Kann man das Sterben in der Meditation üben?

  • Sherab Yönten:

    Das wird mir leider nicht so deutlich. :| Das Element "Luft" wird Amoghasiddi zugeordnet, der für Furchtlosigkeit steht und die Geistesgifte Neid, Missgunst, Eifersucht transformiert.
    Was hat diese Erkenntnis nun mit der Auflösung des Elementes Luft im Sterbeprozess zu tun?


    Im Idealfall, dass man bei der Übung Neid, Missgunst und Eifersucht loslässt. Das führt nicht nur zu einer direkten Wirkung im Leben, sondern die Auflösung des Elements "Luft" im Körper würde sich auf diese Weise leichter vollziehen. Aber meiner Ansicht nach geht es ja ohnehin immer mehr um das Jetzt.


    kilaya

  • kilaya:
    Sherab Yönten:

    Das wird mir leider nicht so deutlich. :| Das Element "Luft" wird Amoghasiddi zugeordnet, der für Furchtlosigkeit steht und die Geistesgifte Neid, Missgunst, Eifersucht transformiert.
    Was hat diese Erkenntnis nun mit der Auflösung des Elementes Luft im Sterbeprozess zu tun?


    Im Idealfall, dass man bei der Übung Neid, Missgunst und Eifersucht loslässt. Das führt nicht nur zu einer direkten Wirkung im Leben, sondern die Auflösung des Elements "Luft" im Körper würde sich auf diese Weise leichter vollziehen. Aber meiner Ansicht nach geht es ja ohnehin immer mehr um das Jetzt.


    kilaya


    Damit hast Du zwar nur indirekt meine Frage beantwortet (Stichwort: Sterbeprozess), aber ich glaube, ich weiß Du meinst! :)

  • Wenn Du die illusorische Trennung zwischen Körper, Geist, Elementen, Störgefühlen, Weisheiten usw. aufhebst, IST das physische Element "Luft" die materielle Ausdrucksform der Störungen und Weisheiten im Geist. Tatsächlich lehren es die Tibeter so, dass diese Elemente zu Materie verdichtete Geistesfaktoren sind. (nicht unbedingt in dem Wortlaut) Übrigens in Bezug auf die gesamte Erscheinungswelt und nicht nur in Bezug auf den menschlichen Körper. Entsprechend kann man auch schlussfolgern, ein intensives Erleben der Elemente in der Umwelt eine karmische Reinigung entsprechender Geistesfaktoren ist. Ständiger Wind zerrt dauernd an den Nerven wie Eifersucht. Feuer tilgt Anhaftungen in dem es schnell und ohne Kontrolle alles vernichten kann, was man besitzt usw.


    kilaya

  • Offenbar stirbt man nur einmal. Selbst wenn einer an Wiedergeburt glaubt, stirbt er nur ein Mal als der, der er ist. Also kann man es in der Meditation nicht üben. Üben kann man das, was wiederholbar ist.


    Abt Muho ist auch nie gestorben. Eigentlich ist seine Metapher eine Anmaßung, da das, was er erlebt hat, gar nichts mit dem endgültigen Sterben zu tun hat, das nicht-reversibel ist (selbst wenn es ein Wiederkehren gäbe, ist das völlig anders, als eine Ich-Entgrenzung bei der Meditation zu erfahren).


    Näher am Sterben dran wären dann schon solche, bei denen sich entsprechende klinische Anzeichen zeigten.

  • Die Auflösungsphase ist die Simulation des letzten Punktes im Sterbeprozesses.
    Ein Tantriker übt das Sterben jeden Tag.


    Das Wiedererscheinen als Gottheit kommt übrigens danach und ist einer der Hauptgründe der Yidam Praxis: man erscheint nach dem Tode als Yidam und hat damit ein Gefäß für den Geist, einen Anker. Mit diesem Anker kann man im körperlosen Bardo Zustand navigieren und ist nicht schutzlos den ganzen Dämonen Gesindel ausgeliefert.

  • raterz:

    Die Auflösungsphase ist die Simulation des letzten Punktes im Sterbeprozesses.
    Ein Tantriker übt das Sterben jeden Tag.


    Das Wiedererscheinen als Gottheit kommt übrigens danach und ist einer der Hauptgründe der Yidam Praxis: man erscheint nach dem Tode als Yidam und hat damit ein Gefäß für den Geist, einen Anker. Mit diesem Anker kann man im körperlosen Bardo Zustand navigieren und ist nicht schutzlos den ganzen Dämonen Gesindel ausgeliefert.


    Jeder scheint unter "Sterben" etwas anderes zu verstehen :)


    Du setzt bei Deinem zweiten Absatz voraus, dass der Praktizierende eine sehr stabile tantrische Praxis erreicht hat, die nach dem Tod weiter wirkt. Die Tibeter gehen davon aus, dass die "Navigation" in ein "reines Land" führen soll.

