TSA LUNG THIGLE ...bezieht sich auf die Praxis der Balancierung des eigenen Körperausdrucks durch Harmonisierung der Elemente und Reinigung der einzelnen Aspekte, die nach tibetischer Vorstellung einen lebendigen Körper am Leben erhalten. TSA sind die zentralen, grossen, kleinen und kleinsten Energiekanäle. (TSA UMA ist z.B. der Zentralkanal), LUNG sind die "Winde" oder auch: Bewegung - und THIGLE ist die Grenze zwischen Raum und Manifestation. In diesem Zusammenhang ist THIGLE damit auch die Lebenskraft bzw. die individuelle Fähigkeit, Energie aus dem Raum im Körper zu erzeugen. Nach daoistischer Vorstellung (u.a.) ist dieses Energiepotential begrenzt und irgendwann erschöpft. Das scheint mir aber angesichts der Idee von "THIGLE" als Begriff für die Lebenskraft fragwürdig zu sein. Zwar mögen angeborene Gewohnheitsstrukturen zu einer Abnahme der Fähigkeit führen, Energie aus dem Raum zu erzeugen, aber auch diese Strukturen sind theoretisch überwindbar. TSA LUNG THIGLE bedeutet nun in erster Instanz, zu harmonisieren, wo, wieviel und welche Art von Energie manifestiert wird (THIGLE) und wie sich diese über die Energiebahnen (TSA) verteilt (LUNG). Das führt zu einem gesunden Körper und Geist. In der nächsten Instanz geht es aber auch um die Erschaffung des Regenbogenkörpers. Wenn nämlich jede Zelle gelernt hat, Energie direkt aus dem Raum zu beziehen und sich damit zu erhalten, braucht der Körper erstens keine Energie von Aussen mehr (Luft, Wasser, Nahrung usw.) und ist damit vollkommen unabhängig - und kann ausserdem - noch einen Schritt weiter - nach Belieben aus der Form und in die Form gehen und Erscheinungsformen wechseln. Die erste Instanz ist die öffentliche Ebene dieser Praxis, die zweitgenannte eine "geheime" Form der Praxis, da damit viele Gefahren verbunden sein können. Während man mit dieser wie mit anderen "geheimen" Yogas über die Umwandlung des Stofflichen zur Erleuchtung kommen kann, würde die Erlangung der Buddhaschaft über andere Methoden (die weniger riskant sind) rückwirkend diese Fähigkeiten von selbst ausformen. Aus dem höchsten Blickwinkel sind die beiden Methoden aber gar nicht so verschieden. In beiden Fällen tritt von Natur aus ordnende und harmonisierende Energie direkt aus dem Raum vermehrt in den Körper ein - und löst in der Folge alle Blockaden und störenden Muster auf. Beim TSA LUNG THIGLE tritt die Energie in der Fläche in die kleinsten feinsten Energiebahnen in den Körper ein und arbeitet sich in die größeren Kanäle durch, bis ein Schub von harmonisierter Energie die größten Kanäle mit Leichtigkeit mitnimmt. Hier liegt die Schwierigkeit eher darin, sich anfangs und in der Mitte nicht durch die vielen kleinen subtilen Energiemuster irritieren zu lassen, die einem von allen Seiten um die Ohren fliegen. Anders herum reinigt die (zunächst) an einem einzelnen Punkt (Chakra) eintretende Energie zunächst die TSA UMA und die grossen Kanäle, so dass alle Chakren gleichzeitig geöffnet sein können und die Energie dann immer tiefer in den Körper eindringt und so alles harmonisiert. Dabei liegt die Schwierigkeit eher darin, nicht an den groben Blockaden der zentralen Kanäle hängen zu bleiben. Ob die Energie über die kleinen Kanälchen eintritt oder über die zentralen Chakren - in jedem Fall handelt es sich um die gleiche Quelle - und in dem Moment wo sich diese Aspekte der einen Quelle im eigenen Körper vereinigen, hat man es geschafft. Statt entweder nur von Innen nach Aussen zu gehen oder nur von Aussen nach Innen kann man es natürlich auch ganz geschickt anstellen und auf beiden Seiten gleichzeitig anfangen. So vermeidet man die meisten Schwierigkeiten und daher werden meist auch Mittel gelehrt, die mehr oder weniger in dieser Weise von beiden Seiten her "angreifen"... Also z.B. praktiziert man TSA LUNG THIGLE i.d.R. in Kombination mit der Dzogchen-Sichtweise - und füllt durch Bodhicitta auch noch die Mitte aus. Noch geschickter ist es vielleicht, sich durch Guru-Yoga auf eine authentische bereits erleuchtete Form auszurichten, die in einem menschlichen Körper manifestiert ist. Auch ein guter Yidam als Identifikationsobjekt ist eine Praxis, die so funktioniert. Dann kann sich der Körper und Geist auf allen Ebenen gleichzeitig an diesem Modell orientieren und man muss sich über all das Zeug, das Du in diesem Text gelesen hast, um hier anzukommen, keine Gedanken machen ;) Auch wenn diese Prozesse in irgendeiner Weise stattfinden müssen, bei dieser Methode "passiert es einfach" in der am besten geeigneten Weise. Der Vorteil einer Yidampraxis ist, dass es nicht so schwer ist, einen geeignete Aspekt zu finden. Es geht aber nicht ganz so schnell, weil die Ebene des Körpers nicht direkt widergespiegelt werden kann. Beim Guru-Yoga mit einem menschlichen Lama ist der Nachteil, dass es nicht leicht ist, einen Lama zu finden, dem man vertraut, weil da so viele menschliche Aspekte dazwischen funken können. Eine gute Zwischenlösung ist ein Lama, der nicht mehr lebt, wie z.B. Guru Rinpoche oder der 16. Karmapa. Diese sind mit der menschlichen Verkörperung vertraut, aber aus den menschlichen Verstrickungen raus.