Bodhisattva Gelübde

  • habe mir erlaubt, deine Anregung anders anzuordnen:


    Das ist in der Tat sehr... weitgehend.


    Kann man die Assoziationsfelder für die Zeichen "Wesen", "ohne Zahl" und "geloben" in ähnlicher Weise auffächern?
    Äh, wenn Du mal zuviel Zeit hast...


    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien

  • Jojo:

    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien


    interessant ist die Kombination von 衆 (Shu) - unendlich/Milliarden/alle - und "無 辺" ohne Zahl - man könnte das als poetische Verstärkung auffassen oder/und aber letzteres als Anspielung auf die "höchste Wahrheit" - nämlich "ohne tatsächlich (feste) Existenz" - was letztlich bedeuten würde, daß es um unsere Vorstellungen von "Wesen" geht, den "Wesen" in unserer Vorstellung.
    願 (gan) "wollen" kennzeichnet den Verbmodus von "dō" im Optativ.

  • Wadoku ist aus dem schon genannten Grund - kein Japanisch - ungeeignet, die Bedeutung der jap. Kanjis ist nicht zwingend identisch mit der Bedeutung der chinesischen Entsprechungen.
    Auch moderne chinesische Online-Wörterbücher erfüllen nicht den Zweck, weil sie idR nicht die spezifisch buddhistischen Bedeutungen enthalten, und vor allem die Umgangssprache betreffen, nicht die Literatursprache.
    Als erste Anlaufstelle deshalb: http://www.buddhism-dict.net/ (frei für täglich begrenzte Zahl von Anfragen)
    Aber ohne Basiskenntnisse der (klassischen) chinesischen Grammatik (auch anders als Japanisch) läuft auch da nix, ich benutze den GABELENTZ, zwar antiquarisch und ne ziemliche Bleiwüste, sonst ganz gut.

  • bel:
    Jojo:

    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien


    interessant ist die Kombination von 衆 (Shu) - unendlich/Milliarden/alle - und "無 辺" ohne Zahl - man könnte das als poetische Verstärkung auffassen oder/und aber letzteres als Anspielung auf die "höchste Wahrheit" - nämlich "ohne tatsächlich (feste) Existenz" - was letztlich bedeuten würde, daß es um unsere Vorstellungen von "Wesen" geht, den "Wesen" in unserer Vorstellung.
    願 (gan) "wollen" kennzeichnet den Verbmodus von "dō" im Optativ.


    Der Optativ ist ein Verbmodus, der bezeichnet, was erwünscht oder was möglich ist.


    Also könnte man es ungefähr so lesen:
    Shu jo | Alle Wesen
    mu hen | ohne feste Existenz / in meinen Vorstellungen
    sei gan | erwünscht oder möglich
    gan do | übersetzen (zum anderen Ufer), überqueren (einen Fluß), befreien, paramita, das Haus verlassen und den Weg suchen


    Ich bin die nächsten Tage nicht da. Nächste Woche sehe ich mal nach den anderen Zeilen.
    Kennt jemand vielleicht ein Buch, das sich auf linguistischer Ebene mit dem Shiguseiganmon beschäftigt?
    Shohaku Okumuras "Living by vow" behandelt den sprachlichen Hintergrund kaum.

  • Namaste!


    Hi fotost,


    Ich hatte einfach das "manifest" der Übersetzung mit "verkörpern" übersetzt, welches dem näher kommt als "folgen" (wobei da natürlich immer das "butsu" fehlt, da es ja der Buddha-Weg ist...).


    Da ich aber weder japanisch noch chinesisch kann weiß ich natürlich nicht, was passender ist.


    In unserer Sangha wird der Text ohnehin in der japanischen Fassung (oder halt japanisierten chinesischen Fassung... keine Ahnung) rezitiert.
    Daheim vor dem Butsudan verwende ich neben der japanischen Fassung diejenige der Zaltho-Sangha, da diese auch auf Deutsch einigermaßen melodisch klingt.


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Benkei:

    Ich hatte einfach das "manifest" der Übersetzung mit "verkörpern" übersetzt, welches dem näher kommt als "folgen" (wobei da natürlich immer das "butsu" fehlt, da es ja der Buddha-Weg ist...).


    verkörpern gefällt mir im Moment auch besser als "folgen".
    "folgen" impliziert, dass da was Vorgezeichnetes ist.

  • Jojo:

    Der Optativ ist ein Verbmodus, der bezeichnet, was erwünscht oder was möglich ist.


    Und was man will, was gewollt ist.


    Jojo:

    Also könnte man es ungefähr so lesen:
    Shu jo | Alle Wesen
    mu hen | ohne feste Existenz / in meinen Vorstellungen (das würde ich nicht explizit so sagen, es ist "vor aller Augen Verdecktes", ein Stilmittel)
    sei gan | erwünscht oder möglich
    gan do | übersetzen (zum anderen Ufer), überqueren (einen Fluß), befreien, paramita, das Haus verlassen und den Weg suchen


    Man kann ruhig eine traditionelle Übersetzung hernehmen und vor allem nicht interlinear übersetzten, den deutschen Syntax beachten.


    "Ich gelobe alle Wesen in unendlicher Zahl befreien zu wollen."


    Eigentlich finde die Übersetzung aus deinem Dojo nicht so schlecht - generell fehlt bei vielen (oder allen, keine Ahnung) Übersetzungen der Optativ-Modus - was einfach daran liegt, daß der im Deutschen/Englischen fast erloschen ist, entweder wird er durch Konjunktiv-1 (paßt hier nicht) oder durch Modalverben (modale Hilfsverben) umschrieben - was dann oft n bissel stelzig - oder gar als Abschwächung des vorher Gesagten - klingt.


    Prinzipiell ist es doch so, daß sich das Verständnis des Gelöbnisses mit der Praxis ändert - deshalb ist es auch nicht möglich eine für Jeden und jeden Zeitpunkt gültige Übersetzung festlegen.

  • dann habe ich das erste soweit durch.
    am dritten und vierten finde ich nicht viel zu deuteln.
    zum zweiten hätte ich noch etwas zu fragen


    hier die auflistung der unterschiedlichen übersetzungen:
    煩 悩 無 辺 誓 願 断
    Bonno| mu jin (hen)| sei gan| dan
    [ist es hen oder jin?]


    Geistige Blindheit ist unerschöpflich − wir geloben, sie zu überwinden.
    Gier, Hass und Unwissenheit entstehen unaufhörlich; ich gelobe, sie zu überwinden
    Unerschöplich sind eitle Vehaftungen, ich gelobe, sie alle zu lassen
    Täuschende Gedanken und Gefühle sind grenzenlos, ich gelobe sie alle zu lassen.
    Unerschöpflich sind die leidschaffenden Täuschungen. Ich gelobe, sie alle zu transformieren.
    However inexhaustible our delusions are, I earnestly aspire to extinguish them all
    Endless delusion – let go
    Die Verblendungen sind unerschöpflich – ich gelobe sie zu beenden
    Unerschöpflich blinde Leidenschaften - ich gelobe ihnen zu widerstehen


    die Bedeutung von bonno erschließt sich ganz gut aus den Varianten. Mich interessiert das Verb. "Überwinden, lassen, transformieren, auslöschen, beenden, widerstehen" wecken sehr unterschiedliche Assoziationen.


    Können die Chinesisch-Experten noch mal helfend eingreifen?
    Danach gebe ich Ruhe. Versprochen.