Die Probleme der buddhistischen Philosophie.
Bereits 1924 stellte Dr. Rosenberg von der Universität Leningrad fest, dass der Abhidharma eine Grundvoraussetzung für das Verstehen der buddhistischen Philosophie ist, in dem er schreibt:
Der an das Studium der buddhistischen Literatur Herantretende staunt unwillkürlich über die Verschiedenartigkeit der Richtungen, welche im Laufe der Jahrhunderte auf dem Gebiete des Buddhismus entstanden sind. Bei oberflächlicher Beobachtung sind die Unterschiede scheinbar sehr wesentlich, es kann einen vorkommen, als hätte man es nicht mit Unterabteilungen des Buddhismus zu tun, sondern mit verschiedenen Religionen. Es fragt sich also, was ist es, das alle Richtungen doch vereinigt, was ihnen das Recht gibt, sich Buddhismus zu nennen.
Das Studium des älteren Buddhismus muss mit dem in der Sammlung des Abhidharma enthaltenen systematischen Traktaten beginnen, d.h. mit der sogenannten Literatur der „Gründerväter“, welche tatsächlich den späteren buddhistischen Organisationen zugrunde liegt und nicht mit den sutra. Bisher sind in Europa immer die sutra in den Vordergrund geschoben worden, in Sonderheit die Pali-sutra, welche den wirklichen, reinen Buddhismus enthalten sollen.
Die sutra wurden selbstständig erläutert und übersetzt; die in den Traktaten und Kommentaren enhaltene traditionelle Auslegung wurde mehr oder weniger ignoriert.
Der Pali-Abhidharma ist wenig studiert worden. Tatsächlich ist der Schlüssel zum Verständnis der buddhistischen Dogmatik und der Geschichte der buddhistischen Sekten gerade in ihm enthalten, da er uns autoritative Hinweise in Bezug auf die Gedanken gibt, welche wirklich unter den führenden Buddhisten vorgeherrscht haben, und nicht auf diejenigen, welche wir auf Grund einer mehr oder weniger willkürlichen Auslegung der sutra anzunehmen geneigt sind, der sutra, in denen wir lakonische Formeln finden, die ohne Kenntnis des Abhidharma sich nur einer künstlichen Gruppierung unterwerfen lassen.
Die erste Übersetzung eines der Pali Traktate erschien erst im Jahre 1900, als sich in der europäischen Literatur das Bild des Buddhismus auf Grund der Literatur der sutra im allgemeinen schon fixiert hatte. Der Sanskrit Abhidharma im Original ist fast ganz verloren gegangen, er hat sich nur in chinesischer und tibetischer Übersetzung erhalten. Dadurch erklärt sich wahrscheinlich, daß er verhältnismäßig so spät der Gegenstand des Studiums geworden ist.
hedin