Nicht töten - Probleme in der Praxis

  • Beim nochmaligen Durchgehen dieses threads waren eine Erkenntnis und die Ahnung einer Idee für mich plötzlich da:


    Die Erkenntnis, dass ich (bitte entschuldigt diese harten Worte) nicht in die Hände einiger Buddhisten hier fallen möchte, wenn sich mein Leben dem Ende nähert und ich mir Hilfe dabei wünsche, mein Leiden zu verkürzen (oder wenigstens Respekt und äh... metta?, wenn ich diesen Wunsch äußere. Ich musste an die bekannte Geschichte über Mutter Teresa denken, als sie einer unter schlimmen Schmerzen sterbenden Frau sagte: 'Diese furchtbaren Schmerzen sind der Kuss von Jesus - ein Zeichen dafür, dass du Jesus am Kreuz so nahe gekommen bist, dass er dich küssen kann.' und die Frau antwortete: 'Mutter Teresa, sag' Jesus bitte, dass er aufhören soll, mich zu küssen.' Deprimierend zu sehen, wie Ideologie jede Form von Mitleid abtöten kann.


    Was die 'Ahnung einer Idde' angeht: Es scheint ja im Buddhismus immer komplexere Eerklärungsversuche zu geben, wie mit 'finalem Leiden' umzugehen wäre. Ich musste da an ein 'in meinen Kreisen' recht bekanntes Buch denken - Joseph Tainter, The Collapse of Complex Societies (hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Tainter ist seine Theorie kurz zusammengefasst).


    Vielleicht gilt diese Theorie auch für Religionen: Irgendwann brechen sie unter der Last der Komplexität zusammen, weil Regeln erklärt werden wollen, Ausnahmen hinzugefügt werden (oder eben: erklärt werden muss, warum es keine Ausnahmen geben darf), unweigerlich die Ausnahmen von der Ausnahme folgen, dann folgt, dass eine bestimmte Textstelle der Keine-Ausnahme-Schule auch ganz anders gelesen werden kann usw. ad infinitum...
    Wenn ich intelligenter wäre und mehr Zeit hätte, würde ich das Buch 'The Collapse of Complex Religions' schreiben.


    Immerhin tröstet mich im Moment gerade der Gedanke, dass 'Buddhismus' wohl auch so eine Art Verfallsdatum haben wird, ein bedingtes Phänomen.

  • Das hoffe ich auch, genau so wie die Begleitung durch Christen. Böses weiche von mir!
    Mein Mann und meine Katze und jedes Wesen das ich liebe kann sich auf mich verlassen das wenn es zu einer ausweglosen Lage kommt das ich da bin um zu helfe, selbst wenn 99% anderer Meinung oder Glaubens sind. Ich werde helfen das sie für immer schlafen können wenn sie darum bitten und ich keinen anderen Ausweg erkenne. Das beinhaltet bedingungslose Liebe. Leben erhalten und beenden.
    Bis zum Ende Denken können nur die wenigsten.
    Die labern von bedingungsloser Liebe haben aber keine Ahnung davon wieviel das beinhaltet.

  • Lucy:

    Am besten war hier der Hinweis, dass es nur handeln gibt mit folgen.
    'Gut' oder 'schlecht', wer soll das wissen?


    Naja, kommt immer auf die Motive an.
    Die Art der Motive bestimmen auch die Folgen.

  • Lucy:

    Ist das Motiv eindeutig?


    Schwer zu sagen. Handeln tut man in jedem Fall.


    Letztlich kann man es immer nur genau so machen, wie man es halt grad kann :?

    Die Motive machen jede im Antrieb der Motive getane Tat zu einem Dukkha und Karma Anstoß.
    Das habe ich gelernt, lernen müssen um töten zu können. Die Motive eine Tat zu tun sind immer schädlich und bringen Leiden und Grübelei.

  • Sudhana:


    Es ist, denke ich, kein Zufall, dass Buddha etwa den Kālāmern nicht empfohlen hat, den pañcaśīla als Geboten oder Gesetzen zu folgen, sondern dass er ihnen empfohlen hat, ihre Entscheidungen hinsichtlich ihrer Folgen gründlich zu überprüfen - und (was bei Verweisen auf das ‎Kālāmasutta leider häufig übersehen wird) sich in den brahmavihāra zu üben. In liebender Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut. Diese Übung ist, so denke ich, ein besserer Führer auf dem Weg als das sture, unhinterfragte Befolgen von Regeln und Geboten.


