Vertiefungen

  • Bambus:

    Ist "weises Erwägen" mit intellektueller Durchdringung gleichzustellen? Im Gegensatz zu in Vertiefung erlangter Erkenntnis?
    Oder hat jemand für mich eine Definition von "weises Erwägen"? Vielen Dank.


    Ja, da sind wir wieder bei der Übersetzung.
    Denn hier handelt es sich bei diesem speziellen "Erwägen" in Pali
    nicht einfach nur um eine gewöhnliche Überlegung sondern
    um "yoniso manasi" was eher eine auf die Grundlagen
    gerichtete Betrachtung, Beobachten, ein Erkennen und Durchdringen ist.

  • Bambus:


    Ist "weises Erwägen" mit intellektueller Durchdringung gleichzustellen? Im Gegensatz zu in Vertiefung erlangter Erkenntnis?


    Intellektuelles Durchdringen, lieber Bambus, ist für mich zwar "schon scharfsinnig erkannt", aber immer noch "Verstand".


    Zitat

    Oder hat jemand für mich eine Definition von "weises Erwägen"?


    Weises Erwägen ist für mich das auf das intellektuelle Durchdringen folgende Hineinfühlen, körperlich wahrnehmende Erkennen der Wahrheit.


    Beispielsweise, wenn ich blitzartig erkenne, dass ich gespiegelt werde, dass ich diejenige bin, die projiziert, mich danach dann in die Stille begebe und das Erkannte dann mit meiner ganzen Achtsamkeit von allen Seiten anschaue, dann akzeptiere als "meins" und durch dieses weise Erwägen die Bereitschaft da ist, es - wenn nötig - auszureißen.
    Weises Erwägen ist für mich eine Frucht des Geistes, weil zuvor erkannt wurde, dass es sich wirklich lohnt, zurückzublicken, hinzuschauen, auch wenn es zunächst unerträglich zu sein scheint. Im Laufe der Zeit ist das überhaupt kein Problem mehr. Ein Problem ist es eher, wenn sich zu feste Vorstellungen einnisten, neue Konzepte: Ich bin Tibeter, Zennie, ich bin Vater, Mutter, zu jung, zu alt usw. und man nicht bereit ist, über den Tellerrand zu schaun bzw. einen Schritt zurückzutreten. Dann fehlt eben das weise Erwägen.
    _()_

  • Betr. "Erwägen" in M2


    Die spezifische Wendung ist (a)yoniso manasi karoti - und das bedeutet die intentionale Ausrichtung aller geistiger Aktivitäten - von mano, Ablativ manasi, das ist kein Verb sondern ein Substantiv!. Das Verb ist karoti.

  • accinca:

    Eigentlich: "yoniso manasikaroto" = grundlegendes mit dem Geistmachen


    Nein, es ist eine idiomatische Wendung und in M2 ist es eine Verbalphrase, was Du da angibst, ist eine adjektivische Zusammensetzung.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Lieber Bel,


    Bel:

    intentionale Ausrichtung aller geistiger Aktivitäten.


    sagt Monika dann den wesentlichen Punkt?


    MonikaMarie1:

    aber immer noch "Verstand"


    Gruß


    Bambus

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • bel:
    accinca:

    Eigentlich: "yoniso manasikaroto" = grundlegendes mit dem Geistmachen


    Nein, es ist eine idiomatische Wendung und in M2 ist es eine Verbalphrase, was Du da angibst, ist eine adjektivische Zusammensetzung.


    Wat nicht alles gibt in der Welt. ;)

  • Bambus:

    Lieber Bel,sagt Monika dann den wesentlichen Punkt?

    MonikaMarie1:

    aber immer noch "Verstand"

    Gruß Bambus


    Auf alle Fälle ohne Verstand geht gar nichts. Ohne Verstand auch kein verstehen.

  • Bambus:
    Bel:

    intentionale Ausrichtung aller geistiger Aktivitäten.


    sagt Monika dann den wesentlichen Punkt?

    MonikaMarie1:

    aber immer noch "Verstand"


    Mano kann man als Sinnesfähigkeit verstehen, die auf rationalen Aspekt der dhammas ziehlt, wie das Sehen auf den visuellen Aspekt der Dhammas. Manchmal wird Mano aber auch ganz allgemein als Synonym für Bewußtsein verwendet - das würde ich hier sogar bevorzugen.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • accinca:
    bel:

    Nein, es ist eine idiomatische Wendung und in M2 ist es eine Verbalphrase, was Du da angibst, ist eine adjektivische Zusammensetzung.


