Spezielle Frage zum japanischen Zen

  • Guten Tag,

    ich habe eine spezielle Frage zum Zen zu der ich eure Meinungen/Diskussion hören will.


    Zen habe ich, wie die meisten in Deutschland über die Soto-Shu Linie von Kodo Sawaki kennen gelernt. Wenn ich mir so meine Erfahrungen in der Praxis (deutsche Gruppen) und Theorie (Internet, Bücher) angucke, schien mir der Zen im Verhältnis zu anderen Richtungen des Buddhismus recht "unbuddhistisch" und säkular. Damit meine ich, dass die buddhistische Begriffe wie Wiedergeburt, Karma, Boddhisattvas, transzendente Buddhas, Sutren etc. kaum eine oder gar keine Rolle spielen und der Schwerpunkt immer auf Zazen bzw. der alltäglichen Praxis liegt.


    Das wurde für mich subjektiv auch immer wieder durch Lektüre von Kodo Sawaki, Shinryu Suzuki, Muho Nölke und anderen japanischen/deutschen Meistern bestätigt. Das was ich von Rinzai-Linien mitbekommen habe war, meinem Eindruck nach, auch nicht groß anders.


    Vor kurzem dann bin auf die Fo Guang Shan und den taiwanesischen Chan gestoßen und habe zwei Bücher von Meister Hsing Yun gelesen. Hier wird der Chan ganz anders rüber gebracht. Themen wie Wiedergeburt oder Boddhisattvas sind omnipräsente Themen. Teilweise wird dem Leser sogar mit Wiedergeburt in Höllenwelten für verstoß gegen die Silas gedroht. Ich wäre von selbst nicht einmal darauf gekommen, dass es sich um Zen/Chan handelt. Zazen wird kaum bis gar nicht behandelt.


    Im großen und ganzen bezieht sich der Chan-Buddhismus aus Taiwan scheinbar viel mehr auf die Mahayana Lehre und ist offensichtlich viel religiöser ausgeprägt als der japanische Zen.

    So zumindest mein Eindruck.


    Jetzt die Frage:

    Ist der japanische Zen im Verhältnis zum chinesischen/taiwanesischen Chan tatsächlich viel säkularer oder ist der Zen in Japan ebenso religiös veranlagt wie andere Schulen und wird lediglich säkular angepasst an den Westler verkauft?


    Gruß,

    Xa Loi

  • kilaya

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Ha! Gute Frage. Willkommen erstmal im Forum :)

    Bin gespannt, was sich da so ergibt dazu.


    Ich mach seit ner Weile Zen, auch in Gruppen. Hab mir die Frage aber noch nie so gestellt, da ich nicht so sehr auf der Suche nach "säkularem" oder "unbuddhistischem" Zen bin. Grundsätzlich ist Zen natürlich eine buddhistische Strömung, es werden ja auch Sutren rezitiert. Aber zugleich führt die mystische Auslegung dazu, dass eine ziemliche Skepsis gegenüber Dogmen besteht.


    Somit würd ich sagen, die Wahrheit liegt in der Mitte. Zen ist weniger offensichtlich "religiös" als andere buddhistische Strömungen, und man kann wahrscheinlich in den meisten Gruppen recht gut mitüben und Zazen machen, auch wenn man mit Buddha nicht so viel am Hut hat. Zugleich ist die Praxis schon in ein buddhistisches Rahmenwerk eingebettet, und wird so auch erklärt. Es werden also schon Widersprüche auftauchen.


    Ich fand übrigens die Bücher von S. Suzuki auch sehr religiös :D Aber auf eine gute Art, gehören zu meinen Favoriten. Wenn du etwas wirklich unbuddhistisches möchtest, wäre womöglich etwas echt säkulares auch eine Option - es gibt sowohl verschiedene Ansätze, alles religiöse aus den buddhistischen Strömungen zu entfernen, als auch ganz unbuddhistische Auslegungen der Meditationstechniken.


    Die Frage ist eben - wonach bist du auf der Suche? Wie soll deine Praxis sein? Was sind die Grundpfeiler davon für dich, und welche Dinge möchtest du nicht drinhaben?

  • Hi, danke schon mal für die ausführliche Antwort. Noch eine Ergänzung um Missverständnisse zu vermeiden. Ich bin zwar neu im Forum aber schon länger im Buddhismus unterwegs. Es geht nicht darum, dass ich auf der Suche nach etwas säkularem bin.



    In den einigen ärmeren asiatischen Ländern konnte ich selber sehen, dass der Volksbuddhismus meist wenig mit dem zu tun hat, was hier in buddhistischen Gruppen gelebt wird. In Japan habe ich das aber nicht so stark angezweifelt, da Japan ein sehr moderner säkularer Staat ist der sehr früh industrialisiert wurde (im Vergleich zu anderen buddhistischen Ländern). Dazu hat ein etwas pragmatischerer Buddhismus auch irgendwie gepasst in meiner Vorstellung . Das die Diskrepanz zum ebenfalls sehr modernen Taiwan so groß ist, wirft für mich die Frage auf, wie Zen eigentlich in Japan gelebt und gelehrt wird.


    Also ob der Zen, wie er in den meisten deutschsprachigen Gruppen und Büchern dargestellt wird, tatsächlich so in Japan zu finden ist oder ob es sich um eine verwestlichte Version handelt.


    Gruß,

    Xa Loi.

  • Bin gespannt auf die Antworten - mit der Praxis, wie sie in Japan beschaffen ist, bin ich nicht so vertraut.


    Wird wohl auch eine große Spanne sein zwischen Gelegenheitspraktizierenden und Enthusiasten - aber vieles von dem, was man hier findet, ist ja schon auch sorgsam so aufbereitet, dass es für uns verständlicher ist.

  • Ich glaube, was den Durchschnitts-Japaner angeht wird der Zen nicht viel anders "leben" als der Durchschnitts-Taiwaner. Wenn sie mit dem Buddhismus in Kontakt kommen dann eher auf volksreligiöser Ebene, bei Beerdigungen, der Ahnenverehrung und so weiter. Das Zen was in den japanischen Klöstern praktiziert wird dürfte aber weitgehend dem entsprechen, was wir hier im Westen vorfinden: Sehr starker Fokus auf die meditative Praxis, eher geringe Bedeutung irgendwelcher Fantastereien über frühere und zukünftige Leben.


    Deine Kernfrage - warum sich Zen/Chan in Japan völlig anders entwickelt hat als in den anderen Ländern (falls dem denn so ist) - kann ich freilich nicht beantworten. Aber ich denke hier gibts den einen oder anderen passenden Experten, bin selbst sehr gespannt auf die Antworten.

  • Zuerst einmal: Willkommen im Forum Xa Loi


    Ich würde schon durchaus sagen, dass Zen/Chan durchaus einige Unterschiede zum "klassischen" Buddhismus aufweist. Wie du schon sagtest ist es säkularer ausgeprägt. Auf viele Dinge wird in anderen buddhistischen Richtungen mehr Wert gelegt (Achtfacherpfad, die 4 edlen Wahrheiten).


    Ich habe schon immer wieder Stimmen gehört und Beiträge gelesen, in welchem davon gesprochen wurde, dass wahrer Zen nichts mit Buddhismus zu tun hat, und daher auch keine Religion sein kann. Oft wird sich dabei auf Huang Po berufen, der immer wieder davon gesprochen hat, dass Lehre und das beschäftigen mit derselben oberstes Gebot ist. Erwachen kann nicht einfach durch das durchführen guter Taten, das rezitieren von Sutren oder ähnliches erreicht werden.


    Meiner persönlichen Meinung nach ist das keine Abwertung, keine Distanzierung, sondern eher ein Aufruf sich nicht in solchen DIngen (wie Sutren, etc) zu verirren und zu denken.

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  • Wenn ich mir so meine Erfahrungen in der Praxis (deutsche Gruppen) und Theorie (Internet, Bücher) angucke, schien mir der Zen im Verhältnis zu anderen Richtungen des Buddhismus recht "unbuddhistisch" und säkular. Damit meine ich, dass die buddhistische Begriffe wie Wiedergeburt, Karma, Boddhisattvas, transzendente Buddhas, Sutren etc. kaum eine oder gar keine Rolle spielen und der Schwerpunkt immer auf Zazen bzw. der alltäglichen Praxis liegt.

    Hallo Xa Loi,

    grundsätzlich ist es problematisch, Begriffe wie "Religion" oder gar "säkular", die aus dem Kontext der abendländischen und somit christlich geprägten Kultur stammen, auf andere Kulturen und deren Phänomene zu übertragen, weil diese dabei unvermeidlich aus einem christlich-abendländischen Blickwinkel (also nicht voraussetzungslos) wahrgenommen werden. Das zeigt sich alleine schon in der Schwierigkeit, einen Begriff wie "Religion" (mit einer dezidiert christlich geprägten Begriffsgeschichte) so zu definieren, dass er z.B. auch auf den Buddhismus anwendbar ist. Wenn man nun ungeachtet dieser Problematik einfach einmal davon ausgeht, dass der Buddhadharma eine Religion ist, dann ist "Zazen bzw. die alltägliche Praxis" selbstverständlich eine religiöse Praxis und keine "säkulare". Es sei denn, jemand betreibt Zazen als Wellness-Meditation. Das wäre dann allerdings auch nicht wirklich Zazen ...


    Richtig ist, dass Zen stark praxisorientiert (und nicht dogmatisch / glaubensorientiert) ist, was jedoch etwas anderes ist als säkular, da es sich, wie gesagt, um eine buddhistisch-religiöse Praxis handelt. Richtig ist aber auch, dass diese Praxis religiös-theoretisch begründet ist - und zwar in einer spezifisch buddhistischen exegetischen Tradition. Das wird verdeutlicht durch Dinge wie z.B. die Reihe der Zen-Patriarchen oder noch mehr durch das kechimiyaku (das 'Stammbaum-Zertifikat'), das der Praktizierende bei der Ordination (auch der Laien-Ordination) erhält und das die direkte Übertragungslinie zu Shakyamuni Buddha aufzeigt. Überhaupt ist diese Ordination (ob nun shukke tokudo oder zaike tokudo) hinsichtlich "religiöse Praxis" ein entscheidender Punkt - vor allem weil hier das Moment der Selbstverpflichtung zu einer ethischen Praxis (die kai oder Bodhisattva-Gelübde) zentral ist. Diese Praxis ethischen Handelns ist wiederum mit der Zazen-Praxis verbunden, sie ist ihr Ausfluss, ihre natürliche Manifestation im Handeln. kai soku zen.


    Ohne die Bodhisattva-Gelübde, ohne jukai, kann man zwar von einer säkularen Praxis sprechen - aber das ist nach meiner Auffassung auch keine Zen-Praxis, sondern bestenfalls eine daran orientierte oder durch sie inspirierte Praxis.


    Dass in der religiösen Laienpraxis die von mir angesprochene exegetische Tradition keine wichtige Rolle spielt, ist zutreffend. Und speziell im Westen ist Zenpraxis überwiegend Laienpraxis. Bei jemandem, der eine Priesterordination (shukke tokudo) empfängt, sieht das schon etwas anders aus. So jemand absolviert in Japan in der Regel neben der praktischen Ausbildung im Kloster ein mehrjähriges Studium der Buddhologie an einer Hochschule und im Westen tut so jemand (zumindest nach meiner Auffassung) gut daran, sich behelfsweise ernsthaft autodidaktisch mit dieser exegetischen Tradition zu beschäftigen. Und dazu gehören nicht nur die klassische (schulspezifische) Zen-Literatur, angefangen mit dem Plattform-Sutra, sondern auch die Werke, auf die man sich gemeinsam mit anderen buddhistischen Traditionslinien bezieht. Das sind selbstverständlich die 'basics', seien es nun die im Tripitaka überlieferten agamas oder deren Gegenstück im Palikanon, die nikayas. Das sind selbstverständlich die Prajnaparamita-Sutren, das Lotossutra, das Avatamsaka-Sutra, Vimalakirtinirdesha, Surangamasutra usw. usf. Dazu natürlich auch die Schriften insbesondere der wichtigeren der indischen Patriarchen des Zen: Nagarjuna, Kanadeva, Vasubandhu, Asvagosha ...


    Das Besondere am Zen ist lediglich, dass diese Praxis des Schriftenstudiums nie den Primat der Zazen-Praxis in Frage stellt. Die Schriften sind Referenz der Zazen-Praxis und ohne diese sinnlos. Ihr Studium gibt dem Praktizierenden ein Mittel, die eigene Praxis zu verstehen und - hoffentlich - verständlich machen zu können und dient so deren Übertragung. Auch, wenn die eigentliche Übertragung "außerhalb der Schriften", von Herzgeist zu Herzgeist (ishin denshin) stattfindet - ein (wenn auch kleiner) Aspekt des Herzgeistes ist der Intellekt und dieser arbeitet mit Worten und Schriften, wo es notwendig und sinnvoll ist.


    Übrigens: auch im Zen sind Bodhisattvas ein "omnipräsentes Thema". Freilich weniger die transzendenten als die immanenten ... ;).


    Ansonsten wäre noch anzumerken, dass jemand, der Zen und Zenpraxis lediglich im Kontext westlicher Übungsgruppen kennt, in einem japanischen Zen-Kloster ziemlich fremdeln würde. Alleine der Umfang täglicher Sutrenrezitationen von frühmorgens (choka fugin) über mittags (nitchu fugin) bis zum Tagesabschluss (banka fugin) würde sein Bild von Zen als ausschließlicher Zazen-Praxis kräftig erschüttern.


    Leider gibts nur wenig - und vorwiegend englischsprachige - Literatur zum "real existierenden Zen" in Japan. Sehr lesenswert, wenn auch aus Sicht eines Tendai-Priesters geschrieben (mE weitestgehend auf Zen übertragbar): Stephen Covells 'Japanese Temple Buddhism'. Hinsichtlich Rinzais-shu: Jan Borups'Japanese Rinzai Zen Buddhism: Myoshinji, A Living Religion'. Hinsichtlich Soto-shu Joshua Aaron Irizarrys 'A Forest for a Thousand Years: Cultivating Life and Disciplining Death at Daihonzan Sōjiji, a Japanese Sōtō Zen Temple'. Hinsichtlich ritueller Praxis im Zen allgemein: Steven Heine and Dale S. Wrights 'Zen Ritual: Studies of Zen Theory in Practice '.


    Abschließende Anmerkung. Das hier:

    Ich habe schon immer wieder Stimmen gehört und Beiträge gelesen, in welchem davon gesprochen wurde, dass wahrer Zen nichts mit Buddhismus zu tun hat, und daher auch keine Religion sein kann

    sind mE Stimmen, die in der Regel aus der Ecke von Leuten kommen, die ihren esoterischen oder christlich-mystischen Übungen gerne einen exotischen Anstrich verleihen und das dann gerne als "Zen" ausgeben. Zen sells. Was darüber hinaus auf einen äußerst unreflektierten Umgang mit dem Begriff "Religion" hindeutet, auf dessen Problematik ich eingangs hingewiesen habe. Dazu ein Link auf einen schon etwas älteren Artikel. Das dort eingebettete Video ist leider mittlerweile depubliziert.


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    OM MONEY PAYME HUNG

    Einmal editiert, zuletzt von Sudhana () aus folgendem Grund: Typo

  • Ich habe schon immer wieder Stimmen gehört und Beiträge gelesen, in welchem davon gesprochen wurde, dass wahrer Zen nichts mit Buddhismus zu tun hat, und daher auch keine Religion sein kann. Oft wird sich dabei auf Huang Po berufen, der immer wieder davon gesprochen hat, dass Lehre und das beschäftigen mit derselben oberstes Gebot ist. Erwachen kann nicht einfach durch das durchführen guter Taten, das rezitieren von Sutren oder ähnliches erreicht werden.

    Ob Zen Religion ist oder nicht, hängt davon ab, was einer unter Religion versteht.


    Zen is not a religion.


    Erwachen kann allerdings auch nicht durch die Praxis oder durch die Lehre erreicht werden. Erwachen kann überhaupt nicht erreicht werden. Insofern hast du da Huang Po wohl falsch verstanden.

    :zen:

  • Ob Zen Religion ist oder nicht, hängt davon ab, was einer unter Religion versteht.


    Zen is not a religion.

    Natürlich hat Leonie völlig recht. Wobei der von ihr verlinkte Autor es sich mit seiner einem simplen Wörterbuch entnommenen Definition doch ein wenig arg einfach macht ... Übrigens genau diese Definition verdeutlicht, was ich mit "christlich-abendländischem Blickwinkel (also nicht voraussetzungslos)" und "dezidiert christlich geprägter Begriffsgeschichte" angesprochen habe. Da hat man sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Begriff auch nur ein wenig von dieser Wurzel zu abstrahieren, um ihn auf andere Sachverhalte anwendbar zu machen und natürlich kann das so gar nicht auf den Buddhismus passen. Was nun speziell die Ecke angeht, aus der der Text kommt, habe ich ja schon in meinem letzten Posting einen Artikel verlinkt, was mich der Mühe enthebt, das weiter zu kommentieren. Stattdessen ein mE etwas ernstzunehmenderer Versuch einer Definition von Religion:


    Zitat


    Erstens: Religion ist stets etwas, das jeden Einzelnen persönlich angeht. Darin ist sie anders als die Kultur. Kultur betrifft zwar jeden einzelnen, aber nicht jeder einzelne muß sie auch zu seinem persönlichen Anliegen magen. Was Religion ist, läßt sich demnach nicht von außen verstehen. Das heißt: Allein das religiöse Bedürfnis ist der Schlüssel zum Verständnis dessen, was Religion ist. Einen anderen Weg gibt es nicht. Hinsichtlich der Frage nach dem Wesen der Religion ist dies der wichtigste Punkt. Zweitens: Wenn vom Wesen der Religion die Rede ist, so befindet sich die Frage: "Welchen Zweck hat Religion für uns?" bereits als Frage im Irrtum. Aus ihr spricht eine Haltung, welche Religion ohne religiöses Bedürfnis zu verstehen sucht. Diese Frage wird daher von einer anderen Frage durchbrochen, die aus dem Fragenden selbst kommen muß. Einen anderen richtigen Weg zum Verständnis dessen, was Religion ist oder welchem Zweck sie dient, gibt es nicht. Die Frage, welche die erste Frage durchbricht, ist die Gegenfrage: "Wozu existieren wir?" Hinsichtlich alles anderen können wir fragen, welchen Sinn seine Existenz für uns habe. An die Religion lässt sich diese Frage jedoch nicht richten. In Hinblick auf alle anderen Dinge können wir uns selbst (oder die Menschheit) zum telos ihrer Beziehung zu uns machen und demgemäß ihren Wert für unser Leben und unsere Existenz bestimmen. Wir können uns (oder die Menschheit) zum Mittelpunkt machen und uns ausrechnen, welche Bedeutung ihnen als Inhalte in unserem Leben (oder im Leben der Menschheit) zukommt. Wenn diese Daseins- und Denkweise, in der wir uns zum telos aller anderen Dinge machen, erschüttert wird und die dieser Haltung entgegengesetzte Frage auftaucht: "Wozu existieren wir selbst denn?", dann tut sich erst der eigentliche Ort auf, von dem aus Religion in Sicht kommt."

    Zitat aus: Keiji Nishitani, Was ist Religion? Insel Verlag; 2. Auflage (1986)

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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Erwachen kann allerdings auch nicht durch die Praxis oder durch die Lehre erreicht werden. Erwachen kann überhaupt nicht erreicht werden. Insofern hast du da Huang Po wohl falsch verstanden.

    Das will ich nicht ausschließen, aber in diesem speziellen Fall wohl eher ein Fehler in meiner Wortwahl.

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    • Offizieller Beitrag

    Zen habe ich, wie die meisten in Deutschland über die Soto-Shu Linie von Kodo Sawaki kennen gelernt. Wenn ich mir so meine Erfahrungen in der Praxis (deutsche Gruppen) und Theorie (Internet, Bücher) angucke, schien mir der Zen im Verhältnis zu anderen Richtungen des Buddhismus recht "unbuddhistisch" und säkular. Damit meine ich, dass die buddhistische Begriffe wie Wiedergeburt, Karma, Boddhisattvas, transzendente Buddhas, Sutren etc. kaum eine oder gar keine Rolle spielen und der Schwerpunkt immer auf Zazen bzw. der alltäglichen Praxis liegt.


    Vor kurzem dann bin auf die Fo Guang Shan und den taiwanesischen Chan gestoßen und habe zwei Bücher von Meister Hsing Yun gelesen. Hier wird der Chan ganz anders rüber gebracht. Themen wie Wiedergeburt oder Boddhisattvas sind omnipräsente Themen. Teilweise wird dem Leser sogar mit Wiedergeburt in Höllenwelten für verstoß gegen die Silas gedroht. Ich wäre von selbst nicht einmal darauf gekommen, dass es sich um Zen/Chan handelt. Zazen wird kaum bis gar nicht behandelt.

    Soweit ich es verstanden habe, war Chan in China nie so ganz und gar von den anderen Mahayana-Schulen getrennt. Eben weil die Ordinierten kompatible Mönchsregeln einhielten, konnte man zwischen den Traditionen wechseln und Konzepte übernehmen. Auch wenn die Chan-Schulen zur Song Zeit unglaublich mächtig waren, setzte danach ein Niedergang ein, der Chan als separate Tradition einen Schritt zurücktreten lies und zu einer Angleichung an den Mahayana-Mainstream führte. Es war nicht unüblich, dass ein Tempel gleichzeitig Zen und Amitabha praktizierte. Dies führte dann zu einem in den Mahayana eingebetten Chan.


    Während China ein weites Land ist, wo vieles Platz findet, ist Japan sehr eng und neuen Schulen sehr von den alten abgrenzen. Gerade weil Religion oft mit Aufständen und politischer Mach verbunden war, versuchte der Staat den Buddhismus stark zu kontrolieren. Und besonders das Wirken der Christen - die also Gefahr für die Macht gesehen wurden - erfolgte in der Miliärdiktatur der Tokugawas eine ganz starke Reglementierung des religiöse Lebens und eben des Buddhismus. Was zu einer klaren Trennung der Schulen führte. Alle Schulen führten Rituale (meist Begräbnisse) für Einzelpersonen und auch für den Staat dadruch, wobei aber die Spezialität der Zen Schulen Zazen blieb.


    Das japanische Zen ist also ein viel geschlosseneres System als das chinesische Chan. Wobei es ein Fehler ist, die grössere Distanz zum Mainstream des Mahayana als "säkular" zu sehen. Mir kommt es so vor, als habe gerade das japanischen Zen, dadurch das die Priester staatlich gefördert wurden weniger Volkstümlichkeit. Während mir die Situation in Taiwan eher volksnäher vorkommt. Es ist dem Weltlichen - den konkreten Menschen und ihren Nöten und Wünschen - also vielleicht sogar näher eben dadurch dass die "religiösen" Formen ausgeprägter sind.

  • Lieber Bosal void!

    Mache Dir nicht so viele Gedanken über den Unterschied zwischen den Inselchinesen und den Japanern. Da müßtest Du den geschichtlichen Hintergrund beleuchten, die kulturellen Eigenarten verstehen und ich sehe keine Möglichkeiten eines Vergleiches einer Meisterin des Fo Guang Shan mit der Leiterin des Dojo am Berliner Südkreuz. Das führt zu rein gar nichts. Wenn Dir Zen-Buddhismus Freude macht, lebe diese Freude und genieße Dein Umfeld, das Deine Freude teilt und sich davon tragen läßt. Akazienhonig und Rübensirup kann man nicht vergleichen.

    Auf bald.

    Dae Kyong

  • Vor kurzem dann bin auf die Fo Guang Shan und den taiwanesischen Chan gestoßen und habe zwei Bücher von Meister Hsing Yun gelesen. Hier wird der Chan ganz anders rüber gebracht. Themen wie Wiedergeburt oder Boddhisattvas sind omnipräsente Themen. Teilweise wird dem Leser sogar mit Wiedergeburt in Höllenwelten für verstoß gegen die Silas gedroht. Ich wäre von selbst nicht einmal darauf gekommen, dass es sich um Zen/Chan handelt. Zazen wird kaum bis gar nicht behandelt.

    Um hier noch darauf einzugehen - die deutsche Seite von Fo Guang Shan Fo-Guang-Shan Frankfurt a.M. lässt doch ziemlich klar durchblicken, dass es sich um eine missionierende, religiöse Sekte handelt, die auch Meditation anbietet. Das scheint mir aber nicht mit Zazen vergleichbar zu sein. Hier geht es sicherlich auch um politische und materielle Beziehungen zum Westen, wie das bei japanischen Neureligionen bzw. -sekten auch der Fall ist. Wie mir ein Freund, der seit Jahren in Taiwan lebt und Zazen praktiziert einmal erzählt hatte, ist die Zen-Praxis und auch die religiöse Praxis der Taiwanesen für uns eher befremdlich, fast so wie das Christentum auf den Philippinen. Vor Vergleichen sollte man sich daher hüten.

    Selbst Sheng yen, der Gründer eines des größten Chan-Organisationen in Taiwan, dem Dharma Drum Mountain, hat merkwürdige Elemente aus seiner Praxis berichtet, die mit der doch nüchternen und diesseitsgewandten Haltung des Zen wenig gemein haben.

    Chinesen sind ziemlich abergläubisch und hängen an der Mythologie, am Glücksspiel und an der Zahlenmagie.

    :zen:

  • ich würde fo guang shan nicht unisono als "missionierende religiöse sekte" bezeichnen. die aufmachung ist ungewohnt für uns,aber irgendwie typisch für neuzeitliche einrichtungen.soweit ich weiss leben und arbeiten da vinaya ordinierte. und ich war manchmal zum zazen da. die form ist sehr strikt. ansonsten der schwerpunkt ist natürlich auch so ein "schwerer" mahayana buddhismus, man spürt aber auch den staat an den ecken und enden.

    • Offizieller Beitrag

    Weder Fo Guang Shan noch Hsing Yun würde ich als Chan sehen.


    Wenn ich an taiwanesischen Chan denke, an fällt mir genau wie Leonie Sheng-yen und seine Dharma Drum Mountain Organisation ein. Der entstammt ja den gleichen Linien wie das japanische Zen (Linji, Caodong) aber seine Art ist ganz anders. Das merkt man in seinen YouTube Videos. Mir kommt vor, da ist so eine fast humanistisch zu nennende Vision dahinter, wo es darum geht Laien zu einer ethischen Lebensweise zu bringen. Mit Fleischverzicht, ökologischem Bewusstsein usw.


    Es erinnert mich eher an die humanistische Vision von Daisaku Ikeda von den Soka Gakkai als das was man vom japanischen Zen kennt.

  • Weder Fo Guang Shan noch Hsing Yun würde ich als Chan sehen.

    Ich selbst habe das auch so empfunden, aber zumindest offiziell gehört die Fo Guang Shan ebenfalls der Linji-Song an.


    Chinesen sind ziemlich abergläubisch und hängen an der Mythologie, am Glücksspiel und an der Zahlenmagie.

    Diesen Aberglauben wirst du aber in vielen buddhistischen Schulen und Ländern finden. In Kambodscha beispielweise steht vor vielen Häusern immer noch ein Geisterhäuschen damit die Geister die auf dem Platz wohnten, wo jetz dein Haus steht, nicht verärgert werden. Auch vor buddhistsichen Wat´s. Im übrigen wird es dort auch gar nicht gern gesehen wenn Touristen auf Türschwellen treten, denn dort leben die Geister die den Wat bewohnen.


    Ich finde das lässt sich in Deutschland gut an Pagoden und Wats beobachten die von und für Buddhisten aus Asien betrieben werden.


    Bisher habe ich Japan (da war ich noch nicht) und Zen davon gedanklich ausgeklammert, da Japan schon seit sehr langem in Sachen Industrie, Bildung und Wissenschaft mit uns gleichgezogen hat. Vielleicht auch ein bisschen Wunschdenken.


    Gruß, Xa Loi

  • ich würde fo guang shan nicht unisono als "missionierende religiöse sekte" bezeichnen

    Nee - es ist auch eine politische Organsation.

    https://en.wikipedia.org/wiki/buddha%27s_light_international_association

    Also ich bin nicht missioniert worden. Sie firmieren auch unter "humanistische Buddhismus". Ich spür da im Hintergrund auch staatlichen Einfluss bzw. irgendeine Anpassungshaltung. Da hab ich noch nicht drüber nachgedacht. Das Zazen war jedenfalls anständig, keine Meditation, sondern Zazen. Rezitiert wurde das Herzsutra. Ansonsten pflegen sie andere typische Mahayana- Praxisaspekte.

    • Offizieller Beitrag

    Bisher habe ich Japan (da war ich noch nicht) und Zen davon gedanklich ausgeklammert, da Japan schon seit sehr langem in Sachen Industrie, Bildung und Wissenschaft mit uns gleichgezogen hat. Vielleicht auch ein bisschen Wunschdenken.

    Natürlich gibt es auch in Japan ganz viel Aberglauben und ganz viel Volksreligion. Wobei es mir so vorkommt, dass da die meisten anderen Institutionen volksnäher sind als Zen. Wenn man sich göttlichen Beistand wünscht gibt es ja erstmal die Myriaden Shinto Götter mit ihren Amuletten und Schreinen. Und dann die Mahayana Klassiker Kwannon, Maitreya und Amida. Und als sehr wirkmächtig gelten dann noch die tantrischen Gottheiten von Shingon und Tendai. Zusätzlich sind im Volk die chinesischen Glücksgötter beliebt. Den Zen Priester sucht man dann wohl nur noch für eine Beerdigung auf.


    Ein Grund warum gerade der Rinzai Zen nicht so volkstümlich war, ist ja das er sich lange Zeit an die Kriegerkaste richtete und man da zu einem gemeinsamen Verständnis von Schlichtheit fand.


    Eben weil die Moderne ja auch so was schlichtes und funktionales hat, könnte man das für "säkular" halten.


    So wie die Shaker Möbel wie die Vorfahren von Ikea aussehen, aber der Grund für die Shaker alles Schnickschnack wegzulassen, lag darin dass sie so puritanisch und asketisch waren. Und nicht darin, dass sie so modern, funktional und sachlich dachten.