    ()


    :):like:

    Im erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. (Jack Kornfield)

  • Yeshe:

    Wie ich vorhin schon schrieb wäre nach dieser Logik ja das reine Töten möglichst aller fühlenenden Wesen eine Methode, Samsara zu beenden.


    Glaubst Du wirklich, dass sich jemand von solch einem Scheinargument beeindrucken lässt? Übrigens in Schopenhauers lesenswerter Aufstellung der Kunstgriffe der eristischen Dialektik der erste, die Erweiterung. Es ging nicht um "eine Methode Samsara zu beenden" sondern darum, einen mit starken Schmerzen verbundenen Sterbevorgang aus Mitgefühl mit dem leidenden Wesen abzukürzen.

    Yeshe:

    Die Wirkung der Taten, ihr Mönche, ist etwas Unerfaßbares, über das man nicht nachdenken sollte und über das nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte."
    (Anguttara Nikaya IV, 77)


    Schönes Zitat. Da stellt sich mir allerdings die Frage, ob Du Dich nur danach richtest, wenn es Dir gerade in den Kram passt. Und zum Beispiel nicht hier:

    Yeshe:

    Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas.


    Aber vielleicht hast Du das ja auch geschrieben, ohne darüber nachzudenken.


    Andererseits - wenn ich einen Menschen oder ein Tier leiden sehe, dann memoriere ich auch keine Suttenzitate. Ich sage mir dann allerdings auch nicht, dass das "Früchte ihres vergangenen Karmas" sind.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana:

    @Morpho: Danke für die Blumen. Mal grundsätzlich: die mit meiner Schreibe verbundenen Probleme sind mir bewusst. Ich habe das auch schon anders versucht (quasi eine Art Leichte Dharma-Sprache :) ), aber mich damit nicht wohlgefühlt, sondern unauthentisch. Es gibt Leute, die können das ganz wunderbar, aber ich gehöre (leider) nicht dazu. Mittlerweile sorge ich mich einfach nicht mehr darum, ob meine Schreibe auf Andere prätentiös, intellektuell kalt oder schlicht überkandidelt wirkt. So ist mir der Schnabel gewachsen oder meinetwegen auch gewuchert. Um so mehr freut es mich, wenn ich gelegentlich positives Feedback bekomme und daran merke, dass ich nicht einfach nur Monologe halte, sondern dass es Resonanz gibt ...
    :warn: no fishing for compliments, ich bitte von weiteren Beifallsbekundungen zumindest in diesem Thread Abstand zu nehmen :P


    Sorry, zu spät gelesen. ;)


    Ich finde deine Schreibe übrigens sehr angenehm und authentisch und lese auch inhaltlich gerne deine Beiträge.


    Und Fremdwörter googeln ist ja auch kein großer Aufwand...

    Im erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. (Jack Kornfield)

  • Axel:

    Die Erkenntnis, dass ich (bitte entschuldigt diese harten Worte) nicht in die Hände einiger Buddhisten hier fallen möchte, wenn sich mein Leben dem Ende nähert und ich mir Hilfe dabei wünsche, mein Leiden zu verkürzen (oder wenigstens Respekt und äh... metta?, wenn ich diesen Wunsch äußere


    Du musst Dich doch auch nicht "in die Hände dieser Buddhisten hier" begeben.


    Mit dem Wunsch, Leiden zu verkürzen, wenn das Leben sich dem Ende nähert, bist Du nicht alleine.


    Hier gibt es die Möglichkeit, in der Patientenverfügung diesen Wunsch zu konkretisieren. Wenn ich sterben sollte würde ich mir wünschen, dass ich eine Begleitung hätte, die mich spirituell durch die letzten Stunden trägt, die meinem Körper etwas gutes tut (basale Stimulation, Mundhygiene) und die dafür sorgt, dass ich Schmerzmittel bekomme, so dass ich auf der einen Seite keine Schmerzen mehr habe, auf der anderen Seite aber trotzdem noch bei klarem Bewusstsein wäre. Idealerweise könnte sie sich auch um meine Angehörigen kümmern.


    Axel:

    Immerhin tröstet mich im Moment gerade der Gedanke, dass 'Buddhismus' wohl auch so eine Art Verfallsdatum haben wird, ein bedingtes Phänomen.


    Ich weiß ja nicht ob Doris diesen Gedanken teilt, ich kann es mir schwer vorstellen. Richtig ist, dass jedes Phänomen bedingt ist. Allerdings werden sich immer Buddhas und Bodhisattvas aus Mitgefühl manifestieren (Achtung: Mahayana Terminologie!), solange es fühlende Wesen gibt, die Zuflucht zu den drei Juwelen nehmen und solange es Wesen gibt, die leiden. Es würde mich freuen, wenn es in irgendeinem Zeitalter eine Welt geben würde ohne leidende Wesen, denn dann hätten die Buddhas und Bodhisattvas nichts mehr zu tun und es gäbe keinen Grund mehr, dass der Buddhismus weiter existieren würde.

  • Sudhana:


    Schönes Zitat. Da stellt sich mir allerdings die Frage, ob Du Dich nur danach richtest, wenn es Dir gerade in den Kram passt. Und zum Beispiel nicht hier:

    Yeshe:

    Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas.


    Aber vielleicht hast Du das ja auch geschrieben, ohne darüber nachzudenken.


    ()


    Ach, komm. Wenn Du mit der 2. edelen Wahrheit nichts anfangen kannst...


    Yeshe


    P.S.:
    Was habe ich denn aus Deiner Sicht sonst noch so geschrieben, "ohne darüber nachzudenken"? Und warum musst diesen Vorwurf so komisch in einem "ja auch" unterbringen?

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Wie schon gehabt - du legst Dir die Sachen zurecht, wie es Dir gerade passt. Du argumentierst mit dem Karma der Katze und einem möglichen Wiedererscheinen in einem Höllenbereich. Ich lasse mich auf diese Argumentationsebene ein (obwohl ich sie grundsätzlich für unsinnig halte, schau Dir meinen Vorbehalt ruhig noch einmal an) und zeige auf, dass Deine Argumentation auch auf dieser Ebene nicht schlüssig ist. Daraufhin verwirfst Du die Argumentationsebene, die Du selbst eingeführt hast, mit Verweis auf ein Suttenzitat:

    Zitat

    Die Wirkung der Taten, ihr Mönche, ist etwas Unerfaßbares, über das man nicht nachdenken sollte und über das nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte.


    Weist man Dir anhand Deiner eigenen Aussage nach, dass gerade Du entgegen der Empfehlung in exakt diesem Zitat gehandelt hast - wobei ich Dir noch die Hintertür offenlasse, dass Du dies ja möglicherweise ohne Nachdenken, vor dem in dem Zitat gewarnt wird, getan hast - dann ist das Zitat gleich wieder vergessen bzw. ins Gegenteil verkehrt. Dann wird aus im Sinne des Zitats nicht über "die Wirkung der Taten nachdenken" flugs ein Widerspruch zur 2. edlen Wahrheit gemacht. Da hat Buddha sich dann wohl selbst widersprochen. Hinzu kommt dann noch Dein genauso billiger Taschenspielertrick mit der Erweiterung. Was du da aufführst, ist keine Diskussion, das ist Kasperletheater. Lerne erst einmal, vernünftig und konsistent zu argumentieren. Bis dahin, was Dich angeht, EOD.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • pamokkha:

    So ist es. Und es ist für jeden mit genügend Meditationserfahrung selber nachvollziehbar. Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf. Und ohne diesen Willen kann man nicht Töten.


    Das ist völlig korrekt.


    Wenn einer also sein Haustier durch einen anderen töten lässt, so deshalb, weil man nicht zusammen mit dem Tier leiden will.
    Generell ist die Haltung von Tieren als "Eigentum" mit einer buddhistischen Haltung gar nicht vereinbar.

  • pamokkha:

    So ist es. Und es ist für jeden mit genügend Meditationserfahrung selber nachvollziehbar. Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf. Und ohne diesen Willen kann man nicht Töten.


    Das ist völlig korrekt.