    Wat nicht alles gibt in der Welt. ;)


    Ja, ohne Grammatik keine Sprache und kein Verstehen - man sollte es nicht glauben.

  • Losang Lamo:

    Jetzt seid Ihr von den Vertiefungen abgekommen und an die Oberfläche der Grammatik geraten. :)


    Bitte um Vergebung, aber man kann, wenn es um eine Übersetzung geht, dieses Rhabarbern von accinca einfach so nicht stehen lassen.

  • bel:
    Losang Lamo:

    Jetzt seid Ihr von den Vertiefungen abgekommen und an die Oberfläche der Grammatik geraten. :)


    Bitte um Vergebung, aber man kann, wenn es um eine Übersetzung geht, dieses Rhabarbern von accinca einfach so nicht stehen lassen.


    Ich danke Dir dafür! Du hast es schon zum zweiten Mal geschafft mein Verstehen zu vertiefen. Ich vergebe Dir nicht!!! :D
    liebe Grüße
    Helmut

  • accinca:
    Losang Lamo:

    Ich fand es nur witzig. :)


    Ich auch!


    Du findest etwas witzig? Bravo!!! :lol:

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • MonikaMarie1:

    Sonst wäre es ja auch schon die endgültige Überquerung. Unter dem Stromeintritt verstehe ich, dass ich endlich das Ufer verlassen habe, um auf die andere Seite zu kommen - wie auch immer, Hauptsache ich sacke nicht ab und falle zurück. Dazu gehört Einsicht. Mit fortschreitender Überquerung vertieft sich diese.


    So ist es. Um noch einmal die Zusammenhänge und die Unterschiede zu verdeutlichen:


    Zitat

    "Sollte ein Bhikkhu wünschen: 'Möge ich mit der Vernichtung von drei Fesseln ein Stromeingetretener werden, dem Verderben nicht länger unterworfen, (des Weges) gewiß, auf das Erwachen zugehend', dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Herzensruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen." (MN 6)


    Um welche drei Fesseln es beim Stromeintritt geht, das wird hier gesagt:


    Zitat

    "Er erwägt weise: 'Dies ist Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt' [5]. Wenn er auf solche Art weise erwägt, werden drei Fesseln in ihm überwunden:


    • Persönlichkeitsansicht,
    • Zweifel, und
    • Anhaften an Regeln und Ritualen.


    Diese nennt man die Triebe, die durch Sehen überwunden werden sollten [6]." (MN 2)


    Etwas mehr erfordert dann dies:


    Zitat

    "Sollte ein Bhikkhu wünschen: 'Möge ich mit der Vernichtung der fünf niedrigeren Fesseln dazu bestimmt sein, spontan (in den Reinen Bereichen) [4] wiederzuerschienen und dort Nibbāna zu erlangen, ohne je von jener Welt zurückzukehren', dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Herzensruhe widmen ( cetosamathamanuyutto ), die Meditation nicht vernachlässigen ( anirākatajjhāno ), Einsicht pflegen ( vipassanāya ) und in leeren Hütten wohnen." (MN 6)


    Hier steht, was mit den fünf niedrigeren Fesseln gemeint ist:


    Zitat

    "Ehrwürdiger Herr, ich erinnere mich an die Persönlichkeitsansicht als eine niedrigere Fessel, die vom Erhabenen gelehrt wurde. Ich erinnere mich an den Zweifel als eine niedrigere Fessel, die vom Erhabenen gelehrt wurde. Ich erinnere mich an das Festhalten an Regeln und Ritualen als eine niedrigere Fessel, die vom Erhabenen gelehrt wurde. Ich erinnere mich an die Sinnesbegierde als eine niedrigere Fessel, die vom Erhabenen gelehrt wurde. Ich erinnere mich an das Übelwollen als eine niedrigere Fessel, die vom Erhabenen gelehrt wurde. Auf diese Weise, ehrwürdiger Herr, erinnere ich mich an die fünf niedrigeren Fesseln, wie sie vom Erhabenen gelehrt wurden." (MN 64)


    Die fünf niedrigeren Fesseln sind also die drei Fesseln, die schon am Stromeintritt hindern (Persönlichkeitsansicht, Zweifel und Anhaften an Regeln und Ritualen) und zusätzlich noch die zwei Fesseln Sinnesbegierde und Übelwollen. Und weiter heisst es:


    Zitat

    "Es gibt einen Pfad, Ānanda, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich. Wenn da ein großer Baum voller Kernholz steht, so ist es nicht möglich, daß irgendjemand sein Kernholz schneiden wird, ohne durch seine Rinde und sein Weichholz zu schneiden, ebenso gibt es einen Pfad, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich."


