Gibt es ein Selbst?

  • gbg:

    Ist atta als Name (Begriff?) nicht mit sich selbst identisch?


    atta ist zwar auch ein Begriff, aber damit wird ja auch ein bestimmter
    irrtümlich angenommener Umstand bezeichnet. Und diesen Umstand ist der
    Glaube in ein atta. Und der hat natürlich seine natürlichen Gründe die in
    Verblendung bzw. Nichtwissen und Begehren bzw. Anhaften liegen.
    Da ist es nicht verwunderlich wenn der Eindruck von einem atta entsteht.
    Es handelt sich ja um eine gewisse auch emotionale Struktur (sakaya), die
    immer wieder zu solchen Gedanken und Eindrücken führt. Davon ist auch
    der Stromeingetretene noch nicht frei. Aber er weiß aus eigenem Verständnis,
    daß dieser Eindruck bedingt ist und trügt.
    Mit "identisch" wollte ich sagen dauerhaft, unveränderbar völlig gleich der selbe nur ist.
    -

  • Bakram:
    gbg:

    Was heißt anicca?


    anicca ist eines der drei Daseinsmerkmale:


    http://www.palikanon.com/wtb/tilakkhana.html



    Vergänglichkeit (siehe anicca),
    Elend, Leiden (siehe dukkha, eig. Leidunterworfensein; siehe sacca, dukkhatā),
    Unpersönlichkeit (siehe anattā).


    Quelle: http://www.palikanon.com/wtb/tilakkhana.html


    Danke Bakram!


    Hat Vergänglichkeit seine Grenze in der Achtsamkeit?
    Hat Leiden seine Grenze im Mittgefühl?
    Hat Unpersönlichkeit seine Grenze im Nirwana?


    Sind das für euch Grenzen? Grenzen des Selbst? Wer ist der Grenzwächter? Laotse? Muss man etwas dafür bezahlen um auf diesen Schranken zu sitzen, tanzen und ein Liedchen auf die Ungebundenheit zu trällern?


    Fühlt euch frei zu antworten oder darüber zu kontemplieren zu meditieren oder darüber still zu werden. :)


    Herzlichen Gruß an die Runde
    gbg

  • gbg:

    Hat Vergänglichkeit seine Grenze in der Achtsamkeit?Hat Leiden seine Grenze im Mittgefühl?Hat Unpersönlichkeit seine Grenze im Nirwana?Sind das für euch Grenzen? Grenzen des Selbst? Wer ist der Grenzwächter? Muss man etwas dafür bezahlen um auf diesen Schranken zu sitzen, tanzen und ein Liedchen auf die Freiheit zu trällern?


    Weisst du so einfach ist das nicht. Es ist ein lebenslanger Prozess.
    Dabei versucht man nicht Grenzen zu setzen sondern diese niederzureissen. Ziel ist grenzenlose Befreiung. Befreiung von Trieben, Zwängen, Wünschen, einfach allem.

  • Bakram:
    gbg:

    Hat Vergänglichkeit seine Grenze in der Achtsamkeit?Hat Leiden seine Grenze im Mittgefühl?Hat Unpersönlichkeit seine Grenze im Nirwana?Sind das für euch Grenzen? Grenzen des Selbst? Wer ist der Grenzwächter? Muss man etwas dafür bezahlen um auf diesen Schranken zu sitzen, tanzen und ein Liedchen auf die Freiheit zu trällern?


    Weisst du so einfach ist das nicht. Es ist ein lebenslanger Prozess.
    Dabei versucht man nicht Grenzen zu setzen sondern diese niederzureissen. Ziel ist grenzenlose Befreiung. Befreiung von Trieben, Zwängen, Wünschen, einfach allem.


    Danke Bakram.


    Ich stelle mich mal ein bischen naiv. Nur so für Spass...


    Was ist niederzureißen in Ansicht der nichtrealisierten Achtsamkeit. Was ist niederzureißen in Ansicht des nichtrealisierten Mittgefühls. Was ist niederzureißen in Ansicht des nichtrealisierten Nirwanas?
    Ist der Himmel, das Jetzt nicht immer schon weit und offen und ist die Sonne, das Hier nicht immer schon da? :)
    Lieber Bakram, aus mir spricht die Verzweiflung an der Hoffnung über Deine Worte! :D


    Soll ich weiter hoffen?