  • Zitat

    Abt Muho ist auch nie gestorben. Eigentlich ist seine Metapher eine Anmaßung, da das, was er erlebt hat, gar nichts mit dem endgültigen Sterben zu tun hat, das nicht-reversibel ist (selbst wenn es ein Wiederkehren gäbe, ist das völlig anders, als eine Ich-Entgrenzung bei der Meditation zu erfahren).


    Askese - glaubst Du wirklich das was Du da schreibst?
    Abt Muho hat das natürlich im übertragenen Sinne gemeint, dass das Ego stirbt.

  • Eine stabile Yidam Meditation ist in meinen Augen für jeden fleissigen Praktiziernden möglich. Aber nicht durch das Rezitieren von Texten, sondern von Mantras.


    Phowa ist meiner Meinung nach eine Art Fähigkeit, die sich durch jede Yidam Praxis entfaltet. Diese explizit zu üben, ist meiner Meinung nach nicht notwendig, und auch nur eine moderne Idee.

  • raterz:

    Eine stabile Yidam Meditation ist in meinen Augen für jeden fleissigen Praktiziernden möglich. Aber nicht durch das Rezitieren von Texten, sondern von Mantras.


    Phowa ist meiner Meinung nach eine Art Fähigkeit, die sich durch jede Yidam Praxis entfaltet. Diese explizit zu üben, ist meiner Meinung nach nicht notwendig, und auch nur eine moderne Idee.


    Das hängt ganz davon ab wie Du "Stabilität" definierst. Es gibt Meister, die visualisieren ihren Yidam während ihrer Meditation 4 Stunden lang und halten diese Visualisierung aufrecht! Das ist durchaus eine Herausforderung, wenn auch nicht unmöglich. Rezitieren von Mantras und Visualisierungen gehören für mich zusammen :) Und die Rezitation von Sutras und Wunschgebeten stabilisiert wiederum die tantrische Praxis....

  • Zitat

    Abt Muho hat das natürlich im übertragenen Sinne gemeint, dass das Ego stirbt.


    Dann sollte er es auch so sagen, ich bin doch kein Gedankenleser. Aber auch daran hab ich meine Zweifel. Das stirbt vielleicht mal für eine Weile, die meiste Zeit macht es sich aber dann wieder bemerkbar. Es ist vlt. eher kurzfristig betäubt, das trifft es wohl eher.

  • Man sollte da nicht "Ego" mit "Selbst" verwechseln. Das Ego kann durchaus schon zu Lebzeiten vollständig verlöschen, das ist schliesslich auch das Ziel weiter Teile des Buddhismus. Das heisst aber nicht, dass man sich dauerhaft als entgrenzt und ohne inneres Zentrum erlebt. "Ego" ist der Aspekt des Selbst, der die eigenen Interessen gewohnheitsmäßig über die Interessen der restlichen Welt stellt. Oder auch die Interessen, der eigenen Familie, Gruppe, Nation usw. über die der restlichen Welt. Das ist nur eine Erweiterung. Ego ist ausserdem Ausdruck der Illusion, von anderen getrennt zu sein. Sich nicht mehr als getrennt zu erleben heisst aber nicht, sich nicht von anderen zu unterscheiden.


    Der Tod des Ego ist also eigentlich viel weniger dramatisch, als es einem das Ego vormachen will. Es suggeriert einem, mit dem Ego würde auch das Selbst sterben. In Wirklichkeit wird das Selbst aber durch den Tod des Ego gestärkt. Eine Entgrenzungserfahrung kann also wie eine Betäubung wirken und einem einen falschen Eindruck vermitteln durch einen Zustand, der gar nicht das Ziel ist. Wenn das Ego wirklich stirbt, gibt es dagegen absolut keinen Grund, sich wieder klein zu machen und zu begrenzen indem man sowas wie ein "Ego" wieder künstlich installiert.


    kilaya

  • Sherab Yönten:


    Das hängt ganz davon ab wie Du "Stabilität" definierst. Es gibt Meister, die visualisieren ihren Yidam während ihrer Meditation 4 Stunden lang und halten diese Visualisierung aufrecht! Das ist durchaus eine Herausforderung, wenn auch nicht unmöglich. Rezitieren von Mantras und Visualisierungen gehören für mich zusammen :) Und die Rezitation von Sutras und Wunschgebeten stabilisiert wiederum die tantrische Praxis....


    Dafür braucht es keine Meisterschaft. Den Yidam ununterbrochen aufrecht zu halten ist eher "nur" etwas fortgeschrittenes. ;)
    Je weiter man dann praktiziert, desto mehr "sieht" man überall das Mandala der Gottheit.

  • Es ist möglicherweise auch eine falsche Vorstellung, zu denken dass das "Mandala der Gottheit" grundsätzlich anders aussieht, als die Welt um uns herum... ;) Und in welcher Form der Yidam erscheinen kann, ist sicherlich auch variabel...


    kilaya

  • kilaya, du glaubst doch wohl selbst nicht, dass ein Familienvater seine Familie nicht irgendwie bevorzugt behandelt, oder ein Abt kein Ego zeigen wird und muss? Ich habe noch nie jemanden getroffen, dessen Ego dauerhaft erloschen war, warum machen wir uns denn da was vor? Es geht um ein Ideal und um die Anstrengung der Annäherung, denn wenn wir uns weniger als das versuchen anzunähern, erreichen wir wahrscheinlich auch weniger. Darum wird das Ziel hoch gesteckt.

  • Ich glaube, dass das vollständige Verlöschen des Ego durchaus möglich ist, auch im Leben, und dass das nicht nur ein zu hoch gestecktes Ideal ist. Die Frage ist, ob wir die Auswirkungen davon erkennen können, solange wir nicht selbst soweit sind. Jedes Wesen mit einem Ego wird auch meinen, in einem Buddha ein Ego zu sehen.


    kilaya

  • Das ist natürlich eine klassische Selbstschutzerklärung in allen Religionen - wer es nicht so versteht, wie es ein Weiser sagte, der ist halt noch nicht so weit. Eine solche Auffassung ist m. E. sehr gefährlich. Aber es geht ja gar nicht um den Buddha, wir waren beide nicht dabei, als er lebte. Und dieser Buddha forderte durchaus zu einer kritischen Überprüfung auf. Es genügt ja schon, dass wir im gegenwärtigen Leben keinen finden, der ohne Ego ist. Es ist deshalb auch unerheblich, ob das - wie du sagst - daran liegt, dass man selbst Ego hat. Tatsache ist, dass dann keiner ohne Ego ist, und es sich somit um ein Wunschdenken handelt.

  • Nein, das ist keine Selbstschutzerklärung, sondern beruht einfach auf dem psychologischen Prinzip, dass man solange man ein "Ego" hat, oder eine starke Ich-Illusion, man auf die Welt und andere Menschen das projiziert, was man bewusst oder unbewusst in sich trägt. :)


    kilaya

  • kilaya:

    Es ist möglicherweise auch eine falsche Vorstellung, zu denken dass das "Mandala der Gottheit" grundsätzlich anders aussieht, als die Welt um uns herum... ;) Und in welcher Form der Yidam erscheinen kann, ist sicherlich auch variabel...


    kilaya


    Das ist keine falsche Vorstellung, sondern eine tantrische Sichtweise,
    Das was Du beschreibst ist wohl die Sichtweise von Dzogchen.


    kilaya:

    Man sollte da nicht "Ego" mit "Selbst" verwechseln


    Wir hatten irgendwo mal einen Thread, da ging es um den Unterschied zwischen Ich, Ego und Selbst.
    Viele waren der Ansicht, dass es keinen Unterschied gibt.

  • D.h. Du erwartest, als "Mandala der Gottheit" dann um Dich herum sehenden Auges eine komplett andere Welt zu sehen?


    Was den Unterschied zwischen Ich / (Ego) / Selbst angeht, weiss ich, dass es da verschiedene Ansichten gibt. Das hat auch mit der jeweiligen Definition der Begriffe zu tun. Einen Unterschied zwischen dem "Ego-Ich" und dem "blossen Selbst" erklärt aber z.B. auch der Dalai Lama. Und da geht es genau um das, was ich beschrieben habe. In der Essenz: "nicht getrennt" heisst nicht "ohne Unterscheidung".


    kilaya

  • kilaya:

    D.h. Du erwartest, als "Mandala der Gottheit" dann um Dich herum sehenden Auges eine komplett andere Welt zu sehen?


    Was den Unterschied zwischen Ich / (Ego) / Selbst angeht, weiss ich, dass es da verschiedene Ansichten gibt. Das hat auch mit der jeweiligen Definition der Begriffe zu tun. Einen Unterschied zwischen dem "Ego-Ich" und dem "blossen Selbst" erklärt aber z.B. auch der Dalai Lama. Und da geht es genau um das, was ich beschrieben habe. In der Essenz: "nicht getrennt" heisst nicht "ohne Unterschiede".


    kilaya



    Ich erwarte gar nichts. Du hast aber bereits mehrfach erklärt, dass Du nicht Tantra praktizierst bzw. dass diese Herangehensweise Dir fremd ist. Es ist es aus der Perspektive eines Tantra Praktizierenden eben nicht korrekt zu sagen: "Es ist möglicherweise auch eine falsche Vorstellung, zu denken dass das "Mandala der Gottheit" grundsätzlich anders aussieht, als die Welt um uns herum." Aus der Perspektive eines Dzogchen Praktizierenden mag das korrekt sein. Ich möchte Dich lediglich bitten, beide Perspektiven zu respektieren und nicht zu behaupten, die eine Vorstellung sei "möglicherweise falsch" und die andere richtig.


    Hast Du eine Quelle zu den Erklärungen des Dalai Lama ?

  • Ich habe nie gesagt, dass ich kein Tantra praktiziere. Es gibt nur bestimmte Formen des Tantra, die ich nicht gelernt habe, weil sie in meiner Schule so nicht gelehrt werden. Ich habe Tantra immer vor dem Hintergrund des Mahamudra gelernt, und Mahamudra wird nicht losgelöst von Tantra gelehrt. (Das Thema "radikales Dzogchen" ist ein anderes Übungsfeld, das ich nur in einem bestimmten Kontext betrete)


    Was das "Mandala der Gottheit" angeht, so bin ich sehr sicher, dass auch die "tantrische Realität" letztendlich nicht auf - ich formuliere es jetzt bewusst so - "Phantasiewelten" beruht, sondern einen Erfahrung ist, die immer noch auf der Realität um einen herum basiert. Die Wahrnehmung dieser Welt wird aber derart transformiert, dass es einem vorkommt, als hätte man in ein Paralleluniversum gewechselt. Um diese Erfahrung angemessen zu beschreiben, hat man das Mandala sehr phantasievoll ausgeschmückt. Man sollte aber nicht wortwörtlich erwarten, dass auf einmal nur noch bunte asiatisch aussehende Wesen mit 4-12 Armen um einen herumwandern, sonst wartet man vermutlich lange und vergeblich. Und genauso kann einem der Yidam in einem ganz gewöhnlich aussehenden Menschen begegnen, dessen Verhalten und Aktivität ihn glasklar als den Yidam erkennbar machen. Das wäre ein gutes Zeichen für die Praxis, während ich mir bei jemand, der anfängt, grünhäutige Frauen durch den Park laufen zu sehen ernsthaft Sorgen machen würde.


    Stichwort Tara: was erscheint? Eine Frau mit grüner Haut, die einen Lotusblüte in der Hand hält? Oder vielleicht geht es doch um die Bedeutung der Symbole, also eine Frau oder ein Mann, die eine aktive, mütterliche, mitfühlende Qualität zeigen, die wie "nicht von dieser Welt" wirkt?


    Ich befürchte ich würde einen Gegenbeweis brauchen, um von dieser Ansicht abrücken zu können. D.h. aber nicht, dass ich andere Sichtweisen nicht respektiere. Mit einer Unterscheidung zwischen "Tantra" und "Dzogchen" hat das nur nichts zu tun, darauf können wir die unterschiedlichen Ansichten nicht abladen.


    kilaya


    Was das Buch angeht: ich habe es nicht mehr, da ich die meisten gedruckten Bücher nach dem Lesen verschenkt habe. Aber ich habe eine Idee, welches das war und wenn ich es finde, reiche ich es nach.

  • kilaya:

    Es gibt nur bestimmte Formen des Tantra, die ich nicht gelernt habe, weil sie in meiner Schule so nicht gelehrt werden.


    Vermutlich reden wir hier genau über die Formen, die Du nicht gelernt hast.


    kilaya:

    Was das "Mandala der Gottheit" angeht, so bin ich sehr sicher, dass auch die "tantrische Realität" letztendlich nicht auf - ich formuliere es jetzt bewusst so - "Phantasiewelten" beruht, sondern einen Erfahrung ist, die immer noch auf der Realität um einen herum basiert. Die Wahrnehmung dieser Welt wird aber derart transformiert, dass es einem vorkommt, als hätte man in ein Paralleluniversum gewechselt. Um diese Erfahrung angemessen zu beschreiben, hat man das Mandala sehr phantasievoll ausgeschmückt. Man sollte aber nicht wortwörtlich erwarten, dass auf einmal nur noch bunte asiatisch aussehende Wesen mit 4-12 Armen um einen herumwandern, sonst wartet man vermutlich lange und vergeblich. Und genauso kann einem der Yidam in einem ganz gewöhnlich aussehenden Menschen begegnen, dessen Verhalten und Aktivität ihn glasklar als den Yidam erkennbar machen. Das wäre ein gutes Zeichen für die Praxis, während ich mir bei jemand, der anfängt, grünhäutige Frauen durch den Park laufen zu sehen ernsthaft Sorgen machen würde.


    Darauf möchte ich aus bestimmten Gründen gar nicht näher eingehen.


    kilaya:

    Aber ich habe eine Idee, welches das war und wenn ich es finde, reiche ich es nach.


    Das wäre schön. :) Es täte mich wirklich interessieren, welche Ansicht der Dalai Lama hat und wie er einen etwaigen Unterschied begründet.