Gibt es eine gesunde Ignoranz?

  • Hallo zusammen,


    als Kinder gehen wir (recht) leichtfüßig durch's Leben. Wir bekommen vieles aus der Welt der Erwachsenen nicht mit. Das ganze Leid der Kriege bleibt uns erspart und wir sehen in einem Haufen Sand und etwas Wasser noch eine Burg mit Geschichte statt einfach nur Matsch (ich weiß dies gilt leider nicht für alle Kinder). Gefühlt haben Kinder noch das gewisse Etwas das immer wieder als kindliche Leichtigkeit beschrieben wird.


    Mit der Zeit scheint diese Leichtigkeit verloren zu gehen. Man nimmt immer mehr aus der Umwelt direkt auf. Man schaut Nachrichten, und bekommt so auch das Leid der Welt immer wieder vor Augen geführt - meist auch mehr Leid als Positives, leider. Gefühlt hat das auf mich auch einen durchaus direkten Einfluss. Die Welt sieht dadurch durchaus negativer aus und es ist damit doch auch eine gewisse Last die damit auf mir liegt.


    Was ich mich nun Frage: Gibt es eine gesunde Ignoranz bezüglich der Geschehnissen in der Welt?

    Ignoranz, Unwissenheit (auch Unwissen oder Unkenntnis) oder Missachtung zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person etwas nicht kennt, nicht wissen will oder nicht beachtet (missachtet).

    Was ich mit gesunde Ignoranz meine, ist gezielt auch mal gewisse Nachrichten nicht zu beachten, um die Last, welche durch die Details der Nachricht und des Leidens entsteht, zu minimieren. Damit meine ich aber nicht, dass man die Existenz von Leid missachten sollte. - Irgendwie recht schwer zu beschreiben was ich genau meine.


    Wie seht ihr das? Hat vielleicht auch jemand ein paar Lehrtexte zur Hand die auf diesen Gedanken (in)direkt eingehen?

    _()_

  • Lehrtexte hab ich nicht nur mein Leben. Ja das gibt es gesunde Ignoranz. Gedankengebäude die bei mir aktiviert werden erkennen und weil nicht mein Leben, abreißen, weil sie sonst einfach zu stark werden. Ich muss derzeit so viel ignorieren, weil es einfach zu Nieder-reißend ist das ich sie nur ignorieren kann. Natürlich können dadurch Personen verletzt werden, solange der Mensch heil bleibt ist mir das vollkommen egal. Mich verletzen so viele Personen im Moment das ich selbst das sie verletzen ignoriere. Macht doch euer Ding und lasst mich in Ruhe. Nicht macht das kaputt was dich kaputt macht sonder ignoriere es, du bist sowie so der Idiot. im Moment ist das sehr interessant. Da ist eine Mitarbeiterin deren Mutter seit einiger Zeit an Krebs zugrunde geht und der Vater ihres Mannes auch seit einiger Zeit schwer leidet. interessant ist das ich das einfach nur betrachte und prüfe wie ich damit umgegangen bin und ich muss sagen das es mir wehr geholfen hat ein kaltes Arschloch zu sein denn das hat mir die ganze Jammerei und Geklage vom Hals gehalten. Ich brauchte nicht darauf einsteigen und werde es auch nicht. Es geht mich nichts an! Es wird mich nichts angehen! Ich muss mir auch selber helfen. Bei mir ist kein Mensch der einfach nur da ist, wirklich da ist. Es ist so das der direkte Kontakt sogar gemieden wird als ob ich die Pest hätte. Nagut ist eben so. Komm bloß nicht auf die bescheuerte Idee das das ein melancholischer Ansatz ist. Ich lächel beim schreiben. Heute hab ich das erste Mal mit dem MBSR Programm angefangen und endlich mal wirklich frei geatmet, endlich verstanden was das überhaupt ist. Danach Feldenkrais und mir geht es gut. Auch hab ich mich für ein Dianetik Seminar angemeldet. Ignoriert ihr ruhig eure Sachen. Deine Frage nach gesunder Ignoranz ist damit wohl beantwortet. Wenn es mir damit besser geht ignoriere ich! Genau so wie ich die Berichte die hier mal waren über Kabat-Zinn endlich in die Tonne gehauen habe, sie ignoriert. Gesunde Ignoranz ist eine Wahl zu treffen und wenn es mir besser geht dabei bleiben und die andere Möglichkeit ignorieren.

  • Es hat etwas mit Achtsamkeit zu tun, mit welchen Bildern man sich konfrontiert oder nicht. Und damit auch welchen Vorstellungen.


    Achtsamkeit ist etwas anderes als Ignoranz. Ignoranz ist für meine Begriffe eher etwas Unbewussteres. Weniger Achtsames.




    :earth:

  • Ich glaube Buddha hat mit Ignoranz als Geistesgift etwas anderes gemeint und zwar a) das Festhalten von Glaubenssätzen (Es gibt ein Selbst, es gibt kein Selbst, es gibt Wiedergeburt, es gibt keine Wiedergeburt, Fortschritt und Prozess des Buddhaweges, etc... also das Festhalten von Konzepten und Ideen und b) das Nichterkennen [im Ggs. zu Glaubenssätzen] von Prinzipen wie z.B. Ursache/Wirkung und den edlen Wahrheiten

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • Hallo Xiaojinlong,

    die Leichtigkeit eines Kindes geht im Normalfall mit ca. 8 Jahren verloren. Unser Nachbarskind fragte seine Eltern in dieser Zeit ganz erschrocken, ob denn auch sie sterben würden, und war ganz verzweifelt. Mit 8 Jahren sind Kinder "kurzfristig" erwachsener als die Zeit danach bis zum Erwachsenwerden. Das ist natürlich auch verschieden. Es gibt eben auch ernstere oder solche, die schon früher harte Pflichten übernehmen müssen oder den Krieg erleben.


    Was Deine Frage angeht, bin ich der Meinung, dass ich mir nicht alles angucken muss. Wenn zum wievielten Male dieselben Bilder gezeigt und kommentiert werden im TV, dann schalte ich weg. Es reicht zu wissen, was allgemein auf der Welt passiert.

    Als ich jedoch vor 40 Jahren mit meiner "spirituellen Laufbahn" begann, habe ich zuerst gar keinen Fernseher gehabt und auch später keine Nachrichten geschaut, um mich nicht irritieren zu lassen von all dem Geschehen auf der Welt. Erst am 11.09.2001 habe ich mich wieder darauf eingelassen.


    In den letzten Jahren habe ich dank Geistesschulung beobachten können, wie mich die Informationen beeinflussen, wie sehr ich überall meine, mitreden zu müssen, ich spaltete wieder alles in Gut und Böse. Davon habe ich mich dann wieder abgewandt. Ganz abgesehen davon, dass Vieles bewusst falsch interpretiert wird oder sogar gelogen ist.

    Die Dosierung macht's und das Bewusst-Sein. So jedenfalls meine Erfahrung.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

    • Offizieller Beitrag

    Der Punkt mit "Ignoranz" ist, worauf sie sich bezieht. Ich kann ja in einer Hinsicht ignorant sein und in anderer nicht.


    Und da ist es im Buddhismus so, dass man im Bezug auf das Leid, seine Entstehung und sein Verlöschen nicht "Ignorant" sein soll.


    Während "Entsagung" und "Gleichmut" eine Ignoranz gegenüber vielen weltlichen Angelegenheiten bedeutet.

  • Ignoranz?


    Möchtest Du ignoriert werden? Willst Du, dass man Deine Probleme, Dein Leid ignoriert?

    Macht es die Welt besser, wenn wir das Problem Umweltzerstörung ignorieren?

    Hilft es den Menschen im Jemen, dass wir ihr Leid ignorieren und gemütlich Weihnachten feiern?

    Ist es gut, wenn die überarbeitete Ärztin einen Notruf ignoriert?

    Sollen wir sich anbahnende weltpolitische Kriesen ignorieren?

    Bringt es was, Schmerzen zu ignorieren?

    Macht es die Familie glücklich, wenn die Sorgen der Kinder ignoriert werden, weil die Eltern gerade Ärger in der Arbeit haben?

    Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.


    Das Leid des Weltkrieges blieb mir nicht erspart, denn ich musste es über die Geschichte meiner Eltern mittragen.

    Es gibt eigentlich nichts, das ich nicht auch mittragen muss. Selbst wenn ich das nicht direkt spüre.

    Um nicht zu spüren, was in der Welt um uns herum los ist, müssen wir verdummen, um uns selbst kreisen, erkalten, in einer Art Parallelwelt leben.

    Alles auszublenden erscheint mir sehr mühsam. Es gibt so Leute, ich kenne sie. Entweder sie sind irgendwie verhuscht und lebensuntüchtig oder sie sind geradezu soziopathisch. Jedenfalls sehr anstrengend. Die Umwelt muss ihre Traumwelt bezahlen.


    Man könnte meinen, dass an der Unzulänglichkeit der Menschen und der Welt zu zerbrechen. Aber eigentlich zerbricht man an der Egozentrik, also weil man alles auf sich bezieht. Da ist ein Bild wie die Welt zu sein hat, und das deckt sich nicht mit der Realität. Daran könnte man verzweifeln.

    Ich denke, das liegt aber daran, dass man ausblendet. Dass man die täglichen Schönheiten ausblendet, die Liebe, die Menschen täglich einander entgegenbringen, still, leise, unaufdringlich und selbstverständlich. Wir neigen dazu eine Vorstellung von Liebe zu haben, die sensationell und erschütternd ist, gigantisch, atemberaubend. Dabei ist es eigentlich nur die Tür, die einem aufgehalten wird, das Guten-Tag des unbekannten Nachbarn, das Rezept des Arztes, der Wagen der Müllabfuhr, die unseren Müll wegbringt … Das ist das Netz der Liebe, das uns täglich umgibt. Wir sind soziale Wesen und können nicht anders als uns umeinander zu kümmern, auch wenn wir uns damit unseren Lebensunterhalt verdienen. Nicht der ärgste Kapitalismus kann dieses Band zwischen uns zerstören (er beruht sogar darauf, wenngleich er die Illusion des Egos propagiert und darauf hineinfällt).


    Das Gegenmittel zur Verzweiflung ist die Liebe. Den Blick öffnen für das tägliche Geschenk des Lebens. Dankbarkeit üben für alles, sogar für die Luft zum Atmen, sogar für die unangenehmen Erfahrungen, die einem zum Lehrer werden können.

    Geben statt Nehmen. Also nicht erwarten, dass die Welt so sein soll wie ich es mir wünsche und wie sie mir genehm ist, sondern aktiv meine kleine Welt mit dem beschenken, von dem ich mir wünsche, dass sie mich beschenkt.

    Wie man geistig das bewerkstelligt, dafür hat Spock oben einen Text reingestellt.

    Ich finde, die meisten Texte, auch die Post-Buddha-Texte, die ich kenne, zielen darauf ab.




    P.S. Das ich wieder die Großschreibung verwende, ist keine Marotte, sondern ein Zeichen dafür, dass ich nicht mehr mit den Tastenanschlägen sparen muss.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Ja, ich danke Dir auch Doris, obwohl ich finde, dass das ein bisschen zu heftig ist für uns hier im Forum.

    Auch kenne ich ganz viele Menschen, die sich sehr um ihre Mitmenschen kümmern, auch um die, die nicht so nahe stehen.

    Ich kenne viele Menschen, für die Liebe nicht nur ein Wort ist.

    Gebe es diese Menschen nicht, dann wären wir alle schon nicht mehr da.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Vielen Dank für eure (bisherigen) Antworten. Im Kern sehe ich meinen Gedanken / meine Überlegung in euren Aussagen bestätigt. Das Wort Ignoranz hat natürlich eine grundsätzlich eher negative Konnotation, welche ich aber eben als solche nicht gemeint habe - meine genaue Wortwahl ist da nicht perfekt.

    Da ich hier für mich keine großartige Diskussion anstrebe, sondern Meinungen / Lehrtexte / Erfahrungswerte als solche wahrnehmen will, werde ich nicht weiter auf einzelne Antworten eingehen.


    Vielen Dank _()_

    _()_

  • Die Sache ist ja die. Je nach Begehren oder Ablehnung sind die Interessen. Sich über die Welt zu informieren, untersteht auch einem Interesse.


    Die andere Sache ist, dass man ja nicht nur Leid präsentiert bekommt (wobei ich mich frage, was es einem genau bringen soll, das Elend anderer anzuschauen), sondern gleichzeitig einen DeutungsKontext. Also: man sieht in den Nachrichten immer eine Darstellung durch andere.


    Damit meine ich nicht, dass das nicht stimmt, was man zu sehen und zu lesen bekommt. Aber man kann sich einer Deutung, einer Darstellung nicht oder nur schwer entziehen, die ebenso mitgeliefert wird. Gerade bei so Medien wie Spon oder Tagesschau oder auch heute Journal ist die Deutung so offensichtlich und eine, die ich mir nicht mehr antun will. Hier gehts weniger um die Dinge, die vor Ort passieren, mehr um die Nachricht, die Darstellung, die Jobs dahinter. Die eigenen Motive und Interessen der Produzenten von Nachrichten über die Welt.


    Es passieren ja auch richtig gute Sachen, tagtäglich. Jede Stunde und Sekunde. Darüber wird nicht berichtet.





    :earth:

  • Gesund oder Ungesund?


    „Ignoranz“ ist m.E. eine Art von Ablehnung, oder bestenfalls eine nicht zur Kenntnisnahme objektiver Umstände, sie kann auch als Mittel zur Provokation benutzt werden.

    Das Gegenteil von Ignoranz wäre m.E. „Akzeptanz“, eine Art Anerkennung oder Zustimmung objektiver und subjektiver Erscheinungen.


    Ein verwandter Begriff wäre noch die Toleranz, welche als diplomatisches Instrument, sozusagen ein mittlerer Weg zwischen den beiden Extremen, Ignoranz und Akzeptanz wäre.

  • Das zeigt gut, worum es da eben auch immer geht. Das ist sozusagen systemimmanent. Die Eigennatur der Nachrichtenproduktion.


    Ich weiß aber auch insgesamt nicht, was ich davon halten soll, dass einer "ehrlich" die Kamera draufhält, wenn jemand stirbt oder erschossen wird. Ein weinenden Menschen filmen. Also ich könnts nicht. Will ich auch nicht können. In dem Fall möchte ich in der Lage sein, nicht meinen eigenen Interessen nachzugehen.


    Es gibt hehren, oder - da wir das Wort neulich hier hatten - "lauteren" Journalismus. Der zeichnet sich evtl dadurch aus, dass weniger die Gefühle der Leute angesprochen werden sollen.





    :earth:

  • Da der Buddha ja wusste wie sehr wir darunter leiden würden/könnten lehrte er Rahula und auch uns die Bramaviharas.


    Brama = Göttliche …..vihara = Verweilungsstätte oder ganz einfach ausgedrückt einen Paradiesischen Geistzustand.


    Rat an Rahula

    MN -62-


    18. „Ràhula, entwickle Meditation über Liebende Güte; denn wenn du Meditation
    über Liebende Güte entwickelst, wird jegliches Übelwollen überwunden.“


    19. „Ràhula, entwickle Meditation über Mitgefühl; denn wenn du Meditation
    über Mitgefühl entwickelst, wird jegliche Grausamkeit überwunden.“


    20. „Ràhula, entwickle Meditation über Mitfreude; denn wenn du Meditation
    über Mitfreude entwickelst, wird jegliche Mißgunst überwunden.“


    21. „Ràhula, entwickle Meditation über Gleichmut; denn wenn du Meditation
    über Gleichmut entwickelst, wird jegliches Widerstreben überwunden.“

    :heart:


  • Danke für die wunderschöne und glasklare Textstelle!


    Aravind.