Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?

  • Gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer Bekannten über das Thema "Buddhismus und Sexualität". Genauer gesagt: "Wie sieht der Buddha die Sexualität und was bedeutet das für einen Praktizierenden"?


    Besonders spannend an dem Gespräch war für mich, dass es für Außenstehende offenbar etwas völlig Abwegiges ist, Sexualität als Hindernis auf dem Weg der Befreiung zu sehen.

    Ihre Reaktion darauf war: "Was soll das denn: Sex macht doch Spaß!"

    Und auch: "Dieses Zölibat für Mönche und die Bevormundung von Laien ist doch so wie in der katholischen Kirche: Eine komische Sexualmoral, die natürliche Bedürfnisse verleugnet und dadurch eher Perversionen wie Kindesmissbrauch begünstigt."


    Ich halte es für nützlich, wenn wir im Forum einmal systematisch über die Sicht des Buddha auf Sexualität sprechen. Und darüber, ob wir diese Sichtweise teilen und inwiefern sie für uns als westliche Laien relevant ist.


    Man kann natürlich auch einfach sagen: "Ich nehme mich der Übungsregel des Abstehens von sexuellem Fehlverhalten an" - und dann nicht weiter darüber nachdenken. Aber wer schon einmal ein Retreat oder ein Kloster besucht hat, übernimmt zeitweise die Übungsregel, vollständig auf sexuelle Handlungen zu verzichten.


    Damit ist ja schon eindeutig darauf hingewiesen, dass sexuelle Betätigung - aus Sicht des Buddha - ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung darstellt.

    Diese Sichtweise ist für heutige westliche Menschen sehr ungewöhnlich und wirkt sogar obskur oder fundamentalistisch. Ich erinnere z.B. an das Gebot an die Mönche (vgl. Keuschheitsgebot), im Schlaf achtsam zu sein und Samenerguss beim Schlafen zu verhindern:

    Das Visākhā Kapitel


    Ich selbst fühle mich da sehr zwiespältig, was die vielfältigen kritischen Aussagen des Buddha über Sexualität betrifft: Einerseits kann ich nachvollziehen, dass Sexualität ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung darstellt.

    Andererseits erscheinen auch mir die überlieferten Aussagen des Buddha extrem und sogar oft seltsam intolerant.

    Normalerweise ist es doch die richtige Sichtweise auf natürliche Körpervorgänge, diese eher neutral wahrzunehmen und zu akzeptieren, ohne Ablehnung und ohne Anhaftung.

    Indem der Buddha soweit geht, von den Mönchen (und auch den im zitierten Text erwähnten fortgeschrittenen "Weltmenschen", also Laien!) zu erwarten, natürliche sexuelle Reaktionen sogar beim Schlafen zu kontrollieren, bringt er damit meiner Meinung nach eine übermäßige Ablehnung der Sexualität zum Ausdruck.


    Was meint Ihr dazu?


    Inwieweit hat die im Pali-Kanon an vielen Stellen zum Ausdruck gebrachte negative Sicht auf Sexualität für heutige Praktizierende Relevanz?

  • Der Buddha lehrt ja unter anderem die Überwindung von Gier.

    Für viele ist Sexualität jedoch nichts anderes wie die Gier nach dem eigenen (!) perfekten Orgasmus (=Ego).

    Wenn Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit mit dem Partner harmonieren und es "Spaß" macht

    auch den Partner zur Lust zu verhelfen, dann ist gegen Sexualität sicher nichts einzuwenden.

    Buddha hat hier ja "sexuelles Fehlverhalten" angemahnt, das allerdings auch von

    Kultur zur Kultur unterschiedlich sein kann.

  • Wenn Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit mit dem Partner harmonieren und es "Spaß" macht

    auch den Partner zur Lust zu verhelfen, dann ist gegen Sexualität sicher nichts einzuwenden.

    Doch! Das ist ja gerade das Problem: Was Du beschreibst, ist sozusagen eine westlich-aufgeklärte Version von Buddhismus, in der es nur darum geht, sexuelles Fehlverhalten aufzugeben und stattdessen Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit harmonisch zu genießen.

    Ist ja eine sympathische Ansicht, aber eben nicht die Lehre des Buddha. Es gibt dafür - soweit ich weiß - keinen einzigen Beleg, dass der Buddha eine solche positive Sichtweise auf ein einvernehmliches und harmonisches Ausleben der Sexualität hatte.


    Dass Laien üblicherweise lediglich auf sexuelles Fehlverhalten als Übungsregel verzichten müssen, liegt einfach daran, dass die meisten Menschen nicht mehr an Verzicht leisten können.

    Keineswegs daran, dass der Buddha einvernehmlichen und harmonischen Sex positiv betrachtet hätte.


    Oder hast Du für Deine Auffassung Belege?

  • ist ja eine sympathische Ansicht, aber eben nicht die Lehre des Buddha.


    Ich fürchte auch bei diesem Thema gibt es Unterschiede bezüglich Mahayana und Theravada.


  • Wie schon gesagt: Die Übungsregel, auf sexuelles Fehlverhalten zu verzichten, ist darin begründet, dass Laien i.d.R. nicht mehr an Verzicht leisten können.

    Können Sie dagegen mehr leisten und komplett auf Sexualität verzichten, stellt der Buddha das als Vorbild hin:

    Zitat

    Die Weltmenschen, Ānanda, die frei sind vom Begehren der Sinnesgenüsse, die verlieren keinen Samen.

    Das Visākhā Kapitel


    Letztlich ist die Befreiung vom Begehren der Sinnesgenüsse auch für Laien das übergeordnete Ziel.


    Und dass Mönche entroben, weil sie nicht auf Sex verzichten können, ist zwar inzwischen eine häufige Praxis, wurde von dem Buddha aber sicherlich nicht begrüßt.

  • ist ja eine sympathische Ansicht, aber eben nicht die Lehre des Buddha.


    Ich fürchte auch bei diesem Thema gibt es Unterschiede bezüglich Mahayana und Theravada.

    Das ist auch eine interessante Frage, ob man generell sagen kann, dass es im Mahayana eine positivere Einstellung gegenüber der Sexualität gibt.


    Teilweise mag das zutreffen. (Also beispielsweise bei der Aufhebung des Zölibats in bestimmten Richtungen.) Teilweise könnte allerdings auch dieser Eindruck eine Projektion unserer westlichen Vorstellungen sein.


    Wenn wir davon sprechen, welche Auffassungen der Buddha hatte, müssen wir in den Pali-Kanon schauen und da ist die Sache doch eindeutig: eine sehr kritische Sichtweise der Sexualität.

    Ich kenne keine Stellen, in denen das anders zu interpretieren wäre.

  • Was unbedingt dazu gehört

    Für mich gehört auch noch unbedingt dazu: Der Verzicht auf den Konsum von Pornos, da hier Frauen (und Männer) lediglich als Objekt der Begierde betrachtet werden.

    • Offizieller Beitrag

    Ihre Reaktion darauf war: "Was soll das denn: Sex macht doch Spaß!"


    Das man miteinander schläft ist selber eigentlich selten ein Problem - es macht Spaß, intensiviert die Beziehung und macht meist alle Beteiligten. glücklich.


    Der Hauptgrund dafür, dass Sexulität im Buddhismus so negativ gesehen wird ist der, daß es im Buddhismus darum geht, unabhängig von den Umständen glücklich zu sein. Wobei da dann besonders angenehme Umstände eine Herausforderung sind. Wenn man jemanden egal wann und wo befragt, was er denn gerade lieber täte, als das was er gerade tut, ist "Geschlechtverkehr haben" eine sehr wahrscheinliche Antwort. Eben weil Sex Spaß macht, ist es das Paradebeispiel für "Was würdest du lieber machen als das hier"- also für Begierde.


    Heroin soll auch sehr glücklich und entspannt machen. Es führt also ebenfalls zu einem schönen Zustand. Aber jeder vernünftige Menschen fällt ein, dass man dann dafür, wenn man das Zeugs nicht hat um so angespannter und unglücklicher ist. Ist es bei der Sexaulität vielleicht auch so? Ist es auch so, dass das Licht einen Schatten wirft?


