Shinjinmei

  • Ja das verstehe ich, dass ganze Leben ist ja Empfindung.

    Von da aus kam auch mein Gedanke und die GedankenBlase. Denn wir als Menschen sind getrieben und geprägt. Und genau in so einer Situation wie im Szenario, befinden wir uns doch immer wieder (nicht genauso) aber doch irgendwie.

    Und wir lieben und wir hassen, das gehört zum Menschsein dazu. Das macht doch auch das Menschsein aus.

    Mein Lehrer hatte mal einen Vortrag gehalten über den Unterschied zwischen Gefühl und Emotionen. Emotionen sind aufgepfropfte Gefühle, hat er es ganz simpel erklärt. Eben das was nach dem Gefühl kommt. Und er hat gemeint, dass es überhaupt keinen Grund gäbe ohne Gefühle zu sein.

    Das mit sich herumschleppen, das beleidigt sein, das sich damit identifizieren, dass macht Probleme.

    Von da aus, nur rein bildlich gesprochen, wäre es vielleicht egal was man tut. Es geht darum sich nicht dafür zu verurteilen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Honin ()

  • Da habe ich die Wahl, weil es nicht real ist. Geschieht diese Situation habe ich keine Wahl, die Zeit ist zu kurz für Gedankenspiele. Ich werde so handeln wie ich genau dann handel. Ob meine Wahl richtig ist, können nur fremde Menschen beurteilen.

    Das kann ich nicht, weil ich gehandelt habe und nicht nachgedacht.

  • Honin Nach der Lektüre ihrer letzten Zeilen konnte ich besser das Bedürfnis verstehen, sich abzuwenden von Gier und Hass, das hiesse zB in den Wald zu gehen oder in der Art. Jedenfalls erinnerten mich ihre Zeilen an Getriebensein u Ähnliches und ich wollte ihnen gerne freundlich etwas rückmelden.

  • Ich werde so handeln wie ich genau dann handel.

    So ist es. In Sōtō-Sprech: du handelst, wie du übst. Das spontane Handeln ist Ergebnis und Aktualisierung der Übung. Was vielleicht auch eine Antwort auf diese Frage ist:

    wie lebt ein Individuum in dieser Welt wenn es aufhört (so wie du das schreibst) jemanden zu sein?

    Wobei ich mal davon ausgehe, dass das eine rhetorische Frage ist; Dōgens Daishugyō kennst Du ja sicherlich und die Ähnlichkeit des bekannten ethischen Standard-Dilemmas mit Hyakujōs Fuchs ist nicht ganz zufällig. Die Ochsenbilder mit ihren poetischen 'Antworten' hast Du ja kürzlich selbst hier präsentiert.


    Meinen Senf (Wasabi ist aus) noch zu dem Maschinenmodell. Ich halte das aus zwei Gründen für untauglich. Zum einen verweist diese Metapher auf rein 'mechanische' Abläufe; anders gesagt: sie ist eine Reduktion auf Kausalität. Reduktion insofern dies die Komplexität einer tatsächlich konditional bedingten Kognition nur sehr unvollkommen abbildet. Zum anderen 'arbeitet' dieses Maschinenmodell implizit mit der Prämisse einer durch eine Kraft bewegten Substanz, die wiederum in direktem Widerspruch zur 'buddhistischen' Prämisse der Substanzlosigkeit (anātman, śūnyatā) steht.


    Wenn man ein technisches Modell vorzieht, wäre es mE vielleicht sinnvoller, von selbstlernenden Algorithmen zu sprechen statt von Maschinen.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Ich kenne solche Situationen in denen man nur handelt, beispielsweise aus der Notfallmedizin. Da hast du gar keine Zeit nachzudenken was als nächstes zu tun ist. Niemand da der nachdenkt, das vorhandene Wissen wird automatisch abgerufen, es handelt. Oder auch wenn man sitzt, nur sitzt.

    Aber auch die Lehre der Samurai.

    Zum Thema vielleicht auch ein interessantes Buch:

    The Unfettered Mind: Writings of the Zen Master to the …
    So succinct are the author's insights that these writin…
    www.goodreads.com


    Aber es geht es eben auch um keine Zu-und Abneigung. Und da ist eben der Mensch als fühlendes Wesen oft damit konfrontiert in dieser Welt der Erscheinungen. Wir sind geprägt. Und wie geschrieben, es gibt eben auch keinen Grund ohne Gefühle zu sein. Mitgefühl entsteht ja auch daraus.


    Und von der Aussage ausgehend „Ich esse wenn ich hungrig bin, ich trinke wenn ich durstig bin“ ja auf der absoluten Ebene nachvollziehen, tu was zu tun ist. Aber abgesehen davon, wieviel Menschen haben überhaupt das Privileg zu Essen wenn sie hungrig sind?! Viele verhungern. Dann würde das heißen, wenn ich verhungere, dann verhungere ich. Na da ist eine Mamutaufgabe, das ohne Zu- und Abneigung hinzunehmen. Wäre das dann die höchste Vervollkommnung für euch? Ich frag nur, weil es mich interessiert wie ihr das versteht.

    Oder an Kissen, wenn du pinkeln musst und die Zeit noch nicht abgelaufen ist, dann pinkelst oder pupst idealerweise auch nicht aufs Kissen sondern wartest bis die Periode vorbei ist. Einfach nicht warten in dieser Situation und nicht hoffen, dass bald die Glocke läutet, ist schon ziemlich schwierig finde ich und da gehts nur ums Klo gehen.

    4 Mal editiert, zuletzt von Honin ()

  • Sosan schreibt vor allem über „Höchster Weg" - und nicht über gewöhnliche Wege. Erst wenn jemand aufhört, Vorlieben und Abneigungen zu haben, also Begehren und Aversion aufgibt, erst dann erscheint das, was als Höchster Weg bezeichnet wird.

    Das ist dann auch gleichbedeutend mit „aufhören jemand zu sein“.

    Es ist eine Zufluchtnahme außerhalb von sich selbst, dieser „Höchste Weg“.


    Dao 道 ist nur dann ein „Höchster“ Weg, wenn man erstrebt ist 道 zu erreichen, als etwas, das in der Welt zu erreichen ist.

    Ein höchster Weg ist aber nicht in der Welt zu erreichen, weil immer ein Höherer zu entdecken ist. Sieht man sich die Wege des Geistigen an, gibt es keine wirklich tiefste Hölle oder einen höchsten Himmel.


    Dao 道 ist die dynamische Bewegtheit in den Gesetzmäßigkeiten der Natur- und Menschengesetze.


    Es gibt also nur die Ebene 道 , es gibt kein Höher oder Tiefer, es gibt keinen „Weg“, und darum auch keine Lehre des Weges, wenn 道 als das erkannt, wird, was es ist.

    Das der Buddha das gleich gesehen und erkannt hat, wird im Diamantsutra genauso beschrieben.

    道 wird da als Tathagata bezeichnet, denn auch 道 ist wie Tathagata ausschließlich als Ziel der Weglosigkeit beschrieben.

    Ich lebe in und auf der Ebene, gehe, wohin auch immer, hinterlasse Wege, wie eine Schildkröte, die mit ihrem Schwanz ihre Spuren unwissend verwischt. Aber fest glaubt, dass sie Spuren hinterlässt. Sie sieht nicht nach hinten, sie glaubt fest an längst spurlos gewordenes.


    Bi-Yaä-Lu 1. Fall

    Welches ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit?

    Offene Weite-nichts von Heilig.

    Wer ist das Uns gegenüber?

    Ich weiß es nicht.


    Ich kein Koan es ist Alltagsgeist und Alltagsgeist ist 道 , Tathagata, Shunyata.

    Jeder Meister, der einen Weg, vielleicht sogar den Höchsten Weg lehrt. Das ist wohl ein Meister, Boddhisattva, Buddha, weil er ein Ziel vorgibt.

    Hat er 道, Tathagata erkannt, ist ihm nichts mehr heilig.

    Er wird als höchster Weiser oder dummer Narr erkannt.

    Da gibt es nicht dazwischen, das ist die Verführung eines solchen Menschen zu glauben, dass er ein höchster Weiser oder ein dummer Narr ist.

    Dieser Glaube, diese Auswahl, Wahl macht Wege im 道 und damit ist sofort das Gestrüpp, da und der Ochse ist verloren. Weil der Ochse aber mal da war, muss er gesucht werden. Das ist niemals nur einmal, aber wenn er einmal gefunden wurde, weiß der Mensch, dass er ihn wieder mal verloren hat.


  • :idea:Stelle mit echtem Erschüttern fest, dass das eine Zusammenfassung all meiner Leben ist und doch bleibt da nichts. :rofl: :party: :dao: :zen: :rad: :om:

  • Hallo.


    Mir hilft es, diese Prinzipien auch auf die Prinzipien selbst anzuwenden.


    Keine Wahl haben, ob man wählt oder nicht wählt.

    Lieben und Hassen, weder lieben noch hassen.

    Zuneigung und Abneigung, weder zu- noch abgeneigt sein.


    Haben-Wollen und Weg-Haben-Wollen, weder haben-wollen noch weg-haben-wollen.


    Die Kernlosigkeit ist auch kernlos, die Leerheit leer.


    Das wird möglicherweise nicht gleich etwas an den Schwierigkeiten das umzusetzen ändern, aber so hat man zumindest eine theoretische Grundlage, um sich geistig auszurichten.


    Wäre wohl auch ziemlich fortgeschritten Zu- und Abneigung einfach zu lassen, ohne darauf zu reagieren.


    Die Meisten werden also noch weitere Schritte zurücktreten:


    Keine Wahl haben, ob man eine Wahl hat, zu wählen oder nicht zu wählen.

    Das Lieben und Hassen von Lieben und Hassen, weder lieben noch hassen.

    Der Zuneigung und Abneigung gegenüber Zuneigung und Abneigung, weder zugeneigt noch abgeneigt sein.


    Das Haben-Wollen und Weg-Haben-Wollen von Haben-Wollen und Weg-Haben-Wollen, weder haben-wollen noch weg-haben-wollen.


    Die Kernlosigkeit der Kernlosigkeit ist auch kernlos, die Leerheit der Leerheit ist leer.


    Es ist so einfach und gleichzeitig so schwer. Oder weder einfach, noch schwer.

    Hatte ich eine Wahl diesen Post zu erstellen? Braucht es "mich" dazu?


    Letztendlich nur mit Denken und Vorstellung nicht zu lösen.


    :)


    Liebe Grüße

    2 Mal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • Wieder mal alles sehr interessant, man liest mit viel Gewinn.


    Ich möchte nur noch zwei Sachen erweiternd zur Diskussion dazufügen:


    1) Die Übersetzung des Xin-xin-ming / Shinjinmei von Dietrich Roloff, z.B.:

    ‎ZEN - „Der Duft Hunderter von Blumen“
    ‎Nonfiction · 2019
    books.apple.com


    ZEN - „Der Duft Hunderter von Blumen“

    Das Shinjinmei des Seng-can / Sôsan und die ‚Lehrreden‘ des Hong-zhi Zheng-jue / Wanshi Shôgaku


    wobei „Der Duft Hunderter von Blumen“ ein Zitat aus einem Gedicht von Du Fu (712 – 770) ist:

    „Beständig denke ich an Jiang-nan im Monat März –

    Die Rebhühner rufen und der Duft Hunderter von Blumen“

    von dem nur mehr diese zwei Zeilen erhalten sind, überliefert in Koan 24 Wu-men-guan.



    2) Es ist nun so, dass der erste Satz des Xin-xin-ming / Shinjinmei schon im zweiten Koan des Bi-Yan-Lu zitiert wird:


    Xin-xin-ming:


    wie hier:

    Das Erlangen des Weges ist nicht schwierig, du musst nur auswählen und unterscheiden ablehnen.


    oder Dietrich Roloff (s.o.):

    Das DAO zu erreichen [ist] nicht schwierig – [du musst] nur das Auswählen von dir tun!


    Wobei DAO als der Urgrund der Welt zu verstehen ist, woraus sich dann auf seinen Wegen alles entwickelt → De = Tugendkraft im Sinne von Wirkkraft.


    Dazu zweites Koan Bi-Yan-Lu Übersetzung Wilhelm Gundert:


    Dschau-dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft:

    Der höchste Weg ist gar nicht schwer,

    Nur Abhold wählerischer Wahl.

    Redet man davon auch nur ein klein bisschen, so heißt es schon: Hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit. Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch – oder ist es nicht so?

    Nun war da ein Mönch, der fragte: Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?

    Dschau-dschou erwiderte: Ich weiß es auch nicht.

    Da fragte der Mönch: Ehrwürdiger, wenn ihr das schon nicht wißt, wieso sagtet ihr dann doch, ihr steht nicht in der wolkenlosen Klarheit?

    Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach Deine Verbeugung und tritt zurück.


    Oder zweites Koan Bi-Yan-Lu Übersetzung Dietrich Roloff:


    Zhao-zhou wandte sich an die Gemeinde [der Mönche] und sagte: „Das DAO zu erreichen ist nicht schwierig; es gilt nur, sich vom Auswählen und Vorziehen loszusagen. Kaum dass sich Worte und Sprache einstellen, wird daraus ein Auswählen und Vorziehen, wird daraus ein Verstehen. Doch dieser alte Mönch hier weilt nicht [mehr] im Verstehen. Leute wie ihr es seid – [Ihr] bewahrt es vielmehr und schont es, oder nicht?“

    Nun war da ein Mönch, der wissen wollte: „Da [Ihr] nun nicht [mehr] im Verstehen weilt, was gäbe es dann noch zu bewahren und zu schonen?“

    Zhao-zhou sagte: „Ich weiß [das] auch nicht“

    Der Mönch sagte: „Da Ehrwürden [das] nun nicht weiß, warum sagt [Ihr] dann trotzdem, [Ihr] weiltet nicht [mehr] im Verstehen?“

    Zhao-zhou sagte: „Nach [Deiner] Sache zu fragen hast [Du] jetzt Gelegenheit gehabt:

    Mach [Deine] Verbeugung und zieh Dich zurück!“


    Schon mal als Warnung: Das ist kein Rückzieher Zhao-zhous, so einer verliert nicht!


    Vielmehr geht es um:


    „Ich wähle nicht wählen“

    1) „Ich wähle nicht wählen“ --> ich wähle also nicht (!), also ist mein Wählen zu negieren zu „nicht: Ich wähle nicht wählen“

    2) ich kann also wählen

    1) „Ich wähle nicht wählen“ ...

    2) ......

    1) ....

    2) ...

    .....

    ...

    Das ist ein ewiger Kreis, der paradoxer weise alternierend widersprüchliches zu beweisen scheint, was Unsinn ist. Es gibt nur eine Möglichkeit, so dass es keine ewiger Kreis ist:

    Der schlaue Fuchs Zhao-zhou sieht das genau und schneidet an der richtigen Stelle ab:

    „Mach deine Verbeugung und zieh dich zurück!“



    Nun ist bei Roloff die Verbindung von (Ur-) Daoismus und Chan gegeben, als vom DAO als die Wurzel von allem.


    Chan, als Beispiel das Koan Wu (Übersetzung immer Roloff):


    Cong-rong-ru Koan 18

    oder

    Wu-men-guan (= die „da ist nichts (!) Schranke“ vor dem Chan Tor) Koan 1:

    Weil ein Mönch ihn fragte:

    Hat auch ein Hund das Buddha-Wesen oder nicht?

    Sagte Zhao-Zhou:

    Wu


    „Wu“ kann nun bedeuten: „Da ist das Nichts“ aber auch „Da ist nichts!“, was nicht das selbe ist, aber dazu:


    Da dieses „Nichts“ als durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft im letzten Grund nicht erschließbar gilt, wird es in der Praxis auch egal, ob wir sagen „da ist das Nichts“ oder „Da ist nichts!“.

    Dazu:

    Wu-men-guan Koan 30:

    Also der Geist (DAO/Ding an sich) ist Buddha:

    Weil Da-mei ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „Also der Geist ist Buddha“

    Wu-men-guan Koan 33:

    Nicht Geist, nicht Buddha:

    Weil ein Mönch ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „nicht Geist, nicht Buddha!“


    So verschieden Wu-men-guan 30 und 33 auch sein mögen: In der Wirkung der letztlichen (!) Unerreichbarkeit des Grundes der Welt durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft, entweder da dieser Grund nicht existiert oder da er existiert aber durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar ist, sind sie gleich und das reicht, das ist der Punkt. Mehr interessiert nicht.



    In der Philosophie des Dao wird es als existierend aber ebenfalls als durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft unerschließbar angenommen:

    Laozi, Dao De Jing, 1:

    Ein Dao -

    kann es als Dao bestimmt werden,

    ist es kein stetiges Dao (könnte man etwas als Dao bestimmen, wäre es nicht das Dao)

    Ein Name -

    kann er als Name bestimmt werden,

    ist er kein stetiger Name.

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.


    Dazu nochmals Chan:

    Cong-rong-lu Koan 74:

    Fa-yans “Urstoff und Manien"

    Ankündigung des Koan:

    Fülle besitzt zehntausend Kräfte und Fähigkeiten: gereinigt ist sie ohne noch so

    feinen Staub; allen Formen steht sie fern und ist zugleich die Gesamtheit der

    Dinge. - Von der Spitze (der Shunyata) einer hundert Fuß hohen Stange vorwärtsschreiten: das

    Weltall der Zehn Richtungen ist dann dein vollständiger Leib!

    Nun sag mal: Unter welchen Umständen willst du das erlangen?

    Beispiel:

    Ein Mönch fragte Fa-yan: “Ich habe mich belehren lassen, dass es da den Satz gibt:

    Aus einem nicht da seienden (auch existierenden aber nicht erreichbaren) Ursprung steht die Gesamtheit der Dinge da.

    Was ist dieser nicht da seiende Ursprung?"

    Fa-yan sagte: “Die Erscheinungen entspringen einem nicht vorhandenen (auch existierenden aber nicht erreichbaren) Urstoff; die Namen gehen aus dem hervor, was noch keinen Namen hat.“









    Und schon haben wir das nächste, wo sich Dao und Chan gleichen:


    Es geht um Erscheinung, dann Vorstellung und sonst nichts:


    Cong Rong Lu 57:

    Yan-yangs “Kein einziges Ding“:

    Ankündigung:

    Wer mit Spiegelbildern spielt, um so der Erscheinungen habhaft zu werden,

    Der weiß nicht, dass die Erscheinungen der Ursprung der Spiegelbilder sind.

    Wer die Stimme erhebt, um dem Echo Einhalt zu gebieten,

    Der weiß nicht, dass die Stimme der Ursprung des Echos ist.

    Wenn das nicht heißt, auf einem Ochsen reitend nach dem

    Ochsen zu suchen, dann bedeutet es, mittels eines Keils einen Keil zu entfemen.

    Wie kannst du diese Fehler vermeiden?

    Beispiel:

    Der Ehrenwerte Yan-yang fragte Zhao-zhou: “Wenn einer nicht ein einziges Ding mitbringt, was dann?"

    Zhao-zhou sagte: “Legt es ab, ein für alle Mal!"

    Yan-yang sagte: “Wenn er nicht ein einziges Ding mitbringt, was soll er dann ablegen?"

    Zhao-zhou sagte: “Wenn das so ist, dann tragt die Last mit Euch fort!"

    → Es geht um das „Leben“ !!!!!!!!


    Dazu: Die Erscheinungen detektieren wir mit den 5 Sinnen plus dem kausalen Verstand, das ergibt die 6 Sinne des Chan, das ergibt die Spiegelbilder aus den 6 Sinnen und wie das Wort Spiegelbilder schon besagt: Es ist Erscheinung als Abbild von was, dann Vorstellung und sonst nichts.

    Die Spiegelbilder sind also nur so was wie Abbilder einer nicht erreichbaren Realität, des DAO als Grund der Welt, schon gleich sind sie nicht das DAO.


    Und nochmals Laozi, Dao De Jing, 1:

    ...

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.

    Denn man kann nur Erscheinung benamen.


    Und so schließt sich der Kreis von Dao und Chan.


    Man kann das DAO also nicht durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft erreichen, aber man kann persönlich diesbezüglich eine individuelle Erfahrung einer Annäherung machen und da bietet das Chan die große Hilfe über die Erkenntnisse des (Ur-) Daoismus hinaus: Durch Zazen zur Erfahrung der Shunyata.

    Dieser Weg wird dann für den Laien bezeichnet als eine Herberge auf dem Lebensweg, in die man immer wieder einkehrt.



    Vielleicht noch ein paar selektierte / unvollständige Interpretationen, Nummerierung wie beim Link oben; worauf bei den alten Chinesen immer zu achten ist, das ist, dass alle Mosaiksteinchen lokaler Interpretation (z.B. einer Interpretation von ein paar Zeilen) zusammengefügt ein konsistentes Bild ergeben, da sie Darlegungen von verschiedenen Seiten eines einzigen konsistenten Grundgedankens sind:


    [1] Das DAO zu erreichen [ist] nicht schwierig – [du musst] nur das Auswählen von dir tun!


    Das DAO als hier als der Urgrund der Welt zu sehen, als das „Seiende“, es hat kein Ziel und ist somit einfach banal und somit weder gut noch böse. So was wie „Sinn“ ist nicht einmal definiert und somit auch nicht „kein Sinn“ oder „sinnlos“. Alle Koan die mit „Was ist der Sinn von …?“ beginnen fallen da darunter: Somit kann man nicht einmal sagen, dass schon solche Fragen „sinnlos“ sind, da „Sinn“ und somit auch „sinnlos“ nicht definiert und auf der Basis des DAO nicht definierbar sind (im täglichen Leben schon, aber wir sind hier beim DAO). Machen sie sich die Mühe und lesen sie Koan, die beginnen mit „Was ist der Sinn von …?“ im Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-men-guan, wie die alten chinesischen Meister das handhaben ;-D mach Deine Verbeugung und tritt zurück.


    [2] [Du darfst] nur nicht verabscheuen [und] lieben, [dann] durchdringst [du es und] verstehst!


    Die Unerreichbarkeit des DAO durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft heißt nicht, dass man nicht eine gewisse persönliche Erfahrung darüber gewinnen kann. Dazu ist Voraussetzung zu begreifen, dass das DAO weder gut noch böse ist und kein Ziel hat, [dann] durchdringst [du es und] verstehst!

    In keinster Weise bedeutet das, dass man in seinem weltlichen Dasein als Teil der 10000 Wesen nicht lieben soll, im Gegenteil.


    [4] Willst [du] erreichen, [dass es (das DAO)] vor [dir] erscheint, [dann] halte nicht fest an ›Günstig‹ und ›Ungünstig‹!


    Das DAO kennt das nicht, ansonsten analog oben.


    [8] Weil [du] erwählst [und] verwirfst, deshalb [erreichst du] nicht die ›Soheit‹!


    Soheit = DAO als Urgrund der Welt


    [12] Versperre nur die Seite der Zweiheit, sei lieber vertraut mit dem Samen des Einen!


