Nicht töten - Probleme in der Praxis

  • pamokkha:

    Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf.


    Das wurde doch gar nicht in Zweifel gezogen. Die Frage ist doch vielmehr, ob der Wille zu Töten auch mit anderen Geistesfaktoren aufsteigen kann. Hat Angulimala aus Hass getötet oder aus (spriritueller) Gier, verbunden mit Verblendung?


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Der Wille zu töten ist mit Hass verbunden, töten Wollen ist immer mit den Drei Geistesgiften verbunden. Das ist auch mit Meditationserfahrung zu erkennen.

  • Ellviral:
    pamokkha:

    So ist es. Und es ist für jeden mit genügend Meditationserfahrung selber nachvollziehbar. Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf. Und ohne diesen Willen kann man nicht Töten.

    Da hab ich ganz andere Erfahrung. Ich kann Dir nicht zustimmen.

    War in Gefühlen verstrickt und habe "Der Wille..." nicht realisiert. Da stimm ich Dir zu.



  • Dann werde ich Dir jetzt ausführlich die Situation beschreiben. Da ich sowohl die Situation als auch mich selbst mit größtmöglicher Achtsamkeit wahrgenommen habe, kann ich es Dir sehr detailliert beschreiben.
    Und ich hoffe, Du kannst mir sagen, wo in dieser Situation Hass gelegen haben könnte.
    Es ist übrigens keineswegs so, dass ich etwas nicht wissen oder hören möchte. Ich übe mich seit langer Zeit darin, meinen eigenen Motiven auf die Spur zu kommen. Falls Du also ernsthaft einen Beitrag dazu leisten möchtest freut mich das, wenn Du Deine Ansichten etwas ausführlicher erläuterst oder begründest.


    Im Vorfeld konnte ich mich damit auseinandersetzen, dass ich wahrscheinlich vor der Entscheidung stehen werde, meine Katze einschläfern zu lassen.
    Damit habe ich es mir nicht leicht gemacht. Weder geht mir "Töten leicht von der Hand" noch bin ich "nicht ausreichend in Achtsamkeit geschult".


    Ich hatte im Vorfeld entschieden, jede verantwortungsvolle Möglichkeit zu nutzen, eine Tötung zu vermeiden. Und nur dann von aktiver Sterbehilfe Gebrauch zu machen, wenn die Alternative mit erheblichen Qualen verbunden wäre.


    Mit der Tierärztin habe ich vereinbart, dass sie alle Behandlungsmöglichkeiten nutzt. Die Behandlung hat eine Stunde gedauert. In dieser Wartezeit fühlte ich mich unwohl, ich war unruhig und in Sorge, weil diese Behandlung Stress für meine Katze bedeutete und mit Angst und Schmerzen verbunden war. Ich fragte mich, ob das sofortige Einschläfern verantwortungsvoller gewesen wäre, da ein Behandlungserfolg eher unwahrscheinlich war. Doch ich wollte nicht töten und war nicht sicher im Hinblick auf die Aussichten der Behandlung. Auch die Tierärztin war sich nicht sicher.


    Als ich nach einer Stunde in das Behandlungszimmer gerufen wurde, lag meine Katze auf dem Operationstisch, halbseitig kahlgeschoren und halb betäubt. Mein Gefühl: Leichtes Entsetzen, vor allem im Hinblick auf den Gedanken, dass sie durch die Behandlung vermutlich zusätzlich Schmerzen hatte.
    Das Entsetzen habe ich rasch loslassen können, um der Ärztin aufmerksam zuzuhören.
    Sie erklärte mir ausführlich die Krankheitsursachen. Und die Gründe dafür, dass die Katze nicht zu retten sei. Sie sagte, ich müsse die Katze "gehen lassen".


    Das überzeugte mich noch nicht. Ich war darauf vorbereitet, meine Katze bis zum Tod zu pflegen. Deshalb bat ich die Tierärztin, mit mir diese Alternative zu besprechen. Sie erklärte mir daraufhin ausführlich, warum sie ein solches Vorgehen für unverantwortlich halte: Schmerzmittel würden bei dieser Form von Erkrankung nicht wirksam das Leiden lindern. Außerdem sei der Einsatz von Schmerzmitteln ebenfalls eine Tötung, da die Organe der Katze nicht mehr in der Lage seien, ein Schmerzmittel abzubauen. Eine Pflege bis zum Tode mit Einsatz von Schmerzmitteln würde eine langsame Vergiftung darstellen, also ebenfalls eine Tötung, die nur länger dauere und qualvoll für das Tier sei.


    Soweit ich es wahrnehmen konnte, war die Tierärztin in Sorge, dass die Katze unnötig leiden muss. Aus der Art wie sie mit mir gesprochen hat, konnte ich entnehmen, dass sie mich wohl für fundamentalistisch religiös gehalten haben muss. Sie plädierte sehr dafür, unnötiges Leiden zu verhindern.


    Ich habe noch immer nicht eingewilligt, sondern die Situation noch kurz telefonisch mit einem Familienangehörigen besprochen.


    Danach gab ich den Auftrag, die Katze zu töten.
    Was habe ich in dem Moment empfunden?
    Vor allem zwei Gefühle, abwechselnd: Ein Gefühl der Hilflosigkeit, das Töten nicht vermeiden zu können. Und ein Gefühl der Erleichterung, weil ich auf diese Weise der Katze Leiden ersparen kann.


    Da war weder ein Gefühl von Hass im engeren Sinne. Noch im weiteren Sinne von "Aversion" dem Leiden der Katze gegenüber. Also auch nicht eine Reaktion in der Art von "Ich lehne es ab, die Katze weiter zu pflegen oder die Zeichen von Leiden weiter zu ertragen". Sondern nur das Gefühl, dass es gut ist, vermeidbares Leiden zu verhindern.


    Bei der Tierärztin waren - nach meiner Wahrnehmung - hauptsächlich das Gefühl der Erleichterung, dass ich einsichtig war und die Katze nicht unnötig leiden muss. Ansonsten war jede Handlung bei ihr völlige Routine. Ohne erkennbares Gefühl.


    Zuerst wurde die Betäubungsspritze angesetzt. Ich hielt den Kopf der Katze und hoffte darauf, dass sie einen leichten Tod haben wird.
    Die Ärztin wollte nun 10 Minuten warten, bis die Betäubung komplett wirkt und ging in ein anderes Behandlungszimmer. Ich beobachtete die Katze, während ich ihren Kopf streichelte. Achtete sehr aufmerksam auf ihre Körperfunktionen, ihre Atmung, während ich freundlich mit ihr redete.
    Die Atmung wurde immer schwächer. Zuletzt nur noch ganz leicht und ruckartig. In dem Moment war ich in Sorge, dass da womöglich etwas Leidvolles passiert, ein Ersticken vielleicht. Ich rief die Ärztin, die mich beruhigte.
    Als sie die Giftspritze ansetzte war ich ganz ruhig. Die Katze war schon völlig bewegungslos und mit starren Augen, kaum noch ein Atem zu sehen. In diesem Moment dachte ich einzig und allein "Mögest Du frei von Schmerzen sein." Bei mir Frieden, nur dieser Gedanke "Mögest Du frei von Schmerzen sein."
    Gefühl von Gleichmut.


    Soweit meine Wahrnehmung der Situation.


    Wo war da Hass?


    Wie hättest Du in meiner Situation gehandelt und Dich gefühlt?


    Und glaubt jemand, es sei moralisch besser gewesen, die Katze nicht zu töten?
    Oder es sei besser im Einklang mit buddhistischer Praxis gewesen, die Katze weiter leiden zu lassen?


    Ich habe mich jetzt wirklich bemüht, ausführlich und aufrichtig zu beschreiben. Und hoffe, dass von Dir auch eine ausführliche und aufrichtige Antwort kommt.


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  • Du kannst dir so viel in die eigene Tasche lügen, wie du möchtest. Aber muss das im Bereich buddhistische Praxis sein. Was ist immer mit den Leuten, die ihr Töten und Morden rechtfertigen müssen. Gehörst du zum Mahayana?

  • pamokkha:

    Du kannst dir so viel in die eigene Tasche lügen, wie du möchtest. Aber muss das im Bereich buddhistische Praxis sein. Was ist immer mit den Leuten, die ihr Töten und Morden rechtfertigen müssen. Gehörst du zum Mahayana?


    Glaubst du, dass deine vorwurfsvolle und schroffe Reaktion mit persönlichen Unterstellungen richtige buddhistische Praxis ist?


    Eine angemessene Antwort auf meinen letzten Beitrag, in dem ich dir ausführlich die Situation schildere, die mich dazu brachte, die Katze zu töten?


    Du bleibst mir die Antwort schuldig, was du an meiner Stelle getan hättest.


    Stattdessen fragst du mich, ob ich zum Mahayana gehöre.

  • Ist es wirklich so schwierig zu verstehen, dass man Leben nicht zerstören kann ohne Hass.

  • pamokkha:

    Ist es wirklich so schwierig zu verstehen, dass man Leben nicht zerstören kann ohne Hass.


    Natürlich kann es auch ohne Hass zerstört werden.
    Nämlich z.B. aus Begehren aber auch aus Verblendung
    in allen seinen Formen bis zur Unachtsamkeit kann sowas
    passieren. Aber auch einfach nur indem man lebt ohne
    besondere Absicht kann und wird Leben zerstört. So
    geht es halt zu wenn man in einem Biotop lebt.

  • Was ist denn bei meiner ersten Antwort - Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf - unklar geblieben. Der Wille steigt mindestens auf beim Tötungsauftrag und bei der Tötungsausführung.

  • Der Terminus "Hass" gehört zu einer gängigen Variante der Bezeichnung der drei Geistesgifte (Gier, Hass, Verblendung). Man könnte statt Hass z.B. auch das Wort "Abneigung" verwenden (Abneigung, Zuneigung, Ignoranz).


    Wenn man genau hinsieht, liegt tatsächlich Abneigung vor: Der Tierhalter möchte das Sterben des Tiers nicht so annehmen, wie es ist, und entscheidet sich daher, den Sterbeprozess abzukürzen.


    Das ansich ist lediglich eine halbwegs neutrale Beschreibung des Vorgangs und trifft noch keine Aussage darüber, ob es "verwerflich" ist oder nicht, eine solche Abneigung zu empfinden.


    Das Wort "Hass" impliziert schnell eine gewisse moralische Kategorie ("darf nicht sein, ist böse"), was wiederum alle möglichen Gedankenfiguren triggert, deswegen würde ich dieses Wort in einer Analyse nicht verwenden. Aber im Grunde, glaube ich, hat pamokkha Recht.

  • Was ist mit dem Gebot des nicht- grausamen Handelns, Pamokkkha ? Tatsächlich- Dogmatismus hat im Mahayana nichts verloren. Dogmatismus verschärft die Fessel des Anhangens an Riten und Regeln, und dem liegt eine Neigung zur Abneigung zugrunde.

  • mkha':

    Hättest Du dieses Karma nicht auf Dich genommen, wäre Das Tier bis zu seinem natürlichen Tod den nicht zu lindernden Schmerzen ausgesetzt gewesen. ... Meines Erachtens war das eine absolut selbstlose Tat zum Wohle des Tieres.


    Seh ich auch so.

  • pamokkha:

    Was ist denn bei meiner ersten Antwort - Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf - unklar geblieben. Der Wille steigt mindestens auf beim Tötungsauftrag und bei der Tötungsausführung.

    Der Wille zum Töten aus Gier, Hass, Verblendung ist immer abzulehnen. Ich habe das Erfahren, doch es gibt eine Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens. Das ist einfach so und wenn ich das nicht so erfahren hätte müsste ich mich als Mörder bezeichnen.

  • Ist jetzt ein wenig OT:


    mkha':

    Es heißt, in den meisten Fällen gehe das Denken dem Reden und der Tat voraus


    Du meinst wahrscheinlich in den Fällen wo man intuitiv handelt ist das nicht der Fall, oder?
    Wie ist das mit folgenden Gedanken: Sie finden ausschließlich als Fantasie im Geiste der Person statt. Sie schaden keinem und sie nützen keinem, weil daraus keine Rede und keine Tat resultieren.
    Spricht man im Sinne des Lamrim dann trotzdem von heilsamen bzw. unheilsamen Gedanken oder wird ein Gedanke erst dann heilsam/ unheilsam wenn er zur Rede bzw, zur Tat wird?

  • Herzlichen Dank für Eure Antworten!


    Ellviral:
    pamokkha:

    Was ist denn bei meiner ersten Antwort - Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf - unklar geblieben. Der Wille steigt mindestens auf beim Tötungsauftrag und bei der Tötungsausführung.

    Der Wille zum Töten aus Gier, Hass, Verblendung ist immer abzulehnen. Ich habe das Erfahren, doch es gibt eine Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens. Das ist einfach so und wenn ich das nicht so erfahren hätte müsste ich mich als Mörder bezeichnen.


    Mir ist es wichtig, sehr ehrlich mit mir selbst zu sein. Dazu gehört es, deutlich zu beobachten, aus welchen Motiven ich handle. Welche Impulse bei mir vorhanden sind.
    Und in den meisten Fällen, in denen ich in meinem Leben getötet habe, gab es Impulse von "Hass" (im Sinne von Aversion) und "Verblendung".
    Beispiel: Als Kind habe ich Regenwürmer aufgesammelt, die auf der Straße waren, damit sie nicht überfahren werden. Einmal war ein Regenwurm bereits überfahren und fast ganz zerquetscht. Ich konnte die Vorstellung, dass der Wurm leidet, nicht ertragen und habe schnell ein Taschentuch daraufgelegt und ihn zertreten. (Hauptsächlich deshalb, um nicht selbst zu leiden.)
    Da war "Hass" im Sinne von Aversion gegenüber dem Leiden und auch Verblendung.


    Ob man sich gleich als "Mörder" bezeichnen muss, wenn solche Motive vorliegen, ist eine andere Frage. Ich finde es aber wichtig, die eigenen Motive klar zu sehen.


    Also stimme ich Dir zwar zu, dass es eine von "Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens gibt", aber das kommt nur selten vor.





    Ich stimme Dir zu, dass bei solchen Handlungen meistens "Hass" im Sinne von "Abneigung" bzw. "Aversion" vorliegt.
    Und ich stimme auch zu, dass das Vorliegen einer solchen Motivation noch nichts darüber aussagt, ob die Handlung moralisch "verwerflich" ist oder nicht. (Und zwar deshalb, weil eine ernstzunehmende Ethik immer auch die Konsequenzen einer Handlung berücksichtigt, nicht allein ihre Beweggründe.)


    Was heißt es aber, dass "Abneigung" bzw. "Ablehnung" bzw. "Aversion" vorliegt?
    Meiner Meinung nach heißt es, dass da ein Impuls sein muss, den der Handelnde bei ausreichender Achtsamkeit und Übung auch wahrnehmen kann.


    Wenn Du stattdessen sagen möchtest, dass schon die Tatsache der Ablehnung einer Handlungsalternative "Hass" sei (auch ohne einen zumindest prinzipiell wahrnehmbaren Impuls von Aversion), dann wäre jede Handlung mit "Hass" verbunden. Denn bei jeder Entscheidung für eine Handlung entscheidet man sich automatisch GEGEN bestimmte Handlungsalternativen.


    Als ich mich gegen die Option entschieden habe, meine Katze länger leiden zu lassen, habe ich keine Aversion gegen das Leiden gespürt, sondern nur Hilflosigkeit und direkt danach "Mögest Du frei von Schmerzen sein", also die Konzentration auf Befreiung, was verbunden war mit einem Zustand der Ruhe.


    Gerade deshalb, weil ich ja sehr genau fühle und mich daran erinnere, wenn ich aus Ablehnung töte (siehe oben das Beispiel mit dem Regenwurm), überzeugt mich davon, dass da kein "Hass" war. Und Gier und Verblendung ebenfalls nicht.


    mkha':


    Ich verstehe, dass die harte Reaktion pamokkhas leicht irritierend ist, allerdings stellt das Gebot des „Nicht-Verletzens“ (skt. ahiṃsā). eines der „fünf Grundgebote der Sittlichkeit“ dar und gebietet, vom „Töten lebender Wesen“ (skt. prāṇātipāta) Abstand zu nehmen. Punkt.


    (...)
    Es heißt, in den meisten Fällen gehe das Denken dem Reden und der Tat voraus. Analysiert man also seine Motivation, (ohne sich selbst etwas vorzumachen), erkennt man recht leicht, ob das eigene Denken, Reden und Handeln karmisch heilsam oder unheilsam ist, (stark vereinfacht könnte man sagen: egoistische Motive unheilsam, selbstlose Motive heilsam).


    Du hast, mit der Motivation helfen zu wollen, alles getan, um die schwere der Erkrankung für das Tierchen erträglicher zu machen. Du hast Dich fachlich beraten lassen und bist, aufgrund mitfühlender Motive, zum Wohle Deines Lieblings, der Ansicht des Tierarztes, dass es angezeigt sei, das nicht zu lindernde Leiden des Tieres zu beenden, gefolgt. Hättest Du dieses Karma nicht auf Dich genommen, wäre Das Tier bis zu seinem natürlichen Tod den nicht zu lindernden Schmerzen ausgesetzt gewesen. ... Meines Erachtens war das eine absolut selbstlose Tat zum Wohle des Tieres.


    Vielen Dank für Deine freundlichen Worte!


    Ja, die Auffassung Pamokkhas hinsichtlich des Gebots des Nicht-Verletzens ist mir ganz klar.
    Weniger klar ist mir, ob er das Gebot richtig auslegt.
    Denn wenn wir nichts "aktiv" tun, handeln wir doch auch. Und zwar durch Unterlassen.
    Wenn Pamokkha also verantwortlich gewesen wäre für die Katze, hätte er ebenfalls folgende Alternativen gehabt:
    (1.) Der Tötung durch die Tierärztin zuzustimmen.
    (2.) Der Katze Schmerzmittel zu geben, die das Leiden nicht wirksam lindern, aber zu einer langsamen Vergiftung führen und also ebenfalls eine Tötung darstellen.
    (3.) Die Katze ohne Gabe von Schmerzmitteln wieder mit nach Hause zu nehmen und für extremes Leiden verantwortlich zu sein.


