schriften, die sich mit der körperlichen Heilung beschäftigen, sondern auch im chinesischen und japanischen Tantra sind diese Werke bekannt. Leider sind hier im Westen die Traditionen des chinesischen und japanischen Tantra aber meist unbekannt, weshalb auch meist niemand diese Schriften kennt.
    https://www.shingon-institut.com/buddhistische-heilkunst/


    Kuan ting ch'i wan erh ch'ien shen wang hu pi ch'iu chou ching
    http://www.acmuller.net/descri…atalogue/files/k0174.html


    Bhaiṣajyagurupūrvapraṇidhānaviśeṣavistara(sūtra)
    http://www.acmuller.net/descri…atalogue/files/k0176.html


    Bhaiṣajyaguruvaiḍūryaprabhāsapūrvapraṇidhānaviśeṣavistara(sūtra)
    http://www.acmuller.net/descri…atalogue/files/k0177.html


    Saptatathāgatapūrvapraṇidhānaviśeṣavistara(sūtra)
    http://www.acmuller.net/descri…atalogue/files/k0178.html


    Bhaiṣajyarājabhaiṣajyasamudagata(bodhisattvasūtra)
    http://www.acmuller.net/descri…atalogue/files/k0379.html


    Die Siddham in der japanischen Kunst in Ritualen der Heilung
    https://archiv.ub.uni-heidelbe…ssertation-Mark-Hosak.pdf


    Das Àrya Mahàyàna Sútra vom Heiligen Goldenen Licht
    http://www.fodian.net/world/go…sutravomgoldenenlicht.pdf


    Das Sutra vom Bodhisattva Akashagarbha
    http://www.buddhismus-studium.…material_akashagarbha.pdf

  • Vielen Dank dafür! Mir ist grad auch klar geworden, dass meine Frage zu kurz greift.
    Ebenso wenig wie es eine buddhistische Heilkunst gibt, gibt es eine christliche oder jüdische Heilkunst. Das hat weniger mit Religionen als mit antiken Hochkulturen zu tun und da schafften die Inder, Chinesen, Babylonier und Griechen die Grundlagen. Der Groschen ist gefallen!!! ;)

  • fotost:

    regelmäßige Körperpflege


    Im Zentralgebiet sollen Buddhas Mönche nicht mehr als alle 14 Tage baden. Was nicht häufig, aber regelmäßig ist. Aber dafür wird die Mundhygiene wichtiger genommen.

  • Hallo fotost,

    fotost:
    • Gibt es irgendeine ernste Erkrankung, die im Westen regelmäßig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung behandelt wird, bei der die Behandlung auf Erfahrungen der tibetischen Medizin erfolgt?
    • Was sind die konkreten Haupterfolge der tibetischen Medizin aus über 3.000 Jahren?
    • Hat schon jemand auf der Basis der Lehren der tibetischen Medizin einen Nobelpreis für Medizin erhalten?
    • Gibt es religionsunabhängige Forschung zur Frage möglicher negativer Nebenwirkungen tibetischer Medizin?


    Ich glaube, es ist keine Unterstellung, die Liste Deiner Fragen für rhetorisch/pädagogisch( :grinsen: ) zu halten. Die Fragen sind legitim.


    Ich hätte da auch Fragen:

      - Gibt es irgendeine ernsthafte Erkrankung, die auf Grund der westlichen Medizin erst entstanden ist?
      - Was sind die konkreten Niederlagen der westlichen Medizin aus 200 Jahren?
      - Kann man die Kriterien für die Nobellpreise (alle!) nicht hinterfragen?
      - Gibt es Forschungen über Nebenwirkungen westlicher Medizin, die Nebenwirkungen nicht als eine Art 'Kollateralschaden' betrachtet?


    (Caveat: Ich finde den Ausdruck 'westliche Medizin' problematisch. Was ich meine ist natürlich die Medizin, die in der Nachfolge eines Weltbildes entstanden ist, das seine Wurzeln im 'Westen' hat.


    Versteh' mich bitte nicht falsch: Es treibt mir oft die Tränen der Wut in die Augen, wenn (sehr) kranke Menschen irgendwelchen Idiotien aufsitzen, die behaupten, die Erkenntnis uralter, sanfter, nebenwirsamsfreier, 'östlicher' Weisheiten zu sein. Ich finde es unerträglich, wenn ein 'Chinese' (pars pro toto) glaubt, der Schwanz steht wieder, wenn er ein Pulver aus den abgeknallten afrikanischen Nashörnern und Elefanten einnimmt (und hier haben die westlichen Verfechter 'asiatischer Heilkunst' tatsächlich eine 'Bringschuld' - die Verteidiger 'asiatischer Identität' sind in der Tat relativ schweigsam, wenn es um solche Barbareien geht.