    Lieben Gruß
    gbg

  • fotost:

    Allerdings war die Idee des Buddha wohl nicht ganz 'mit genug Schmackes bekommt man alles irgendwie kaputt' :lol::lol:


    Ganz genau. Darum geht es mir letztlich:


    Zitat

    "Auf diese Weise, Aggivessana, bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen: 'Ihr Bhikkhus, Form ist vergänglich, Gefühl ist vergänglich, Wahrnehmung ist vergänglich, Gestaltungen sind vergänglich, Bewußtsein ist vergänglich. Ihr Bhikkhus, Form ist Nicht-Atman, Gefühl ist Nicht-Atman, Wahrnehmung ist Nicht-Atman, Gestaltungen sind Nicht-Atman, Bewußtsein ist Nicht-Atman. Alle Gestaltungen sind vergänglich; alle Dinge sind Nicht-Atman. Auf diese Weise bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen."


    (Majjhima Nikāya 35: Die kürzere Lehrrede an Saccaka - Cūḷasaccaka Sutta)


    "Alles ist vergänglich", das ist eine sehr plausible Idee, aber keinesfalls eine empirisch überprüfte Tatsache und eigentlich ist es noch nicht einmal eine falsifizerbare Theorie im modernen Sinne. Ein Etwas in der Welt kann eine beliebig lange Lebensdauer haben und zu keinem Zeitpunkt kann man sicher sein, dass die Therorie "Alles ist vergänglich" doch nicht stimmt.


    Ich sage das deshalb so deutlich, weil einige hier den Eindruck erwecken, die Daseinsmerkmale seien empirisch überprüfbare Tatsachen, wärend Wiedergeburt ins Reich der Spekulationen gehört. Aber so ist es ja nicht. "Alles ist vergänglich" ist eine Spekulation.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Selbst:

    Lieber Elliot - tut man das? Zuvor ist in diesem Text doch bloß festgestellt worden, dass alle sterben. Wie kommt man dann auf "gemäß ihren Handlungen"? Genau das verstehen viele wohl nicht, oder analog zu deiner Protonenbehauptung: Das (Weiterwandern gemäß Handlungen) hat noch keiner je beobachtet. Um es zu beobachten, müsste man es ja mit eigenen ("himmlischen") Augen tun. Wer könnte das hier von sich behaupten?


    Behauptet haben es einige. Aber hier wohl nicht.


    Selbst:

    Damit bleibt es wiederum eine reine Glaubensfrage, etwas zugespitzt könnte man sagen: Ein Angeber behauptet, er habe das himmlische Auge, keiner kann es nachvollziehen (denn nachvollziehbar ist nur, dass alle - unabhängig von ihren Handlungen - am Ende tot sind), aber alle sollen ihm glauben.


    Nein, es sollen ihm nicht alle glauben.


    Aber es sollte keiner behaupten, es stimmt nicht, solange er nicht selbst die Methode ausprobiert hat, die zu einem ""himmlischen Auge" führt:


    Zitat

    „Ihr Bhikkhus, jemand, der die Achtsamkeit auf den Körper entfaltet und geübt hat, trägt in sich, was immer es an heilsamen Zuständen gibt, die an wahrem Wissen Anteil haben [2]. Genauso wie jemand, der sein Herz über den großen Ozean ausgedehnt hat, in sich trägt, was immer es an Flüssen gibt, die in den Ozean fließen; so trägt auch jemand, der die Achtsamkeit auf den Körper entfaltet und geübt hat, in sich, was immer es an heilsamen Zuständen gibt, die an wahrem Wissen Anteil haben.“


    „Man sieht mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, die Wesen sterben und wiedererscheinen, niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und Elend, und man versteht, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern.“


    (Majjhima Nikāya 119: Achtsamkeit auf den Körper - Kāyagatāsati Sutta)


    Denn wer das tut, der gleicht dem blinden Mann:


    Zitat

    "Student, angenommen, da wäre ein blindgeborener Mann, der dunkle und helle Formen nicht sehen könnte, der blaue, gelbe, rote oder rosafarbene Formen nicht sehen könnte, der nicht sehen könnte, was eben und was uneben ist, der die Sterne oder die Sonne und den Mond nicht sehen könnte. Er könnte vielleicht sagen: 'Es gibt keine dunklen und hellen Formen, und keinen, der dunkle und helle Formen sieht; es gibt keine blauen, gelben, roten oder rosafarbenen Formen, und keinen, der blaue, gelbe, rote oder rosafarbene Formen sieht; es gibt nichts, was eben und uneben ist, und keinen, der irgendetwas ebenes und unebenes sieht; es gibt keine Sterne und keine Sonne und keinen Mond, und keinen, der Sterne und die Sonne und den Mond sieht. Ich kenne diese nicht, ich sehe diese nicht, deshalb gibt es sie nicht.' Wenn er so spräche, Student, würde er dann zu Recht sprechen?"


    "Nein, Meister Gotama. Es gibt dunkle und helle Formen, und jene, die dunkle und helle Formen sehen; es gibt blaue, gelbe, rote oder rosafarbene Formen, und jene, die blaue, gelbe, rote oder rosafarbene Formen sehen; es gibt, was eben und uneben ist, und jene, die sehen, was eben und uneben ist; es gibt Sterne und die Sonne und den Mond, und jene, die Sterne und die Sonne und den Mond sehen. Wenn er sagte: 'Ich kenne diese nicht, ich sehe diese nicht, deshalb gibt es sie nicht', würde er nicht zu Recht sprechen."


    (Majjhima Nikāya 99: An Subha - Subha Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot, hast du diese zitierte Methode ausprobiert?
    Zu welchem Schluss bist DU gekommen?


    Ich habe Achtsamkeit auf den Körper ausgedehnt und kann, wie gesagt, nicht bestätigen, dass "die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern".


    Wie steht es mit dir?

  • Elliot:


    "Alles ist vergänglich", das ist eine sehr plausible Idee, aber keinesfalls eine empirisch überprüfte Tatsache und eigentlich ist es noch nicht einmal eine falsifizerbare Theorie im modernen Sinne. Ein Etwas in der Welt kann eine beliebig lange Lebensdauer haben und zu keinem Zeitpunkt kann man sicher sein, dass die Therorie "Alles ist vergänglich" doch nicht stimmt.


    Ich sage das deshalb so deutlich, weil einige hier den Eindruck erwecken, die Daseinsmerkmale seien empirisch überprüfbare Tatsachen, wärend Wiedergeburt ins Reich der Spekulationen gehört. Aber so ist es ja nicht. "Alles ist vergänglich" ist eine Spekulation.


    Das einzusehen finde ich ziemlich wichtig, wir wissen das alles nicht wirklich. Man kann sich nur über die Gründe klar werden, warum man dieses oder jenes annehmen möchte.

  • Elliot:

    [q"Alles ist vergänglich", das ist eine sehr plausible Idee, aber keinesfalls eine empirisch überprüfte Tatsache und eigentlich ist es noch nicht einmal eine falsifizerbare Theorie im modernen Sinne. Ein Etwas in der Welt kann eine beliebig lange Lebensdauer haben und zu keinem Zeitpunkt kann man sicher sein, dass die Therorie "Alles ist vergänglich" doch nicht stimmt.


    Von anderer Religionen ist man ja beliebig Ausgedachtes gewöhnt, auch in Verwendung "modern" tönendendem Vokabular - aber wenn es bis jetzt noch irgendwo Zweifel daran gab, daß das auch für den realen Buddhismus gilt, dann sind sie wohl damit endgültig beseitigt.

  • mukti:
    Elliot:


    "Alles ist vergänglich", das ist eine sehr plausible Idee, aber keinesfalls eine empirisch überprüfte Tatsache und eigentlich ist es noch nicht einmal eine falsifizerbare Theorie im modernen Sinne. Ein Etwas in der Welt kann eine beliebig lange Lebensdauer haben und zu keinem Zeitpunkt kann man sicher sein, dass die Therorie "Alles ist vergänglich" doch nicht stimmt.
    Ich sage das deshalb so deutlich, weil einige hier den Eindruck erwecken, die Daseinsmerkmale seien empirisch überprüfbare Tatsachen, wärend Wiedergeburt ins Reich der Spekulationen gehört. Aber so ist es ja nicht. "Alles ist vergänglich" ist eine Spekulation.


    Das einzusehen finde ich ziemlich wichtig, wir wissen das alles nicht wirklich. Man kann sich nur über die Gründe klar werden, warum man dieses oder jenes annehmen möchte.


    Allerdings nach der Lehre kann, solange dieser Zweifel (vicikicchā zweite Fessel) nicht
    durch Erkenntnis überwunden ist, auch niemals Stromeintritt erlangt bzw. Nibbana verwirklichen werden.


    In diesem Zusammenhang interessiert nur ob die Daseinskomponenten
    Form, Gefühl, Wahrnehmung, Aktivität und Bewußtsein, aus denen alles
    Dasein besteht, vergänglich sind oder nicht.

  • Elliot:

    "Alles ist vergänglich", das ist eine sehr plausible Idee, aber keinesfalls eine empirisch überprüfte Tatsache und eigentlich ist es noch nicht einmal eine falsifizerbare Theorie im modernen Sinne. Ein Etwas in der Welt kann eine beliebig lange Lebensdauer haben und zu keinem Zeitpunkt kann man sicher sein, dass die Therorie "Alles ist vergänglich" doch nicht stimmt.


    Ich sage das deshalb so deutlich, weil einige hier den Eindruck erwecken, die Daseinsmerkmale seien empirisch überprüfbare Tatsachen, wärend Wiedergeburt ins Reich der Spekulationen gehört. Aber so ist es ja nicht. "Alles ist vergänglich" ist eine Spekulation.


    Zunächst einmal wäre klarzustellen, dass die Aussage "Alles ist vergänglich" so im Buddhismus gar nicht gelehrt wird. Ein wenig genauer sollte man schon hinschauen. Die 'Formel' der tilakkhaṇa (der 'drei Merkmale') lautet: sabbe sankhara anicca - sabbe sankhara dukkha - sabbe dhamma anatta. Man beachte, dass lediglich anatta auf sabbe dhamma bezogen ist (was man mit "Alles" übersetzen könnte), anicca und dukkha jedoch auf sankhara, was auf der oben verlinkten Seite http://www.palikanon.com/wtb/tilakkhana.html mit "Gebilde" und in der von Dir zitierten Übersetzung des Cūḷasaccaka Sutta mit "Gestaltungen" übersetzt wird. Sankhara sind mentale Produkte, 'Gemachtes' (eine weitere Übersetzungsmöglichkeit) bzw. 'Zusammengesetztes' (sankhata) - mit einem anderen Wort: Bedingtes (so auch Buddhaghosas Erklärung im Atthasālinī).


    Aus der Bedingtheit der sankhara folgt auch ihr 'Merkmal' anicca - da sie abhängig von Bedingungen sind, sind sie nicht 'fixiert' sondern verändern sich mit dem Wegfall von Bedingungen (die sich 'ausgewirkt' haben) und dem Hinzutreten neuer Bedingungen. Das ist nicht spekulativ, sondern zum einen Ergebnis empirischer Beobachtung (in unserem Kontext ist dies insbesondere eine Funktion von samma sati, die zur Einsicht in anicca führt) und zum anderen logischer Analyse. Empirisch beobachtet werden dabei selbstredend nicht beispielsweise Protonen. Das wäre plumper Materialismus, der die wechselseitige Abhängigkeit von Beobachter und Beobachtetem, von Bewusstsein und Bewusstseinsobjekt, ignoriert. Empirisch beobachtet und analysiert werden vielmehr mit dem vinnanakkhanda die kkhandah - die Quelle aller Empirie - und damit das Zustandekommen des Bewusstseinsobjekts.


    Aus der Bedingtheit der sankhara folgt auch ihr Merkmal anatta. Sie existieren nicht aus sich selbst heraus, d.h. als Substanz, deren Attribute empirisch wahrgenommen werden können, sondern als dynamische Prozesse in Abhängigkeit von Ursachen und Bedingungen. Das Modell dafür ist paticcasamuppada.


    Spekulativ in dem Sinne, dass es sich um eine nicht empirisch verifizierbare oder falsifizierbare Aussage handelt, ist lediglich die Zuordnung des Merkmals anatta auf alle dhamma (Elemente des Seins) - auch die nicht-bedingten. Eines der Hauptgebiete der buddhistischen Philosophie ist denn auch die Untersuchung und Klassifizierung der dhamma - genauer: ihre Katalogisierung und Unterscheidung in ('zusammengesetzte', bedingte) sankhata dhamma und (nicht bedingte) asankhata dhamma, wobei - wenig überraschend aufgrund der spekulativen Natur solcher Überlegungen - unterschiedliche Schulen auch zu unterschiedlichen 'Katalogen' kamen. Die Unterscheidung sankhata dhamma / asankhata dhamma ist insofern von Interesse, als asankhata dhamma eben nicht die Merkmale anicca und dukkhata haben. Ergänzend sei hier noch angemerkt, dass die Theravadin lediglich ein einziges asankhata dhamma postulieren: nibbana. Das Merkmal anatta trifft nach buddhistischer Lehre tatsächlich auf "Alles" zu - auch auf nibbana, das zwar als nicht-bedingt und nicht-leidhaft, aber trotzdem auch als nicht-substanzhaft definiert wird. Das wiederum ist natürlich spekulativ - so lange nibbana nicht erfahren wurde. Diese Erfahrung ist natürlich auch keine empirische, die sich durch ein erfahrendes Subjekt und ein erfahrenes Objekt definiert und damit inhaltlich auch nicht kommunizierbar - sie ist das, was als Erwachen, als bodhi bezeichnet wird.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • accinca:

    Zitat

    Allerdings nach der Lehre kann, solange dieser Zweifel (vicikicchā zweite Fessel) nicht
    durch Erkenntnis überwunden ist, auch niemals Stromeintritt erlangt bzw. Nibbana verwirklichen werden.


    Ja, das ist bekannt. Wie gesagt interessiert mich bei dir und Elliot, ob ihr für euch den Palikanon lest oder ob ihr euch einer bestimmten Schule im Theravada zurechnet und Lehrer habt. Denn mir fällt etwas auf. Was ihr m.E. gemeinsam habt, ist die fehlende Erkentnis, dass es sich hier in eurer Argumentation um reine Eintrittskarten in einen Club handelt: Willst du Nibbana - dann musst du das so oder so machen. Das ist nur in sich logisch, deshalb schafft der Nibbana-Club seine eigenen spezifischen Regeln, wie jeder Club. Wer nicht mitspielt, soll draußen bleiben. Eine lautet: Solange du zweifelst, kein Nibbana. Eine allgemeingültige Lehre müsste anders verstanden werden.


    Mir scheint, wenn ihr mir diese Offenheit erlaubt, weder du noch Elliott verstehen diese Stelle so, dass der Zweifel auch derart aufgehoben werden kann, dass man zu anderen Schlüssen kommt als der Buddha (zum Beispiel in Hinblick auf die Tatsache, dass man an den Taten wie gesagt nicht erkennt, wie einer weiterwandert, da ja alle gleichermaßen sterben) - jedoch trotzdem Befreiung von der Leidhaftigkeit des Daseins erlangen könnte (was bei dir Nibbana heißt). Ihr bewegt euch in dieser Logik, die immer nur auf sich selbst verweist. Dann ist jeder Hinweis auf selbsttätiges Überprüfen oder vielleicht noch das Kalamer-Sutta sinnlos, da ihr offenbar der Meinung seid, eine solche Überprüfung müsste immer wieder zum Wortlaut des Palikanon zurückführen. Demnach gibt es de facto keine Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das finde ich sehr seltsam, auch wenn ihr in dieser Diskussion endlich mal ein wenig eigene Meinung und vor allem unterschiedliche Meinung erkennen lasst. Sonst sehe ich immer nur die Flucht ins Zitat.


    Meines Erachtens gibt es hierfür nur zwei Erklärungen. Entweder ihr habt keine eigenen Erkenntisse und überprüft nicht selbst, was ihr zitiert. Das fände ich traurig. Ich habe noch nie einen religiösen Text gelesen, indem ich alles unterschreiben kann, weder im Koran noch in der Bibel noch im Palikanon und so weiter.


    Oder ihr habt für euch alle Zitate bestätigt gefunden, dann wäret ihr im Sinne des Palikanons erwacht. Das fände ich erfreulich. Allerdings habt ihr das, wie ich zwischen den Zeilen lese, wohl bisher in Abrede gestellt. Darum ist meine Frage, warum ihr euch nicht mit persönlichen Ansichten zu euren Zitaten positioniert.