    Wenn einer also sein Haustier durch einen anderen töten lässt, so deshalb, weil man nicht zusammen mit dem Tier leiden will.
    Generell ist die Haltung von Tieren als "Eigentum" mit einer buddhistischen Haltung gar nicht vereinbar.


    Noch ergänzend zur schönen Zusammenfassung der Positionen:

    451:

    Folglich müsste das "Nicht-Töten-Gebot" für den Zustand der erreichten "Ich-Losigkeit" gelten.


    Nicht-Töten ist dann möglich, wenn die drei Geistesgifte Gier, Hass, Verblendung ausgelöscht, "getötet" sind. Solange gilt die Übung des Nicht-Tötens. Insofern, da es eine Übung ist, die im Bewusstsein praktiziert wird, dass da ein Zustand nicht erreicht werden kann, ist hier die Rede von etwas, das nicht zu erreichen ist. Ich-losigkeit kann nicht erreicht werden, also kann auch niemand aus diesem Zustand heraus handeln. Somit kann immer nur getötet werden. Und eben deshalb gibt es das Gebot "Nicht-Töten" zu üben.

  • Tychiades:

    Generell ist die Haltung von Tieren als "Eigentum" mit einer buddhistischen Haltung gar nicht vereinbar.


    Gibt es denn eine buddhistischen Haltung?- für Mönche jedenfalls nicht.

  • accinca:
    Tychiades:

    Generell ist die Haltung von Tieren als "Eigentum" mit einer buddhistischen Haltung gar nicht vereinbar.


    Gibt es denn eine buddhistischen Haltung?- für Mönche jedenfalls nicht.


    Mönche leben ja in Hauslosigkeit und nehmen die Haltung ein, die der Orden, der Tempel und dgl. vorgeben. Für Menschen mit Haushalt (Laien) gibt es eine entsprechende Haltung den Dingen gegenüber. Für Buddhisten mag es dann eine buddhistische geben, wie sie in den Silas bzw. Precepts beschrieben sind. Die Gebote nimmt man dann zusammen mit dem Kesa, als Haltung.

  • Ich verabschiede mich bis auf weiteres aus der Diskussion.
    Für mich haben die Gespräche dazu beigetragen, meine Gedanken und Gefühle zu klären.


    Sinn ergeben die Übungsregeln für mich in Verbindung mit einer Ethik der Verantwortung (für Handlungsfolgen) und auf Grundlage einer Praxis der Brahmavihara.



    Mir ist klar geworden, dass eine schematische und buchstabengetreue Auslegung der Silas in direkter Verbindung steht mit religiösem Dogmatismus, also einer geistigen Haltung, die in der Geschichte der Menschheit schon immer viel Unheil ausgelöst hat.


    Mir ist auch deutlich geworden, dass die Vertreter dieser fundamentalistischen Position gar kein Interesse daran haben, Argumente zur Kenntnis zu nehmen bzw. ernsthaft zu diskutieren.


    Insofern ist meine Toleranz gegenüber intolerant-dogmatischen Haltungen (die sich hier als einzig wahren Buddhismus darstellen) inzwischen erschöpft.


    Mögen alle religiösen Fundamentalisten in ihrer Einsiedelei (ohne Internet-Anschluss) glücklich sein! :lol:

  • @451:
    Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, das diese Gegenüberstellung von Positionen hervorrufen könnte: zumindest ich plädiere keineswegs für 'Ausnahmeregelungen' oder eine Relativierung der śikṣāpada in dem Sinn, wie es Useless durchaus treffend charakterisiert hat. Also nach dem Modell einer juristischen Kasuistik - wenn das Motiv Mitgefühl ist, wenn diese und jene Tatumstände als entlastend vorgebracht werden können usw. usf., dann ist Töten erlaubt. Mir geht es bei ethisch relevanten Handlungsoptionen darum, intuitiv eine situative Entscheidung auf Grundlage von Übung und Praxis zu treffen, nicht aber eine strategische (oder meinetwegen moralisch rigoristische) Entscheidung auf Grundlage von Regeln, die jemand Anderes aufgestellt hat - und sei es Buddha. Genau das Treffen solcher Entscheidungen - wobei es irrelevant ist, ob sie nun 'richtig' oder 'falsch' sind - ist Ergebnis der Übung und Ausdruck der Praxis des Entscheiders und genau da liegt der entscheidende Unterschied zur blinden Befolgung von einmal aufgestellten Regeln. Letzteres habe ich "Konditionierung" genannt - das ist kein Weg zur Befreiung, im Gegenteil. Es geht vor allem darum, verantwortlich zu entscheiden und nicht die Verantwortung auf heilige Schriften, tatsächlich oder vermeintlich erleuchtete Lehrer oder Buddha selbst abzuschieben.


    Dazu:

    451:

    Verwirklichte Ich-Losigkeit entfernt mich aus Beziehungskonstellationen, das Mitgefühl verliert dadurch die Anhaftung an das "Persönliche".
    Folglich müsste das "Nicht-Töten-Gebot" für den Zustand der erreichten "Ich-Losigkeit" gelten. Die "Entwicklungsstufen" darunter könnten von "auf-Ich-Bewusstsein-basierendem-Mitgefühl" im Sinne von Sudhanas "Übungsregel" abgedeckt sein.


    - möchte ich Folgendes anmerken. Da sind wir auf einer etwas anderen Ebene - der, auf der in der Zen-Tradition Erwachen übertragen wird, und zwar in der Form des Empfangens/Weitergebens der Gelübde (kai). Auf dieser Ebene gibt es niemanden, der entscheidet - und daher auch keine Entscheidung. Es gibt keinen Übenden, aber es gibt das Ausüben. Zu den Gelöbnissen gibt es einen Kommentar, der Bodhidharma zugeschrieben wird - und der Abschnitt zum ersten Gelöbnis, dem Fusesshokai, lässt sich so übersetzen:

    Zitat

    Die ursprüngliche Natur ist unfassliches Leuchten
    inmitten des unauslöschlichen Dharma
    keine Sicht von Auslöschung zu nähren
    nennt man das Gelübde, vom Töten abzustehen


    Meine Argumentation in dieser Diskussion hier beruht natürlich ganz wesentlich auf der Tradition, in der ich mich übe. In dieser Tradition versteht man die kai / Gelübde sowohl in Form konventioneller Formulierung (jikai) wie auch in einer von Konventionen freien, idealen Form (rikai) - wobei beide jedoch nicht voneinander getrennt oder verschieden sind, das wäre eine dualistische Sichtweise. Entsprechend spricht man in Bezug auf Bodhidharmas Kommentar auch von den Ein-Geist-Gelübden (isshinkai). Dazu ein weiteres Zitat:

    Zitat

    In Begriffen der sprituellen Essenz der Gelübde (kaitai) sind sowohl Beachtung wie Übertretung das eine Fahrzeug ultimativer Natur, die Nichtdualität von Ideal (ri) und Praxis (ji). Jemand, der 'Sehen der [eigenen] Natur' (kensho) noch nicht erfahren hat, ertrinkt jedoch im Ozean von Leidenschaft und Intellekt und tötet damit den Buddha, der sein eigener Geist ist. Von allen Arten des Tötens ist dies die schlimmste. Daher ist die wahre Beachtung der Gelübde das Sehen der [eigenen] Natur und zum Weg erweckt werden.
    Bassui Tokushō (1327–1387)


    Wie auch immer - eine Diskussion auf dieser Ebene ist mE traditionsübergreifend kaum zu führen.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Frieden-und-Freude:

    Mir ist klar geworden, dass eine schematische und buchstabengetreue Auslegung der Silas in direkter Verbindung steht mit religiösem Dogmatismus, also einer geistigen Haltung, die in der Geschichte der Menschheit schon immer viel Unheil ausgelöst hat.


    Zwischen dem Unheil in Geschichte der Menschheit und
    die vom Buddha gelehrten Tugenden sehe ich nun keinen all
    zu großen negativen Zusammenhang.
    Im Gegenteil.
    Aber in der Lehre gibt e ja auch das hängen an Tugendwerk
    was zu überwinden ist. Was aber nicht Untugendhaftigkeit bedeutet.