    [13] [Hast du] den Samen des Einen nicht verstanden, verliert die Seite der Zweiheit [ihr] Verdienst.


    Nur ohne Dualität kann man eine Erfahrung des DAO erreichen. Das heißt nicht, dass man nur hier verweilen soll, wenn auch immer wieder als Herberge auf dem Lebensweg. Es gibt auch noch die ganze Welt, in der wir leben und wo wir auch leben sollen, weil wir sonst nichts anderes haben.


    [14] Verbannst [du] das Sein, ist kein Sein vorhanden; fügst [du dich] der ›Leere‹, handelst [du] der ›Leere‹ zuwider.


    Das ist die Aufforderung mit der Erfahrung und Hilfe der Shunyata im Leben zu stehen.


    [17] Kehrst [du] zum Ursprung zurück, erlangst [du] den Sinn das Ziel; folgst [du] den Spiegelbildern, verlierst [du] den Ahnherrn.


    Die Erscheinungen detektieren wir mit den 5 Sinnen plus dem kausalen Verstand, das ergibt die 6 Sinne des Chan, das ergibt die Spiegelbilder aus den 6 Sinnen und wie das Wort Spiegelbilder schon besagt: Es ist Erscheinung dann Vorstellung und sonst nichts.

    Die Spiegelbilder sind also nur so was wie Abbilder einer nicht erreichbaren Realität, schon gleich sind sie nicht das DAO, aber sie sind auch unser Leben.


    Dazu auch aus Die Lehrreden des Hong-zhi Zheng-jue / Wanshi Shôgaku (auch Link oben):

    [15] Das DAO (als Grund der Welt) schlendert im Kreisen; [es] kehrt ein in die Leere und vergisst die Erscheinungen; [es ist] das Äußerste an Reinheit und Klarheit [und] aus sich selbst heraus hell; als Helle [aber tut es] nur [eins, nämlich] aus sich selbst heraus zu strahlen …

    Verlasst [euch] einzig auf den Ursprung [, der] den Wandel (von schlichtweg allem, mit Bezug auf den Menschen siehe Buch der Wandlungen, auch Veränderung) hervorruft. Niemand erleidet [dann] die Ungelegenheiten der seidendünnen Schattenbilder [in] diesem Zwischenraum = Höhle.

    [45] Geht hin, das gelassene Schlendern vollständig auszuführen! Schneidet ohne Mitte [und] Grenze [alle] Ecken [und] Kanten ab. [Seid] ein glatt gewalzter Boden (wörtl. ›ein Boden runder Walzen‹) [und] obendrein eine leere Höhle ohne Schmutz.


    Also: Das DAO ist der Grund der Welt, sein Strahlen generiert die Schattenbilder an den Wänden der Höhle (das erinnert an Platons Höhlengleichnis, aber ohne Platons metaphysischen Klimbim), die Schattenbilder sind das, was wir mit unseren 6 Sinnen (und allem was wir auch mit modernsten Methoden messen können) wahrnehmen.


    Kommen wir also zum DAO zurück, erreichen wir das Ziel. Verharren wir bei den Spiegelbildern - den Erscheinungen und unserer Vorstellung, verlieren wir es.


    [18] Wendest [du dich nur] einen Augenblick zu den Spiegelbildern zurück, überwindest [du] das Verwerfen [der Dinge] angesichts der ›Leere‹.


    [19] Wechselst [du] angesichts der ›Leere‹ [zur] Veränderung, geht alles von [deiner] falschen Ansicht aus.


    Hier mal direkt vom Link oben:

    Inhaltlich gesehen geht es in diesen beiden Doppelzeilen darum, wie wir uns zu dem Gegensatz von ›Leere‹ und Dingen der Welt verhalten sollen, Letztere hier durch die Begriffe ›Spiegelbilder‹ und ›Veränderung‹ vertreten. Das Xin-xin-ming verwirft beide möglichen Arten von Einseitigkeit: Sich allein der ›Leere‹ zuzuwenden (innerhalb derer es laut Herz-Sûtra Veränderung nicht gibt) und dabei die Dinge der Welt zu verwerfen ist ebenso falsch wie anstelle der ›Leere‹ nur die Dinge der Welt gelten zu lassen und die ›Leere‹ zu verwerfen; richtiges Verhalten besteht – typisch für den Chan-Buddhismus – stattdessen darin, im Angesicht der ›Leere‹ zugleich den Dingen der Welt einen eigenen Wert zuzuerkennen.


    [20] Nutzlos, nach dem ›wahrhaft Wirklichen‹ zu suchen – [du] musst nur aufhören, eine Ansicht [zu haben].


    Das DAO als Grund der Welt ist durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar aber durch aufhören, eine Ansicht zu haben, durch Zazen zur Erfahrung der Shunyata, annäherbar.


    [22] Kaum gibt es ›Richtig‹ [und] ›Falsch‹, verlierst [du] verworren den Geist.


    Das DAO als Grund der Welt kennt weder gut noch böse, weder richtig noch falsch.


    [23] Zweiheit hängt [davon] ab, [dass] es das Eine gibt, [doch] ebenso erhalte [auch] das Eine nicht aufrecht.


    Aus dem DAO folgt die Welt, aber auch aus Zazen zur Erfahrung der Shunyata, des DAO, folgt unser Leben in der Welt.


    [24] [Steht] der eine Geist (das DAO als Grundlage für die Welt) nicht [als] Hauptsache [da], [erscheinen] die Zehntausend Dinge ohne Fehler.


    Was aber das immerwährende Einkehren in die Shunyata als Herberge impliziert, nach dem aber, was hier steht, nicht als Selbstzweck sondern als Hilfe zum Leben.

  • [26] Entsprichst [du] dem Subjekt, erlöschen die Objekte, vertreibst [du] die Objekte, geht das Subjekt unter.


    [27] Die Objekte hängen [davon] ab, Objekte eines Subjekts [zu sein], das Subjekt hängt [davon] ab, das Subjekt von Objekten [zu sein].


    Roloff im Link oben: Trittst du ganz in die Sphäre des Subjekts ein, anders gesagt, ziehst du dich in den einen Geist zurück, dann gibt es für dich keine Objekte und damit auch keine Welt mehr; ziehst du dich solchermaßen aus der Welt der Objekte nach innen zurück, hörst du jedoch auf, Subjekt zu sein; denn – so [27] – um Subjekt zu sein, bist du immer auf Objekte bezogen und mithin angewiesen.


    [28] Willst [du] beide Teile verstehen, ist [ihr] Ursprung die eine ›Leere‹.


    [29] Die eine ›Leere‹ [ist] beides gleichzeitig, zusammen enthält [sie] die Zehntausend Dinge.


    Leere meint das DAO als Grund der Welt und auch dessen Erfahrung einer Annäherung (nur Annäherung, da durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar) in der Shunyata. Vom DAO als Grund der Welt geht alles aus, so die Zehntausend Dinge, sprich alles was durch Perzeption fassbar ist; dazu gehört auch alles „feinstoffliche“, was durch Messung als Erweiterung menschlicher Perzeption messbar / fassbar ist.

    Roloff (Link oben) schreibt hier noch:

    Das gemahnt an daoistische Aussagen wie die, dass das DAO die Samen aller Dinge enthält – als metaphorische Umschreibung dessen, dass die Zehntausend Dinge im DAO ihren Ursprung haben (Dao De Jing, Text 21). Eine analoge Formulierung wäre auch hier weniger anstößig, weil ja die ›Leere‹ eben als ›Leere‹ nichts enthält, also streng genommen auch die Zehntausend Dinge nicht enthalten kann.