    Was für ein Weg ist das, in dem ihr alles mehr oder weniger kommentarlos wiederkaut? Gibt es da lebende oder halbwegs aktuelle Vorbilder für euch? Erkennt ihr wenigstens, dass dies pure Religion ist, eine reine Glaubensfrage, mit der Voraussetzung eines blinden Vertrauens in überlieferte Texte? Seht ihr darin nicht auch eine Gefahr (denn das Gleiche machen ja einige Bibel- und Korangläubige)?


  • Wenn diese Erkenntnis nicht da ist bleibt nur die Wahl in die Lehre zu vertrauen oder nicht. Wird solches Vertrauen mit Erkenntnis verwechselt, ergibt sich dogmatischer Fundamentalismus.

  • mukti:

    Wenn diese Erkenntnis nicht da ist bleibt nur die Wahl in die Lehre zu vertrauen oder nicht. Wird solches Vertrauen mit Erkenntnis verwechselt, ergibt sich dogmatischer Fundamentalismus.


    Wenn die Erkenntnis nicht da ist, sollte man doch (jeweils selbst) fragen: Warum nicht?
    Vllt fängt es schon damit an, daß man "Vertrauen in die Lehre" mit "Vertrauen in die Schriften" verwechselt und man noch nicht mal bis dahin vorgedrungen ist, daß es "Vertrauen in den Pfad" bedeutet. Fehlt das Vertrauen in den Pfad, ist es auch unmöglich den Pfad zu betreten, ob sich das dann als dogmatischer Fundamentalismus oder blinder Relativismus äußert, ist letztlich ein marginaler Unterschied.

  • bel:
    mukti:

    Wenn diese Erkenntnis nicht da ist bleibt nur die Wahl in die Lehre zu vertrauen oder nicht. Wird solches Vertrauen mit Erkenntnis verwechselt, ergibt sich dogmatischer Fundamentalismus.


    Wenn die Erkenntnis nicht da ist, sollte man doch (jeweils selbst) fragen: Warum nicht?
    Vllt fängt es schon damit an, daß man "Vertrauen in die Lehre" mit "Vertrauen in die Schriften" verwechselt und man noch nicht mal bis dahin vorgedrungen ist, daß es "Vertrauen in den Pfad" bedeutet. Fehlt das Vertrauen in den Pfad, ist es auch unmöglich den Pfad zu betreten, ob sich das dann als dogmatischer Fundamentalismus oder blinder Relativismus äußert, ist letztlich ein marginaler Unterschied.


    Also Fundamentalismus und Relativismus sind Anzeichen dafür dass der Pfad nicht betreten wurde. Und eine Voraussetzung zum Betreten ist das Vertrauen, dass der Pfad zu den hier angesprochenen Erkenntnissen führt.

  • mukti:

    Also Fundamentalismus und Relativismus sind Anzeichen dafür dass der Pfad nicht betreten wurde. Und eine Voraussetzung zum Betreten ist das Vertrauen, dass der Pfad zu den hier angesprochenen Erkenntnissen führt.


    Es ist keine "Voraussetzung" sondern Kennzeichen, daß der Pfad betreten wurde, wie es auch Kennzeichen des Betreten des Pfades ist, daß man zu bestimmten Erkenntnissen kommt.
    Der Pfad ist nix, was in Vertröstung auf einen fernen Sankt-Nim­mer­leins-Tag irgendwo hingeführt, sondern genau jeder Moment, der jeweils Entscheidung und Tat (als Validierung der Entscheidung) erfordert.

  • Der Erhabene sprach also:

    "Alles will ich euch zeigen, ihr Mönche, das höret wohl.
    Was ist also, ihr Mönche, alles?
    Das Auge ist es und die Formen,
    das Ohr und die Töne,
    die Nase und die Düfte,
    die Zunge und die Säfte,
    der Körper und die Gegenstände,
    der Geist und die Dinge: das heißt man, ihr Mönche, alles.


    Wer, ihr Mönche etwa behaupten wollte:
    'Ich werde solch ein <Alles> zurückweisen und ein <Alles> von anderer Art aufweisen,' und er würde über den Gegenstand seiner Behauptung befragt werden, so könnte er keinen Bescheid geben, würde vielmehr in weiteren Widerstreit geraten.
    Und aus welchem Grunde?
    Weil so etwas, ihr Mönche, nicht zu finden ist". aus S.35.23

  • bel:
    mukti:

    Also Fundamentalismus und Relativismus sind Anzeichen dafür dass der Pfad nicht betreten wurde. Und eine Voraussetzung zum Betreten ist das Vertrauen, dass der Pfad zu den hier angesprochenen Erkenntnissen führt.


    Es ist keine "Voraussetzung" sondern Kennzeichen, daß der Pfad betreten wurde, wie es auch Kennzeichen des Betreten des Pfades ist, daß man zu bestimmten Erkenntnissen kommt.
    Der Pfad ist nix, was in Vertröstung auf einen fernen Sankt-Nim­mer­leins-Tag irgendwo hingeführt, sondern genau jeder Moment, der jeweils Entscheidung und Tat (als Validierung der Entscheidung) erfordert.


    Ja wenn man Betreten und Begehen gleichsetzt, ohne Vertrauen kann man aber auch nicht vollständig in den Pfad eintreten. Z.B. gibt es im Pfad Elemente die angeblich durch ein "himmlisches Auge das dem menschlichen überlegen ist" eingebracht wurden, oder Nibbana, oder das hier zur Diskussion stehende Selbst bzw. anatta. Erkenntnis und Erfahrung reichen hier nur bis zu einem gewissen Punkt anhand der Verfügung stehenden Mittel, von da aus kann man sich für oder gegen das Vertrauen entscheiden.

  • mukti:

    Ja wenn man Betreten und Begehen gleichsetzt ...


    Wenn man sich da mal mal konzentriert hineinvertieft, ist da kein Unterschied.


    mukti:

    Z.B. gibt es im Pfad Elemente die angeblich durch ein "himmlisches Auge das dem menschlichen überlegen ist" eingebracht wurden, oder Nibbana, oder das hier zur Diskussion stehende Selbst bzw. anatta.


    Man kann das natürlich beliebig mythologisieren, aber das führt zu nix - es ist einfach nur die schon oben dargestellte Vertrauens- und Entscheidungsschwäche im gegenwärtigen Moment.

  • mukti:

    Wenn diese Erkenntnis nicht da ist bleibt nur die Wahl in die Lehre zu vertrauen oder nicht. Wird solches Vertrauen mit Erkenntnis verwechselt, ergibt sich dogmatischer Fundamentalismus.


    Genau, aber nach dem Buddha kommt Vertrauen vor Erkenntnis.
    Erst hat man Vertrauen in die Lehre, dann kommt es zu Erkenntnis.
    Nach dem Buddha ist Dasein ein geistiger Prozess ähnlich einem Traum
    der als Realität erfahren wird. Diese empirische Erfahrung ist der Wahntraum.
    Hier lebt das Leben, hier geht der Bär ab, hier gibt es Geburt, Alter und Tod.
    Nun kommt der Erwachte in diesen Wahntraum. Der sagt, das ist ein Wahntraum,
    das ist Elend, das ist Leiden, laß es los, es gibt gar kein wirkliches Selbst oder Eigen,
    alles ist vergänglich, unbeständig, befreie dich von dieser angeblichen Realität, beende
    diese Spiel. Das ist Nibbana! Und es gibt einen Weg das zu schaffen. Folge den Übungen usw. usw.
    Nun gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man entwickelt Vertrauen zum Buddha und
    seiner Lehre und kommt zur Befreiung oder man bleibt beim Wahntraum als Realität.
    Wer aber sagen würde, nicht eher folge ich dieser Lehre als ich keine Erkenntnis in allen
    diesen Dingen erlangt habe, der wird darüber auch keine Erkenntnis erlangen können, denn
    er bleibt ja auf der Ebene den Wahntraum für die Realität fest zu halten und hat Angst,
    ihm würde der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Angst ist hier tatsächlich
    auch ein Problem und führt zur Blockade. So jedenfalls die Lehre des Buddha.


    -

  • Vergehen ist leicht misszuverstehen in diesem Zusammenhang. Nach dem Lesen der Beiträge ist es vielleicht besser wenn bei: vergehen, vergänglich, gleich auch zerfallen als Gedanken zugelasssen wird. Zerfallen trifft es meinem Verstehen nach besser, denn dann ist sogar das Proton darin enthalten, denn wenn es eine Halbwertzeit hat, sei sie auch noch so riesig, zerfällt es. Alles ist vergänglich sagt zwar das gleich aus, doch "zerfällt" macht deutlich wie es vergeht. Und das alles Zerfällt ist ja wohl unbezweifelbar. Da taucht auch nicht mehr der Gedanke auf wohin es vergeht.
    Das Selbst zerfällt um das erscheinen des NichtNachdenkenOrt zu ermöglichen und dessen vergehen ermöglicht das Erscheinen eines Selbst. Das Selbst vergeht eben nicht, es zerfällt und aus alle zerfallenen Selbst erscheint ein Selbst das nie gleich dem zerfallenen Selbst ist. Der NichtNachdenkenOrt vergeht denn er erscheint immer in der gleichen, einen Art.

  • accinca:


    Wer aber sagen würde, nicht eher folge ich dieser Lehre als ich keine Erkenntnis in allen
    diesen Dingen erlangt habe, der wird darüber auch keine Erkenntnis erlangen können, denn
    er bleibt ja auf der Ebene den Wahntraum für die Realität fest zu halten und hat Angst,
    ihm würde der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Angst ist hier tatsächlich
    auch ein Problem und führt zur Blockade. So jedenfalls die Lehre des Buddha.


    Diese Angst entsteht aus Anhaftung, der festverwurzelten Überzeugung eines "Ich" und "mein" - ich bin Körper/Geist, es sind meine Bestandteile, und was ich zu beliebiger Verwendung habe, gehört mir, ist mein Besitz. Daher entsagen die Mönche und Nonnen zuerst allem Besitz und ziehen in die Hauslosigkeit, um ohne Ablenkung an der Auflösung aller irrigen Vorstellungen arbeiten zu können.
    Diese natürliche Existenzangst kann denn auch eine Ursache für den Glauben an ein Selbst sein, weil dann ja doch noch irgendwie was übriggbleibt von mir, gar in ewiger Glückseligkeit. Noch attraktiver als eine Lehre die Erlösung vom unbetreitbaren Leid der körperlich/geistigen Existenz bietet, ist eine Lehre die es durch eine ewige Existenz ersetzt. Daher ist die auch in verschiedenen Variationen viel weiter verbreitet als die Lehre des Buddha.

  • mukti:

    Noch attraktiver als eine Lehre die Erlösung vom unbetreitbaren Leid der körperlich/geistigen Existenz bietet, ist eine Lehre die es durch eine ewige Existenz ersetzt. Daher ist die auch in verschiedenen Variationen viel weiter verbreitet als die Lehre des Buddha.


    In der Tat! Entspricht ja auch dem Begehren und man kann den
    Wahntraum weiter treiben wie bisher auch schon. Wenn es denn
    eine ewige Existenz geben würde in der es ewiges Glück gäbe.
    Einen Erwachten hätte man dann auch nicht gebraucht:


    "Gäbe es in der Welt kein Elend, so würden die Wesen nicht der Welt überdrüssig werden.
    Weil es nun aber Elend in der Welt gibt, darum eben werden die Wesen der Welt überdrüssig.
    Gäbe es in der Welt kein Entrinnen, so könnten die Wesen aus der Welt nicht entrinnen.
    Weil es nun aber in der Welt ein Entrinnen gibt, darum eben entrinnen die Wesen aus der Welt.


    Und solange die Wesen nicht hinsichtlich der Welt den Genuß als Genuß, das Elend als Elend
    und die Entrinnung als Entrinnung der Wirklichkeit gemäß erkannt haben, solange sind die
    Wesen aus der Welt mit ihren guten und bösen Geistern und ihren Brahma-Göttern, mit ihrer
    Schar von Asketen und Priestern, Göttern und Menschen, noch nicht entronnen, haben sich
    noch nicht von ihr losgelöst und befreit, und verweilen mit einem in der Welt befangenen Gemüte. " A 3. 106


    -

  • Sudhana: Du hast die Pointe vergessen. Die Definition von Nibanna.