    • Offizieller Beitrag
    Axel:

    Vielleicht gilt diese Theorie auch für Religionen: Irgendwann brechen sie unter der Last der Komplexität zusammen, weil Regeln erklärt werden wollen, Ausnahmen hinzugefügt werden (oder eben: erklärt werden muss, warum es keine Ausnahmen geben darf), unweigerlich die Ausnahmen von der Ausnahme folgen, dann folgt, dass eine bestimmte Textstelle der Keine-Ausnahme-Schule auch ganz anders gelesen werden kann usw. ad infinitum...
    Wenn ich intelligenter wäre und mehr Zeit hätte, würde ich das Buch 'The Collapse of Complex Religions' schreiben.


    Es sind ja nicht die Religionen die kollabieren, sondern eher die Denkgebäude der Scholastik.


    Das hat viel damit zu tun, wann man eine Antwort als befridigend empfindet und deswegen aufhört zu fragen und wann man nicht das Gefühl "befriedigende Antwort" hat und deswegen Erklärungen für die Erklärungen will oder Ausnahmen für die Ausnahmen.


    Ich finde das Buch "Why Religion is Natural and Science is Not" von Robert N. McCauley sehr interessant. Da geht es unter anderem darum, dass selbst profunde wissenschaftliche Antworten das in der Frage ausgedrückte Bedürfnis nicht befriedigen. Während andere Antworten, die tief mit unserer ererbten Denkweise korresponiederen, tiefe "Gefühle der Antwort" auslösen, auch wenn sie nüchtern betrachtet eher sinnlos sind.

  • Tychiades:

    Generell ist die Haltung von Tieren als "Eigentum" mit einer buddhistischen Haltung gar nicht vereinbar.


    Ist ja richtig – aber warum führst Du das jetzt ohne Notwendigkeit in die Diskussion ein? Ist ja nicht so, dass hier jemand daraus ein Tötungsrecht (das es so bei Wirbeltieren auch gar nicht gibt) abgeleitet hätte. Nicht, dass ich das jetzt als Unterstellung auf mich beziehen würde. Trotzdem mal erläutert: ich sehe die anderen Mitglieder meiner kleinen Hund-und-Katze-Sangha nicht als mein Eigentum. Auch, wenn ich für die Hündin ein als Unkostenerstattung deklariertes Lösegeld an das Tierheim gezahlt habe und die Katze als 'herrenlose Sache' von der Straße ins Haus geholt habe (wo sie kommen und gehen darf wie sie will) und damit gem. § 929 bzw. § 958 Abs. 1 BGB ihr rechtlicher Eigentümer bin. Ich sehe mich vielmehr als jemand, der freiwillig eine Garantenpflicht gegenüber den beiden übernommen hat, auch wenn es sich (weil Tiere anders als z.B. menschliche Kinder und Jugendliche rechtlich Sachen sind) dabei strenggenommen nicht um eine Rechtspflicht handelt, sondern um eine moralische Pflicht. Wenn wir hier schon mit juristischen Begriffen hantieren ... :)

    Tychiades:
    pamokkha:

    So ist es. Und es ist für jeden mit genügend Meditationserfahrung selber nachvollziehbar. Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf. Und ohne diesen Willen kann man nicht Töten.


    Das ist völlig korrekt.


    Wenn einer also sein Haustier durch einen anderen töten lässt, so deshalb, weil man nicht zusammen mit dem Tier leiden will.


    Ja. Noch hassen es die Menschen, dass Blumen welken und Unkraut wächst. Und es gibt Menschen, die es hassen, wenn ein anderes Wesen stirbt. Und es gibt Menschen, die es noch mehr hassen, wenn dieser Tod ein langsamer, qualvoller ist – und die schnellere, schmerzlose Variante vorziehen. Gerade, wenn sie sich mit diesem Wesen mitleidend verbunden fühlen - und aus diesem Empfinden heraus urteilen, was sie selbst sich wünschen würden, wären sie an der Stelle des Tieres.


    Es gibt Menschen, die es hassen, Leiden ausgesetzt zu sein. Es gibt Menschen, die es hassen, dass alle fühlenden Wesen Leiden ausgesetzt sind. Gerade, wenn sie sich mit diesen Wesen mitleidend verbunden fühlen. Wenn sie etwas dagegen tun, indem sie den von Buddha gelehrten Weg praktizieren, dann nennt man sie Buddhisten.


    Lässt sich da nicht sagen: Der Wille, den edlen achtfachen Pfad zu gehen, steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf?


