Gampopa: Juwelenschmuck der Befreiung

  • Man sollte aufhören, den Leuten zu erzählen, was sie hören wollen. Der Buddha hat sich nicht an sie anzupassen, sondern sie an den Buddha. Wenn man damit Egoprobleme hat, dann ist da die Tür.

    Der Nachteil dieses konsequenten Ansatzes ist halt, dass es von wenig Mitgefühl zeugt.

    Ich denke eher, dass ein VHS-Kurs Kommunikation ist, von Lehrer zu Anfänger, die in intelligenter Weise stattzufinden hat. Mit "Da ist die Tür" kommt man vielleicht beim Militär oder in irgendwelchen Dramen durch, nicht aber, wenn man Menschen etwas erklären will so dass sie es auch verstehen.

    Wenn man an verständiger Kommunikation kein Interesse hat, wird man aber wohl auch sicher lieber erst gar keinen Kurs geben.

    das ist eben der Punkt, wo der Frosch ins Wasser hüpft: Früher in Tibet klappte es, den Geist der Menschen dem Dharma zu zuwenden durch krasse Höllenschilderungen. Vom Dharma komplett abwenden gab es in Tibet nicht. Heute ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich Menschen bei diesem Vorgehen vom Dharma abwenden.

  • ich kenne es so: Die Höllenbereiche, alle Bereiche existieren so wie der Menschenbereich: Als Produkt des Geistes der Bewohner. In welchem sie aber sehr stark gefangen sind.


    Die Wahrscheinlichkeit in der Hölle wiedergeboren zu werden wurde in der Vergangenheit zu pädagogischen Zwecken stark übertrieben. In der heutigen Zeit funktioniert das nicht mehr. Die Menschen bekommen Panik und fragen so lange nach bis sie von einem Lama die Information bekommen dass es eben stark übertrieben ist, dass es die Leute nur zur Praxis antreiben soll, dass man in Wirklichkeit nur schwer in die Hölle gelangt.

    Nachdem das dann klar ist, funktioniert der pädagogische Antrieb nicht mehr und man braucht einen anderen Antrieb.

    Ich glaube gar nicht unbedingt, dass die Höllenbeschreibungen pädagogisch gemeint sind, sondern einfach eine Beschreibung im Style der damaligen Zeit. Die positiven Aspekte in der Lehre - wieviel Nutzen es bringt, auch nur eine winzige gute Tat zu vollbringen, werden ja auch gleichsam total übertrieben.


    Ich vermute, das liegt an der blumigen Sprache, die übersetzt sehr befremdlich klingen kann.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Lirum Larum

    Das Mitgefühl ist die eine Seite.

    Ich erlebe es aber schon so dass die Lamrimtexte eben so aufgebaut sind.

    Wenn ich mich ein bisschen mit dem Theravada befasse, so habe ich den Eindruck, dass die Leidhaftigkeit des Lebens viel mehr auf die Begierde aufgebaut ist und auf die Notwendigkeit sie aufzuheben. Dies ist dort der Startpunkt


    Wenn ich die Lamrimtexte sehe die ja die tibetische Sutraebene sind, habe ich den Eindruck, dass sie zuerst immer auf die kostbare menschliche Existenz abziehen gerade in Abgrenzung zur Hölle den Götterbereichen usw.


    Ich denke wenn gerade ein Anfänger wirklich den klassischen Theravadabezug begreift und die Leidhaftigkeit des Lebens wirklich begreift, dann ergibt sich daraus zwangsläufig der Wunsch das Leiden schnellstmöglich zu überwinden. Ohne dabei auf die Daseinsbereiche einzugehen.

  • Der Nachteil dieses konsequenten Ansatzes ist halt, dass es von wenig Mitgefühl zeugt.


    Die Wahrheit sagen, die Dinge beim Namen nennen, es so sagen, wie es ist, ist Mitgefühl. Wenn man dies nicht sehen kann, dann naja. Den Leuten in einem Lügengebäude einen schönen bequemen Raum einrichten, wo ihnen nichts wehtun kann - vor allem die Wahrheit nicht - ist mitleidslos. Im Buddhismus liegt eine besondere Kraft in der Wahrheit und im wahrheitsgesprochenen Wort. Nicht aber im Lügen, Verschleiern, nett verpacken usw.



    dass sich Menschen bei diesem Vorgehen vom Dharma abwenden.


    Oder man verwehrt ihnen so von Anfang an, sich dem Dharma überhaupt zuwenden zu können.

  • Für mich war es schon immer ein Vorteil des Buddhismus gegenüber anderen Religionen, dass der Buddhismus tendenziell flexibler und anpassungsfähiger ist. Man nennt diese Flexibilität ja auch "geschickte Mittel". Ein mitfühlender Lehrer wird wissen welche Inhalte zu welchen Kursen am besten passen.

  • Für mich war es schon immer ein Vorteil des Buddhismus gegenüber anderen Religionen, dass der Buddhismus tendenziell flexibler und anpassungsfähiger ist. Man nennt diese Flexibilität ja auch "geschickte Mittel"


    Ist dir bewusst, dass dies nicht für den "Buddhismus" gilt, sondern für einige buddhistische Konfessionen und für andere nicht? Und es wird in den buddhistischen Konfessionen auch anders bewertet, was noch ein geschicktes Mittel ist und was schon Lug und Trug.

  • Es gibt ja diese Analogie von den Kindern, die im brennenden Haus sitzen. Sie hören den Vater nicht, der ständig "es brennt es brennt" schreit, weil sie so im Spiel vertieft sind. Da ruft die Mutter, die ihre Kinder genau kennt "Kinder, ich habe Süßigkeiten für euch hier draussen" - und schon sind die Kinder draussen. Zwar hat die Mutter sie angelogen, aber sie sind in Sicherheit. Im Übertragenen Sinne funktionieren geschickte Mittel so. Man nimmt das her, was die Leute in die richtige Richtung in Bewegung setzt. Sind sie einmal auf dem Weg, kann man ihnen die Wahrheit immer noch erklären. So gesehen ist eben die Wahrheit nicht immer mitfühlend. Weil Menschen so unterschiedlich reagieren, ist eine wahrhaftige Absicht mit Weisheit wichtiger als Wahrheit nach dem Lehrbuch.

  • Auch ein guter Theravada Lehrer dürfte doch in einem Anfänger Kurs nicht gleich über Leerheit philosophieren sondern den Kurs zum Beispiel mit Achtsamkeitsübungen gestalten und allgemein etwas über die 4 edlen Wahrheiten erzählen. Das hat nichts mit Lug und Trug zu tun, sondern mit Didaktik und Pädagogik.

  • Und gerade dieses Buch hat einen sehr ausgefeilten didaktischen Aufbau, der sich durch das gesamte Buch zieht.

  • Für mich war es schon immer ein Vorteil des Buddhismus gegenüber anderen Religionen, dass der Buddhismus tendenziell flexibler und anpassungsfähiger ist. Man nennt diese Flexibilität ja auch "geschickte Mittel".

    Das "geschickte Mittel" hier, in diesem Thread, ist sog. schwarze Pädagogik. Und genau da - im Drohen mit Höllen, mit genüßlichen Schilderungen, die offensichtlich sadistischen Fantasien entspringen - treffen sich solche 'Buddhismen' mit anderen Religionen. Das mag ein Mittel sein, um Menschen, denen ohne solch anschauliche Horrorstories die erste Wahrheit nicht zu vermitteln ist, zu einem ethisch heilsamen Handeln anzuhalten. Für "geschickt" halte ich das trotzdem nicht. Insbesondere, weil solche Methoden, die statt an Vernunft und Einsicht an irrationale Ängste appellieren, zum Missbrauch einladen - und folgerichtig auch immer wieder missbraucht wurden und werden. Nicht nur im Christentum ...


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana es ging ja nicht darum Hölllenbereiche komplett zu leugnen, sondern darum nicht auf jedes Detail einzugehen. Warum die Kursleiterin so entschieden hat, weiß ich nicht mehr. Vielleicht waren ihr andere Inhalte einfach wichtiger in der Kürze der Zeit die zur Verfügung stand.

  • Geschickte Mittel bedeuten im Dharma, dass man als Lehrer die Schülerinnen und Schüler dort abholt wo sie spirituell stehen und ihnen dann das lehrt, was sie verstehen können und was ihnen hilft, Fortschritte auf dem Pfad zu machen. Es geht nicht darum, ihnen irgendetwas unterzujubeln. Wenn Lehrer so etwas tun, sind sie keine Dharmalehrer bzw. Dharmalehrinnen


    Die Beschreibung der verschiedenen Daseinsbereiche dient dazu aufzuzeigen, welche Wirkungen unsere eigenen Taten in der Zukunft haben werden. Unheilsame Handlungen wie Töten, Stehlen, Lügen, Übelwollen usw. haben eben leidvolle Situationen zur Folge, in denen wir mehr Leiden erleben werden als in einem menschlichen Dasein, das ja auch nicht frei von Leiden ist. Wenn wir verstehen, dass die leidvollen Daseinsbereiche, in denen wir in Zukunft wiedergeboren werden, die Folge unserer eigenen unheilsamen Taten in diesem Leben sind, dann werden wir die unheilsamen Handlungen unterlassen, wenn wir auch in Zukunft keine schlimmen Leiden erleben möchten.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Liebe mkha',

    Fakt ist jedoch: das, was in den (tib.-buddḥ) Schriften steht, wurde auch genauso gelehrt.

    das steht ja auch gar nicht in Zweifel. Die Frage ist zum einen, ob diese Lehren auf empirischer Erfahrung oder schlichter Fantasie beruhen. Darauf aufbauend: sind solche Lehren allegorisch zu verstehen oder faktisch? Und unabhängig davon zum anderen - was ist die Intention solcher Lehren und wie (falls überhaupt) werden sie dieser Intention gerecht? Damals - und vor allem heute.

    Es stellt sich jeweils die Frage: möchte ich mich mit den Originallehren, sei es Theravada, Mahayana (Yogacara), Mahayana (Svatantrika/ Prasaṅgika), Vajrayana, etc. auseinandersetzen, ....


    ...oder möchte ich nur das lernen, was unter Entfernung all dessen, was "hier im Westen" nicht passt, übrigbleibt. Wäre es dann nicht ehrlicher, die "Neu-Kreation" z.B. Geistestraining in Anlehnung an den Buddhismus zu nenneṇ?

    Du konstruierst da einen Gegensatz, der so gar nicht existiert. Kläre, was für Dich in diesem Zusammenhang "lernen" bedeutet. Sich "mit Originallehren [...] auseinandersetzen" heisst zumindest für mich nicht, sie gläubig und unkritisch zu rezipieren, sondern sich um ein Verständnis ihrer Funktion und damit ihrer Intention und Wirkung zu bemühen. Dabei geht es nicht um "Neu-Kreation", sondern um eine Interpretation aus dem historischen Entstehungskontext heraus, die erst ein angemessenes Anwenden auf den aktuellen Kontext ermöglicht. Geht es denn um Verständnis (und daraus begründetes Handeln) oder geht es um Glaube (nach dem Motto: "es steht geschrieben")?

    wäre ein anderes Procedere, als die Abänderung der Lehrinhalte, angezeigt.

    Es geht überhaupt nicht um eine "Abänderung der Lehrinhalte". Es geht um die Form, die den Inhalten gegeben wird - und die ist unvermeidlich historisch und kulturell bedingt. Und weil es anitya gibt, geht das Verständnis der Inhalte verloren, wenn man ihre Formen nicht historisch-kritisch untersucht und interpretiert, sondern sie stattdessen schlicht glaubt.


    Gampopa hat auch nichts anderes getan, als sein Verständnis der Inhalte in eine Form zu kleiden, die seinen lokalen und temporären Bedingungen entsprach - Zentraltibet im 11. Jahrhundert. Ob damit auch eine "Abänderung der Lehrinhalte" verbunden war (so was soll gelegentlich vorkommen), darüber kann man geteilter Meinung sein. In den ältesten buddhistischen Texten findest Du z.B. diese ganze Höllen-Kosmologie noch nicht. Irgendwann wurde da igendwas "geändert". Form oder Inhalt? Ist aber auch gar nicht Thema hier ...


    Die Frage ist doch - was machst Du hier und heute mit und aus so einem Text? Mir persönlich reicht Auschwitz oder Hiroshima als Illustration von akusala vipāka völlig aus - das ist für ein Verständnis davon nicht nur naheliegender, sondern auch deutlich konkreter als die Schauergeschichten von diversen kalten und heißen Höllen und Nebenhöllen. Und allemal schaurig genug.


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Grashuepfer

    Hat das Label Tibetisch hinzugefügt.
  • Grashuepfer

    Hat das Label Primärliteratur hinzugefügt.
  • Grashuepfer

    Hat das Label hinzugefügt.