Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?

  • Da verweise ich auf die bisherige Diskussion. Sex ist nicht böse, im Gegenteil, es ist sehr angenehm (meistens) und daher etwas, an dem wir Menschen - evolutionär bedingt - stark anhaften. Wer von Anhaftungen frei werden möchte, muss sich nicht nur den negativen Anhaftungen stellen, sondern auch den angenehmen.

    Dass man aufhören soll zu rauchen, ist leicht einsichtig. Aber aufhören, Sex zu haben? Schokolade zu essen? Seine Lieblingsserie zu schauen? Das ist ein anderes Kaliber.

    Der Witz ist - sobald man die Anhaftung daran aufgibt, braucht man diese Dinge gar nicht mehr :) Dann ist es kein Verzicht mehr, sondern es fehlt der Wunsch danach.


    Du willst weiter Sex haben? Schön. Mach keinen Missbrauch, fertig. Du willst endgültige Befreiung erlangen? Auch recht. Dann überwinde jede Anhaftung. Auch die, Sex zu haben. Oder leben zu wollen. Oder einen Menschen behalten zu wollen. Das schwerste überhaupt - die Anhaftung an die eigenen Kinder aufzugeben. Da ist der Verzicht auf Sex plötzlich einfach im Vergleich.

    Du führst ja selber die Unterscheidung zwischen der Sache und der "Anhaftung" ein. Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften? Das ist ja genau das, was ich schrieb, eben mit Blick auf den ganzen Sinnesbereich (z. B. auch: leckeres Essen). Und woran sich die Geister ja seit jeher scheiden. Die einen halten das für möglich, die anderen nicht. Theoretisch unstrittige Beweisführungen gibt es da nicht, gelungene und gescheiterte reale Beispiele dafür in beiden Lagern.

    Da könnte man sich auch einfach gegenseitig in-Ruhe-lassen :) Soll jeder machen, wie er gut mit klarkommt.


    Mit der "endgültigen Befreiung" wird dann aber eben wieder die Grenze zur Religion überschritten. Mit diesem Phantom wird ja nun der Anspruch erhoben, etwas für alle Menschen gültiges auszusagen.

  • Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften? Das ist ja genau das, was ich schrieb, eben mit Blick auf den ganzen Sinnesbereich (z. B. auch: leckeres Essen).

    Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

  • Dann verstehe ich Dich nun so: Bevor du Enthaltsamkeit als Teil von Richtiger Absicht üben möchtest, soll Dir der Nutzen dessen als Teil von Richtiger Ansicht offenbar geworden sein.

    "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für das Erscheinen von Richtiger Ansicht?"


    "Freund, es gibt zwei Bedingungen für das Erscheinen von Richtiger Ansicht: die Äußerung eines anderen und weises Erwägen. Dies sind die zwei Bedingungen für das Erscheinen von Richtiger Ansicht."

    Wobei nun immer noch zu klären ist, wessen Äußerungen Gehör zu schenken ist.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Mit der "endgültigen Befreiung" wird dann aber eben wieder die Grenze zur Religion überschritten. Mit diesem Phantom wird ja nun der Anspruch erhoben, etwas für alle Menschen gültiges auszusagen.

    Warum? Ich konnte schon viele Anhaftungen aufgeben (wie jeder Mensch). ZB spielte ich als Kind gern Playmobil - jetzt nicht mehr. Früher hab ich täglich Fleisch gegessen und konnte mir nicht vorstellen, je fleischlos zu leben. Jetzt ist kein Verlangen nach Fleisch mehr da. Undundund. Die Anhaftungen, die man aufgegeben hat, sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden, aber jeder hat das erlebt.

    Wenn man nun dieser oder jene Anhaftung aufgeben kann, warum sollte man nicht alle aufgeben können?

    Die "Grenze zur Religion" seh ich da nicht überschritten.

    Ich frage mich eher, wie man Sex haben soll, ohne jede Form der Begierde. Und vor allem: wozu :D

  • Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder? Oder vielleicht hat die katholische Kirche doch Recht - Sex bitte nur um Kinder zu zeugen?

    Der Mensch ist ein körperlich-geistiges Wesen in einer sozialen und materiellen Welt. Er verfügt über die Fähigkeit Freude, Leid etc. zu empfinden. Manche Beschäftigungen tun ihm auf lange Sicht und/oder im Übermaß nicht gut, wobei das eben bei jedem etwas unterschiedlich ist. Wenn jemand mit seinem Partner Sex hat, ja ganz einfach aus dem Grund weil er die Intimität zu diesem Menschen liebt und/oder auch nur das Empfinden beim Sex, sehe ich da schlicht und einfach kein Problem. Es kommt immer auf das Gesamtpaket an.

    "Anhaftung an Sinnengenuss" ist einfach eine Floskel. Wenn du dich wohl fühlst ohne Sexualität, und auch keine Gedanken daran hast, ist ja okay.

    2 Mal editiert, zuletzt von Sôhei ()

  • Wobei nun immer noch zu klären ist, wessen Äußerungen Gehör zu schenken ist.

    Das ist wahr.


    "Und das Erkennbare, Bruder, wie kann man das begreifen?"

    "Das Erkennbare, Bruder, kann man durch das Auge der Weisheit begreifen."

  • Warum? Ich konnte schon viele Anhaftungen aufgeben (wie jeder Mensch). ZB spielte ich als Kind gern Playmobil - jetzt nicht mehr. Früher hab ich täglich Fleisch gegessen und konnte mir nicht vorstellen, je fleischlos zu leben. Jetzt ist kein Verlangen nach Fleisch mehr da. Undundund. Die Anhaftungen, die man aufgegeben hat, sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden, aber jeder hat das erlebt.

    Wenn man nun dieser oder jene Anhaftung aufgeben kann, warum sollte man nicht alle aufgeben können?

    Die "Grenze zur Religion" seh ich da nicht überschritten.

    Ich frage mich eher, wie man Sex haben soll, ohne jede Form der Begierde. Und vor allem: wozu :D

    Die Grenze zur Religion ist die "endgültige Befreiung" und das Weltbild dahinter, welches postuliert dass alles sinnliche Dasein leidverbunden und leiderzeugend ist, sowie aufgrund einer ominösen "Wiedergeburt ohne Wiedergeburt" auch nicht mit dem Tod einfach endet. Brauchen wir aber jetzt wirklich nicht zum hundertsten mal versuchen zu diskutieren, die einen sehen es halt so, die anderen anders.

  • Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder?


    Das ist ein Missverständnis. Nicht die Empfindung soll überwunden werden - ob Du was empfindest, kannst Du zumeist nicht selbst entscheiden. Sondern die Anhaftung an die Empfindung. Du isst, entweder schmeckt es, es schmeckt nicht, oder es ist neutral. In jedem Fall erkennst Du es, sagst "aha, schmeckt/schmeckt nicht/schmeckt neutral" und fertig. Im Alltag läuft's halt anders, wenn Du Dir denkst: Das mag ich wieder haben! Und morgen gibts was Anderes, und Du bist enttäuscht.

    Die Empfindungen sind wie Gedanken. Sie entstehen, bedingt durch Dein bisheriges Leben und Deine Erfahrungen. Lass sie vorüberziehen. Dann reagierst Du nicht mehr mit Ablehnung oder Haben wollen auf angenehmen/unangenehmen Geschmack.

    Wenn Du Sex mit einem Partner hast, weil Du die Intimität zu diesem Partner liebst, ist das natürlich nichts Schlimmes. Es ist aber Quelle von Dukkha. Wenn Du mal willst und der Partner nicht, oder umgekehrt. Oder der Sex mal nicht gut ist. Oder Du nicht weißt, ob der Partner es genossen hat. Oder...

  • Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften? Das ist ja genau das, was ich schrieb, eben mit Blick auf den ganzen Sinnesbereich (z. B. auch: leckeres Essen).

    Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Wie wäre es mit dem biologischen Zwang der Erhaltung der Art?

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Wer zwingt Dich denn, die Art zu erhalten? Noch dazu eine, die das Problem der Überbevölkerung hat? Unabhängig davon: Wenn Du an der Vorstellung anhaftest, Du hättest die Verpflichtung, die Art zu erhalten - ist ja kein Problem. Ist halt eine Anhaftung an eine Vorstellung.

  • Zitat

    nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung

    Doch das darf es durchaus. Das ist realistisch.

    Der Mönch darf aber nicht wählerisch sein.

    Dem Körper wird nur sein Bedarf zugeteilt.

  • Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder? Oder vielleicht hat die katholische Kirche doch Recht - Sex bitte nur um Kinder zu zeugen?

    Der Mensch ist ein körperlich-geistiges Wesen in einer sozialen und materiellen Welt. Er verfügt über die Fähigkeit Freude, Leid etc. zu empfinden. Manche Beschäftigungen tun im auf lange Sicht und/oder im Übermaß nicht gut, wobei das eben bei jedem etwas unterschiedlich ist. Wenn jemand mit seinem Partner Sex hat, ja ganz einfach aus dem Grund weil er die Intimität zu diesem Menschen liebt und auch das Empfinden beim Sex, sehe ich da schlicht und einfach kein Problem. "Anhaftung an Sinnengenuss" ist einfach eine Floskel. Wenn du dich wohl fühlst ohne Sexualität, und auch keine Gedanken daran hast, ist ja okay.

    Bezogen auf die eigenen gegenwärtigen Befindlichkeiten sind deine Ausführungen für mich nachvollziehbar und ich gebe zu dass ich angehaftet bin. Meine Vorstellung Körper/Geist zu sein sehe ich durchaus als einen Irrtum dem ich erlegen bin.

    Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

  • Ich frage mich eher, wie man Sex haben soll, ohne jede Form der Begierde

    Das wurde hier ja schon angedeutet: Es geht in Richtung "buddhistisches Tantra"...

    Wer sich dafür näher interessiert, kann im tibetischen Bereich ja einen neuen Thread aufmachen.

  • Wobei nun immer noch zu klären ist, wessen Äußerungen Gehör zu schenken ist.

    Das ist wahr.


    "Und das Erkennbare, Bruder, wie kann man das begreifen?"

    "Das Erkennbare, Bruder, kann man durch das Auge der Weisheit begreifen."

    Andererseits verfügt ja auch nicht jeder mal eben über ein "Auge der Weisheit" ( Paññā-cakkhu ), mit dem er Gehörtes zielsicher als richtig oder falsch einordnen zu kann.


    Immerhin gibt es aber auch noch diesen Ansatz:

    Sunu könnte also mit der Sittlichkeit beginnen, und diese auf Tauglichkeit und Nützlichkeit prüfen, bevor er sich der Enthaltsamkeit zuwendet.


    Wobei auch Sittlichkeit ja schon einen Einstieg in Enthaltsamkeit bedeuten kann:

    "Freund Visākha, ... Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise - diese Zustände sind im Übungsfeld der Sittlichkeit enthalten.

    "Und was, Freunde, ist Richtiges Handeln? Enthaltung vom Töten lebender Wesen, Enthaltung vom Nehmen von dem, was nicht gegeben wurde, und Enthaltung vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen - dies wird Richtiges Handeln genannt."

    "Und welche Art von körperlichem Verhalten verursacht die Abnahme unheilsamer Zustände und die Zunahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt? ... Er enthält sich des Fehlverhaltens bei Sinnesvergnügen, indem er das Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen aufgegeben hat; er hat keinen Geschlechtsverkehr mit Frauen, die unter der Obhut der Mutter, des Vaters, von Mutter und Vater, des Bruders, der Schwester oder der Verwandten stehen, mit Frauen, die einen Ehemann haben, die vom Gesetz geschützt sind, oder mit jenen, die den Schmuck der Verlobten tragen. Solch körperliches Verhalten verursacht die Abnahme unheilsamer Zustände und die Zunahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

    Vermutlich, weil wir einfach von völlig unterschiedlichen Standpunkten draufschauen. Für mich ist es genauso absurd, jedes Sinnesvergnüngen automatisch mit Anhaften gleichzusetzen. (Sprich: mich überzeugen die "Erklärungen" nicht, die überall Anhaften und Dukkha wittern.) Beispiel Essen: ich esse natürlich lieber etwas, was mir schmeckt, als etwas was mir nicht schmeckt. Trotzdem muss ich mich nicht Vollschaufeln bis mir schlecht ist, und ich gräme auch nicht weil es dann vorbei ist. Da versteckt sich kein Anhaften oder Dukkha drin. Ist mit Sexualität nicht anders.

  • Die Wahrnehmung von Gefühlen - ob angenehm oder unangenehm - ist hier nicht so sehr das Problem.


    Erst das "sich ergötzen daran" führt zum Anhaften (oder eher Ergreifen, Festhalten) und dieses dann wiederum über eine (mancher würde sagen "religiöse") Kette bedingter Entstehung zu Dukkha:

    "Wenn er mit dem Körper ein Berührungsobjekt fühlt, ist er begierig nach ihm, wenn es angenehm ist, lehnt es ab, wenn es unangenehm ist. Er lebt ohne verankerte Achtsamkeit auf den Körper, mit begrenztem Herzen und versteht die Herzensbefreiung, die Befreiung durch Weisheit, bei der jene üblen, unheilsamen Geisteszustände restlos aufhören, nicht der Wirklichkeit entsprechend. Derart in Zu- und Abneigung verwickelt wie er ist, ergötzt er sich am Gefühl, welches Gefühl er auch immer fühlen mag - ob angenehm oder schmerzhaft oder weder-schmerzhaft-noch-angenehm - heißt es willkommen und hält sich daran fest. Weil er dies tut, erscheint Ergötzen in ihm. Ergötzen an Gefühlen ist Anhaftung. Bedingt durch Anhaften ist Werden; bedingt durch Werden ist Geburt; bedingt durch Geburt entstehen Altern und Tod, Sorge, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung. So ist der Ursprung dieser ganzen Masse von Dukkha."

    Die Wahrnehmug der Gefühle bei einer körperlichen Berührung kann auch anders aussehen:

    "Wenn er mit dem Körper ein Berührungsobjekt fühlt, ist er nicht begierig nach ihm, wenn es angenehm ist, lehnt es nicht ab, wenn es unangenehm ist. Er lebt mit verankerter Achtsamkeit auf den Körper, mit unbegrenztem Herzen und versteht die Herzensbefreiung, die Befreiung durch Weisheit, bei der jene üblen, unheilsamen Geisteszustände restlos aufhören, der Wirklichkeit entsprechend. Nachdem er Zu- und Abneigung aufgegeben hat, ergötzt er sich nicht am Gefühl, welches Gefühl er auch immer fühlen mag - ob angenehm oder schmerzhaft oder weder-schmerzhaft-noch-angenehm - heißt es nicht willkommen und hält sich nicht daran fest. Weil er dies nicht tut, hört Ergötzen in ihm auf. Mit dem Aufhören des Ergötzen ist das Aufhören von Anhaften. Mit dem Aufhören von Anhaften ist das Aufhören von Werden; mit dem Aufhören von Werden ist das Aufhören von Geburt; mit dem Aufhören von Geburt hören Altern und Tod, Sorge, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung auf. So ist das Aufhören dieser ganzen Masse von Dukkha.

    Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Art von Wahrnehmung von körperlicher Berührung vereinbar wäre mit dem, was ich guten Sex nennen würde.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Vermutlich, weil wir einfach von völlig unterschiedlichen Standpunkten draufschauen. Für mich ist es genauso absurd, jedes Sinnesvergnüngen automatisch mit Anhaften gleichzusetzen. (Sprich: mich überzeugen die "Erklärungen" nicht, die überall Anhaften und Dukkha wittern.) Beispiel Essen: ich esse natürlich lieber etwas, was mir schmeckt, als etwas was mir nicht schmeckt. Trotzdem muss ich mich nicht Vollschaufeln bis mir schlecht ist, und ich gräme auch nicht weil es dann vorbei ist. Da versteckt sich kein Anhaften oder Dukkha drin. Ist mit Sexualität nicht anders.

    Natürlich muß sich nicht jeder für die Befreiung vom Begehren bemühen

    wie es der Buddha gelehrt hat. Was allerdings auch mit Konsequenzen

    zu tun hat.

    Unter anderem, das man durch durch Begehren das Begehren auch nicht los wird.

    Aber auch die vielfältigen Nachteile welche durch diese Abhängigkeiten und

    Konflikten bis Kriege entstehen wie auch das Wohl und Wehe in zukünftigen Dasein.

    Ob du das dann "Anhangen" oder Anhaften nennst oder nicht, ist dabei unerheblich.

  • Aber auch die vielfältigen Nachteile welche durch diese Abhängigkeiten und

    Konflikten bis Kriege entstehen wie auch das Wohl und Wehe in zukünftigen Dasein.

    Ob du das dann "Anhangen" oder Anhaften nennst oder nicht, ist dabei unerheblich.

    Na ja, das was du beschreibst ist ja deine auf einem Ausschnitt der buddhistischen Aufzeichnungen basierende Interpretation und Meinung, aber keine Tatsache oder unstrittige Wahrheit.

    Wenn dem zwangsläufig so wäre, dann wäre es natürlich egal ob ich/man sich bei einem z. B. schönen Essen derartige Konsequenzen unter dem Etikett "Anhangen" eingesteht (eingestehen kann, eingestehen will) oder nicht. Da dem aber eben z. B. meiner Meinung nach nicht zwangsläufig so ist (und ein klarer Beweis nunmal aussteht wenn nicht gar unmöglich ist), ist es nicht unerheblich. Vielleicht will ich ja den Begriff "Anhangen/Anhaften" nur für Mechanismen und Vorgänge gebrauchen, wo tatsächlich Dukkha generiert wird.

  • Dann habe ich mich bestimmt nicht gut ausgedrückt, wenn du mich nun so verstehst. Denn ging mir nicht darum was ich nun möchte oder will.

    Desweiteren denke ich, jeder hat es verdient das man ihm aufmerksam Gehör schenkt. Darauf erfolgt dann das Erwägen und Prüfen des gesagten.


    Zitat

    A.III. 66 Die Rede an die Kālāmer - 5. Kesamutti Sutta

    Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, (*1) nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.



    Wenn nun z.b. jemand u.U. überhaupt keine sexuelle Erfahrungen gemacht hat. Wie will er denn darüber Urteilen ? Z.b. ein junger Novize der sich noch in der Pubertät befindet und dem ein Zölibat auferlegt wird? Das führt doch eher dazu, dass er sich falsche ggf. sogar phantastische Vorstellungen macht. In der Folge werden dann u.U. noch Regeln nötig, die den Mönchen schon die bloße Berührung einer Frau verbieten, weil das ja schon ausreichen könnte, dass bei ihnen einer abgeht....ggf. noch mehr Regeln werden nötig im Bezug auf den Kontakt mit dem anderen Geschlecht. Das zeigt doch wie stark Mara da bereits wirkt. Diese Regeln und Gegenmaßnahmen, wären wohl nicht nötig, wenn die Begierde nach Sex tatsächlich oder auch nur annähernd überwunden wären. So gesehen sind diese Maßnahmen dann durch Begierde bedingte Handlungen. Triebgesteuerte Handlungen und eben nicht solche, die auf der Richtigen Ansicht beruhen.

  • Wenn nun z.b. jemand u.U. überhaupt keine sexuelle Erfahrungen gemacht hat. Wie will er denn darüber Urteilen ? Z.b. ein junger Novize der sich noch in der Pubertät befindet und dem ein Zölibat auferlegt wird?

    Da stimme ich Dir zu,


    Wenn jemand im Zweifel ist, ob zum Beispiel das im Sevitabbāsevitabba Sutta beschriebene Fehlverhalten wirklich so unheilsam ist, dann würde ich sagen, dass man jemandem Enthaltung von solchen Dingen zumuten kann, ohne dass derjenige Gelegenheit hatte, sich selbst von der Schädlichkeit der Dinge zu überzeugen, indem er es ausprobiert. Aber bei "normalem" Sex wie im Beispiel mit Deinem Novizen anzunehmen, würde ich das auch so sehen: Ich halte nichts von verordneten unfreiwilligen Zölibaten.


    Die Rede an die Kālāmer wird ja gern herangezogen, wenn es darum geht, die Legitimität der Haltung zu unterstreichen, dass nur die eigene Erfahrung maßgeblich sein soll für die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Behauptungen. Aber das im Sevitabbāsevitabba Sutta beschriebene Fehlverhalten zeigt, dass man manchmal doch daran glauben muss, dass etwas unheilsam ist, ohne es ausprobieren zu können, um sich dessen zu vergewissern.


    Es bleibt die Frage, wie das Erkennen der Kālāmer in so einem Fall erfolgen kann:


    Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.



    Hier muss das Erkennen doch möglich sein, ohne dass die Kalamer es ausprobieren:

    "Und welche Art von körperlichem Verhalten verursacht die Zunahme unheilsamer Zustände und die Abnahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt? Da tötet jemand lebende Wesen; er ist mordlustig, mit Blut an den Händen, zum Kämpfen und zur Gewalt geneigt, gnadenlos gegenüber lebenden Wesen. Er nimmt, was ihm nicht gegeben wurde; er nimmt sich auf diebische Weise den Reichtum und den Besitz anderer im Dorf oder im Wald. Er übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen; er hat Geschlechtsverkehr mit Frauen, die unter der Obhut der Mutter, des Vaters, von Mutter und Vater, des Bruders, der Schwester oder der Verwandten stehen, mit Frauen, die einen Ehemann haben, die vom Gesetz geschützt sind, und sogar mit jenen, die den Schmuck der Verlobten tragen. Solch körperliches Verhalten verursacht die Zunahme unheilsamer Zustände und die Abnahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt."

    Hier muss Erwägen und Vorstellung genügen, oder eben doch überlieferte Erfahrung, deren Wahrheitsgehalt geglaubt wird.


    Wie sieht es nun aus mit der Erfahrung von Enthaltsamkeit? Du sagst, "jeder hat es verdient das man ihm aufmerksam Gehör schenkt. Darauf erfolgt dann das Erwägen und Prüfen des gesagten". Zufällig bin ich gestern über einen Bericht gestolpert, der auch hierher passt. Und wo sogar das Ausprobieren vergleichweise harmlos sein sollte:

    "Ich habe mehr Energie und bin konzentrierter."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

    Vermutlich, weil wir einfach von völlig unterschiedlichen Standpunkten draufschauen. Für mich ist es genauso absurd, jedes Sinnesvergnüngen automatisch mit Anhaften gleichzusetzen. (Sprich: mich überzeugen die "Erklärungen" nicht, die überall Anhaften und Dukkha wittern.) Beispiel Essen: ich esse natürlich lieber etwas, was mir schmeckt, als etwas was mir nicht schmeckt. Trotzdem muss ich mich nicht Vollschaufeln bis mir schlecht ist, und ich gräme auch nicht weil es dann vorbei ist. Da versteckt sich kein Anhaften oder Dukkha drin. Ist mit Sexualität nicht anders.

    Vielleicht verstehen wir auch nicht dasselbe unter anhaften. Ich sag mir halt wenn man etwas nicht braucht, nicht daran hängt, es nicht begehrt, warum sollte man es dann immer wieder willentlich aufsuchen. Warum dann wohlschmeckendes Essen vorziehen oder Sex haben. Und wieso sollte man dann nicht darunter leiden, einen Mangel empfinden, falls es kein gutes Essen und keinen Sex mehr geben sollte, wo einem das doch offensichtlich lieb und wert war.

  • Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.

    Ich weiß nicht was hier einige immer mit den Kālāmer haben.

    Heißt es nicht das diese verwirrt waren?

    Seit ihr denn alle verwirrte Kālāmer?

    Wenn das so ist, dann ist wohl der Ratschlag des Buddha zu

    versuchen sich an die Dinge zu halten die man noch selber

    schon erkennen kann, sicherlich ein guter Ratschlag.

  • Der Titel der Diskussion lautet ja


    "Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant? "


    Und da ist es nach meinem Verständnis nicht zielführend, sich auf das Kālāmer Sutta zu berufen. Denn die Kālāmer waren Hausleute, die gar nicht nach Befreiung suchten. So wurde ihnen auch nur abgefordert anzuerkennen, dass bestimmte Formen von Sex unheilsam sind:

    Genau wie Sôhei würden sie es aber wohl bezweifeln und es als religiöses Dogma verstehen, wenn man ihnen beibringen möchte, dass auch bei "gutem" Sex früher oder später "tatsächlich Dukkha generiert wird":

    Na ja, das was du beschreibst ist ja deine auf einem Ausschnitt der buddhistischen Aufzeichnungen basierende Interpretation und Meinung, aber keine Tatsache oder unstrittige Wahrheit.

    Wenn dem zwangsläufig so wäre, dann wäre es natürlich egal ob ich/man sich bei einem z. B. schönen Essen derartige Konsequenzen unter dem Etikett "Anhangen" eingesteht (eingestehen kann, eingestehen will) oder nicht. Da dem aber eben z. B. meiner Meinung nach nicht zwangsläufig so ist (und ein klarer Beweis nunmal aussteht wenn nicht gar unmöglich ist), ist es nicht unerheblich. Vielleicht will ich ja den Begriff "Anhangen/Anhaften" nur für Mechanismen und Vorgänge gebrauchen, wo tatsächlich Dukkha generiert wird.

    Der Vergleich mit dem Essen ist nicht schlecht, wo es auch nicht so auf der Hand liegt, wo das Problem ist. Wenn der Titel der Diskussion lautem würde:


    "Essen und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Essen für heutige Praktizierende relevant? "


    Dann wäre es vermutlich dennoch etwas leichter, Gehör zu finden:

    Bei jener Gelegenheit wohnten die Bhikkhus namens Assaji und Punabbasuka bei Kīṭāgiri. Dann ging eine Anzahl Bhikkhus hin und sagte zu ihnen: "Freunde, der Erhabene und die Sangha der Bhikkhus enthalten sich jetzt davon, nachts zu essen. Indem sie so verfahren, sind sie frei von Krankheit und Leid, und sie erfreuen sich der Gesundheit, Stärke und eines leichten Lebens. Kommt, Freunde, enthaltet euch davon, nachts zu essen. Indem ihr so verfahrt, werdet auch ihr von Krankheit und Unbehagen frei sein, und ihr werdet euch der Gesundheit, Stärke und eines leichten Lebens erfreuen."


    Nach diesen Worten sagten die Bhikkhus Assaji und Punabbasuka zu jenen Bhikkhus: "Freunde, wir essen am Abend, am Morgen und tagsüber, außerhalb der richtigen Zeit. Indem wir so verfahren, sind wir frei von Krankheit und Leid, und wir erfreuen uns der Gesundheit, Stärke und eines leichten Lebens. Warum sollten wir einen Nutzen aufgeben, der hier und jetzt sichtbar ist, um nach einem Nutzen zu trachten, der in der Zukunft erlangt wird? Wir werden am Abend, am Morgen und tagsüber, außerhalb der richtigen Zeit essen."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Man muss bestimmt nicht alles praktisch ausprobieren bzw. ausleben, um zu einer Einsicht zu gelangen, dass etwas Leid hervorbringt. Manche Dinge sind den meisten schon offensichtlich genug, dass deren Leidhaftigkeit auch so erkannt werden kann. Dennoch ist es mit dem Glauben müssen so eine Sache. Entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Entweder die Vorstellung und das Erwägen genügt, oder eben nicht. Auch wenn es in einigen Fällen dann sehr bedauerlich ist, wenn es nicht ausgereicht hat. Wie sieht es nun aus mit der Erfahrung der Enthaltsamkeit ? Man könnte sagen, ich habs knüppeldicke.