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana
    Das war nun nicht persönlich gemeint, für niemanden hier. Und deshalb braucht auch niemand seine Tierhaltung zu rechtfertigen. Das ist eben in unserer Kultur so. Ich hatte auch schon mal Katzen und als sie starben, hinterließen sie eine Lücke. Und Hunde sind wunderbare Kumpel. Ich mag nur keine Hunde.
    Wenn ich die Sache dann etwas tiefer betrachte, sehe ich keinen Grund für Tiere in meinem Haus. In einem Kommentar zu Nansen "Cut the cat" las ich eben auch dieses Argument, dass Tiere grundsätzlich frei sind. Im Prinzip wird ein Tier ja durch regelmäßige Fütterung zum Beleiben bestochen 8) - ich kann jederzeit eine Katze bei mir anfüttern. Und meine Vögel im Garten kommen nur, weil da Futter in den Sträuchern hängt. Und ich hänge das Futter dorthin, weil ich meine Freude daran habe. In diesem Jahr sind es weniger Vögel und ich erkenne typische Symptome der Anhaftung.
    Diese ganzen Gedanken über das Töten in diesem Thread kommen doch genau deshalb auf - als Folge der Haltung und Bindung an ein Tier. Wäre es ein Mensch würden wir doch sofort den zynischen Zusammenhang sehen und wir sind ja auch auf dem Weg dahin, wir nennen es "Sterbehilfe". Und da finden sich auch Experten, Ärzte, die das dann machen. Die gleichen Argumente - man will das Leiden beenden. Wessen Leiden? Wo kein Leidender ist, gibt es dennoch Leiden. Es hat keinen Anfang und kein Ende.
    Die Perversität der Tierhaltung ist ja nicht nur im Hühnerstall und bei den Kühen zu sehen, sondern sie wird auch sichtbar, wenn man mal in die meterlangen Regale von Tiernahrungsketten blickt. Als Vegetarier schüttelt man sich doch dabei - das sind ja alles Abfälle aus der Fleischverarbeitung. Igitt.


    Zur Frage des Eigentums - wir sprechen von Hundebesitzern und Katzenbesitzern - und man überlegt ja auch Katzensteuer einzuführen. Da ist nur das Problem, wie man die Haltung feststellt.
    Mit Besitz ist letztlich die Verantwortung gemeint, die jemand übernimmt, wenn er ein Tier bei sich aufnimmt. Verantwortung hinsichtlich "artgerechter" Haltung. Diese Verwantwortung macht Besitz aus. Und daraus folgt auch die Unfreiheit des Tieres, das bei uns ja als Sache angesehen wird.
    Ob das freiwillig ist, ist gleich, wichtig ist nur, dass damit eine Bindung entsteht, die aus einem Tier etwas macht, was es nie freiwillig machen kann. Da ist dann sehr viel Projektion mit ihm Spiel. Aber das ist auch die Weise, wie der Mensch sich das Tier untertan macht.


    Sudhana:

    Lässt sich da nicht sagen: Der Wille, den edlen achtfachen Pfad zu gehen, steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf?


    Ja natürlich - ohne die Geistesfaktoren Gier, Hass, Verblendung würde dieser Wille den Pfad zu gehen nicht aufsteigen. Aber mit dem Gehen des Pfades löscht der Pfad dann diesen Willen und die Geistesfaktoren wieder aus - und es gibt kein Verlangen nach irgendeinem Vogel, einem Hund oder einem Papagei.

  • 451:

    Ich wollte wissen, gegen wen sich, seiner Meinung nach, das Hass-Gefühl richtet.


    Deine Aussage zielt nun in die Richtung. Ich nehme an, dass du ein gleichzeitiges Fühlen von Hass UND Mitgefühl (ich rede nicht von Empathie!) als nicht existent ansehen wirst, oder?
    Also entweder das eine oder das andere Gefühl?