    "... Und was, Ānanda, ist der Pfad, der Weg zur Überwindung der fünf niedrigeren Fesseln? In Abgeschiedenheit von jeglicher Vereinnahmung [4], mit der Überwindung unheilsamer Geisteszustände, mit der völligen Stillung körperlicher Trägheit tritt da ein Bhikkhu ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind." ... (MN 64)


    Persönlichkeitsansicht, Zweifel und Anhaften an Regeln und Ritualen könne jeweils auch bereits durch "weises Erwägen" aufgegeben werden, das ist im wesentlich eine intelelktuelle wollentliche und wissentliche Handlung.


    Was ist nun das besondere an den zwei Fesseln Sinnesbegierde und Übelwollen, dass im Gegensatz zu Persönlichkeitsansicht, Zweifel und Anhaften an Regeln und Ritualen ihr Überwinden das Verweilen in den Vertiefungen unumgänglich macht? Das liegt an den fünf Hindernissen (nicht zu verwechseln mit den Fesseln):


    Zitat

    "Freund, in der ersten Vertiefung sind fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten. Wenn da ein Bhikkhu in die erste Vertiefung eingetreten ist, ist Sinnesbegierde überwunden, Übelwollen ist überwunden, Trägheit und Mattheit ist überwunden, Rastlosigkeit und Gewissensunruhe ist überwunden und Zweifel ist überwunden; und es treten anfängliche Hinwendung des Geistes, anhaltende Hinwendung des Geistes, Verzückung, Glückseligkeit und Einspitzigkeit des Geistes auf. Auf diese Weise sind in der ersten Vertiefung fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten." (MN 43)


    Deshalb auch diese klare Aussage:


    Zitat

    "Es gibt diese fünf Hindernisse, Student. Was sind die fünf? Das Hindernis der Sinnesbegierde, das Hindernis des Übelwollens, das Hindernis von Trägheit und Mattheit, das Hindernis von Rastlosigkeit und Gewissensunruhe, und das Hindernis des Zweifels. Dies sind die fünf Hindernisse. Der Brahmane Pokkharasāti wird von diesen fünf Hindernissen beeinträchtigt, gehemmt, aufgehalten und eingehüllt. Daß er einen übermenschlichen Zustand, Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, kennen, sehen, verwirklichen oder ausüben könnte - das ist unmöglich."(MN 99)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Na, wenn da nun noch eine Frage offen bleiben sollte,
    außer dieser, die nur mit Weisheit zu erwägen und zu beantworten ist,
    dann weiß ich auch nicht. ;)


    Liebe Grüße an alle !

  • Den Anusari gibt es da ja auch noch:


    Zitat

    Es wird zwischen zwei Typen unterschieden, dem "Vertrauend-Nachfolgenden" (saddh'anusari), es heißt, er vertraue der Lehre und neige sich ihr zu, und dem "Weise-Nachfolgenden" (dhamm'anusari), er hat die vom Vollendeten aufgezeigten Dinge weise allmählich betrachtet. Bei ihm ist die Weisheitsfähigkeit stark entwickelt.


    Der Buddha sagt über den Anusari: "Unfähig ist der Anusari, eine Tat zu begehen, derzufolge er in der Hölle, im Tierschoß, in der Gespensterwelt geboren werden könnte, unfähig ist er abzuscheiden, bevor er die Frucht des Stromeintritts verwirklicht hat."


    Das bedeutet, der Nachfolger (anusari) kann, ja muss zum Stromeingetretenen (sotapanna) werden, wobei von den insgesamt zehn Fesseln der Wesen an leidiges Vergängliches er die ersten drei dann restlos aufgelöst hat.


    http://www.buddha-dhamma.de/erleuchtung.htm

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)