    Jede dieser Handlungsalternativen hätte doch "karmische Konsequenzen" gehabt.
    Nicht bloß die Zustimmung der Tötung durch die Tierärztin, sondern auch die grausameren Alternativen durch Unterlassen bzw. langsame Tötung.


    Sehe ich das falsch?


    Da scheint doch bei der gängigen Auslegung des "Nicht-Verletzens" irgendwie die Illusion eine Rolle zu spielen, dass es gar keine karmischen Konsequenzen habe, wenn man scheinbar "nichts tut".
    Doch das Unterlassen kann grausamer sein als eine direkte Tötungshandlung.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Man könnte die buddhistische Ethik natürlich so umformulieren, dass daraus ein "negativer konsequentialistischer Handlungsutilitarismus" wird.


    Das ist keine Umformulierung, sondern die buddhistische Ethik schlicht auf einen kurzen Nenner gebracht.
    (...) eine 'Technik' um damit zu einem Ergebnis zu kommen, also die Orientierung / Bewertung des Handelns anhand seiner Eignung, zu einem Ziel (hier: Überwindung von Duhkha) zu führen ist - bezogen auf die Handlungsempfehlungen der sikkhapada - Utilitarismus. Da dies nicht auf ein positives Ziel gerichtet ist (etwa Erlangung von Glück), sondern auf ein negatives (Überwindung von Duhkha), handelt es sich um einen negativen Utilitarismus. Da dabei die Handlungen an ihren Folgen gemessen werden (führen sie zu einer Vertiefung / Perpetuierung von Duhkha oder zur Überwindung / Minderung) ist dieser Utilitarismus konsequentialistisch.


    Lieber Sudhana,


    eine philosophische Grundlagendiskussion wäre an dieser Stelle vermutlich off topic. (Wir können die Diskussion aber gern per PN führen, falls Du das möchtest.)


    Vielleicht beschränken wir uns an dieser Stelle auf das konkrete Beispiel: Wie wurde in diesem Thread bisher über die Übung bzw. das Gebot nicht zu töten, diskutiert?


    Es ging doch immer wieder hauptsächlich um die Motive des Handelnden: Waren da "Hass", "Gier" und "Verblendung"?
    Es ging nur am Rande um die konsequentialistische bzw. utilitaristische Beurteilung der Handlungsalternativen.


    Aus der Sicht eines negativen Utilitarismus müsste man die Handlungsalternativen im Hinblick auf die Minimierung des Leidens bewerten. Und käme sehr einfach zu dem Schluss, dass die Tötung der Katze durch die Tierärztin selbstverständlich die einzig richtige Entscheidung ist.


    Da es aber in der Diskussion um Handlungsmotive geht und weniger um die Idee des Minimierens von Leiden, zeigt sich doch, dass hier eine Gesinnungsethik vorliegt, keine utilitaristische bzw. konsequentialistische Ethik.


    (Sofern man den Buddhismus überhaupt mit Begriffen abendländischer Ethik-Traditionen beschreiben möchte. Ich bin da sehr skeptisch, ob das angemessen ist. Eine ausführliche Begründung würde hier zu weit führen.)

  • Is richtig, liegt Gesinnungsethik vor, is es zumindest keine im Mahayana Sinn,- würd ich behaupten. Auch ist mir immer wieder mal vorgekommen, dass Nichtstun als karmisch neutral angesehen wird, wobei mir auffiel, dass es doch nur auf Ignoranz hinaus lief.

  • mkha':

    Seine Frage, ob Du Dich zu den Mahayanis zählst, zeigt die Richtung seines Denkens auf. Ich nehme an, (pamokkha, Du kannst mich gerne korrigieren), er möchte darauf hinweisen, dass in der Mahayana-Tradition einige Anweisungen des Buddhas durch Umdeutungen in den Abhandlungen der Kommentatoren zu Aufweichungen der Lehre führten.


    Das ist viel zu kompliziert gedacht. Das sind Beobachtungen allein hier im Buddhaland. Mitfühlendes Töten wird mehrheitlich von Mahayanin vertreten. Ich denke, dieser Thread zeigt dies wieder mal ganz gut.

  • Frieden-und-Freude:

    Ja, die Auffassung Pamokkhas hinsichtlich des Gebots des Nicht-Verletzens ist mir ganz klar.


    Echt, erzähl' doch bitte 'mal!

  • Irgendwie komisch, wie die buddhistische Praxis manche hinführt zu einem Töten, welches nicht einmal mehr karmisch unheilsam ist. Und man dann aus dieser erhabenen Perspektive entscheidet, welches Leben lebenswert ist und welches nicht. Mir macht solch ein Denken Angst.


    #nichtmeinbuddha oder in den eloquenten Worten Ellvirals: "Was ist das eigentlich für eine Scheiße... Dieses Mißachten der Lehre Buddha geht mir echt auf die Nerven!"

  • pamokkha:

    Das ist viel zu kompliziert gedacht. Das sind Beobachtungen allein hier im Buddhaland. Mitfühlendes Töten wird mehrheitlich von Mahayanin vertreten. Ich denke, dieser Thread zeigt dies wieder mal ganz gut.


    ... kann sich m.M.n. jemand erlauben zu sagen,
    wer so ne eremiten(einzelgänger-existenz) führt, ohne haus und hof, ohne familie, oder auch nen laie, der "einen auf bikkhu macht", denn die frage, wie du reagieren würdest oder nicht, wenn du ein sich quälendes tier vor dir hättest, blieb ja unbeantwortet, was absolut nicht sein müsste oder sogar sollte. aus jener nicht-"überlegung" und perspektive heraus lässt es sich nur all zu leicht sagen: niemals oder auch: "absolut unheilsam ". und mahayana "glaubt" ja nun auch an die buddhanatur, also, in der folge muss deine sichtweise und die von mahayani einfach zwei verschiedene paar schuhe ergeben.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Liebe mkha',


    bei Deinen Ausführungen sollte der Aspekt der Palliativmedizin, die erst in jüngster Zeit in das deutschen Gesundheitssystem integriert wurde, erwähnt werden:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Palliativmedizin



    Zitat

    Der Deutsche Ärztetag hat im Mai 2003 Palliativmedizin als Zusatzweiterbildung in die (Muster-)Weiterbildungsordnung eingeführt. Diese Weiterbildung für Fachärzte wurde im Lauf der folgenden drei Jahre von allen Landesärztekammern in ihre Weiterbildungsordnungen übernommen.
    Sie umfasst unter anderem einen 40-Stunden-Kurs, der von Lehrenden aus den verschiedenen Berufsgruppen der Palliative Care geleitet wird. Neben Grundlagenkenntnissen und -fertigkeiten in der Symptomkontrolle und Schmerztherapie wird vor allem die über rein medizinische Fragestellungen hinausgehende hospizliche Haltung vermittelt, wie sie von Cicely Saunders vorgelebt wurde. So wird beispielsweise die Wahrnehmung für psychosoziale und spirituelle Bedürfnisse todkranker Patienten geschult; weitere Schwerpunkte sind die eigene Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer, der Umgang mit Therapiebegrenzung und Patientenverfügungen, die Gesprächsführung mit Schwerstkranken, Sterbenden und deren Angehörigen sowie die Sterbebegleitung


    Zitat

    Palliativmedizin ist keine „Sterbemedizin“: Die palliativmedizinischen Methoden und Einstellungen sind auch in früheren Stadien der Erkrankung gefordert, zum Teil schon, sobald die Diagnose bekannt ist. Ziel ist es, dem Patienten ein beschwerdefreies (z. B. schmerzfreies) Dasein zu ermöglichen. Palliativmedizin bejaht das Leben und ist gegen eine Verkürzung, allerdings auch gegen sinnlose Therapieversuche, die den Patienten belasten und verhindern, dass der Patient die verbleibende Lebenszeit optimal nutzen kann. Palliativmedizin achtet das Selbstbestimmungsrecht des Kranken. Er hat das Recht, Behandlungen abzulehnen und aufgrund des Verzichts möglicherweise zu sterben.[


    Vielleicht müssten heutzutage viele Menschen, deren Gesichter Du vor Dir siehst, nicht mehr so stark leiden, wenn sie palliativmedizinisch behandelt worden wären.

    • Offizieller Beitrag
    pamokkha:

    Irgendwie komisch, wie die buddhistische Praxis manche hinführt zu einem Töten, welches nicht einmal mehr karmisch unheilsam ist. Und man dann aus dieser erhabenen Perspektive entscheidet, welches Leben lebenswert ist und welches nicht. Mir macht solch ein Denken Angst


    Wobei die Grundsituation ja noch sehr nachvollziehbar ist: Man ist in einer schlimmen Situation, wo man entscheiden muss, und wo dann egal, was man tut Leid verursacht wird - man ist in einem Dilemma. Und es ist verständlich, dass sich da Leute zu einem Kompromiss entschliessen, der dann auch z.B ein Töten sein kann, das aber eben aus der Motivation wurzelt, andere Arten von Leid zu vermeiden und insofern mitfühlend ist.


    Da kann man sich ja viele Situationen denken: Ich töte den Fuch aus Mitgefühl mit den Hühnern, ich töte die Zecke aus Mitgefühl mit dem Hund. Oder ich töte den Katze aus Mitgefühl mit der Katze. Es ist sehr verständlich, dass man Leid abwägt, und durch Zufügen von Leid, weniger Leid an Leid an einer anderen Stelle verursachen will.


    Das man solche Kompromisse schliesst ( und mit den Konsequnzen leben muss ) ist nicht schlimm. Ich denke schlimm ist etwas anderes, nämlich die Denkweise dass etwas nur weil es ein Kompromiss ist, dann gut bzw. heilsam wäre. Damit leugnet man ja das "samarische Dilemma", dass das eine Situation ist, wo man entweder auf die eine oder andere Art Leid zufügt und auf die eine oder andere Art unheilsam handelt.


    Ich denke ein Grund für die Hauslosigkeit der Ordinierten ist ja, dass man sobald man Verantwortung für etwas übernimmt (Haus, Partner , Kind, Tier) immer in Situationen kommt, wo man aus dieser Bindung heraus in so ein Dilemma kommt, einfach aus der Logik der Sache selbst. Ich kann immer in so Situationen kommen, wo ich entweder im Interese meines Kindes übel handeln muss, oder ich handle eben übel, indem ich gegen die Interessen meines Kindes handle. Dukkha hat immer auch so eine Dillmahaftigkeit, in der man sich aus dem Leid eben nicht so einfach rauswinden kann.


    pamokkha:

    Das ist viel zu kompliziert gedacht. Das sind Beobachtungen allein hier im Buddhaland. Mitfühlendes Töten wird mehrheitlich von Mahayanin vertreten. Ich denke, dieser Thread zeigt dies wieder mal ganz gut.


    Ich glaube es ist eine Frage dessen, inwieweit man religiöse und weltliche Logik mischt, so das sie sich durchdringen.

  • Es ist richtig und begrüßenswert, dass in der medizinischen Forschung und Aus- bzw. Weiterbildung palliative Therapie mittlerweile einen höheren Stellenwert hat, während früher (nahezu) allein die kurative Therapie das Maß aller Dinge war. Glücklicherweise hat sich da bei den 'Halbgöttern in Weiß' die Einsicht gebildet, dass die Medizin ihre Grenzen hat. Dass nicht Alles heilbar ist und dass dem Patienten auch nicht jede Heilbehandlung zumutbar ist. So ganz neu ist das allerdings nicht - die Menschen, von denen @mkha´ geschrieben hat, dürften palliativ behandelt worden sein. Palliative Therapie ist die 'Rückfalloption', a) wenn kurative Therapie (d.h. die Heilung) fehlgeschlagen ist (der Patient ist dann 'austherapiert'), b) wenn es für die spezielle Erkrankung keine kurative Therapie gibt oder c) wenn die kurative Therapie mit untragbaren Risiken verbunden ist.


    Für die letzte Möglichkeit zur Erläuterung ein konkretes Beispiel: die Krankheit ist eine progressive, also zunehmend kritischer werdende und schließlich zum Tod führende. Entsprechend dem Risikoscore des Patienten (da spielt vor allem das Alter und die konkrete Symptomatik zum Zeitpunkt der Prognose eine Rolle) wird der Median der Lebenserwartung (das ist der Zeitraum, in dem 50% der Patienten mit vergleichbarer Diagnose sterben) mit 4,5-7 Jahre veranschlagt (bei selteneren Erkrankungen ist da die statistische Streuung recht groß). Einzige bislang bekannte kurative Therapie wäre eine Stammzellentransplantation. Beim Alter des Patienten und seinem allgemeinen Gesundheitszustand wird das Risiko, an Komplikationen dieser Therapie (vor allem auf Grund der dafür erforderlichen radikalen Chemo, um zunächst die eigenen Stammzellen komplett zu zerstören) zu sterben, mit 40-45% eingeschätzt. In einem solchen Fall wird der Arzt in aller Regel bei einem Patienten, der älter als 40 ist, keine kurative, sondern palliative Therapie vorschlagen.