    Dazu muss ich erstmal ergänzen, dass die vier Brahmaviharas keine Gefühle sind, wenn da auch "Mitgefühl" ausgeführt ist, sondern Haltungen des Geistes, wie auch die drei Geistesgifte Geisteshaltungen sind. Gefühle begleiten sie zwar, weil sie aus der Berührung folgen, aber während die Geistesgifte zur Anhaftung führen und damit die Haltung festigen und erstarren lassen, sind die Brahmaviharas befreiend und weitet die Enge der Herzen.
    http://www.buddha-dhamma.de/brahma.htm


    Zitat


    Was ist also deine Aussage? Du negierst jegliches - dem Tierwohl dienenden- Mitgefühl seitens des Auftraggebers, der das Töten verlangt/ihm zustimmt.


    Naja - mein Mitgefühl geht da mehr in Richtung Tierhalter, der das Tier ja zu seiner Freude mal angenommen hatte und nun es nicht mehr den Sinn erfüllt. Ich halte die Einstellung dann lieber so, dass man auch bereit ist das Leiden anzunehmen und die letzten Tage mit dem Tier gemeinsam verbringt und es tatsächlich wie einen Menschen begleitet.


    Die Frage ist ja zunächst, was ist denn das Tierwohl, wenn ich ein Tier "kaufe". Wo ist denn das Tierwohl in der Zucht? Kann ich nicht erkennen.

  • void:

    Ich finde das Buch "Why Religion is Natural and Science is Not" von Robert N. McCauley sehr interessant.


    Danke für den Buchtip, ich werde es lesen.


    Was mich in letzter Zeit zum Thema 'Religion interessiert hat, ist
    Roger Scruton, The Soul of the World
    John Michael Greer, After Progress: Reason and Religion at the End of the Industrial Age und
    Graham Harvey, Food, Sex and Strangers: Understanding Religion as Everyday Life


    Und nein, es ist (wenn ich Dich richtig verstanden habe) natürlich nicht Religion als solche, die kollabiert, sondern die jeweilige Religion in ihrer 'scholastischen' Variante. Leider befürchte ich, dass das 'Residuum' (https://de.wikipedia.org/wiki/Residuum_(Pareto)) sehr fundamentalistisch sein kann und uns nicht weiter bringen wird.


    Letzte Worte zum Gnadentod für Tiere: Ich werde für mein altes Katerchen da sein, wenn es nur noch Schmerzen hat und denken kann 'Papa, du warst doch immer so lieb zu mir, warum machst du diese Schmerzen jetzt nicht weg?', weil er in buddhistischer Ethik etwas schwach ist. Scheiß auf mein Karma...

  • Sudhana:

    Wie schon gehabt - du legst Dir die Sachen zurecht, wie es Dir gerade passt.
    (...) billiger Taschenspielertrick (...) Was du da aufführst, ist keine Diskussion, das ist Kasperletheater


    Mod-Hat on: Ich weiß nicht, was Ihr da laufen habt, aber m.E. hat Yeshe nicht aggressiv und unsachlich argumentiert. Ich freue mich, wenn ihr zu einem normal-umgänglichen Ton zurückkehrt, selbst wenn ihr in der Sache unterschiedlicher Meinung seid. Danke, Jojo

  • accinca:


    Zwischen dem Unheil in Geschichte der Menschheit und
    die vom Buddha gelehrten Tugenden sehe ich nun keinen all
    zu großen negativen Zusammenhang.
    Im Gegenteil.
    Aber in der Lehre gibt e ja auch das hängen an Tugendwerk
    was zu überwinden ist. Was aber nicht Untugendhaftigkeit bedeutet.

    :like:

  • tychiades:

    Zitat

    Das ist völlig korrekt.


    Wenn einer also sein Haustier durch einen anderen töten lässt, so deshalb, weil man nicht zusammen mit dem Tier leiden will. [...].


    Das seh ich nicht so.
    Natürlich ist da auch immer Interpretation im Spiel oder Assoziation, wie eben jetzt, aber ich glaube, selbst wenn "die Gedanken stillstehen", möchte man doch Leiden beenden. Wir gehen doch auch mit unseren Kindern zum Arzt, wenn sie krank sind, und das doch nicht aus egoistischen Motiven.
    Merkwürdige Assoziation aber was soll s:
    Weißt du warum die Feldhasen aussterben ? Sie finden die Kräuter nicht mehr die ihr Abwehrsystem stärken. Sie wissen, das sie krank sind, hinfällig oder anfällig und suchen nach Linderung und Heilung.