    → Solche einfachen Fehler haben die großen Meister der alten Chinesen nicht gemacht. >Leere< meint vielmehr, wie oben schon beschrieben, dass das DAO als Grund der Welt durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar ist, somit für die Perzeption nicht fassbar ist, somit für die Perzeption leer ist. Es gibt übrigens bei obigem Link einige durchaus zentrale Stellen, die ähnlich zu korrigieren sind.


    [30] Schau nicht nach ›Fein‹ [und] ›Grob‹ – lieber gibt es Parteinahme [fürs] Einseitige.


    Das Einseitige meint wieder das DAO als Grund der Welt. Das Grobstoffliche meint die den menschlichen Sinnen zugängliche Natur, das Feinstoffliche meint die Grundbausteine, aus denen die Natur aufgebaut ist. [30] unterscheidet dazwischen nicht, was auch Sinn macht, da heutige wissenschaftliche Methoden zur Erschließung des Feinstofflichen nur als Erweiterung menschlicher Perzeption betrachtet werden können.


    Aber:


    [35] Lässt [du] das Wesen zu [und] entsprichst dem DAO, [kannst du] ohne Kümmernisse in die Ferne schweifen.


    Erfahren wir das DAO als Grund der Welt in der Shunyata (weiterhin immer wieder fortfahrend als Herberge), dann ab in die Welt!


    [38] Willst [du] das eine Fahrzeug erlangen, verabscheue nicht die sechs [Arten des] Staubes.


    [39] Die sechs [Arten des] Staubes nicht zu verabscheuen gibt [dir] zugleich das richtige Bewusstsein zurück.


    Das eine Fahrzeug meint den einen Geist, das DAO als Grund der Welt, Die sechs [Arten des] Staubes meint die sechs Sinne (inkl. des kausalen Verstandes, von dessen Kausalität sich das Karma ableitet) des Chan. Man soll sich, ausgehend vom DAO als den Grund der Welt der Welt zuwenden.


    [41] Dinge [sind] nicht verschieden von Dingen – ein falsches Selbst verharrt [in] Begierde.


    [43] Verblendung erzeugt Störung der Stille, Erwachen [ist] ohne ›Gut‹ [und] ›Schlecht‹.


    [46] Gewinnen [und] Verlieren, ›Richtig‹ [und] ›Falsch‹ – lass [sie] sogleich los [und] verwirf [sie]!


    Dao De Jing (Übersetzung Hans-Georg Möller):

    [19] Kargheit zeigen, einfach sein

    den Eigensinn zügeln, die Begierden klein

    Gelehrsamkeit lösen, von Zweifeln befrein.

    [2]In der Welt erkennen alle

    Schönes als schön.

    Schon gibt es Häßliches.

    Alle erkennen,

    was taugt (gut ist).

    So gibt es Untaugliches (schlechtes).

    Das Fülle und Leere einander erschaffen,

    schwer und leicht einander erzeugen,

    lang und kurz einander bilden,

    hoch und tief einander erfüllen,

    Töne und Stimmen einander ergänzen,

    vorher und nachher einander folgen,

    ist stetig.

    Gerade daher

    verweilt der Heilige (= Herrscher)

    beim Geschäft des Nicht-Handeln (unterscheidet nicht was Richtig oder Falsch),

    und betreibt die Lehre des Nicht-Reden.

    Die zehntausend Dinge -

    er bringt sie in Gang und fängt sie nicht an,

    er führt sie aus und hängt nicht daran,

    er bringt sie zum Erfolg und hat seinen Platz

    nicht bei ihnen.

    Nun,

    allein indem er seinen Platz nicht bei ihnen hat,

    gerade daher verlassen sie ihn nicht.


    [50] Die Zehntausend Dinge richtig betrachtet, kehrst [du] wieder zurück zum ›Von-selbst‹.


    Da holen wir nach:


    [34] Loslassen [führt zum] ›Von-selbst‹, der Körper vergeht nicht [und] bleibt nicht.


    Dao De Jing:

    [29] Will einer die Welt an sich nehmen

    und an ihr handeln -

    Ich sehe, daß es ihm nicht gelingt.

    Nun,

    die Welt ist ein heiliges Gefäß

    und nicht etwas, woran man handelt.

    Wer handelt, scheitert dabei.

    Wer festhält, verliert's.


    Im Link oben (wu wei → Nichthandeln im Sinne von Enthaltung eines gegen die Natur (Natur allgemein aber auch im Sinne gegen die Natur des Menschen) gerichteten Handelns):

    Das DAO handelt nicht – und nichts bleibt ungetan (dào wú weí ér wú bù weí)


    [58] Die Klarheit der ›Leere‹ strahlt von selbst, ohne [dass du] die Kraft des Geistes bemühst.


    [59] Denken ermisst nicht [ihren] Zustand, Wissen [und] Gefühl [können sie] unmöglich ergründen.


    Das DAO existiert, ist aber durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft sprich Perzeption nicht ergründbar.


    [64] [Diese] Lehre treibt nicht an [und] zieht nicht in die Länge – ein einziger Gedanke [umfasst] zehntausend Jahre!


    „zehntausend“ heißt immer alle:

    Das DAO als Grund der Welt gilt für alle Zeiten,

    dieses DAO, durch Sinnlichkeit, Worte/Sprache, Verstand, Vernunft nicht ergründbar gilt immer,

    deshalb:


    [73] [Ist] das DAO der Sprache abgeschnitten, [gibt es] kein ›Vergangen‹, [kein] ›Zukünftig‹, [kein] ›Jetzt‹ mehr.

  • Na was wohl, mein eigenes Kind retten !

    2 Mal editiert, zuletzt von Punk ()

  • Zur Diskussion nochmals ein Beitrag zu den ersten beiden Zeilen des Xin-xin-ming, so wie diese im Bi-Yan-Lu diskutiert sind, nur dies und sonst nichts:







    BI-YÄN-LU



    Meister Yüan-wu's

    Niederschrift von der

    Smaragdenen

    Felswand



    Verfasst auf dem

    Djia-schan bei Li in Hunan

    zwischen 1111 und 1115.

    Im Druck erschienen

    in Sitschuan um 1300



    Verdeutscht und erläutert

    von Wilhelm Gundert

    Für alle Koan des Bi-Yän-Lu gilt (allerdings sind, was den Hinweis angeht, nicht alle vollständig):

    Im Ergebnis stellt sich Yüan-wu's Darbietung der hundert Beispiele der Alten mit Gesängen Hsüä-dou's von Kapitel zu Kapitel in folgender Ordnung dar:


    1. Hinweis

    (Tschui-schi, japanisch Sui-ji), von Yüan-wu.


    2. Das Beispiel

    (Dsö, japanisch Soku), von Hsüä-dou älterer Überlieferung entnommen, gelegentlich von eigenen Bemerkungen begleitet.


    3. Zwischenbemerkungen

    (Dscho-yü, japanisch Jaku-go) zum Beispiel, von Yüan-wu.


    4. Erläuterung

    (Ping-tschang, japanisch Hyô-shô) des Beispiels, von Yüan-wu.


    5. Gesang

    (Sung, japanisch Ju), von Hsüä-dou.


    6. Zwischenbemerkungen zum Gesang, von Yüan-wu.


    7. Erläuterung des Gesangs, von Yüan-wu.


    All diese Texte von 1. bis 7. sind von 1111 bis 1115, bis auf die jeweiligen Beispiele (2.) natürlich, die sind in der Regel viel älter. Hier ist von Gundert noch nichts kommentiert, nur übersetzt, bis auf ein paar Bemerkungen in [].




