Meditation birgt auch Gefahren

  • What is Meditation Sickness? | Skeptic Meditations

    Zitat

    It is not uncommon for various Buddhist masters, such as Guifeng Zongmi (780-841), a celebrated Zen master, to criticize excessive focus on meditation and achieving “inner stillness” (ningji). In Is Mindfulness Buddhist?, Robert Sharf professor of Buddhist studies at UC Berkeley, writes that Buddhist masters, like Zongmi, warned about disengagement from the world and used the term “meditation sickness” (chanbing) to criticize practices that were detrimental, mostly those techniques that emphasized inner stillness.1

    Eastern masters like Zongmi, continues Sharf, were critical of practices that cultivated a non-critical or non-analytical presentness. In other words, what in today’s parlance we might call “zoning out”. We are not referring here to ordinary daydreaming or being lost in thought. Rather “meditation sickness” is a potentially harmful, even psychotic, reaction to too much immersion in meditation practice.

  • explorer19 Vielleicht besteht die Möglichkeit, anderen ihre eigenen Erfahrungen und Deutungen ihrer eigenen Erfahrung zu lassen, und für dich anzuerkennen, dass eine Erfahrung dir geschadet hat?

    Menschen sind verschieden. Gut angeleitete Meditation kann Schlummerndes zur Weiterbehandlung aufdecken, darin sehe ich auch was Gutes. Schlecht angeleitete Meditation kann Schaden verursachen. Volle Zustimmung zum zweiten Punkt.

    (Ich mache meine Tonglenmeditation meist kuschlig im Bett eingewickelt mit Audioanleitung, weil mir genau das am besten tut. Wenn du Sonnenschein zur Heilung brauchst, geh raus in die Sonne.)

  • explorer19 Vielleicht besteht die Möglichkeit, anderen ihre eigenen Erfahrungen und Deutungen ihrer eigenen Erfahrung zu lassen, und für dich anzuerkennen, dass eine Erfahrung dir geschadet hat?

    Menschen sind verschieden. Gut angeleitete Meditation kann Schlummerndes zur Weiterbehandlung aufdecken, darin sehe ich auch was Gutes. Schlecht angeleitete Meditation kann Schaden verursachen. Volle Zustimmung zum zweiten Punkt.

    (Ich mache meine Tonglenmeditation meist kuschlig im Bett eingewickelt mit Audioanleitung, weil mir genau das am besten tut. Wenn du Sonnenschein zur Heilung brauchst, geh raus in die Sonne.)

    Wann habe ich anderen nicht ihre Deutungen ihrer eigenen Erfahrungen gelassen? Wann habe ich gesagt, dass ich durch irgendetwas Schaden genommen habe? Kannst du bitte Zitate nennen, wo ich sowas sage?

  • Wann habe ich anderen nicht ihre Deutungen ihrer eigenen Erfahrungen gelassen?

    Was aber gar nicht geht ist, wenn man auf Retreats, brutale Erfahrungen macht, die wirklich unnatürlich unangenehm sind (also schwere Schmerzen/Derealisierende/Psychotische Zustände/Depressionen etc.)


    und nur weil man irgendwann, Monate/Jahre später irgendwann mal mental gesünder ist, das dann gut reden. Ich finde das geht gar nicht auf dieser Basis Retreats und intensive Sitzmeditation zu verteidigen. Da sollte man den Anstand haben, glasklar die Wahrheit wie sie ist wieder zu spiegeln.

    Vielleicht habe ich dich da auch falsch verstanden.

  • Ich meine mit dem zweiten Zitate, dass es nicht okay ist, wenn man selbst die horrorhaften Erfahrungen gemacht hat und dann in die Welt hinaus geht und sagt Meditation ist toll und ist gut. Siehst du das anders?


    Das habe ich jetzt schon öfters gehört und darum geht es unter anderem ja auch in den Quellen die ich reingestellt habe. Ich nehme die Meinungen der Leute hier natürlich ernst.

  • Ich meine mit dem zweiten Zitate, dass es nicht okay ist, wenn man selbst die horrorhaften Erfahrungen gemacht hat und dann in die Welt hinaus geht und sagt Meditation ist toll und ist gut. Siehst du das anders?


    Das habe ich jetzt schon öfters gehört und darum geht es unter anderem ja auch in den Quellen die ich reingestellt habe. Ich nehme die Meinungen der Leute hier natürlich ernst.

    Ich glaube, ich stimme dem nicht zu eine eigene Erfahrung, die man für sich gut deutet, als pauschal gut darzustellen. Und ich stimme dem auch nicht zu, dass die meisten Erfahrungen in entweder gut oder schlecht eingeteilt werden, sondern das meiste hat ja zwei Seiten. Aber ich finde meine Meditationspraxis, die mich in den Burnout hinein und wieder hinausbegleitet hat, gut (nicht toll oder einfach oder glückselig aber sehr hilfreich).

    Einmal editiert, zuletzt von Gurkenhut ()

  • Negative Symptoms of Meditation — Cheetah House Hier eine umfangreiche Zusammenfassung mit Belegen.

    The varieties of contemplative experience: A mixed-methods study of meditation-related challenges in Western Buddhists | PLOS ONE Hier eine neuere umfangreiche Studie, mit genug Daten und Zahlen für Kritiker.


    The Side Effects of Meditation No One Talks About (vice.com) Hier ein umfassender Artikel mit Erfahrungsberichten und Interviews zum Thema.


    Zen Sickness, by Zen Master Hakuin – Buddhism now und hier, wie Meister Hakuin nach seiner Erleuchtung, seine Meditationskrankheit beschreibt und durch eine Visualisierungs-/Entspannungsmeditation lindern konnte, ob langfristig, weiß keiner "The Soft-Butter Method" (eine gewisse Naivität geht dieser Geschichte voraus, wollte sie aber nicht vorenthalten)

  • Kann es sein, dass jemand der durch den Schmerz hindurch geht, das eine Übung ist für ihn / sie, danach sich wirklich besser fühlt, Fortschritt im Geist machen konnte ? Während jemand der nicht

    (mit durchgehen meine ich eher das Überwunden zu haben ), durch den Schmerz hindurch ging ( sondern an ihm anhaftet, sich gegen ihn wehrt ) sich nicht besser fühlt nach der Übung zu meditieren?

    Kann man überhaupt in Geistesruhe gehen, wenn man an seinem Schmerz anhaftet, sich gegen ihn wehrt ? Falls es um Geistesruhe ging. Kontemplieren würde damit wohl gehen.

    ?

    Also hindurchgehen ist etwas anderes als aushalten.


    Was hier ja verlinkt wurde war auch ein Artikel, in dem es hieß, dass oft Menschen in Krisen oder mit psychischen Störungen in Retreats gehen. Dann ist das sicher ein Risiko. ( Verrückt zu werden, verwirrt, depressiv ).

    Hab ja so was auch mal erlebt. Aber nur selten.

    Also ich setze mich auch eher selten hin zum still werden im Geist, wenn es mir nicht gut geht.

    Dann habe ich einfach keine Motivation.

    Wenn es mir neutral bis gut geht, dann übe ich das meistens. :)

    Der Weise, der, auf Sittlichkeit gestützt,

    Den Geist entfaltet, sich in Weisheit übt,

    Ein solch entschlossener und weiser Jünger

    Mag dieses Lebens Wirrsal einst entwirren.


    (Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya).

  • Rigpa die angegebenen Studien beziehen sich auch gerade auf Erfahrende, auch ohne irgendeinen negativen mentalen Hintergrund.


    Die Texte beziehen sich auch auf die authentischen Linien, die auch korrekt praktizieren. Das ist aber dem Gesagten auch zu entnehmen.

  • Also ich setze mich auch eher selten hin zum still werden im Geist, wenn es mir nicht gut geht.

    Dann habe ich einfach keine Motivation.

    Sollte heißen konkreter : Wenn ich richtig traurig bin, dann nicht, richtig eine Lebenskrise dann nicht. Unmotiviert bin ich sowieso fast immer, jedoch wenn ich in Trauer bin noch mehr. Bei Wut ging das einmal. Mache ich aber auch eher selten- einmal bisher. Hatte aber nicht geholfen. Ich konnte nicht los lassen von der Wut.

    die angegebenen Studien beziehen sich auch gerade auf Erfahrende, auch ohne irgendeinen negativen mentalen Hintergrund.

    Das weißt du ja nicht, irgendeinen negativen mentalen Hintergrund müssen sie auch gehabt haben. Wenn auch erst durch das sich zwingen körperliche Schmerzen lange Zeit ausgehalten zu haben. Dass es dann mit der Zeit nicht zu guten Auswirkungen führt für die Psyche, ist mir klar. Muss nicht, aber kann. Da kamen dann wohl noch andere Faktoren dazu. Jemand könnte ja auch sehr psychisch angeschlagen angefangen haben, und erst nach Jahren wurde es verstärkt durch die Meditation.

    Die Texte beziehen sich auch auf die authentischen Linien, die auch korrekt praktizieren.

    Ja, habe ich verstanden, danke. Auch da kann es Menschen geben, welche mit seelischen Belastungen, größeren seelischen Belastungen oder angeschlagener Psyche ( meint für mich dasselbe ) da hingingen. Es kann auch sein, dass das bei einem kein Hindernis ist, er dennoch seinen Geist läutern konnte, bei einem anderen nicht.

    Der Weise, der, auf Sittlichkeit gestützt,

    Den Geist entfaltet, sich in Weisheit übt,

    Ein solch entschlossener und weiser Jünger

    Mag dieses Lebens Wirrsal einst entwirren.


    (Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya).

  • Hallo explorer19 ,


    zunächst einmal möchte ich dir für deine Aufklärungsarbeit hier danken!

    Meditationen zeigen Wirkungen und wo (erwünschte) Wirkungen sind, können immer auch "Nebenwirkungen", im Sinne unerwünschter Effekte, auftreten.


    Es ist m.E. gut und sinnvoll, darauf mal hinzuweisen, weil Meditation in der buddhistischen Praxis ein hoher Stellenwert eingeräumt wird ("Samadhi" ist ja Teil des "Edlen Achtfachen Pfades" zur Erleuchtung).


    Neben den vielen positiven Erfahrungen, die gerne kommuniziert werden (auch in diesem Thread), darf man annehmen, dass negative eher weniger Erwähnung finden, vermutlich aus Angst vor Kritik ("Du hast FALSCH praktiziert"....etc.) oder schlicht Frustration.

    Ich habe einst von einem Theravada-Lehrer vernommen, dass er "trotz 30 Jahren Meditationspraxis, immer noch nicht erleuchtet" sei...(Dafür sind die Kniegelenke ramponiert, vermutlich aber nicht nur vom Lotussitz.)

    So, als sei Meditation quasi das "Ticket" zur Befreiung - diese Erwartung ist sicher überhöht.


    Ich selbst bin von einer generalisierten Angststörung und einer somatoformen Schmerzstörung betroffen und strebe sicherlich kein "Sterben auf dem Kissen" (Muho) an, Retreats (oder gar Sesshins) sind kein Thema....

    Meditieren tue ich täglich allein zu Hause (Metta-Meditation, Anapanasati-M., seltener Vipassana-M.) zu Bedingungen, die erträglich sind (Stuhl!) und 1x pro Woche zusammen mit einer Theravada-Lehrerin + "Online-Sangha" im Livestream...(Metta-Meditation, Vipassana-Meditation).

    Fazit: Bin deutlich ruhiger und gelassener geworden, besseres Körpergefühl, weniger "Gedankenstürme" - bisher also keine negativen "Nebenwirkungen"...

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Das weiß ich auch nicht, sondern die, die die Studien gemacht haben. Dort steht es ausdrücklich drinnen. Auf einer Ebene, wo du ohne Begründung oder Indiz einer Studie ihre Authentizität versuchst zu nehmen kann ich leider nicht diskutieren.


    Es wird unter anderem darüber diskutiert, dass die Meditation bzw. die intensiven Retreats allein das potenzial haben, negative Effekte hervorzubringen.


    Das ist genereller Konsens der Wissenschaft. Ab einer gewissen körperlichen Ertüchtigung, die ein 10+ sitzen über Tage hinweg, mit entsprechender konzentrierten Geisteshaltung nun mal mit sich bringt, fängt das Gehirn an, anders zu ticken. Ich habe versucht aufzuzeigen, oder besser gesagt, die Quellen haben es versucht und auch schon bewiesen, dass viele auch ohne vorherige Belastungen einen abkriegen und eben auch die mit Erfahrung. (Hier sich doch bitte nochmal die Geschichte von dem Meditationslehrer mit 4000+ Stunden Erfahrung, unter anderem auch auf 100 Retreats, der nach 2 tagen Vipassana Retreat PTSD etc. entwickelte...)

    2 Mal editiert, zuletzt von explorer19 ()

  • Hier ein bisschen Konsens aus Sutras des Mahayana zu weiteren unerwünschten Nebenwirkungen:

    What is Meditation Sickness? | Skeptic Meditations

    Zitat

    The Śūraṅgama Sūtra—a classic text of Mahāyāna Buddhism—identifies fifty deceptive or illusory experiences (skandha-māras) that are associated primarily, though not exclusively, with the practice of concentration (samādhi). The Sūtra particularly warns about pleasant experiences that lead the meditator into a false sense of spiritual progress, which results in misguided thinking and conduct.6

    Likewise, “in Theravāda Buddhist traditions, progress in the practice of meditation is expected to lead to transient experiences called “corruptions of insight” (vipassanā-upakkilesā) on account of meditators’ tendency to confuse these blissful and euphoric states for genuine insight” 7.

    Contemporary accounts report monks becoming “mentally unstable” in the wake of such states 8. Other stages of practice, in particular some of the “insight knowledges” (vipassanā-ñāṇa), are presented as being particularly challenging, especially in modern Asian sources 9.

    Im tibetischen nennt man es wohl "lung".

    Zitat

    “Meditation sickness” has been identified by various Eastern Buddhist traditions, and is sometimes also called “Zen sickness”, “falling into emptiness”, or “lung” (Tibetan rlung; pronounced loong).

    Einmal editiert, zuletzt von explorer19 ()

  • Soweit ich weiss, wird niemand gezwungen, in ein Sesshin oder Retreat zu gehen, oder dort zu bleiben wenn es ihm damit nicht gut geht. Ob Du zuhause oder im Dojo meditierst, 100 Niederwerfungen machst oder ein langes Sesshin, ist immer noch Deine eigene Entscheidung. Wenn Muho sagt, Ihr sollt auf dem Kissen sterben, geht es m.E. wie bei allen anderen Retreats nicht darum teuflische Schmerzen auszuhalten, sondern vorrangig darum, das Ego zu überwinden, die eigenen Geistesgifte, Gier Hass und Verblendung zu erkennen. Das kann eine gute Methode in einem geschützten Raum sein, aber man entscheidet sich selbst dafür das zu tun oder nicht. Wer nicht darüber im Klaren ist, worum es dort geht, sollte das sowieso besser lassen. Bei Hakuins Zen Krankheit ging es nach meiner Kenntnis auch eher um die Methoden und konkurrierenden Zen Schulen.

    So habe ich es verstanden. Alles Gute!

    :)

  • Das ist genereller Konsens der Wissenschaft. Ab einer gewissen körperlichen Ertüchtigung, die ein 10+ sitzen über Tage hinweg, mit entsprechender konzentrierten Geisteshaltung nun mal mit sich bringt, fängt das Gehirn an, anders zu ticken.

    *lach*... Das ist doch gut, wenn das Gehirn anders "tickt". (:


    Zitat

    Konstruktion der Wirklichkeit

    Besonders bekannt wurde folgendes Beispiel aus der Anleitung zum Unglücklichsein. Darin beschreibt Watzlawick unter anderem einen Mann, der alle zehn Sekunden in die Hände klatscht. Nach dem Grund für dieses merkwürdige Verhalten befragt, erklärt er: „Um die Elefanten zu verscheuchen.“ Auf den Hinweis, es gebe hier doch gar keine Elefanten, antwortet der Mann: „Na, also! Sehen Sie?“ Damit wollte Watzlawick zeigen, dass der konsequente Versuch, ein Problem zu vermeiden – hier: die Konfrontation mit Elefanten –, es in Wirklichkeit verewigt.

    Siehe auch:



    Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen. Piper, München 1976, ISBN 3-492-02182-4; 9. Auflage ebenda 2010.


    Die erfundene Wirklichkeit – Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Piper, München 1981, ISBN 3-492-02581-1.


    Jetzt tickt es ...ach, wieder "normal" :).

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Du hast dir die Texte nicht durchgelesen, stimmst? Naja. Ich möchte jetzt nicht wiederholen.


    Menschen haben mit ihren Aussagen Einflüsse, wenn ein Dogen sagt, Schmerz gehört dazu, einer haute sich den Finger oder Arm ab für den Weg etc. ihr dürft vor Pein nicht zurückschrecken etc. ist das natürlich verwerflich. Denen ist die schmerzvolle Praxis ja bewusst, weil sie sie selbst so praktizieren. Wenn du in Muhos Aussage keine Gefahr siehst, naja, für mich ist das normal, da Alarm zu schlagen. Loslassen schützt nicht vor Schmerz, das wird aber oft suggeriert. Lies dir die Konversation bitte ganz durch, dann muss ich das jetzt nicht immer wieder doppelt sagen.


    Ja es ist die eigene Entscheidung, aber man wird gelockt von Leuten, die Sesshins unreflektiert als was gutes darstellen. Ich habe Quellen geschickt, die eine solche Meinung aufarbeiten und Schattenseiten aufzeigen, so auch Hakuin, wenn du dir die Quelle durchgelesen hättest müsste ich es nicht erklären....

  • Hast Du die Studien eigentlich selbst gelesen?

    Diese hier z.B. ist wirklich interessant und bringt das Problem auf den Punkt, aber möglicherweise anders als Du es intendierst (Hervorhebungen von mir):


    Zitat

    Die aktuelle Studie unterstreicht nicht nur die zentrale Rolle der Bewertung (das ist ein sehr wichtiger Punkt!! Anm. von mir) bei der Interpretation von Meditationserfahrungen, sondern auch, dass für westliche buddhistische Meditierende mehrere und manchmal widersprüchliche Interpretationsrahmen im Spiel sind. Die Werte, die Meditationspraktizierende vertreten, werden oft stark davon beeinflusst, wie die Autoritäten einer buddhistischen Tradition - seien es kanonische Texte, Lehrer oder Mitglieder einer Praxisgemeinschaft - eine bestimmte Meditationspraxis oder -erfahrung bewerten. Frühere konzeptionelle Rahmen, die durch philosophische oder theoretische Studien, Gemeinschaften, Familien sowie die Medien erworben wurden, beeinflussen wahrscheinlich, wie diejenigen, die mit meditationsbezogenen Schwierigkeiten konfrontiert sind, solche Erfahrungen bewerten. Zwar gibt es im Buddhismus Erklärungsrahmen für meditationsbezogene Erfahrungen, aber was als "Fortschritt" oder "Pathologie" eingestuft wird, kann sich je nach Tradition, Linie oder sogar Lehrer unterscheiden. Außerdem sind diese Modelle möglicherweise nur für Praktizierende, die eng mit einem Lehrer oder einer buddhistischen Gemeinschaft zusammenarbeiten, unmittelbar verfügbar. Und selbst wenn traditionelle Rahmen verfügbar sind, können diese Modelle für westliche Meditierende, die Meditation aus therapeutischen Gründen suchen und die in eine wissenschaftlich orientierte Kultur eingebettet sind, in der biomedizinische und psychologische Rahmen einen allgegenwärtigen Einfluss haben, unangemessen sein (Meditation ist nichts für Menschen mit ernsthaften psychischen Problemen! Anm. von mir). Wildman (2011) [156] weist darauf hin, dass "die intensiven Erfahrungen nicht-religiöser Menschen manchmal schwer zu assimilieren sind, weil ihnen ein konzeptioneller Rahmen oder ein sozialer Kontext fehlt, um ihnen einen Sinn zu geben" (Auch das ist ein zentrales Problem! Anm. von mir), ein Punkt, der sich auch auf Praktizierende erstrecken kann, die mit traditionellen konzeptionellen Rahmen nicht vertraut sind (!) oder kein Interesse daran haben (!), oder auf diejenigen, die mehrere, unvereinbare Rahmen haben. Das heißt, es kann sein, dass einige der "negativen" Reaktionen auf Meditationserfahrungen auf eine mangelnde Übereinstimmung zwischen den Zielen und Erwartungen der Praktizierenden und den normativen Rahmen der Selbsttransformation, die in der Tradition zu finden sind, zurückgeführt werden können. (Das ist m.E. ein Kernproblem) So müssen westliche buddhistische Praktizierende nicht nur mit mehreren Interpretationsrahmen zurechtkommen, sondern auch mit unterschiedlichen Meinungen darüber, welche Rahmen Autorität haben.

    Aber dennoch sagt die Studie bezüglich dessen, was Du sagen möchtest nur wenig aus, denn:

    Zitat

    Für die Studie wurden absichtlich Meditierende ausgewählt, die herausfordernde Meditationserfahrungen gemacht haben, über die oft zu wenig berichtet wird. Daher ist die Häufigkeit von 100 % der herausfordernden Erfahrungen ein Artefakt der Stichprobe und spiegelt nicht die tatsächliche Häufigkeit unter westlichen buddhistischen Meditierenden wider. Die gezielte Auswahl der Stichprobe ist zwar wertvoll, um Daten über wenig erforschte Phänomene zu sammeln, erlaubt aber keine Verallgemeinerung der Ergebnisse der Studie auf andere Stichproben, wie z. B. auf asiatische buddhistische Meditierende oder westliche Meditierende im Allgemeinen.

    Was die Studie leistet, ist Folgendes:

    Zitat

    Schließlich ist es wichtig zu spezifizieren, welche Behauptungen auf der Grundlage der Ergebnisse der Kausalitätsbewertung dieser Studie gemacht werden können und welche nicht. Erstens verringern die Ergebnisse die Wahrscheinlichkeit, dass alle berichteten Erfahrungen nichts mit der Meditation zu tun haben oder nur einen bereits bestehenden Zustand widerspiegeln, der zufällig zusammen mit der Meditationspraxis auftrat. In ähnlicher Weise stellen die Ergebnisse auch andere gängige Kausalattributionen in Frage, wie z.B. die Annahme, dass meditationsbedingte Schwierigkeiten nur bei Personen mit einer Vorerkrankung (psychiatrische oder traumatische Vorgeschichte) auftreten, die sich auf langen oder intensiven Retreats befinden, die schlecht beaufsichtigt werden, die falsch praktizieren oder die unzureichend vorbereitet sind. Das soll jedoch nicht heißen, dass diese und andere Faktoren keine Rolle spielen. Tatsächlich haben sowohl Experten als auch Praktizierende verschiedene "Einflussfaktoren" identifiziert, die ihrer Meinung nach die Wahrscheinlichkeit meditationsbezogener Herausforderungen, deren Dauer und den damit verbundenen Grad an Leid und Beeinträchtigung beeinflussen. Diese Daten deuten auf ein interaktionsbasiertes Modell hin, bei dem Meditationspraktiken - für sich genommen - herausfordernde Wirkungen hervorrufen können, aber die spezifische Art der Wirkung sowie ihre Wahrscheinlichkeit, Dauer und der damit verbundene Leidensdruck und die Beeinträchtigung von einer Reihe weiterer Faktoren beeinflusst werden. Da es sich um eine der ersten Studien dieses Umfangs zu diesem Thema handelt, sollten diese Ergebnisse nicht als abschließend interpretiert werden; sie sollten vielmehr als ausreichender Beweis für weitere Untersuchungen angesehen werden.


    Was aber notwendig ist, um allgemeine Aussagen zu belegen, wie Du sie hier triffst, formuliert die Studie auch, und zwar so:

    Zitat

    Die Studie liefert erste Beschreibungen von Erfahrungen, die weitere Untersuchungen sowohl in der Forschung als auch im klinischen Umfeld rechtfertigen. Um detailliertere Informationen über die Stärke und Richtung des Einflusses zu erhalten, benötigt das Feld gut kontrollierte Längsschnittstudien an Meditierenden, die einen Fragebogen zur Bewertung meditationsbezogener Erfahrungen verwenden. Die in der vorliegenden Studie entwickelte Taxonomie der meditationsbezogenen Erfahrungen bildet die Grundlage für einen solchen Fragebogen. Ein auf dem phänomenologischen Codebuch basierendes Instrument wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie zur achtsamkeitsbasierten kognitiven Therapie [176] pilotiert und wird derzeit überarbeitet, um in zukünftigen Meditationsforschungsstudien weit verbreitet zu werden.


    Eine solche Studie wäre wirklich interessant, um Deine Behauptungen statistisch zu belegen.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Hm, ja. Eine weitere Quelle die ich genannt habe. Diese scheint nicht für alle repräsentativ zu sein. Aber trotzdem sind das Indizien für meine Argumentation. Die Cheetah Company von denen diese Studie ist, ist immer noch aktiv am forschen. Da wird es in Zukunft hoffentlich mehr geben.

  • Hm, ja. Eine weitere Quelle die ich genannt habe. Diese scheint nicht für alle repräsentativ zu sein. Aber trotzdem sind das Indizien für meine Argumentation. Die Cheetah Company von denen diese Studie ist, ist immer noch aktiv am forschen. Da wird es in Zukunft hoffentlich mehr geben.

    Auch die Cheetah Company fokussiert sich auf spezielle Wirkungen der Meditation, ohne dabei auf deren Häufigkeit oder den kulturellen Bewertungs-Kontext einzugehen. Aber klar: Wenn man lange Zeit still dasitzt, kommt es zu allen möglichen Zuständen. Die Cheetah Company hat da einen schönen Zoo zusammengestellt, der sich bei der Meditation tatsächlich einstellen kann. Ein Rohatsu-Sesshin ist lang. Aber das sind alles Zustände, die auch in alltäglichen Situationen auftreten können, nur sind wir meist zu beschäftigt und abgelenkt, um sie überhaupt wahrzunehmen. Der Geist ist weit weniger klar, rational oder verlässlich als man gerne glauben möchte. Und auch die Vorstellung, alles kontrollieren oder lenken zu können, was da so auftaucht, stellt sich bei der Meditation schnell als Trugschluss heraus. Das liegt aber nicht an der Meditation, sondern daran, dass man bei der Meditation plötzlich zum ersten Mal vielleicht bemerkt, wie die Existenz, die Erfahrung des eigenen Seins tatsächlich beschaffen ist und wie sich das ohne Ablenkung, Selbstbetrug oder falsche Selbsterzählung anfühlt. Die Meditation deckt nur auf, was im Trubel des Alltags nur zu leicht untergeht. Es ist aber nicht immer angenehm, das Wesen kennenzulernen, das man das ganze Leben schon gewesen ist, ohne bemerken, was da eigentlich ist. Die Meditation zeigt, was da ist. Das kann vieles in Gang setzen und verändern. Letztlich ist es aber eine Frage der Bewertung und kulturellen Kontextualisierung, ob und wie (Fortschritt oder Albtraum) sich das auf den Einzelnen auswirken kann.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Also wenn du jetzt sagen möchtest, dass man während eines Sesshins die gleichen Zustände erlebt wie sonst auch, dann ist das nicht mal eine buddhistische Sicht. Da muss ich dir wiedersprechen. So aussagekräftig sind meine Quellen dann schon, dass sie das entwerten. Und selbst die positiven und negativen Texte zu Sitzmeditationen widersprechen dir da. Ich weiß nicht wo du im Alltag mit deinem Geist bist, aber nein, ganz sicher ist der Alltag anders, als ein Sesshin. Hahah, zum Glück.

  • Also wenn du jetzt sagen möchtest, dass man während eines Sesshins die gleichen Zustände erlebt wie sonst auch, dann ist das nicht mal eine buddhistische Sicht.

    Natürlich wird in der Meditation erst einmal nur das sichtbar, was eh die ganze Zeit schon da ist. Nur wird es bewusst. Insofern wird es erlebt während der Meditation, während es im Alltag nicht erlebt wird, obwohl es die ganze Zeit da ist. Dass später auch noch andere, weniger alltägliche Zustände dazukommen können, steht auf einem anderen Blatt. Aber selbst die können normale Menschen unter normalen Umständen auch machen. Sie werden die nur ggf. anders bewerten. Im Zen sind wir jedenfalls dazu angehalten, den wechselnden Zuständen nicht zu viel Bedeutung beizumessen, sie aber auch nicht zu ignorieren. Der ganze "Zoo" der Emotionen und Erfahrungen gehört dazu.


    Der Buddhismus beschäftigt sich mit der Analyse des völlig alltäglichen Seins, womit denn sonst?

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Keine Ahnung, ich stimme dem nicht zu. Ganz und gar nicht.

    Das macht ja nichts. Erwarte ich auch nicht.


    Ich praktiziere übrigens Soto-Zen, so wie ich ihn in der Sangha und von dem Abt des Klosters gelernt habe und wie ich sie im Palikanon finde. Z.B. hier:


    Zitat

    Der einzige Weg, ihr Mönche, der zur Läuterung der Wesen, zur Überwältigung des Schmerzes und Jammers, zur Zerstörung des Leidens und der Trübsal, zur Gewinnung des Rechten, zur Verwirklichung der Erlöschung führt, das sind die vier Pfeiler der Achtsamkeit (satipatthāna). Welche vier?

    Da, ihr Mönche,

    • verweilt der Mönch beim Körper in der Betrachtung des Körpers, eifrig, klarbewußt, achtsam, nach Verwerfung alles weltlichen Wünschens und Sichgrämens.
    • Er verweilt beim Gefühl in der Betrachtung der Gefühle . .
    • beim Gemüt [Bewußtsein] in der Betrachtung des Gemüts [Bewußtseins] . . .
    • bei den Erscheinungen [Geistesformationen] in der Betrachtung der Erscheinungen, eifrig, klarbewußt, achtsam, nach Verwerfung weltlichen Wünschens und Sichgrämens.«

    Quelle

    Und bei dieser Betrachtung kommen schon einige merkwürdige Dinge und Erfahrungen zusammen, die, wenn man sie einmal wahrgenommen hat, auch im Alltag sichtbar werden durch wachsende Achtsamkeit auf das, was im Geist sonst unbemerkt geschieht.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Es ist aber nicht immer angenehm, das Wesen kennenzulernen, das man das ganze Leben schon gewesen ist, ohne bemerken, was da eigentlich ist. Die Meditation zeigt, was da ist.

    Und eben dies bedeutet 'bereit sein, auf dem Kissen zu sterben'. Hat mit körperlichen Schmerzen - gar tödlichen - eher wenig zu tun. Es geht um die mentale Haltung, die man für diese Praxis benötigt. Nicht Jede*r kriegt das hin - und wenn zu mangelhaften Ausgangsbedingungen Selbstüberschätzung tritt, kann das in die Hose gehen, wenn man da keinen wachsamen 'edlen Freund' bzw. das weibliche Pendant dazu hat, der/die einen gerade bei längeren Retreats begleitet. In dieser Begleitung, dieser Supervision, zeigt sich die Qualität eines Lehrers / einer Lehrerin. Nicht in Büchern oder Youtube-Videos. Im dokusan. Und da geht es nicht nur ums Antreiben; es geht auch um die Richtung des Treibens. Nicht nur das Gaspedal treten, auch Lenker und Bremse bedienen, bevor die Kiste im Graben landet.

    OM MONEY PAYME HUNG