Fragen zum Nichiren Budhhismus

  • Manchmal hab ich den Eindruck, die drei Tendai-Leute Dogen, Shinran, Nichiren (ich mogel da Dogen mal noch mit darunter, obwohl mir schon klar ist,das er auf die Tradition des Ch'an zurückgreift) sind auf ganz einfache Sachen gestoßen. Auf so einfache, das wir sie oft nicht verstehen. Vielleicht ist es etwas, was uns zu nah ist, als das wir es bemerken. Auf Nur Sitzen, Nur Nembutsu, Nur Daimoku. Freilich haben sie dann doch wieder viele Sachen drum herum gestrickt. Und die Traditionen dann noch mehr. Aber es scheint mir da eine ähnliche Tendenz, Inspiration, Verwirklichung oder wie immer man das nennen will zu geben. Sicher kann man das speziellen Zustand nennen. Aber vielleicht ist es eher der Rückgang (Religio) zum allgemeinen, zum vorspeziellen, der sich dann schon speziell ausgedrückt hat. Und irgendwann gibts dann doch wieder ein riesen Lehrgebäude drum herum, das das Einfach so, das Nur verdeckt.


    So gesehen ist da ja weniger die frage, war der oder der erleuchtet wichtig. Und wir können uns trefflich über das drum herum streiten. Aber dadurch verpassen wir vielleicht das, was wir sonst auch so leicht übersehen. Das Nur. :lol:


    Ich hab mal nen Vortrag von nem koreanischen Zen-Mönch amerikanischer Abstammung über das Diamantsutra gesehen. Das was hängengeblieben ist und für mich so eindrücklich war, war seine Betonung auf "Not special", nichts besonderes.

  • Namaste!


    Hallo Jinen,

    Jinen:

    So gesehen ist da ja weniger die frage, war der oder der erleuchtet wichtig. Und wir können uns trefflich über das drum herum streiten. Aber dadurch verpassen wir vielleicht das, was wir sonst auch so leicht übersehen. Das Nur. :lol:


    Ja, diese "auslesende Konsequenz", das absolute Vertrauen in eine einzige Praxis, [Shikantasa, Nenbutsu, Daimoku, jeweils bei Dôgen Zenji, Shinran Shonin und Nichiren Shonin] findet man so bestimmt und kompromisslos nur bei wenig anderen Meistern.


    Die drei genannten "Traditions-Gründer" hatten zwar alle die Tendai Shû als "Mutter" [wird so ja auch in der "Ahnengalerie" auf dem Hiei-san "verkauft"], allerdings hatten sie auch alle eine andere Begründungen vorgelegt, weshalb man eben nur eine einzige Praxis - nämlich ihre - ausüben sollte.


    Dôgen Zenji berief sich da auf seine nicht zielführende Praxis als Tendai-Mönch und später als suchender Zen-Schüler, der dann einzig bei Tiantong Rujing den "Wahren Dharma" fand und auch übermittelt bekam. Für ihn gab es damit - aus seiner Erfahrung heraus - keinen anderen Weg.


    Shinran Shonin führte die Erfahrung seiner eigenen Unzulänglichkeiten [die wir wohl heute nicht mal als solche erkennen würden, bzw. als gar nicht so gewichtig ansehen würden] zu Hônen Shonin, dessen Lehre er dann noch radikaler interpretierte. Da er sich selbst bereits als Bompu ansah, uns sich seine Schüler im Vergleich mit ihm wohl ebenfalls so sahen, war die logische Konsequenz, sich ganz Amida Buddha hinzugeben.


    Nichiren Shonin sah demgegenüber in dem Umstand, dass sich die Tendai-Mönche immer mehr von den ursprünglichen Tendai-Lehren Saichô's und Chigi's abwandten, und stattdessen Schriften und Praktiken des Zen, Jôdo oder Shingon anwandten, einen Verfall der "Wahren Lehre" seiner Patriarchen.
    Aus meiner Sicht spielt bei ihm - im Gegensatz zu Dôgen und Shinran - eher der Wille zur Bewahrung einer Tradition, hier dem Lotos-Sutra-Aspekt der Tendai Shû, die Hauptrolle bei seiner "Selektion" des Daimoku, und [zumindest zu Beginn] nicht so sehr seine persönlichen Erfahrungen. Denn zu Anfang versucht er noch, Nenbutsu, Mikkyô und Zen anhand der Schriften (insbesondere dem Lotos Sutra) zurückzuweisen, auch indem er anderen Mönchen vorwirft, sie würden das Lotos-Sutra geringschätzen. Der Erfahrungsaspekt kommt dann erst später hinzu.


    Aber wie dem auch sei;
    sie vertreten jedenfalls alle die Auffassung, dass man "einen Weg für die Besteigung des Berges auswählen soll, und diesen dann zu Ende gehen muss".
    Anders also als in der traditionellen Tendai Shû, wo bereits Saichô sowohl Aspekte der traditionellen Tiantai-zong, der Mahayana-Ordination, Zen, und Shingon [Mikkyô] vereinte, und später dann Ennin noch das Nenbutsu hinzufügte.
    Auch Eisai Zenji und die Rinzai-Mönche der nächsten Generationen hielten teilweise vor allem noch an Mikkyô-Aspekten fest, während andere Rinzai-Mönche, zum Beispiel Mujû Ichien Dôkyô, auch noch das Nenbutsu schätzten.
    Selbst Hônen Shonin ließ ja neben dem Nenbutsu weitere Praktiken als unterstützende Übungen zu, obwohl er natürlich riet, sich hauptsächlich auf das fortwährende Nenbutsu zu konzentrieren.