    BI-YÄN-LU

    Zweites Beispiel – Koan 2:


    Dschau-dschou zu dem Vers:


    »Der höchste WEG (DAO im weiteren) ist gar nicht schwer.«




    1. Hinweis



    Der Himmel und die Erde sind dagegen eng. Die Himmelslichter: Sonne, Mond und Sterne verfinstern sich davor im gleichen Augenblick. Mag auch der Stock mit Hieben regnen, der Scheltruf durch die Halle donnern, so wird einer darum doch noch nicht die Sache selbst erlangen, die in dem uns anvertrauten Erbgut überwärtiger Richtung einbeschlossen ist. Auch die Buddhas der vergangenen und künftigen Äonen, wie die des gegenwärtigen, können das nur für sich selber wissen. Die Patriarchen auch von einer Generation zur andern sind nicht imstande, es vollständig darzulegen. Die ganze Sûtrensammlung mit den Lehren Buddhas während seines langen Lebens reicht nicht aus, es zu erklären, zu erläutern. Und Kuttenmönche gibt es, die sich heller Augen rühmen, und dennoch hilflos davor stehen bleiben.


    Was hat es unter diesen Umständen für einen Sinn, noch lange genauer nachzufragen? Hier mit dem Namen Buddha daherkommen, heißt nur im Schlamm waten und mit Schmutzwasser um sich spritzen; und das Wort Zen dabei noch in den Mund nehmen, treibt nur die Schamröte ins Gesicht.


    Den Älteren, die hier schon lange üben, brauche ich das nicht zu sagen. Aber die Anfänger, die später gekommen sind, mögen es sich nur gleich gründlich zu Herzen nehmen.




    2. Das Beispiel



    Wir legen vor:


    Dschau-Dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft:


    »Der höchste WEG ist gar nicht schwer,


    Nur abhold wählerischer Wahl«


    Redet man davon auch nur ein klein bisschen, so heißt es schon: hier »wählerische Wahl«, hier »wolkenlose Klarheit«. Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch - oder ist es nicht so? Nun war da ein Mönch; der fragte: Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten ?


    Dschau-dschou erwiderte: Ich weiß auch nicht.


    Da sagte der Mönch: Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisst, wieso sagtet Ihr dann doch, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen Klarheit?


    Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach Deine Verbeugung und tritt zurück.




    3. Zwischenbemerkungen zum Beispiel



    »Dschau-dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft« - Was macht der alte Chinese da? - Bleibe er doch weg mit seinem Rankengewirr!


    »Der höchste WEG ist gar nicht schwer.« - Nicht schwer und nicht leicht.


    »Nur abhold wählerischer Wahl.« - Und was haben wir vor Augen? [Antwort: Nichts als »wählerische Wahl«, als Gut und Böse, Liebe und Hass!] - Er redet, als wäre der Dritte Patriarch selbst hier anwesend! [Das klingt spöttisch und ist ernst gemeint.]


    »Redet man davon nur ein klein bisschen, so heißt es schon: hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit.« - Ein Doppelkopf mit drei Gesichtern! [Aus dem »höchsten WEG« wird eine Schreckgestalt: aus eins wird zwei, und darüber schwebt das Eine! Und das soll »gar nicht schwer« sein! ] Er legt sich auf Detailgeschäfte! - Schwimmt der Fisch, trübt sich das Wasser; fliegt der Vogel, so fallen Federn. [Auch Dschau-dschou stört mit seiner Kritik die reine Stille; keiner, der davon redet, kann es vermeiden.]


    »Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit.« - Der Missetäter ist entlarvt! - Worauf will dieser alte Chinese wohl hinaus?


    »Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch - oder ist es nicht so?« - Es gibt eine Niederlage! - Oder ist doch auch ein bis ein halber Kerl da? [In Dschau-dschou's Frage steckt eine Falle! Wird auch einer ihm gewachsen sein?]


    »Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?« - Hier wäre auch eine Tracht Prügel angebracht. - Die Zunge stemmt sich gegen den Gaumen. [Dschau-dschou ist sprachlos! Solchen Angriff hat er nicht erwartet.]


    »Dschau-dschou erwiderte: Ich, weiß auch nicht.« - Nun hat es diesen alten Chinesen aber zu Boden geschlagen! - Niederlage, Rückzug dreitausend Li weit!


    'Da sagte der Mönch: »Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisset, warum sagtet Ihr dann doch, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen. Klarheit?« - Seht zu, wohin der Alte ihm davonläuft! - Er jagt ihn noch einen Baum hinauf! [Mit seiner Draufgängerei bringt er es noch dahin, dass ihm der Meister auf einen Baum klettert, auf den er ihm nicht folgen kann!]


    »Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach deine Verbeugung und tritt zurück!« - Wie gut, dass er noch diesen [letzten] Zug hat! - Dieser alte Gauner!




    4. Erläuterung zum Beispiel



    Dem ehrwürdigen Dschau-dschou war es Gewohnheit, dieses Thema zu behandeln, und zwar gerade das Wort »nur abhold wählerischer Wahl«. Es stammt vom Dritten Patriarchen, aus seiner »Meißelschrift des Glaubens an den Geist«. Dort heißt es:



    Der höchste WEG ist gar nicht schwer,


    Nur abhold wählerischer Wahl.


    Dort wo man weder hasst noch liebt,


    Ist Klarheit, offen, wolkenlos.



    Aber, wenn man nur ein wenig ja oder nein sagt, »so heißt es schon, hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit«. [Damit will Dschau-dschou sagen:] Wenn ihr das [nämlich diese Verse des Dritten Patriarchen] einfach so [nach dem Wortlaut] nehmt, so seid ihr bereits ausgeglitten. Beschläge und Nägel, Leim und Kleister, was lässt sich damit Dauerhaftes zusammenfügen? [D. h.: Starre logische Begriffe, wie »wählerische Wahl« und »wolkenlose Klarheit« werden dem ununterscheidbaren Ineinander der Gegensätze innerhalb der Einheit nicht gerecht.]


    Dschau-dschou sagt: »Hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit.« Nun, die heutigen Zen-Beflissenen und Frager nach dem WEG sind [in der Tat] entweder in wählerischer Wahl befangen, oder aber hocken sie in der wolkenlosen Klarheit fest.


    »Der alte Mönch hier ist nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch; oder ist es nicht so?«- Ihr meine Hörer! Wenn er schon nicht in der wolkenlosen Klarheit ist, so saget mir einmal: Wo steht Dschau-dschou denn dann? Und wieso lehrt er die andern, sie zu hüten und hochzuhalten?


    Mein ehemaliger Meister vom Berg des Fünften Patriarchen pflegte bei der Erläuterung dieses Ausspruchs von Dschau-dschou zu sagen: »Er ließ die Arme herabhängen und stellte es euch mimisch dar.« [Die Hörer sollen sich vorstellen, wie Dschau-dschou dastand, als er bekannte, er stehe nicht in der wolkenlosen Klarheit. Völlig entspannt lässt er die Arme hängen, stellt sich einfach hin, so wie er ist. Keine geschwellte Brust, kein Adlerblick, kein Hass und keine Liebe, aber eine allem bereite Offenheit und Durchlässigkeit.] Wie versteht ihr das? Saget mir einmal: Wie ist das mit dem Armehängenlassen? Erfasset den Sinn des Lasthakens, anstatt auf das Sternchen am Nullpunkt zu achten!


    Dass nun dieser Mönch daherkommt und vor den Meister tritt, ist schon etwas Besonderes. Er greift Dschau-dschou an der Stelle an, wo er sich leer zeigt, geht hin und versetzt ihm einen Hieb: »Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?«


    Dschau-dschou aber geht nun weder mit dem Stock noch mit dem Scheltruf vor, sondern sagt bloß: »Ich weiß auch nicht.« Angenommen, der Mönch hätte es nicht mit diesem alten Chinesen zu tun gehabt, so würde es Hiebe abgesetzt haben, dass er bei jedem einzelnen nicht mehr gewusst hätte, was er vorher sagte und was er nachher sagen sollte. Es ist ein Glück, dass dieser alte Chinese die in sich selbst beruhende Freiheit zu jeder Wendung besitzt, welche ihn befähigt, dem Mönche so zu antworten.


