Was unterscheidet den Buddhisten vom Materialisten ?

  • Nachdem ich diskret auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, anstatt fremde Threads mit Fragen zu stören, doch einen eigenen zu eröffnen, habe ich mir mal Gedanken darüber gemacht, was genau eigentlich meine Frage ist.


    Im Kern ist es wohl diese: Man stelle sich vor, ein Buddhist und ein Wissenschaftler (nehmen wir jemanden vom Kaliber eines Richard Dawkins oder Daniel Dennet), sitzen einem Moderator am philosophischen Stammtisch gegenüber und sollen erklären, was ihre Weltsicht eigentlich voneinander unterscheidet. In der Theorie ... nicht in der Praxis, denn Letztere ist bei den Materialisten ja noch beliebiger als bei Buddhisten.


    Was wäre die Antwort?


    Mir ist bewusst, dass die Sache mehrere Haken hat (verschiedene Buddhistische Schulen, Atheisten und Agnostiker unter den Wissenschaftlern, etc.) Aber ich denke, ihr versteht, worauf ich hinaus will. Und wie gesagt - mir geht es hier mehr um die Theorie ... also bitte keine Antworten wie: "übe dich in Versenkung und du wirst verstehen", etc.

    Ansonsten muss ich leider weiterhin im Forum rumnerven ... :(

    Mir ist außerdem bewusst, dass ich mir die Antworten auch per Suchfunktion erschließen könnte. Ist mir aber, ob der Vielzahl der Beiträge, echt zu mühsam ... und es ist mir auch zu viel kryptisches Geschwafele dabei ... hab keine Lust, hier ein Wörterbuch benutzen zu müssen ...

    leichte Sprache bitte! :lol:

  • Nur als Hinweis: fallst Du es nicht bemerkt hast, wir haben einen Forumsglossar und Begriffe, die da drin sind, werden automatisch verlinkt Wenn man mit der Maus darüber fährt, wird auch eine Kurzdefinition eingeblendet, ohne die Seite verlassen zu müssen. Beispiel: Mitgefühl


    Wenn Du ansonsten Begriffe nicht verstehst, einfach nachfragen. Und evtl. bekommen wir so auch Hinweise, was sinnvoll wäre, im Glossar zu ergänzen.

  • Materialisten sind ja nun dadurch gekennzeichnet, dass sie alles Existierende aus der Materie herrührend auffassen; auch den Geist; wenn sie ihn denn nicht gar leugnen.


    Buddhisten unterscheiden zwischen Materie und Geist und vertreten die Position, dass Materie nur aus Materie und Geist oder Bewusstsein nur aus Geist oder Bewusstsein entstehen kann. Gleichzeitig behaupten sie aber auch nicht, dass Materie und Geist unabhängig voneinander existieren, obwohl sie nicht identisch sind.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Punkt 1.) Akzeptiert ein Wissenschaftler, dass es Dinge gibt, die nur erfahren, nicht aber beschrieben werden können, da sie über das zu Vermittelnde hinausgehen?

    Guter Einwand ... bedeutet dass, der Buddhismus unterscheidet sich nur in der Erfahrung vom Materialismus? Die theoretischen Voraussetzungen sind die gleichen?

  • Materialisten sind ja nun dadurch gekennzeichnet, dass sie alles Existierende aus der Materie herrührend auffassen; auch den Geist; wenn sie ihn denn nicht gar leugnen.


    Buddhisten unterscheiden zwischen Materie und Geist und vertreten die Position, dass Materie nur aus Materie und Geist oder Bewusstsein nur aus Geist oder Bewusstsein entstehen kann. Gleichzeitig behaupten sie aber auch nicht, dass Materie und Geist unabhängig voneinander existieren, obwohl sie nicht identisch sind.


    Gruß Helmut

    Das ist schon schwieriger Stoff jetzt. Auch ein Wissenschaftler könnte behaupten, dass es so etwas wie Geist gibt, der aber nicht unabhängig von Materie, (Neuronen, Synapsen, usw.) existieren kann.

    Aber meine Frage zielt durchaus genau in diese Richtung ...