    Andererseits habe ich mit solchen Widersprüchen täglich in der Altenpflege zu tun: Drei Ärzte verschreiben Medikamente, ohne sich über Wechselwirkungen im klaren zu sein. Ich habe konkret den Fall, das ein Bewohner Medikamente bekommt, von denen ein anderer Arzt glaubt, dass diese Medikamente einige Symptome überhaupt erst verursachen, die dann mit anderen Medikamenten behandelt werden. Die Fachkräfte (ich bin nur Pflegehelfer) lesen dann die Sachen gar nicht erst, oder verstehen nicht, was bestimmte Arztbriefe bedeuten (ich hab' mal einmal rumtelefoniert, um rauszufinden, was 'kaffeesatzartiges Erbrechen' auf Tagalog heißt).

  • pamokkha:

    Im Zentralgebiet sollen Buddhas Mönche nicht mehr als alle 14 Tage baden.


    Es sei denn es gibt ausreichend rationale Gründe dafür.
    Dann ist es quasi egal wie oft. Nur zum Vergnügen soll
    es nicht sein.

  • Das hatte nichts mit meiner ursprünglichen Frage zu tun, aber streitet Euch gerne weiter wenn es Euch hilft. :)

    Axel:

    Die Fragen sind legitim.


    Die Fragen von fotost nach Nobelpreisen und Krankenversicherungen scheinen mir in diesem Zusammenhang eher absurd und nicht wirklich hilfreich.
    Was Nashornpulver, Tigerpfoten und das Kochen und Essen von möglichst seltenen wilden Tieren angeht, bin ich ganz bei Dir, Axel, weil ich das 1:1 in China gesehen und erlebt habe. Hier sind es aber meist nicht die Kranken, sondern die, die sich das leisten können. Es gilt als Demonstration des Luxus. Westliche Ärzte sind meiner leidvollen Erfahrung nach auch oft nur Stocherer im Nebel.

  • fotost:

    Fragen - vielleicht hast Du die Hintergrundinformationen


    Die Fragen sind zwar nicht an mich gerichtet und die Hintergrundinformation, die ich anbieten möchte, gibt auch keine Antwort darauf. Aber sie zeichnet ein recht gutes Bild der Gesundheitsversorgung in der traditionellen tibetischen Gesellschaft und ihrer Morbidität bei Einführung "westlicher" Methoden:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1088216/
    Ernsthafte Probleme, die die traditionelle tibetische Medizin nicht lösen konnte, waren vor allem Pocken und Geschlechtskrankheiten. Auch stand keine Anästhesie für chirurgische Eingriffe zur Verfügung.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG


  • Hallo Axel,


    wie gut Du mich doch verstehst :grinsen:
    Natürlich waren meine Fragen zum Teil rhetorisch gemeint. Das Pädagogische hab' ich mir gegenüber Religiösen weitgehend abgewöhnt.


    Ich bedauere sehr, das der Threadstarter meine Fragen als albern betrachtet und zum Beispiel nicht auf meine erste Antwort eingegangen ist. Aber zum Thema Religion wird die kritische Vernunft, die sonst überall angewendet eben wird eben gern abgeschaltet.


    Deine Gegenfragen, oder nennen wir es Fragen zur Anwendung westlicher Medizin sind nicht weniger angebracht und sollten im Zusammenhang mit dem heutigen Medizinwirtschaftsbetrieb häufiger gestellt werden. Ich kann nur meine stark eingeschränkte Ansicht als absoluter Laie abgeben, möchte mich aber um den Versuch einer Antwort nicht drücken.


    • Gibt es irgendeine ernsthafte Erkrankung, die auf Grund der westlichen Medizin erst entstanden ist?


      Jein. Die wM hat zu einer massiver Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen, so daß indirekt typische Alterserkrankungen deutlich zugenommen haben. Die Alternativen wären 'tot, aber gesund' oder 'alt, aber krank'. 'Alt werden, aber immer gesund und fit wie Turnschuh' ist ein Ziel, kann aber leicht zu Anhangen im buddhistischen Sinne führen.


      Dazu kommt, daß starke Wirkung meist mit starken Nebenwirkungen verbunden sind, die zu oft unter den Tisch gekehrt werden.
      Sonst siehe bitte die Antwort auf Deine 4. Frage



    • Was sind die konkreten Niederlagen der westlichen Medizin aus 200 Jahren?


      Spontan fällt mir ein, daß in den letzten 200 Jahren noch oft moralische Urteile bei der Bewertung von Erkrankungen mit eingeflossen sind. Die Behandlung psychischer Erkrankungen war früher übel (ist sie bestimmt heute zum Teil noch), HIV wurde jahrelang kaum intensiv erforscht, solange die Krankheit als 'Schwulenpest' angesehen wurde etc.


      Und - bei allen Erfolgen sind die Ergebnisse bei degenerativen Erkrankungen oder Behinderungen die auf der Basis genetischer Defekte entstehen noch sehr gering.



    • Kann man die Kriterien für die Nobelpreise (alle!) nicht hinterfragen?


      Klar.



    • Gibt es Forschungen über Nebenwirkungen westlicher Medizin, die Nebenwirkungen nicht als eine Art 'Kollateralschaden' betrachtet?


      Gibt es garantiert, Du bist wahrscheinlich näher dran als ich. Wissenschaftskritik ist ein wesentlicher Bestandteil von Wissenschaft.


      Zu den Nebenwirkungen der wM (zurück zu Frage 1.) fällt mir das besorgniserregende Vordringen resistenter Keime ein, die dabei sind viele Haupterfolge der wM zunichte zu machen. Extrem üble Sache.


      Eine andere grundsätzliche Nebenwirkung hast Du erwähnt. Durch die Erfolge der wM ist zu oft der Blick auf den Kranken gegenüber dem Blick auf die Erkrankung verloren gegangen. 'Die Niere' in Zimmer 237 ist keine Niere, sondern die 42 jährige Susanne B., die neben Schmerzen und der Angst vor der OP eben noch ihre Kinder und ihren Mann im Kopf hat und sich fragt, ob sie den Urlaub, den sie zusammen von 5 Monaten gebucht haben absagen sollen und was im Moment im VHS Kurs den sie leitet abläuft etc... Was konkret oft dazu führt, daß medizinisches Personal den Einfluß anderer Faktoren einfach nicht sieht.

  • Mai:

    ... Wird der menschliche Körper im Buddhismus anders betrachtet?


    Gesundheit ist eine notwendige Voraussetzung,"die Anspannung des Bemühens zu ertragen":



    Aber der Körper sollte deshalb nicht zum Selbstzweck werden:


    Zitat

    "Aggivessana, dieser Körper, der aus materieller Form besteht, sich aus den vier großen Elementen zusammensetzt, von Mutter und Vater gezeugt wurde und mittels gekochtem Reis und Reisbrei aufgebaut wurde, ist der Vergänglichkeit unterworfen, unterworfen der Abnutzung und dem Abrieb, der Auflösung und dem Verfall. Er sollte als vergänglich, als Dukkha, als eine Krankheit, als ein Geschwür, als ein Stachel, als ein Unglück, als Leid, als fremd, als etwas, das sich auflöst, als leer, als Nicht-Atman betrachtet werden. Wenn man diesen Körper so betrachtet, überwindet man die Gier nach dem Körper, die Verliebtheit in den Körper, die Unterwürfigkeit gegenüber dem Körper."


    (Majjhima Nikāya 74: An Dīghanakha - Dīghanakha Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Herzlichen Dank Elliot! Du findest immer die richtigen Stellen. :);)
    Der Buddhismus ist keine körperfeindliche Religion wie das Christentum. Deswegen entstand meine Frage nach der Heilkunst. Aber ich habe hier alle Antworten gefunden, die ich für meine Frage brauchte.
    Danke Euch allen und lieben Gruß von Mai :kiss:

  • Es paßt nicht 100% in den Zusammenhang des Threads, ich könnte mir nur vorstellen, daß Menschen, die den 'buddhistische Heillehre' Gedanken verfolgen, vielleicht auch Interesse an anderen alternativen Heillehren haben.


    Es gibt eine ganz aktuelle Warnung der US-Arzneimittelbehörde vor einigen homöopathischen Präparaten.


    http://www.heilpraxisnet.de/na…praeparate-20170223220627


    https://www.fda.gov/Drugs/Drug…byDrugClass/ucm538669.htm


    Natürlich haben normalerweise homöopathische Zuckerkugeln keinerlei Nebenwirkung, weil sie auch keinerlei Wirkung haben, nur bei den Präparaten die hier genannt werden ist echter Wirkstoff enthalten mit potentiell gefährlichen Resultaten.