Wir kennen die Geschichte vom Floß, das uns über den Fluss trägt. Das Floß, von dem es heißt, es sei absurd, es weiter auf den Schultern mit sich zu schleppen, wenn man den Fluss erst einmal überquert hat.
Ist das Floß (der Dharma) nur ein Vehikel, um von A nach B kommen? Ein bloßes Mittel zum Zweck, das entsorgt werden kann, wenn es seinen Zweck erfüllt hat?
Ist dieses Streben von A nach B, also von einem als unbefriedigend empfundenen Zustand zu einem der Befriedigung verheißt, nicht genau das gleiche Muster, das vielen Handlungen unseres alltäglichen Lebens zugrundeliegt? Dieses Streben von A weg und zu B hin, dem Ort des Glücks, der grundsätzlich in der Zukunft liegt? "Ich werde glücklich sein, wenn ich mein Examen in der Tasche habe, wenn ich diesen Job habe, wenn ich diese Frau geheiratet habe. Wenn ich erst, wenn ich erst, wenn ich erst..."
Wir haben alle gemerkt, dass das mit dem Glück so nicht funktioniert. Wir haben dukkha geschmeckt. Das imaginierte zukünftige Glück ist immer ungleich attraktiver als die reale Befriedigung in der Gegenwart, die sich dann auch noch, sollte sie sich einstellen, schneller verflüchtigt, als wir uns umschauen können. Wenn wir das Von-A-nach-B-Spiel auf das spirituelle Fluß-und-Floß-Projekt übertragen, werden wir ebenso scheitern wie bei unseren weltlichen Glücks-Projekten.
Wenn das Floß also kein MIttel zu Zweck (Überqueren des Flusses) ist, was ist es dann?
Die Planken, aus denen Flöße dieser Art zusammengezimmert sind, das sind Konzepte und Glaubensgegenstände, die uns scheinbar einen festen Boden unter den Füßen sichern.
Bei diesem speziellen Floß, dem Dharma-Floß, sind wir angehalten, uns Tatsache bewusst sein, dass es aus Konzepten zusammengebaut ist, während wir bei anderen Flößen diese Tatsache permanent übersehen und Konzept und WIRKLICHKEIT gleichsetzen. Dieses eine Floß ist besonders, weil es uns genau dahin tragen soll, wo Konzepte nicht mehr tragen. Ein Vehikel aus Begriffen, das uns in das Reich der Begriffslosigkeit fährt. Ein Zeichen ins Reich der Zeichenlosigkeit...
Aber auch hier schon wieder die Dualität von A und B, von Hier und Dort, von Reich 1 und Reich 2. Es ist ein Kennzeichen alles Begrifflichen, die Wirklichkeit in Teile und Oppositionen aufzuspalten. Sobald wir anfangen, über die Wirklichkeit zu reden, spalten wir sie in Gegensätze auf. Und dieses Spiel beginnt schon, wenn wir nur anfangen, über die Wirklichkeit zu denken.
Ein Floß haben wir zusammengezimmert aus Begriffen, Konzepten, Vorstellungen. Dieses spezielle Dharma-Floß ist kein Vehikel, um von A nach B zu kommen. Dieses Fahrzeug gewährt uns keinen festen Boden unter den Füßen. Denn es hat nie festen Boden gegeben. Der scheinbar feste Boden ist der Boden der Konzepte, nur eine Vorstellung von der Wirklichkeit, die wir der Wirklichkeit überstülpen. Dieses spezielle Floß ist kein Fahrzeug, um von A nach B zu kommen. Dieses Floß kann uns die Augen dafür öffnen, dass es kein A und B gibt und wir also nirgendwo hin müssen, da wir immer schon da sind.
LG
Onda