  • Da fällt mir noch etwas ein: magst Du mal Youtube bemühen?

    Immer gerne ... danke für den Tipp ...

    • Offizieller Beitrag

    Moin Korx.


    Der Wissenschaftler beschreibt die Wirklichkeit aus der Dritten-Person-Perspektive, der Buddhist erfährt die Wirklichkeit aus der Ersten-Person-Perspektive.


    Der Wissenschaftler arbeitet an der konventionellen Wahrheit, der Buddhist sucht die Erfahrung der letztgültigen Wahrheit. Beide Wahrheiten haben die gleiche Wichtigkeit und Berechtigung.


    Der Wissenschaftler versucht im besten Falle durch wissenschaftliche Erkenntnis das Leiden durch Durchdringung und Veränderung äußerer Bedingungen zu mildern, der Buddhist durch wachsende Unabhängigkeit von äußeren Bedingungen.


    Vorrangiges Ziel der Wissenschaft ist das Verständnis und die lückenlose Beschreibung der Wirklichkeit. Das vorrangige Ziel des Buddhisten ist die Befreiung von leidverursachenden Abhängigkeiten.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Schön zusammengefasst ... viel Stoff zum Nachdenken für mich ...

  • Das ist schon schwieriger Stoff jetzt. Auch ein Wissenschaftler könnte behaupten, dass es so etwas wie Geist gibt, der aber nicht unabhängig von Materie, (Neuronen, Synapsen, usw.) existieren kann.

    Aber meine Frage zielt durchaus genau in diese Richtung ...

    Es geht dir ja um den Unterschied zwischen Materialisten und Buddhisten. Aber nicht jeder Wissenschaftler ist ein Materialist. Materialisten erklären alles als aus der Materie entstanden und genau dies tun Buddhisten eben nicht. Materialisten neigen dazu, ein kausales Verhältnis zwischen Materie als Ursache und Geist/Bewusstsein als Wirkung zu postulieren, wenn sie Geist/Bewusstsein nicht negieren. Ein derartiges Kausalverhältnis zwischen Materie und Geist/Bewusstsein wird im Buddhismus abgelehnt.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Buddhisten unterscheiden zwischen Materie und Geist und vertreten die Position, dass Materie nur aus Materie und Geist oder Bewusstsein nur aus Geist oder Bewusstsein entstehen kann. Gleichzeitig behaupten sie aber auch nicht, dass Materie und Geist unabhängig voneinander existieren, obwohl sie nicht identisch sind.

    Das kann man so pauschal nicht sagen. Geist besteht nicht aus Materie, und Materie nicht aus Geist, so wie eine Tomate nicht aus Äpfeln besteht und Äpfel nicht aus Tomaten. Aber so wie Tomaten und Äpfel aus Raum und Elementarteilchen bestehen, und diese Unterscheidung vermutlich auch nicht möglich ist, sind auf der letztendlichen Ebene alle Phänomene von gleicher Natur. (So zumindest einige Lehrmeinungen im Mahayana) Deine Aussage wäre also dann nur auf die bedingte Welt anwendbar.


    Zitat

    "Der Begriff der Shunyata leitet sich unmittelbar aus der buddhistischen Lehre vom Nicht-Selbst ab. Er verweist auf die Substanzlosigkeit aller Phänomene infolge ihrer Abhängigkeit von bedingenden Faktoren, ihrem bedingten Entstehen (Sanskrit: pratityasamutpada, Pali: paticca samuppada). „Leerheit“ ist eine Umschreibung für das Fehlen eines konstanten Seins, einer Eigennatur und eines beständigen Ich im steten Wandel der Existenz. Die Erscheinungen sind in ihrer Leerheit ohne eigenes Kennzeichen, ohne inhärente Eigenschaften und damit nicht mehr als nominalistische Begriffe einer nicht wesenhaften Welt. Die Welt ist keine Welt des Seins, sondern des ständigen Werdens, in dem es keine festen Substanzen und keine unumstößlichen Realitäten gibt."

    Shunyata – Wikipedia

  • Es geht dir ja um den Unterschied zwischen Materialisten und Buddhisten. Aber nicht jeder Wissenschaftler ist ein Materialist. Materialisten erklären alles als aus der Materie entstanden und genau dies tun Buddhisten eben nicht. Materialisten neigen dazu, ein kausales Verhältnis zwischen Materie als Ursache und Geist/Bewusstsein als Wirkung zu postulieren, wenn sie Geist/Bewusstsein nicht negieren. Ein derartiges Kausalverhältnis zwischen Materie und Geist/Bewusstsein wird im Buddhismus abgelehnt.

    Ich tue mir wahnsinnig schwer, zu erkennen, dass es dieses Kausalverhältnis im Buddhismus nicht gibt.

    Wo ich auch hinschaue, was ich auch lese oder höre ... so etwas wie "Geist" kommt immer nur in Bezug oder gar als Folge von "(äußeren)Bedingungen" vor. Ich erkenne da keinen Unterschied zum Wissenschaftler, bei dem die Materie das Bewusstsein bedingt. Irgendwie steh ich da (schon länger) vor einer Mauer und komme nicht weiter.

  • Es geht dir ja um den Unterschied zwischen Materialisten und Buddhisten. Aber nicht jeder Wissenschaftler ist ein Materialist. Materialisten erklären alles als aus der Materie entstanden und genau dies tun Buddhisten eben nicht. Materialisten neigen dazu, ein kausales Verhältnis zwischen Materie als Ursache und Geist/Bewusstsein als Wirkung zu postulieren, wenn sie Geist/Bewusstsein nicht negieren. Ein derartiges Kausalverhältnis zwischen Materie und Geist/Bewusstsein wird im Buddhismus abgelehnt.

    Jetzt verstehe ich etwas besser, was Du sagen willst. Während der Materialismus z.B. sagen würde: Bewusstsein ist eine emergente Eigenschaft des Gehirns (=aufsteigende Eigenschaft = wird vom Gehirn "hergestellt") würde der Buddhismus diese Vorstellung ablehnen, da das Eine nicht aus dem Anderen entstehen könne. Auf der anderen Seite sind Geist und Materie ja durchaus "strukturell gekoppelt". D.h. sie können sich gegenseitig Anreize geben, die Veränderungen hervorrufen können. Das ist aber kein simples "aus A folgt B" sondern eine komplexe Dynamik, auf die viele Faktoren Einfluss haben.


    Nachtrag Kork vielleicht hilft das zur Unterscheidung. Diese Dynamik ist das, was "abhängiges Entstehen" genannt wird. Dass B nicht aus A hervorgeht, heisst nicht, dass A und B nicht auf einander einwirken könnten.

  • Zitat
    • Er nimmt die Vielheit als Vielheit, und hat er die Vielheit als Vielheit genommen, so denkt er die Vielheit, denkt an die Vielheit, denkt über die Vielheit, denkt 'Mein ist die Vielheit' und freut sich der Vielheit: und warum? Weil er sie nicht kennt, sage ich.

    Majjhima Nikaya 1

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Korx.


    Zitat

    so etwas wie "Geist" kommt immer nur in Bezug oder gar als Folge von "(äußeren)Bedingungen" vor. Ich erkenne da keinen Unterschied zum Wissenschaftler, bei dem die Materie das Bewusstsein bedingt.


    Buddha vertritt die Ansicht, dass der Geist den Dingen voran geht. Alles Erkennen spielt sich im Geist ab. Die Buddhistischen "Elemente", Erde, Wasser, Feuer, Luft, beziehen sich weniger auf äußere Materie als auf innere Kategorien der Welterfahrung: Das Feste, das Feuchte, das Warme (Kalte), die Bewegung. Die gesamte Wirklichkeit ist insofern vom Geist geschaffen. Wir können immer nur Wahrnehmungsinhalte erkennen. Und tatsächlich ist alles, was wir erkennen können, durch Qualia, durch Erlebnisinhalte vermittelt. "Materie" können wir nicht unmittelbar erkennen. Wir können nur auf eine "objektive" Wirklichkeit schließen, haben aber keinen direkten Zugang dazu. Alles, was unsere Wirklichkeit ausmacht, ist kategorial erschöpfend beschrieben durch die fünf Skandhas. Diese rein geistige Wirklichkeit bildet auch die Basis für jede Erfahrung in Bezug auf Materie. Es gibt ein schönes Zitat von Bertrand Russell, das dieses Dilemma gut zusammenfasst:


    Zitat

    Sowohl die Materialisten als auch die Idealisten haben sich, unbewusst oder ungeachtet ausdrücklicher Ableugnungen, in ihrem Vorstellungsbild von der Materie einer Verwechslung schuldig gemacht. Sie dachten, dass ihre Wahrnehmungsinhalte, wenn sie sehen oder tasten, die Materie der Außenwelt darstellten, während doch in Wirklichkeit diese Wahrnehmungsinhalte Bestandteile der Materie des wahrnehmenden Gehirns sind. Man kann aus der Untersuchung unserer Wahrnehmungsinhalte – so habe ich behauptet – auf gewisse formale, mathematische Eigenschaften der äußeren Materie schließen; dieser Schluss ist weder streng noch sicher. Andererseits erhalten wir aber doch durch die Untersuchung unserer Wahrnehmungsinhalte ein Wissen über die Materie unserer Gehirne, das nicht rein formal ist. Freilich ist dieses Wissen Stückwerk; aber soweit es reicht, hat es Vorzüge, die diejenigen des physikalischen Wissens übertreffen. [...] Die Wahrnehmungsinhalte sind der einzige Bestandteil der physikalischen Welt, die wir anders als in abstrakter Weise kennen. Was die Welt im allgemeinen betrifft, sowohl die physische als die geistige, so ist alles, was wir von ihrer Beschaffenheit wissen, von der psychischen Seite abgeleitet, und fast alles, was wir über Kausalgesetze wissen, von der physischen Seite. Aber vom philosophischen Standpunkt betrachtet, ist die Unterscheidung zwischen Physischem und Psychischem eine oberflächliche und irreale.


    aus Philosophie der Materie, Leipzig und Berlin 1929, §167, 174


    Das Zitat ist angeführt in Grundkurs Philosophie des Geistes von Thomas Metzinger (Hrsg.), Band I, Seite 163, 164

    Viele Grüße


    Thorsten

  • "Materie" können wir nicht unmittelbar erkennen. Wir können nur auf eine "objektive" Wirklichkeit schließen, haben aber keinen direkten Zugang dazu.

    Klingt nach Konstruktivismus ;) Ich sehr sehr grosse Überschneidungen zwischen buddhistischer Philosophie des Geistes und konstruktivistischen Theorien. (K. als Erkenntnistheorie der Systemik, nicht die Kunstrichtung usw.)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Klingt nach Konstruktivismus


    Nicht unbedingt, da der Konstruktivismus leicht in Solipsismus mündet. Die Lehre des Buddha kann in diese Falle nicht tappen, da sie durch die Lehre des Abhängigen Entstehens, des Nicht-Ich und des allgemeinen, alles und jedes durchdringenden Kausalitätsprinzips immer "offene Weite" ist und nie totale Isolation für ein größenwahnsinniges Ich. Nishitani Keiji nennt die Bestehensweise der Wirklichkeit "reine Gegenwärtigkeit". Das entspricht dem schon eher, finde ich.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • "Materie" können wir nicht unmittelbar erkennen. Wir können nur auf eine "objektive" Wirklichkeit schließen, haben aber keinen direkten Zugang dazu.

    Klingt nach Konstruktivismus ;) Ich sehr sehr grosse Überschneidungen zwischen buddhistischer Philosophie des Geistes und konstruktivistischen Theorien. (K. als Erkenntnistheorie der Systemik, nicht die Kunstrichtung usw.)

    "Wir können nur auf eine "objektive" Wirklichkeit schließen, haben aber keinen direkten Zugang dazu."

    Ich hätte eher Anti-Realismus gesagt :?

  • Thorsten Hallscheidt


    Danke Thorsten, sehr spannend, das Zitat von Russell ... beim ersten mal Lesen dachte ich noch - ja klar ... aber um so länger ich darüber nachdenke, desto mehr werden mir die Konsequenzen daraus bewusst ... manoman ... :o

  • Im Kern ist es wohl diese: Man stelle sich vor, ein Buddhist und ein Wissenschaftler (nehmen wir jemanden vom Kaliber eines Richard Dawkins oder Daniel Dennet), sitzen einem Moderator am philosophischen Stammtisch gegenüber und sollen erklären, was ihre Weltsicht eigentlich voneinander unterscheidet. In der Theorie ... nicht in der Praxis, denn Letztere ist bei den Materialisten ja noch beliebiger als bei Buddhisten.


    Was wäre die Antwort?

    Ich versuche mal, das ein wenig aufzudröseln. Zunächst einmal - Du formulierst Deine Vorstellung so, dass sie einen Gegensatz (bzw. etwas sich wechselseitig Ausschließendes) zwischen 'Buddhist' und 'Wissenschaftler' impliziert. Da sollte man sich zunächst fragen, ob das tatsächlich so ist, dass ein Wissenschaftler kein Buddhist sein könne oder ein Buddhist kein Wissenschaftler. Meines Erachtens ist dem nicht so und die, bei denen das der Fall ist, sind auch nicht schizophren. Falls Du das anders siehst, haben wir vermutlich unterschiedliche Vorstellungen davon, was unter einem 'Wissenschaftler' und / oder einem 'Buddhisten' zu verstehen ist.


    Sodann - ich vermute mal anhand der von dir genannten Beispiele, Du meinst sowohl Geisteswissenschaftler als auch Naturwissenschaftler bzw. es ist Dir egal, welche Sorte wir da nehmen. Die Philosophie bildet da so etwas wie eine Schnittstelle - und nur in Bezug auf Philosophie macht dann eine Bezeichnung wie "Materialist" auch Sinn. Materialismus ist eine philosophische Grundposition, aber keine für Wissenschaftler notwendige (oder auch nur übliche) Ausgangsbasis. Ich vermute stark, Du verwechselst da 'Empirismus' mit 'Materialismus'.


    Der Buddhadharma enthält selbst durchaus starke empiristische Elemente. Das mit Sicherheit wichtigste dabei ist der Abgleich der empirischen Beobachtung buddhistischer Praxis hinsichtlich ihrer Wirkung auf die empirische Erfahrung 'Duḥkha' mit der buddhistischen Überlieferung. Anders ('buddhistischer') formuliert: die gründliche Prüfung von Lehre und Lehrer. Das ist dann möglicherweise der Aufbau und die Bestätigung von Śrāddha ('Vertrauen' - was nun einmal etwas anderes ist als 'Glaube' im christlich-theologischen Sinn).


    Sorry jetzt für die Fachterminologie - aber ohne eine halbwegs klare Vorstellung, was diese Begriffe bezeichnen, macht eine Diskussion auf dem von Dir angezielten Level nicht wirklich Sinn. Sich eine solche zu verschaffen, ist mE eine Bringschuld für die Teilnahme an einer sinnvollen Diskussion zum Thema Positionierung des Buddhismus zur Wissenschaft im modernen Sinn. Wie oben schon angedeutet - man sollte dann schon eine nicht allzu verschwommene Vorstellung davon haben, worum es beim "Buddhismus" geht und was unter einem "Buddhisten" zu verstehen ist.


    Der Unterschied zwischen einem Wissenschaftler und einem Buddhisten liegt in den Fragestellungen, mit denen man sich beschäftigt. Was, wie schon angedeutet, nicht ausschließt, dass man sich mit beiden (oder keiner davon) beschäftigt. Ich setze mal als bekannt voraus, womit sich Wissenschaft beschäftigt. Grob: mit Sammlung, Auswertung, Systematisierung und schließlich Deutung empirischer Daten (Theoriebildung). Der Buddhismus beschäftigt sich hingegen mit soterologischen Fragen bzw. einem existentiellen Problem - eben Duḥkha. Als Hilfestellung zum Verständnis dieses recht komplexen Begriffs hier die Erläuterung eines Brückenbauers. Die Antworten sind übrigens bei beiden Fragestellungen empirisch begründet, wobei meines Erachtens das experimentelle Nachvollziehen des Erwachens (bodhi) nun eher weniger schwierig ist als etwa das experimentelle Nachvollziehen der Theorie der primordialen Nukleosynthese ...


    Die doch sehr unterschiedlichen Fragestellungen machen Widersprüche zwischen den Antworten, zu denen man mit beiden kommt, eher unwahrscheinlich. Es fehlt da schlicht an Konfliktfeldern und wo es zu Überschneidungen kommt (etwa mit der Psychologie), zeigen sich diese eher fruchtbar für beide Seiten. Was nicht zuletzt an der weitgehenden Dogmenfreiheit des Buddhismus liegt. Ein solches Überschneidungsgebiet ist insbesondere auch die Philosophie und die abendländische Philosophiegeschichte hat nicht das geringste Problem damit, heute in buddhistischen Denkern wie Nāgārjuna oder Dōgen Philosophen von Weltrang zu sehen. Deren Denkansätze sind zwar völlig andere als die des abendländischen Materialismus (notabene auch des Idealismus), aber mit Empirismus im allgemeinen und Wissenschaft im besonderen hat man da kein Problem. Und umgekehrt braucht man auch keines zu haben ...


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

    Einmal editiert, zuletzt von Sudhana ()

  • Nun gut ... ich lerne (unter vielem Anderem), dass die Ansichten zum Thema doch weit auseinandergehen. Der eine sieht eher keinen Unterschied zwischen dem Wissenschaftler (aka Materialist) und dem Buddhisten, der andere sehr wohl. Vielleicht verstehe ich euch auch falsch, ganz einfach weil Teilsätze wie: "... das experimentelle Nachvollziehen der Theorie der primordialen Nukleosynthese ..." nicht die "leichte Sprache" sind, um die ich - nicht umsonst - gebeten hatte.


    Ich möchte mir erlauben, mal eine weitere (letztendlich ähnliche) Frage aus einer ganz anderen Perspektive heraus zu stellen.


    Kurze Vorgeschichte dazu: gestern Abend ging ich mit zwei älteren Damen zum Essen, die aus einer völlig anderen Ecke kommen. In ihrem Leben geht es um Channeling, Engelwesen, Botschaften von den Plejaden ... diese Damen sind sehr glücklich mit ihrem Leben, besuchen Vorträge und geben ihr reichlich vorhandenes Geld für Vorträge, Bücher und wirklich abgefahrene Gerätschaften aller Art aus. Neugierig und experimentierfreudig wie Kinder. Eingebettet in ein für sie stimmiges Glaubenssystem, dass sie glücklich macht und ruhig schlafen lässt. Ähnlich ist es mit meiner Mutter, die in einem sehr altertümlichen, christlichen Weltbild, eine unglaubliche Seelenruhe gefunden hat.


    Da ich hier gelernt habe, dass da kein persönliches Ich durch die Zeiten wandert ... gäbe es einen Grund, diese Menschen, die allesamt eines Tages glücklich, friedlich und hoffnungsvoll verlöschen werden, an den Buddhismus heranzuführen?


    Oder ist Buddhismus nur etwas für rastlose Sucher, die ihren Frieden noch nicht anderswo gefunden haben, oder eben doch, aus Gründen die ich hier erfragen möchte, für jeden zu empfehlen, weil er etwas bietet, das über das "einfache Glück einfacher Menschen" hinausgeht?


    Die Frage mag etwas seltsam klingen, aber sie beschäftigte mich gestern Abend nach besagtem Gespräch doch sehr ...

  • "Wir (das Europäische Institut für angewandten Buddhismus) sind nicht hier um zu Missionieren. Wir wollen nicht mehr Buddhisten haben, sondern mehr glückliche und friedvolle Menschen."

    - Bhikshu Thích Chân Pháp Ấn (Direktor des EIAB)

    _()_

  • Eine der sympathischsten Eigenschaften des Buddhismus ist in der Tat der Verzicht aufs Missionieren! Leider aber hat deine Antwort nicht das Geringste mit meiner Frage zu tun ... oder war das eine Antwort im Sinne von "ein jeder soll nach seiner Facon selig werden"?