    Das erinnert dann irgenwie an den Vorwurf der indischen Mahasiddhas an die tibetischen Buddhisten, der ja in etwa lautete:
    "Ihr Tibeter praktiziert zahlreichen Übungen parallel oder gleichzeitig und meistert doch keine einzige davon.
    Wir Inder beschränken uns auf wenige Praktiken oder gar nur eine einzige, meistern diese, und meistern dadurch auch alle übrigen.
    "


    Da mag etwas sehr Wahres dran sein.
    Allerdings verkennen diese "selektiven Traditionen", dass es auch Menschen geben kann, denen gerade diese einseitigen Sichtweisen nicht liegen.


    Jinen:

    Ich hab mal nen Vortrag von nem koreanischen Zen-Mönch amerikanischer Abstammung über das Diamantsutra gesehen. Das was hängengeblieben ist und für mich so eindrücklich war, war seine Betonung auf "Not special", nichts besonderes.


    Dieses "nichts besonderes" erinnert mich irgendwie an Shunryû Suzuki's Worte in "Der Tigerbericht", oder auch Linji's Worte aus "Shulazi: Morgengespräche im Kloster des Abtes Linji":
    "Das alltägliche Leben selbst ist der WEG. Bist du hungrig - so iss; bist du müde, so leg dich nieder!"
    [Diese Worte werden auch oft den Zen-Meistern Jôshu oder Nansen in den Mund gelegt.]



    Ich hab mir übrigens "Nichiren Daishonin and the Great Mongol Invasion" bei Youtube angesehen.
    Ist, wenn auch recht vereinfacht dargestellt, ganz interessant. Die englischen Untertitel waren eigentlich einfach gedanklich zu übersetzen, auch wenn gerade die belassenen japanischen Begriffe anders geschrieben wurden, als man es mittlerweile gewohnt ist.
    Wer Zeit hat, kann sich den Film ja mal ansehen.


    Einen schönen Sonntag!
    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Myôhô-Renge-Kyô

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Vor sieben Jahren war ich auch noch ein Fan der SGI (Soka Gakkai). Zeitgleich mit mir sind viele andere neue Leute eingetreten, und wir hatten viele
    tolle Treffen und lebhafte Diskussionen u.a. über das Lotus Sutra. Naja gut, die "Verantwortlichen" der Organisation haben dann versucht, alles auf Linie zu bringen. Inzwischen sind die meisten von uns wieder ausgetreten. Wenn ich heute mal zu einem der Treffen gehe, bin ich oft erschüttert, wie öde alles geworden ist. Die Themen werden von oben vorgegeben (z.B. wer waren die Präsidenten der SGI; wer war Religionsgründer Nichiren usw.). Man kann zu diesen Themen auch eine Klausur schreiben (!), aber seien wir doch mal ehrlich: Bringt das irgendeinen Menschen wirklich weiter? Die meisten treten nach ein paar Jahren wieder aus. Übrig bleiben die, die sich als wichtige "Organisatoren" betrachten... und noch ein paar andere Leute, über die ich mich hier nicht weiter äußern will. Manche haben auch für sich selber einen Trick gefunden, mit dem Ganzen etwas Geld zu verdienen (auch wenn es eigentlich nicht so sein sollte). So oder so ähnlich ist die allgemeine Stimmung rund um die SGI hier in Bremen; in anderen Städten mag es vielleicht anders aussehen, ich weiß es nicht...

  • Sorry, ich habe an vielen Stellen hier mich bestimmt kritisch zur SGI und etwaigen Abspaltungen der SGI-D gemeldet. Es gehört jedoch zu jeder Seite auch eine Gegenseite. Ich sehe ehemalige Anhänger der SGI (bzw. SGI-D) nicht per se als „Opfer“. Wir leben in einem Informationszeitlalter die Informationen sind DA, man muss sie nur lesen. Mit ist klar dass die SGI gerne das Bild von sich hat, dass wenn man ihr angehört man Teil eines größeren besseren Ganzen ist und man somit „erhaben“ ist über alle anderen auch wenn man über alle anderen keinerlei Informationen bekommt. Es mag manchen auch helfen diese Erhabenheitsgefühl zu kultivieren wenn man bei näherer Betrachtung wie alle anderen auch nur in einem nine-to-five job sitzt und schaut dass das Leben einem etwas mehr bieten sollte. Es mag sein dass man das Gefühl hat das eigene Gehirn abzuschalten zu müssen aber man tut das immer auch selber. Der SGI laufen die Anhänger davon das nun wirklich nicht neu. Ich denke jeder Pilateskurs an einer VHS biete mehr realen Austausch nach dem man sich doch eigentlich sehnt.

  • Ich habe damals in Bremen Gohonzon empfangen und später 4 Jahre dort gelebt und es wurde immer sehr ernsthaft studiert - querbeet, Gosho vor allem.
    Aber schon damals fing es an mit dem ausschließlich Ikeda lesen, Videos mit Ikeda gucken etc. Woanders ist es auch nicht besser! Ist auch klar, es ist ja alles gleichgeschaltet.
    In Berlin hat sich das ganze Konstrukt schon soweit selbst zerlegt, dass es seit Jahren kein Kulturzentrum der SGI-D mehr gibt. Auch weil die Mieten so gestiegen sind aber auch weil es nicht genug Unterstützung von den Mitgliedern gibt.
    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele einfach mit anderen Dingen so beschäftigt waren, da war für buddhistische Versammlungen dann nicht auch noch Zeit. Man kam zu spät oder lieber gleich gar nicht.
    Vor allem aber haben viele ausserhalb der SGI-D weitergemacht, Gruppen gegründet, die nicht straffe SGI Linie fahren und auch andere Traditionen kennenlernen wollen. Vor allem "respektieren" sie diese als gleichwertig!!!