    Ihr heutigen Zen-Freunde werdet auf jene Frage [des Mönchs] wohl dasselbe sagen: Ich weiß und verstehe es auch nicht. Doch das gilt nicht! Ihr geht wohl auf derselben Straße, aber nicht in derselben Spur. [D.h.: es wären wohl dieselben Worte, wie die des Dschau-dschou; aber sie kämen aus einem anderen Geist.]


    Dieser Mönch ist ganz ungewöhnlicher Art. Erst ihm, und keinem anderen, fällt es ein, zu fragen: »Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisset, warum sagtet Ihr dann, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen Klarheit?« Das ist ein noch besserer Hieb, den er ihm da versetzt.


    Ein anderer nun als Dschau-dschou würde in solch einem Fall in der Regel versuchen, sich [mit logischen Argumenten] herauszureden und käme dennoch damit nicht zurecht. Aber Dschau-dschou ist ein Meister seiner Kunst. Er begegnet jenem einfach mit dem Bescheid: »Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach deine Verbeugung und tritt zurück!« Dieser Mönch bleibt dem alten Chinesen gegenüber nun einmal völlig hilflos. Er kann nur den Atem einziehen und die Stimme verschlucken.


    Das macht: Hier ist ein Meister unserer Schule von großer Hand. Er führt dir keine Reden über das Geheimnisvolle, Wunderbare, er gibt sich nicht mit Kunstgriffen und Gesten ab. Er nimmt sich der Menschen einfach dadurch an, dass er sie vor die Tatsache des Eigentlichen stellt. [Das hebt ihn auch über Angriffe von andern weit hinaus.] Darum kann er sagen: Binde dir zum Schelten einen Schnabel vor! Gieß zu deiner Spucke Wasser nach! Nie hat man davon gehört, dass dieser alte Chinese die Gewohnheit gehabt hätte, die Leute mit dem Stock oder mit Scheltrufen zu traktieren, sondern nur, dass er ganz schlichte, alltägliche Worte im Munde führte, und nur, dass selbst weitberühmte Männer vor ihm hilflos waren. Und dies deshalb, weil er nie sich auf ein Vielerlei von Einzelheiten einließ. Das gab ihm die königliche Freiheit, eine Sache je nachdem quer von der Seite anzufassen [wie den Eingangsvers der Meißelschrift vom Glauben an den Geist], bald sie auf den Kopf zu stellen [wie die wolkenlose Klarheit], das eine Mal gegen den Wind zu steuern [»ihr hütet die wolkenlose Klarheit und haltet sie hoch«], ein andermal sich von ihm treiben zu lassen [»Ich weiß auch nicht«]. Die Menschen heutzutage haben dafür kein Verständnis und sagen immer nur, Dschau-dschou habe auf das, was die Leute sagen, keine Antwort und erkläre ihre Fragen nicht. Sie merken gar nicht, wie sie damit in demselben Augenblick schon stolpern.

  • 5. Gesang



    Höchster WEG, gar nicht schwer!


    Die Worte treffen's, Rede trifft.


    Eins hat Arten vielerlei.


    Zweie gibt nicht beiderlei.


    Enden des Himmels: Sonne geht auf, Mond geht unter.


    Vor dem Geländer: tief die Bergwelt, kalt die Gewässer.


    Dem Totenschädel schwanden die Sinne;


    wie soll ihm Freude erstehn?


    Im morschen Baum ein Drachengesang:


    noch ist er nicht verdorrt.


    Schwer, ja schwer!


    Wählerisch wählen? Wolkenlos klar?


    Freund, sieh selber zu!



    6. Zwischenbemerkungen zum Gesang



    »Höchster WEG, gar nicht schwer.« - Derselbe öffentliche Aushang nun zum dritten Male! [Erst vom Dritten Patriarchen ausgegeben, dann von Dschau-dschou, nun gar noch von Hsüä-dou - und so geht es weiter!] - Er stopft sich den Mund mit Reif voll [nimmt etwas in den Mund, was einem das Sprechen unmöglich macht), - Was behauptet er da?


    »Worte treffen's, Rede trifft.« - Schwimmt der Fisch, trübt sich das Wasser, fliegt der Vogel, so fallen Federn. - So zerflattert die Blüte in Sieben, acht Blättchen. - Er streicht Schminke auf!


    »Eins hat Arten vielerlei.« - Schön, wie er das auseinanderlegt. - Wäre es nur ein einziges Einerlei, so gäbe es ja auch keinen letzten Schluss [keine letzte Erkenntnis].


    »Zweie gibt nicht beiderlei.« - Wie könnte er es dann erst mit vier-, fünf-, sechs- und siebenerlei aushalten. Was will er eigentlich mit diesem Rankengewirr?


    »Enden des Himmels; Sonne geht auf, Mond geht unter.« - Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht wird hier geboten! - Über dem Haupt endlose Weite, endlose Weite unter den Füßen. - Nur jetzt nicht das Haupt erheben oder senken! [Jetzt hast du es mit dem höchsten WEG zu tun; da schaut man sich nicht nach Einzelheiten um! Nicht um Gegenstände handelt es sich hier, sondern um dich selbst. (da bin ich nicht ganz mit einverstanden, denn: Sonne = Leben, Mond = Shunyata, siehe auch wie es weitergeht:)]


    »Vor dem Geländer: tief die Bergwelt, kalt die Gewässer.« - Ganz sterben, nicht wieder leben! - Du fühlst doch wohl die kalten Körperhaare sich dir sträuben (!!!)?


    »Dem Totenschädel (= Mensch gefangen in der Shunyata) schwanden die Sinne; wie soll ihm Freude erstehn?« - Aber im Sargholz drin reißt er dann doch die Augen auf (!!!)! - Der Pilger Lu [Hui-nëng, der Sechste Patriarch] ist ihm Weggenosse.


    »Im morschen Baum ein Drachengesang: noch ist er nicht verdorrt (rührt sich noch Leben?).« - Nanu! - Der morsche Baum treibt wieder Blüten! - So kam auch Bodhidharma [noch in hohem Alter] zu uns in den Osten.


    »Schwer, ja schwer!« - Falsche Lehre! Lässt sich nicht vertreten. - Er stellt seine Behauptung auf den Kopf. - Wo kann man hier von schwer und wo von leicht reden?


    »Wählerisch wählen? Wolkenlos klar? Freund, sieh selber zu!« - Ich bin doch aber blind! [Yüan-wu spielt den Ängstlichen, welcher der eigenen Entscheidung ausweichen möchte.] - Ich dächte, das geht andere Leute an. - Es läuft also zum Glück darauf hinaus, dass er [Hsüä-dou] erst einmal selber zusehen muss. - Den Mönch vom Berge [mich, Yüan-wu] geht es nichts an!




    7. Erläuterung zum Gesang



    Hsüä-dou kennt den Punkt, auf den es Dschau-dschou in seiner Unterweisung ankommt. Den stellt er deshalb in seinem Gesang heraus mit den Worten: »Höchster WEG, gar nicht schwer.« Wenn er daraufhin fortfährt: »Worte treffen's, Rede trifft«, so ist das so zu verstehen, dass er eben eine Ecke vorweist, ohne die drei andern zu berücksichtigen. Aber indem er daran die Verse anschließt: »Eins hat Arten vielerlei, zweie gibt nicht beiderlei«, kommt er dann doch in gewissem Sinn über die drei anderen Ecken auf die erste zurück.


    Ihr, saget mir einmal: Welches sind denn die Umstände, unter denen Wort und Rede »es treffen«? Wieso hat denn »Eines« doch »vielerlei Arten«, und gibt zwei doch »nicht beiderlei«? Wenn dir dafür die Augen fehlen, in welcher Richtung willst du denn suchen? Wenn du aber durch diese beiden Sätzchen durchgedrungen bist . . .


    Darum heißt es bei den Alten: Klappe es zu einem Blatt zusammen! Dann siehst du, wie früher auch, die Berge als Berge, Wasser als Wasser, Langes lang, Kurzes kurz; Himmel ist Himmel, Erde Erde. [Denn »Eins hat Arten vielerlei.«] Zu Zeiten aber nennst du die Erde Himmel, zu Zeiten sagst du vom Berg: es ist kein Berg, zu Zeiten sagst du vom Wasser: es ist nicht Wasser. (Denn »Zweie gibt nicht beiderlei.«)


    Also, um es kurz und schlicht zu sagen: Wie gewinnt man Ruhe und Frieden? Kommt ein Wind, so rührt sich's im Baum; wölbt sich die Welle, so hebt sich das Boot. Im Frühjahr sproßt es, im Sommer wächst es hoch, im Herbst wird geerntet, im Winter gespeichert. [Darum heißt es in der Meißelschrift vom Glauben an den Geist, im 10.. Doppelvers:]



    Die Eine Art, von ebenem Mut,


    Zerläuft von selbst, wie Wasser tut.



    Mit diesen vier Versen also ist Hsüä-dou's Gesang [auf Dschau-dschou's Unterweisung] schlagartig zu Ende.


    Nun hat Hsüä-dou aber noch mehr auf dem Herzen. Er knüpft sein zugeschnürtes Bündel auf und zählt her. Nur dass nach seinen vier ersten Versen [die über den höchsten WEG eigentlich schon alles Nötige enthalten] nicht mehr viel zu sagen übrig bleibt. Trotzdem fährt er fort: »Wenn an den Enden des Himmels die Sonne aufgeht, dann geht der Mond unter; wenn vor dem Geländer das Bergland in die Tiefe reicht, dann sind die Gewässer kalt.« Hier kann man wohl sagen: Auch diese Worte treffen es, auch diese Rede trifft. Hier ist Vers um Vers WEG (DAO), Wort für Wort vollkommene Wahrheit. Wie sollte dies nicht die Stelle sein, an der einer die Scheidewand, mit welcher wir das Innere vom Äußeren trennen, einmal vergisst und beides, alles miteinander »zu einem Blatt zusammenklappt«?


    Nachdem Hsüä-dou sich in seinen ersten Versen äußerst schroff und streng gezeigt hat, wird er nun gegen das Ende zu auch reichlich leck und locker. Wenn du in diese Verse fleißig eindringst, bis du sie durchschaust, wenn dir ihr Sinn beim Hinsehen durchsichtig geworden ist, dann wirst du es ungewollt verspüren wie den unvergleichlichen Geschmack des Schaums auf zerlassener Butter. Hast du jedoch die in der Unterschiedenheit befangene Erklärungsweise noch nicht vergessen können, so zerflattert dir die schöne Blüte in sieben, acht Blättchen, und du bleibst bestimmt außerstande, solche Reden [wie sie die obigen zwei Verse bringen] zu verstehen.


    »Dem Totenschädel schwanden die Sinne: wie soll ihm Freude erstehn? Im morschen Baum ein Drachengesang: noch ist er nicht verdorrt. Dies hat er einfach zusätzlich hineingemengt. Und zwar handelt es sich um einen »öffentlichen Aushang« der alten Meister, der die Frage nach dem WEG betrifft. Den holt sich Hsüä-dou herbei und zieht ihn zur Vervollständigung seines Gesanges mit den Worten des Dritten Patriarchen vom höchsten WEG auf einen und denselben Strang. Aber heutzutage verstehen die Leute nicht mehr, wie die Alten es meinen Sie kauen an deren Worten und Sätzen nur herum und kommen zu keinem Schluss. Es muss einer schon sehr gut bewandert sein, um diese Geschichte richtig wahrzunehmen.


    Seht, sie ist so. Ein Mönch fragte Hsiang-yän: Was ist es um den WEG? Hsiang-yän erwiderte: Das ist, wie wenn in einem morschen Baum der [Wind-] Drache summt. Der Mönch fragte weiter: Wie steht es mit einem Menschen, der im WEGE lebt? Hsiang-yän sagte: Ein Totenschädel mit Augäpfeln darin.


    Später kam der Mönch zu Schi-schuang. Den fragte er: Was bedeutet das Drachengesumme im morschen Baum? Schi-schuang erwiderte: Ein Dasein, das sich noch mit Freude gürtet. Und was bedeutet ein Totenschädel mit Augäpfeln darin? [fragte der Mönch weiter]. Schi-schuang antwortete: Ein Dasein, dem die Sinne noch geblieben sind.


    Der Mönch [immer noch unbefriedigt] kam auch zu Tsau-schan. Diesen fragte er: Was bedeutet das Drachengesumme im morschen Baum? Tsau-schan gab zur Antwort: Dem sind die Blutadern nicht durchschnitten. [Der Mönch fragte weiter:] Was ist es um einen Totenschädel mit Augäpfeln darin? Darauf Tsau-schan: Der ist noch nicht ganz dürr. [Tsau-schan ist ein gütiger Schalk. Auf die erste Frage beantwortet er schon die zweite, auf die zweite nachträglich die erste. Auch darin liegt die Wahrheit, die dem Mönch nicht eingehen will: Zweie gibt nicht beiderlei. So fragt er immer noch weiter:] Welcher Mensch hat es denn schon gehört [das Drachensummen im morschen Baum]? Tsau-schan sagte: Auf der weiten Erde ist nicht einer, der's nicht hörte. Da sagte der Mönch: Nun möchte ich nur wissen: in welchem Kapitel steht eigentlich dieses Wort vom Drachengesumme? Da erwiderte Tsau-schan: Ich weiß nicht, in welchem Kapitel das steht. Die es hören, müssen alle daran sterben.


    Es gibt auch einen Gesang. Er lautet:



    Wenn im dürren Baum der Drache dir singt,


    siehst wahrhaft du den WEG.


    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind,


    wird erst das Auge klar.


    Wo Freude dir und Empfindung schwand,


    bleibt zu vermelden nichts.


    Wie nähme ein solcher den Unterschied


    des Reinen im Trüben wahr?



    Bei Hsüä-dou, das muss man schon sagen, hat alles großartig Hand und Fuß. Da mengt er dir in seinen Gesang auf einmal eine Zutat hinein. Aber obgleich es eine solche ist, so gibt es, mit dem übrigen zusammengenommen, doch »nicht beiderlei«.


    Zum Beschluss gibt Hsüä-dou den Seinen noch etwas zum persönlichen Gebrauch mit. Er setzt neu an und sagt: »Schwer, ja schwer!« Auch durch das muss man erst hindurchgedrungen sein, bevor man es gewinnt. Wie ist das zu verstehen? Dafür gibt es ein Wort von Bai-dschang, das lautet: »Alles, alles, Worte, Reden, Berge, Flüsse, die ganze große Erde, jedes einzelne Ding, es macht alles kehrt und kommt zuletzt nur auf dich selbst zurück.« So muss auch dies alles, was Hsüä-dou hier zwischen die Finger nimmt und aufgreift, letzten Endes Wort für Wort notwendig auf dich selbst zurückkommen.


    Und nun saget mir: Welches ist der Punkt, an welchem Hsüä-dou seinen Leuten noch etwas zum persönlichen Gebrauch mitgibt? »Wählerisch wählen? Wolkenlos klar? Freund, sieh selber zu!« Nachdem er bereits sein Rankengewirr fertig geflochten hat und mit seinem Gesang am Ende ist, warum sagt er da noch: »Freund, sieh selber zu«? Ein glücklicher Wurf, diese Mahnung, du sollest selber zusehen. Saget nicht, ihr alle hier, ihr könnet es nicht verstehen! Selbst der Mönch vom Berge hier ist an diesem Punkte in genau derselben Lage: er kann es nicht verstehen.