    Ich möchte echt nicht auf Sexualität verzichten, aber wenn ich so zurückdenke, dann war ich so als Kind (vor der Sexualität) nicht wirklich unglücklicher. Irgendwie war die Welt damals bunter, und man hat sich mehr mit Regenwürmern und Baumhäusern beschäftigt. und wenn mich da jemand gefragt hätt was ich lieber hätte als den jetzigen Augenblick, dann hätte es keine Standardantwort gegeben. Ich habe mich schon mal gefragt, inweiweit das Aufkommen der Sxualität in der Pubertät mit dem Verschwinden von Buntheit und Unbeschwertheit zusammenhängt. Ist an dem gestelzten Ausdruck "Seine Unschuld verlieren" am Ende was dran und die Tatsache, dass man sich dann auf einmal für Genitalien und so interessiert, hängt mit einer Abstumpfung in anderen Bereichen zusammen. Sexualität ist ja für viele Erwachene der einzige Bereiche, wo sie sinnlich und verspielt sein dürfen.

  • Doch! Das ist ja gerade das Problem: Was Du beschreibst, ist sozusagen eine westlich-aufgeklärte Version von Buddhismus, in der es nur darum geht, sexuelles Fehlverhalten aufzugeben und stattdessen Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit harmonisch zu genießen.

    Ist ja eine sympathische Ansicht, aber eben nicht die Lehre des Buddha. Es gibt dafür - soweit ich weiß - keinen einzigen Beleg, dass der Buddha eine solche positive Sichtweise auf ein einvernehmliches und harmonisches Ausleben der Sexualität hatte.


    Dass Laien üblicherweise lediglich auf sexuelles Fehlverhalten als Übungsregel verzichten müssen, liegt einfach daran, dass die meisten Menschen nicht mehr an Verzicht leisten können.

    Keineswegs daran, dass der Buddha einvernehmlichen und harmonischen Sex positiv betrachtet hätte.

    Da hast du absolut Recht, an der strikt lustfeindlichen Haltung Buddhas - um mit meinem Avatar zu sprechen: der "Verneinung des Willens" - gibt es nicht zu deuteln. Ich hatte das Thema vor einiger Zeit schonmal im Zen-Forum angesprochen, wo mir dann gesagt wurde, gegen "Sex ohne Begehren" sei nichts einzuwenden - es ist natürlich ein völliges Hirngespinst, dass es sowas wie "Sex ohne Begehren" geben könnte.


    Heutzutage ist sowas natürlich schwer vermittelbar. Für die meisten Menschen ist Sex eine der wichtigsten Sachen im Leben, wenn nicht sogar die allerwichtigste. Wer dieser positiven Sicht nicht zustimmt gilt schnell als Spinner und Sonderling, der irgendwie im Mittelalter hängen geblieben ist. Da sich der Buddhismus im Westen nun mal auf dem Markt der Religionen behaupten muss wird dieser Aspekt dann eher unter den Teppich gekehrt und man begnügt sich damit, auf den Verzicht auf sexuelles Fehlverhalten zu verweisen, meistens ohne dies genau auszubuchstabieren.

  • Die Frage ist, wie man "Begehren" oder "Begierde" definiert. Im Tantra kann man durchaus begehren, und diese Energie umwandeln. Aber dieses Begehren sollte ohne Anhaftung sein. Also wenn man etwas nicht haben kann, lässt man es los und haftet nicht an, und wenn man es hat, haftet man nicht an, wenn man droht, es zu verlieren. Eifersucht usw. sind natürlich auch "Gift".


    Begehren ist eine Emotionsqualität wie jede andere auch, und auf einem tantrischen Weg wird diese schon lange nicht so negativ gesehen, wie im nicht-tantrischen Buddhismus.

  • Der Hauptgrund dafür, dass Sexulität im Buddhismus so negativ gesehen wird ist der, daß es im Buddhismus darum geht, unabhängig von den Umständen glücklich zu sein.

    Das kann man vielleicht so formulieren.


    Man könnte auch sagen: Das Glück des inneren Friedens ist wichtiger als das Glück durch sinnliche Befriedigung und beide Formen von Glück schließen einander aus.

    Das scheint die Auffassung des Buddha gewesen zu sein. (Andernfalls wäre der Verzicht auf Sexualität und die erhebliche Einschränkung auch der übrigen sinnlichen Bedürfnisse ja auch überflüssig.)


    Die Frage ist halt: Stimmt es, dass die sinnlichen Bedürfnisse so stark eingeschränkt werden müssen, um inneren Frieden zu erfahren?

  • Ja, ich bin auch der Meinung, dass Schopenhauers "Verneinung des Willens" die Haltung des Buddha beschreibt.

    Wobei der Ausdruck "Verneinung" missverstanden werden kann als ein (martialisches) Dagegen-Ankämpfen.


    Und ich stimme auch zu, dass die lustfeindlichen Elemente der Lehre des Buddha vermutlich deshalb so bagatellisiert werden, weil sich "der Buddhismus auf dem Markt der Religionen behaupten muss".


    Daneben gibt es natürlich auch Richtungen, die ohnehin weniger lustfeindlich sind.

    (Wie kilaya schreibt, Tantra z.B.)

  • Ich als alte 68erin :lol: kann da nur aus leidvoller Erfahrung schreiben, dass ich eine Gefangene meiner Sexualität war. Alles, was ich je falsch entschied, hatte als Ursache sexuelle Gründe. Das heißt, ich wollte Liebe, wollte lieben und geliebt werden, wollte eine Familie gründen, wollte in den Arm.


    Seit vielen, vielen Jahren hat diese Zwangsneurose glücklicherweise ein Ende gefunden. Mein damaliger Mann hat mich vor 40 Jahren krankenhausreif geschlagen, weil ich so sehr an ihm hing, weil ich ihm praktisch hörig war. Das war ein entscheidender Moment, denn durch diese Gewaltanwendung bin ich aufgewacht, habe mich sofort von ihm getrennt und mich auf Umwegen auf den buddhistischen Pfad eingelassen. Trotz einiger Rückfalle bin ich jedoch nie wieder in eine derartig demütigende Situation geraten. Und der Sex hatte auch seine Anziehungskraft verloren. Ich erlebte andere, weit schönere geistige Orgasmen, die in keiner Weise mit herkömmlichen Sex erreicht werden können (vielleicht beim Tantra).


    In meinem jetzigen Alter spielt er überhaupt keine Rolle mehr - und darüber bin ich sehr froh. Obwohl es auch für uns Ältere fast zwanghaft notwendig erscheint, noch Sex haben zu müssen. Mein Mann und ich leben glücklich ohne den Druck. Aber das ist natürlich etwas anderes, wenn man jung ist. Da spielen die Hormone die erste Geige. Im Alter ist es ja keine Kunst.


    Der Buddha hat mit Haushältern gesprochen und ihnen Tipps gegeben, wie sie ihre/n Partner/in behandeln sollten. Ich weiß nicht, ob auch der Sex erwähnt wird, aber gehört für eine Ehe dazu, wenn beide das wünschen.


    Seine Regel,

    "Ich nehme mich der Übungsregel des Abstehens von sexuellem Fehlverhalten an"

    bedeutet doch ganz klar "Abstehen von sexuellem Fehlverhalten" und nicht "Ich übe mich im Abstehen von Sexualität".

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Seine Regel,

    "Ich nehme mich der Übungsregel des Abstehens von sexuellem Fehlverhalten an"

    bedeutet doch ganz klar "Abstehen von sexuellem Fehlverhalten" und nicht "Ich übe mich im Abstehen von Sexualität".

    Ja klar, aber doch nur deshalb, weil die meisten Laien die strengere Regel, sich so wie du ganz von Sexualität zu befreien, nicht befolgen können.

    • Offizieller Beitrag

    Das störende ist ja nicht die Sinnlichkeit selber sondern das Verlangen danach. Und ich hatte es so verstanden, dass innerer Friede bedeutet, das Verlangen zur Ruhe kommt. Wobei ich nicht weiss, ob dieser Gegensatz zwischen "Frieden und nicht Frieden" wirklich so besteht. Vom Meditieren her weiss ich, dass man auch sehr im Frieden sein kann, ohne dass das so toral, die Abwesenheit von Schmerzen oder Gedanken bedeuten müsste. Aber wie ist das bei vollständiger Befreiung?

  • Entweder - Oder.


    Beides zusammen geht nicht:

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Sex ist Bindung. Bindung ist manchmal was Gutes, aber oft auch nicht.

    Sex ohne Bindung einzugehen ist was Mieses - gar wenn das von Nonnen oder Mönchen ausgeht.


    Ein hinduistischer Mönch, den ich früher kannte, und der eigentlich immer den richtigen Sprech für Hippie-Ohren draufhatte, wurde einmal öffentlich von jemandem recht provokant gefragt, warum er denn ein Keuschheitsgelübde abgelegt hätte, das sei doch eine Unterdrückung der Gefühle!

    Der Mönch antwortete diplomatisch: "Ach, stell Dir das doch mal vor. Ich jetzt mit einer Frau. Ich reise doch ständig herum und könnte mich nicht um sie kümmern. Sowas passt überhaupt nicht in mein Leben."


    Ich fand das großartig, dass er ganz selbstverständlich diese Trennung zwischen Sex und Beziehung nicht gemacht hat. Sex mit einem Partner als bloße unabhängige Handlung zu betrachten, wo nichts dranhängt, ist einfach blind. Entweder man geht eine Bindung ein oder man beutet jemandes Sexualität aus...

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Zitat

    "Ebenso, Sandaka, wenn ein Bhikkhu ein Arahant ist, mit vernichteten Trieben, der das heilige Leben gelebt hat, getan hat, was getan werden mußte, die Bürde abgelegt hat, das wahre Ziel erreicht hat, die Fesseln des Werdens zerstört hat und durch letztendliche Erkenntnis vollständig befreit ist, ist ihm sein Wissen und die Schauung, daß seine Triebe vernichtet sind, nicht ständig und ununterbrochen gegenwärtig, ob er geht oder steht, schläft oder wacht; stattdessen weiß er nur dann 'Meine Triebe sind vernichtet', wenn er diese Tatsache reflektiert."


    Lieber Elliot,

    danke für das Zitat. Dennoch betrifft es doch Mönche und da sogar den Arahant.

    _()_

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    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Das störende ist ja nicht die Sinnlichkeit selber sondern das Verlangen danach. Und ich hatte es so verstanden, dass innerer Friede bedeutet, das Verlangen zur Ruhe kommt. ?

    Wer da wirklich keusch leben will, der vermeidet bereits nach Möglichkeit das Entstehen sinnlicher Gefühle.

    Wenn eine Frau mit tiefem Dekolleté einem Mönch Speise offeriert, dann schaut der weg. Damit gar nicht erst irgendwelche Wahrnehmungen entstehen, die dann zum Verlangen führen.

    Wenn er erst sinnliche Wahrnehmungen und Gefühle zulassen würde, um hinterher zu versuchen, das Verlangen zu verhindern, wäre das sehr unklug, denn das Verlangen folgt unmittelbar nach der sinnlichen Wahrnehmung.


    Insofern scheint es doch so zu sein, dass die Sinnlichkeit insgesamt ein Problem darstellt.


    Das ist ja auch der Grund für die vielen Vinaya-Regeln: Sie sollen davor schützen, dass der Mönch von seiner Sinnlichkeit davongetragen wird, indem sie den Alltag minutiös regeln und jede Möglichkeit von Verführung ausschließen.

  • Ja klar, aber doch nur deshalb, weil die meisten Laien die strengere Regel, sich so wie du ganz von Sexualität zu befreien, nicht befolgen können.

    Wieso sollten sie? Es dauert ein wenig länger mit der vollkommenen Erleuchtung - aber jeder setzt seine eigenen Prioritäteṇ; ... doch wenn sie es möchten, wieso sollten sie es dann nicht können?


    PS: und noch etwas: Du schriebst weiter oben, Sex sei für die meisten Menschen (Männer?:grinsen:;)) das Wichtigste, ... Ich wage das zu bezweifeln, ... wenn sie die Wahl hätten: Sex oder ein Bugatti Veyron frei Haus ...? 8)

    Jetzt hast Du mir zwei Dinge unterstellt, die ich nicht gesagt habe. :)


    1. Die Aussage, die meisten Menschen würden, wenn sie die Wahl hätten, was sie in einem bestimmten Moment lieber täten, den Geschlechtsverkehr vorziehen, stammt von VOID.

    Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben: einen Porsche fahren oder Schuhe einkaufen gibt es ja auch noch, da stimme ich Dir zu. ;)


    2. Ich sage doch gar nicht, dass alle Laien komplett auf Sex verzichten sollten. Es geht mir erst einmal um das, was der Buddha meinte. Und da erscheint es mir anhand verschiedener Textstellen eindeutig, dass er Keuschheit als allgemeines Vorbild hingestellt hat (auch bei Laien) und die eingeschränkte Übungsregel für Laien lediglich eine Konzession gegenüber der mangelnden Fähigkeit der meisten Menschen zur Triebkontrolle darstellt.


    Positiv ausgedrückt (als Haltung des Buddha): Wer dazu fähig ist, sollte keusch sein!


    Was ich selbst davon halte, ist eine andere Sache.

    Ich habe demgegenüber zwiespältige Gefühle.

  • Ich versuche, Dich zu verstehen, ... aber es fällt mir wirklich schweṛ ... Buddha sagt das, was er für richtig hielt. Ich kann dem Folge leisten, oder ich kann's lassen. Ich kann darüber nachdenken, und irgendwann kapieren, weshalb auch das Ablegen des "letzten Lasters" (;)) dem Weg der rein geistigen Betätigung zuträglich ist, oder ich sage: nö, ... nicht mein Ding.



    Vielleicht bin ich ein wenig stupid, ... aber schau: ich studiere seid annähernd 40 Jahren u.a. Schriften der buddhistischen Philosophie - teils aus religionswissenschaftlichem Interesse, teils aus persönlichem ... Ich nehme das, was gelehrt wird, zur Kenntnis, vertiefe, was mich weiterbringt, praktiziere, was ins Gesammtbild passṭ. Hin und wieder bespreche ich Feinheiten mit einem meiner Lehrer ... "Probleme" (auch zwiespältige "Gefühle") sind mit eigenem Geist kreiert - also auch mit eigenem Geist zu löseṇ

    Offenbar haben wir da unterschiedliche Herangehensweisen.


    Ich bin gewohnt, zwei Dinge klar voneinander zu trennen:

    (1.) Was hat der Autor eines Textes gemeint?

    (2.) Wie stehe ich dazu, was davon bringt mich weiter?


    Die erste Fragestellung nennt man häufig "kognitive Interpretation", die zweite "aneignende Interpretation".


    Wenn ich Dich richtig verstehe, liest Du buddhistische Texte immer zugleich im Sinne der aneignenden Interpretation: Was bringt es mir, wie kann ich den Text für mich als Anregung nutzen?


    Deshalb scheint es für Dich schwierig zu sein, losgelöst davon als erstes einmal zu fragen: "Wie denkt der Buddha über Sex?"

  • tja, aber wer weiß, ob der Buddha alles erzählt hat, was er über Sex gedacht hat. Das geht ja eigentlich niemand was an und ich hoffe er hatte auch ab und zu seine Privatsphäre :clown:

  • Das Problem mit der Sexualität ist meines Erachtens dass sie eine Anhaftung an den Körper ist, eine Folge der Identifikation mit dem Körper. Die muss aber unbedingt aufgelöst werden auf dem Weg zur Befreiung, Sinnesgenuss ist da ein Hindernis dass es zu überwinden gilt. Sexualität ist halt einer der höchsten, wenn nicht überhaupt der Höchste der sinnlichen Genüsse.


    Ich glaube auch dass man sich über die Anziehung der Geschlechter nicht täuschen sollte:

    Zitat

    Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe. (Schopenhauer

  • Buddhas Lehren zu Sex. Da kann man weiter aushohlen wenn man will. Also Buddha selbst hatte laut Überlieferung, im Palast als Heranwachsender ein ausschweifendes Sexleben, und dann Heirat mit Kind. Also erst nachdem er diese weltlichen Glüste ausgelebt hat, macht er sich auf seine Flucht aus dem Palast, macht seine letzten Lehrjahre um dann "Aufzuwachen".

    Dann hat er gelehrt. Und so wie ich den Palikanon verstehe (bin da sicher kein Experte), lehrt er dann. Bei den Lehrreden sollte man immer genau hinschauen wem er was wann gelehrt hat. Ich glaube die meisten Lehrreden haben den Hintergrund, dass sie für Mönche sind und deren Leben regeln sollen, immer im Hinterkopf, dass da ein Orden von Bettelmönchen aufgebaut werden soll, der von der Bevölkerung getragen und akzeptiert wird und der viele Hundert Jahre bestehen soll. Also wenn dann ein Mönch über die Stränge schlägt und singend und lachend durch ein Dorf rennt und ihn dann die Mönchsversammlung fragt: Wie sollen wir denn mit diesem Mönch umgehen, dann sagt er halt nicht:,

    "Leute schaltet euren Verstand ein. Wenn Euer Verhalten dazu führt, dass der Orden in Verruf gerät und somit die Akzeptanz des Ordens bei der Bevölkerung verlohren gehen kann, dann lasst dieses Verhalten einfach."

    Nein er stellt dann die Regel für Mönche auf dass man nicht Lachen und Singen soll, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewet( oder so änlich). ....


    Wenn man das so (mal nicht religiös spirituell betrachtend ) sieht, dann muss er Sex für Mönche verbieten. Das sind Sachzwänge, mal ganz davon abgesehen ob Sex ein Hinderniss für das Erwachen ist oder nicht. Denn wenn der eine oder andere Bettelmönch neben dem Bettelgang auch die eine oder andere Hausfrau/tochter dabei schwängert dann wird die Dorfbevölkerung ganz einfach sagen:" Ihr wollt dass wir euch durchfüttern damit ihr euer Leben ganz dem spirituellen Leben und dem Dharma widmen könnt, aber ihr pimpert hier rum. So funktioniert das nicht. "

    Wenn dann ein Tal sagen wir mal ein Kloster von 500 Mönchen durchfüttern kann und es gebe kein Zölibat, na was passiert dann? 50 % der Mönche hat nach einer Zeit eine Partnerin. Und nach 5 Jahren sind dann 3 Kinder da. (500 +250 Frauen+ 3 mal 250 Kinder) auf einmal darf dann das Tal 1500 Seelen ernähren. Das ist auf einmal 3 mal so viel. Mal abgesehen davon wenn man eine Familie hat ist es sehr schweer 99% seiner Zeit dem spirituellen Leben , dem Dharma zu widmen , was ja der Deal ist. Denn Ehe, Kinder, Ehestreit, Erziehung, Eifersucht wer mit wem etc... Also das ist halt das Gegenteil von "sich voll und ganz dem Dharma widmen".


    Ich glaube viele hier im Westen treffen die Unterscheidung, ist die Rede für Laien oder für Mönche nicht genau genug. Und zu viele nehmen sich Mönchsreden als Vorbild für das eigene Laienleben.

  • Wenn man das so (mal nicht religiös spirituell betrachtend ) sieht, dann muss er Sex für Mönche verbieten. Das sind Sachzwänge, mal ganz davon abgesehen ob Sex ein Hinderniss für das Erwachen ist oder nicht. Denn wenn der eine oder andere Bettelmönch neben dem Bettelgang auch die eine oder andere Hausfrau/tochter dabei schwängert dann wird die Dorfbevölkerung ganz einfach sagen:" Ihr wollt dass wir euch durchfüttern damit ihr euer Leben ganz dem spirituellen Leben und dem Dharma widmen könnt, aber ihr pimpert hier rum. So funktioniert das nicht. "

    Der Zweck des spirituellen Lebens und des Dhamma ist nun mal die Befreiung, und dazu ist das Versiegen des Begehrens nötig. Das sehe ich schon als den Hauptgrund dass der Buddha für Mönche und Nonnen keinen Sex erlaubt hat, eben deshalb weil er ein bedeutendes Hindernis für das Erwachen ist. Laien können das auch praktizieren wenn sie können, ist aber nicht vorgeschrieben.