    Die Mehrzahl palliativ behandelter Menschen wartet nicht in einem Sterbehospiz auf den Tod - sie lebt unter uns, ohne dass wir es in der Regel bemerken. Bis dass das dann irgendwann nicht mehr geht. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, palliative Therapie ermögliche ein beschwerdefreies Leben bzw. Sterben. Je nach Art der Erkrankung und der Therapie ist die Lebensqualität trotz Ausschöpfung aller palliativen Möglichkeiten z.T. erheblich gemindert. Da kommt man dann irgendwann an die Grenzscheide, wo man beginnt, über den Freitod nachzudenken. Legal ist hierzulande da lediglich eine Option: Behandlungsverweigerung. Das ist das Ende mit Schrecken anstelle des Schreckens ohne Ende (natürlich kommt auch da das Ende - verkürzt wird nur das Warten darauf).


    Wenn man großes Glück, hat man dann einen Arzt oder eine Ärztin, die einen auch dann nicht alleine lässt und hilft, so weit er oder sie es vor sich verantworten kann - statt sich zu fragen, ob er oder sie es vor dem Gesetz verantworten kann. Solche Menschen riskieren ihre berufliche Existenz - und sie gewinnen nichts dadurch außer dem Bewusstsein, einem Sterbenden nicht die Hilfe versagt zu haben, die dieser gewünscht hat. Und wenn da jetzt ein Abhidhamma-Theoretiker daherkommt und meint, in diesen Menschen sei spätestens im Moment, wo sie einem Leidenden geholfen haben, "Hass" aufgestiegen - dann kan ich nur sagen: selbst, wenn das so sein sollte - wen interessiert's?


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana:

    Legal ist hierzulande da lediglich eine Option: Behandlungsverweigerung. Das ist das Ende mit Schrecken anstelle des Schreckens ohne Ende (natürlich kommt auch da das Ende - verkürzt wird nur das Warten darauf).


    Das ist so nicht richtig. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch der "assistierte Suizid" legal:


    Zitat

    Die Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) ist in Deutschland nur dann straffrei, wenn das Opfer letztlich seinen Tod selber herbeiführt und der Suizidhelfer nicht geschäftsmäßig handelt (§ 217 StGB, neue Rechtslage seit dem 06.11.2015). So darf z.B. die Giftspritze präpariert aber nicht verabreicht werden. Gegebenenfalls können die (anwesenden) Unterstützer der Selbsttötung aber wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB, bis zu einem Jahr Freiheitsentzug) belangt werden, da sie z.B. zu Wiederbelebungsversuchen verpflichtet gewesen wären. Neben der rechtlichen Einschränkung, dass keine Geschäftsmäßigkeit vorliegen darf, verbietet Ärzten - in Abhängigkeit von der verantwortlichen Landesärztekammer - ihr Standesrecht in jedem Fall die Suizidassistenz. Eine weitere Einschränkung erfährt die Beihilfe zur Selbsttötung durch das Betäubungsmittelgesetz, welches die unerlaubte Herstellung, Ein- und Ausfuhr oder in Verkehrbringung von Betäubungsmitteln (§ 29, bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) ahndet.


    http://www.cdl-rlp.de/Unsere_A…chtslage-Deutschland.html

  • Frieden-und-Freude:


    Als ich mich gegen die Option entschieden habe, meine Katze länger leiden zu lassen, habe ich keine Aversion gegen das Leiden gespürt, sondern nur Hilflosigkeit und direkt danach "Mögest Du frei von Schmerzen sein", also die Konzentration auf Befreiung, was verbunden war mit einem Zustand der Ruhe.


    Woher weist Du das denn so genau, dass "deine" Katze jetzt nicht länger leidet? Bist Du ein Buddha?



    Ja, das siehst Du falsch. Du überidentifzierst Dich mit "Deiner" Katze und meinst entscheiden zu können, wie es ihr geht und was Sterben für eine Katze bedeutet. Wir sind hier nicht im Christentum. Die Ethik des Buddha-Dharma gibt Dir erstmal kein Recht, über Leben und Tod anderer Wesen zu entscheiden, das ist aus meiner Sicht die Essenz des entsprechenden Sila. Bei Punkt 3 hättest Du aus meiner Sicht kein negatives Karma angehäuft. Denn Du bist nicht für das Leiden der Katze verantwortlich, da Du es ihr ja nicht aktiv zufügst. Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas. Das lässt sich durch Töten (pardon: "Einschläfern") nicht auflösen, sonst könnten wir uns einfach alle gegenseitig töten und es gebe kein Samsara mehr!


    Yeshe


    Yeshe

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra: