Über die Entstehung der Aragyo-Praxis der Nichiren-Shu

  • Hallo zusammen,


    anbei ein Link zu einer sehr interessanten Arbeit über die Entstehung und Entwicklung der in der Nichiren-Shu bekannten Aragyo-Praxis. Die Arbeit enthält auch einige sehr interessante Ansätze und Thesen über die Verbindung und Interaktion zwischen Tendai-Shu, Mikkyo und dem Gedankengut von Nichiren Daishonin.


    Leider konnte ich das PDF aufgrund der Größe nicht direkt hier hochladen, daher nur die Quellenangabe und Download-Link :)


    Igarashi, Kyomi J., "The Development of Kaji Kito in Nichiren Shu Buddhism" (2012). Honors Thesis Collection. 13.

    "The Development of Kaji Kito in Nichiren Shu Buddhism" by Kyomi J. Igarashi


    Viele Grüße

    _()_

    Myoho

  • Namaste!


    Hallo Myoho,


    ich hab bislang nur das Inhaltsverzeichnis überflogen und kurz reingeschaut. Das Thema ist für mich vor allem interessant, weil mich Hobby-mäßig die Entwicklung der buddhistischen Schulen und Praktiken begeistert - insbesondere auch in Japan, aber nicht nur.

    Hast Du es schon gelesen und kannst etwas mehr dazu sagen?


    [Bei mir wird es dauern, bis ich das anfangen kann zu lesen; Lesestoff-technisch sitze ich zu!]


    Die Aragyo-Praxis scheint ja, wie beispielsweise auch das Kaihōgyō der Tendai Shû, eher eine Praxis für die Profis, also die Geistlichen zu sein...

    Meine Frage als Weg-übender Laie ist in diesem Zusammenhang folglich häufig:

    Wie kann ich das in meinen buddhistischen Alltag anwenden/integrieren?


    Klar, es gibt hierzulande Menschen, welche die Auffassung vertreten, dass wir hier im Westen bei all unserer Freizeit und Freiheit, mit unserer wissenschaftlichen Bildung, auch alle Lehren und Praktiken anwenden können, die der Dharma insgesamt zu bieten hat; dafür müsse man kein japanisches Priester-Seminar absolvieren.

    Ich muss gestehen, zu dieser Sorte Mensch gehöre ich nicht.


    Meist bin ich schon froh, wenn ich meine täglichen Morgen- und Abendandachten halbwegs achtsam hinbekomme und morgens 25 Minuten Zazen drin sind. Über den Tag ein paar Nenbutsu und Daimoku ist dann schon fast "Bonus"! Klar ist mehr Zeit da... theoretisch...


    Deshalb stellt sich aus meiner buddhistischen Alltagssicht immer die Frage nach dem Nutzen für den eigen-persönlichen WEG, wenn denn da einer ist.


    Wie siehst Du das in Bezug auf die Aragyo-Praxis und ähnliche (priesterliche) Übungen der Nichiren-Schulen?


    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Myôhô-Renge-Kyô

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Hallo Benkei,


    vielen Dank für deinen Kommentar und immer wieder schön von dir zu lesen.

    Hast Du es schon gelesen und kannst etwas mehr dazu sagen?

    Ja ich habe es gelesen, aber ich möchte es mir als Nicht-Akademiker nicht anmaßen hier eine qualifizierte Zusammenfassung zu geben. Deshalb poste ich soweit es möglich ist lieber immer die Original-Texte und Quellen und so kann jeder selber nachlesen und prüfen :erleichtert:.


    Die Aragyo-Praxis scheint ja, wie beispielsweise auch das Kaihōgyō der Tendai Shû, eher eine Praxis für die Profis, also die Geistlichen zu sein...

    Meine Frage als Weg-übender Laie ist in diesem Zusammenhang folglich häufig:

    Wie kann ich das in meinen buddhistischen Alltag anwenden/integrieren?


    Klar, es gibt hierzulande Menschen, welche die Auffassung vertreten, dass wir hier im Westen bei all unserer Freizeit und Freiheit, mit unserer wissenschaftlichen Bildung, auch alle Lehren und Praktiken anwenden können, die der Dharma insgesamt zu bieten hat; dafür müsse man kein japanisches Priester-Seminar absolvieren.

    Ich muss gestehen, zu dieser Sorte Mensch gehöre ich nicht.


    Ich gebe dir insofern recht, dass jemand als Mönch/Priester in der Regel mehr Zeit und Möglichkeiten für Praxis und Studium hat als jemand mit einem 8-10 Stunden Job und einer Familie mit Kindern die Zuhause wartet. In dem verlinkten Text wirst du jedoch erfahren, dass der Vater der Verfasserin selbst ein Nichiren-Shu Priester ist und die Aragyo-Praxis neben seinen familiären Verpflichtungen fünf mal absolviert hat. Und aus dem Text wird auch ersichtlich, dass es wohl nicht immer Vorraussetzung war, ein ordinierter Priester (Profi) zu sein um diese hundert Tage andauernde Askese machen zu können. Und heute macht ja nicht jeder Nichiren-Shu Priester auch die Aragyo-Praxis.


    Meine ganz persönliche Auffassung dazu ist folgende:


    Praktiken wie das Aragyo oder Kaihogyo sind aus dem Bedürfnis und der Entschlossenheit heraus entstanden eine Art inneren Durchbruch oder Transformation, oder wie auch immer man das Kind beim Namen nennen möchte, herbeizuführen. Dabei haben sich im Laufe der Zeit durch die Weitergabe der gemachten Erfahrungen und angewandten Methoden eine Art von Tradition mit festen Ritualen und Abläufen herausgebildet. Einige dieser Traditionen wurden dann aufgrund der zeitlichen Dauer (Kaihogyo) nur noch von Mönchen absolviert und andere waren irgendwann nur noch exklusiv der Priesterschaft vorbehalten.


    Ich denke es kommt gerade im Nichiren-Buddhismus auf die innere Haltung/Entschlossenheit/Ausrichtung an. Möchte ich wirklich die Bedeutung von "Myoho Renge Kyo" erfassen? Möchte ich wirklich den Geist von Tientai, Saicho und Nichiren versuchen zu erfassen? Was bin ich bereit dafür zu geben und wie weit bin ich bereit dafür zu gehen? Mit welcher Einstellung möchte ich meinen letzten Atemzug in diesem Leben machen?


    Es wird von allen Nichiren-Schulen immer wieder darauf hingewiesen, dass das Gongyo und das Daimoku keine Formalität sein darf, sondern wir die Praxis mit unserem ganzen Sein ausüben sollen. Auch das Lotus-Sutra und die Gosho sollen mit dem ganzen Herzen gelesen werden. Innerhalb der SGI wird die Gosho 29 - Das Erbe des letztendlichen Gesetzes von Leben und Tod als sehr bedeutsam angesehen, da der Daishonin hier sagt: "Für jemanden, der seinen ganzen Glauben aufbietet und Nam-Myoho-Renge-Kyo mit der tiefen Einsicht rezitiert, dass jetzt der letzte Augenblick des eigenen Lebens ist...." und damit die ideale innere Haltung unserer täglichen Praxis aufzeigt.


    Sind nur Priester/Mönche die Kaihogyo oder Aragyo absolviert haben die wirklichen Profis und die Laien nur die frommen Lämmer am Rande des Weges? Ich denke nicht und es würde auch komplett der Botschaft des Lotos-Sutra und den Lehren des Daishonin widersprechen.


    Es gibt viele Beispiele von Laien, die trotz Arbeit und Famile es geschafft haben sehr viel zu praktizieren. So habe ich von einer Frau in Japan erfahren, die, aus der Motivation für ihr krankes Kind heraus, es über ein Jahr lang geschafft hat täglich 10 Stunden Daimoku zu praktizieren und das neben ihrem Beruf, Haushalt und ihrem kranken Kind. Eine schier unvorstellbare Leistung!


    Ich glaube wie gesagt, es ist vor allem die innere Haltung die es uns erlaubt auf dem Weg voran zu schreiten und selbst wenn ich aus familieren Pflichten (nur als Beispiel, ich selbst habe keine Familie :grinsen:) heraus nicht in der Lage sein kann etwas wie Kaihogyo oder Aragyo zu praktizieren, so kann ich mir das Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit solcher Ausübenden als Vorbild nehmen und versuchen in meinem Alltag immer wieder aufs Neue zu versuchen ernsthafter und mehr zu studieren und zu praktizieren. Auch kann ich für mich kleine Retreats machen und die Praxis damit vertiefen. Und sollte ich das Bedürfnis haben mehr Zeit für Praxis und Studium aufbringen zu können (wie es momentan bei mir der Fall ist ^^) ist es an mir mich zu fragen was ich in meinem Leben ändern kann und muss um dies zu erreichen.


    Ich hoffe das ganze klingt nicht zu abstrakt und abgehoben :?


    Viele Grüße

    _()_

    Myoho

  • Ich glaube, dass die Glorifizierung des „Laienhaften“ von Anhängern einer gewissen Organisation zutiefst arrogant ist. Das spiegelt sich in den sehr diesseitigen Verfehlungen ihrer sog. Laienorganisation wieder. Niemand wird in eine Gruppierung gezwungen in der es Ordinierte gibt. Wenn man aber abfällig über andere spricht, so müsste man zum Schluss kommen selbst unfehlbar zu sein – das sehe ich bei Gruppierungen wie der SGI absolut nicht als gegeben an.

  • Namaste!


    N'Abend Myoho,

    Myoho:

    Praktiken wie das Aragyo oder Kaihogyo sind aus dem Bedürfnis und der Entschlossenheit heraus entstanden eine Art inneren Durchbruch oder Transformation, oder wie auch immer man das Kind beim Namen nennen möchte, herbeizuführen. Dabei haben sich im Laufe der Zeit durch die Weitergabe der gemachten Erfahrungen und angewandten Methoden eine Art von Tradition mit festen Ritualen und Abläufen herausgebildet. Einige dieser Traditionen wurden dann aufgrund der zeitlichen Dauer (Kaihogyo) nur noch von Mönchen absolviert und andere waren irgendwann nur noch exklusiv der Priesterschaft vorbehalten.

    Ja, das ist wohl wahr.

    Obwohl insbesondere die (ich nenne sie mal) "Glaubens-Schulen", wie Nichiren- oder Reines-Land-Buddhismus, laut allgemeiner Lesart scheinbar nicht versuchen, Buddhas Erwachens-Erfahrung nachzuempfinden, kommt doch beim einzelnen Wegübenden irgendwann der Punkt, wo er auch sowas erleben will... *schnippt mit dem Finger*


    Myoho:

    Ich denke es kommt gerade im Nichiren-Buddhismus auf die innere Haltung/Entschlossenheit/Ausrichtung an. Möchte ich wirklich die Bedeutung von "Myoho Renge Kyo" erfassen? Möchte ich wirklich den Geist von Tientai, Saicho und Nichiren versuchen zu erfassen? Was bin ich bereit dafür zu geben und wie weit bin ich bereit dafür zu gehen? Mit welcher Einstellung möchte ich meinen letzten Atemzug in diesem Leben machen?

    Das klingt für mich nicht wie "orthodoxe SGI-Dokrin" :)(:

    Für mich klingt das eher nach jemandem, der ES wissen will! ;)


    Myoho:

    Es wird von allen Nichiren-Schulen immer wieder darauf hingewiesen, dass das Gongyo und das Daimoku keine Formalität sein darf, sondern wir die Praxis mit unserem ganzen Sein ausüben sollen. Auch das Lotus-Sutra und die Gosho sollen mit dem ganzen Herzen gelesen werden. Innerhalb der SGI wird die Gosho 29 - Das Erbe des letztendlichen Gesetzes von Leben und Tod als sehr bedeutsam angesehen, da der Daishonin hier sagt: "Für jemanden, der seinen ganzen Glauben aufbietet und Nam-Myoho-Renge-Kyo mit der tiefen Einsicht rezitiert, dass jetzt der letzte Augenblick des eigenen Lebens ist...." und damit die ideale innere Haltung unserer täglichen Praxis aufzeigt.

    Das ist ein zweischneidiges Schwert!

    Vielleicht passt dazu eine Geschichte aus dem Jôdomon:

    Hongaku-bô von Chinzei fragte Myôhen: „Es wird gesagt, dass das Äußern des Namens nichts Gutes bringt, wenn man abgelenkt ist. Vielmehr muss man erst seine Sinne und den Verstand beruhigen und dann den Namen rezitieren. Wie soll ich damit umgehen?“ Myôhen antwortete: „Diese Aussage gilt für die höchsten Könner. Niedrigere Praktizierende wie ich können ihr Herz und ihren Verstand von Verstreutheit keinesfalls frei machen. Darum nehmen wir einfach und entschlossen die Perlenkette, bewegen die Perlen und sagen den Namen, ohne darum besorgt zu sein, ob wir fahrig sind oder nicht. Auf den Moment zu warten, in dem der Geist wirklich konzentriert ist, würde heißen, niemals das Nenbutsu sagen zu können.

    [aus dem "Ichigon Hôdan" (Buddhismus krass, Nr. 111)]


    Myoho:

    Sind nur Priester/Mönche die Kaihogyo oder Aragyo absolviert haben die wirklichen Profis und die Laien nur die frommen Lämmer am Rande des Weges? Ich denke nicht und es würde auch komplett der Botschaft des Lotos-Sutra und den Lehren des Daishonin widersprechen.


    Es gibt viele Beispiele von Laien, die trotz Arbeit und Famile es geschafft haben sehr viel zu praktizieren. So habe ich von einer Frau in Japan erfahren, die, aus der Motivation für ihr krankes Kind heraus, es über ein Jahr lang geschafft hat täglich 10 Stunden Daimoku zu praktizieren und das neben ihrem Beruf, Haushalt und ihrem kranken Kind. Eine schier unvorstellbare Leistung!


    Ich glaube wie gesagt, es ist vor allem die innere Haltung die es uns erlaubt auf dem Weg voran zu schreiten und selbst wenn ich aus familieren Pflichten (nur als Beispiel, ich selbst habe keine Familie :grinsen:) heraus nicht in der Lage sein kann etwas wie Kaihogyo oder Aragyo zu praktizieren, so kann ich mir das Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit solcher Ausübenden als Vorbild nehmen und versuchen in meinem Alltag immer wieder aufs Neue zu versuchen ernsthafter und mehr zu studieren und zu praktizieren. Auch kann ich für mich kleine Retreats machen und die Praxis damit vertiefen. Und sollte ich das Bedürfnis haben mehr Zeit für Praxis und Studium aufbringen zu können (wie es momentan bei mir der Fall ist ^^) ist es an mir mich zu fragen was ich in meinem Leben ändern kann und muss um dies zu erreichen.

    Was die innere Haltung und dergleichen angeht, so gebe ich Dir Recht.


    Mit "Profis" meine ich hier allgemein den buddhistischen Klerus. Also diejenigen Bhikkhus, Bhikkhunis, Mönche, Nonnen, Priester und Priesterinnen etc. deren "Beruf" das Kleriker-sein ist. Also alle Ordinierten, die nicht als Laien ordiniert sind.

    Natürlich möchte ich das ganz wertungsfrei verstanden wissen!

    Es gibt solche und solche Kleriker, und es gibt auch solche und solche Laien.


    Im Allgemeinen ist es aber tatsächlich so, dass der Kleriker mehr Zeit für die Dharma-Praxis hat, denn das ist ja sozusagen sein Beruf - damit macht er seinen Lebensunterhalt. Das gilt auch für die vollordinierten Bhkkhus und Bhikkhunis - deren Job ist es, eben diese "Rolle" auszufüllen.

    Der Laie hingegen sorgt anderweitig für seinen Broterwerb... jedenfalls im Allgemeinen.


    Mein Kritikpunkt betraf keine dieser beiden Arten des Wegübenden im Speziellen, sondern eher gewisse Eigenheiten westlicher Praktizierender, die meinen, dass man als Westler aufgrund seines höheren Bildungsstandes, seines größeren Verständnisses, usf. grundsätzlich alles praktizieren kann.

    Und auch dieser Kritikpunkt sollte keineswegs persönlich aufgefasst werden!

    [Eine Wertung ist das aber natürlich schon!]


    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Myôhô-Renge-Kyô

    Namandabu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin