Ich finde, dass Mitgefühl als erstes einfach komplett wertneutral ist. Man fühlt mit. Man leidet nicht mit, man freut sich nicht über das Leid, sondern man nimmt wahr, was der andere fühlt, so authentisch, als würde man es selbst fühlen. Mitgefühl hebt die Trennung auf zwischen "Du" und "Ich". Und wenn das gelingt - wer würde da auf die Idee kommen, Schadenfreude zu empfinden? Was auf den ersten Blick nicht verständlich erscheint, ist wie es gelingen kann, Mitgefühl vom Leid zu trennen. Das geht deswegen, weil Leid sozusagen eine zweite Ebene ist. Die erste Ebene ist das Gefühl an sich. Sagen wir "Neid". Dann fängt man an, aus Neid zu leiden. Man kann es aber auch sein lassen. (Ich weiss, das sagt sich einfacher, als es ist). Der Neid an sich ist nicht mehr als eine Information: da ist etwas, das jemand anders hat, und das hätte ich auch gerne. Welchen Schluss man daraus zieht, ist einem jedoch, Gewohnheiten etc. pp. mal beiseite geschoben, freigestellt. Man kann sagen: oh, prima, ich weiss jetzt, was dem anderen gefällt, und ich weiss, was mir gefällt. Ich freue mich für den anderen. Und wenn diese Mitfreude ehrlich ist, wo ist dann das Problem? Der andere freut sich, ich freue mich. Alle sind glücklich. In dem Moment kann ich feststellen, dass der eigene Wunsch vllt. gar nicht so wichtig war, und es eigentlich um das Gefühl der Freude ging, das ich damit verbunden hatte. Die wiederum habe ich jetzt. Vielleicht stelle ich auch fest, dass wenn ich mit diesem Gefühl des Überschusses an die Sache heran gehe, statt aus einem Gefühl des Mangels (an dem, was ich dem anderen vorher am liebsten weg genommen hätte) mehr als genug für alle da ist. Und es beide haben können - solange es denn anhält bevor die Vergänglichkeit zuschlägt.
Worum es mir aber eigentlich ging: Mitgefühl ist etwas verbindendes, Mitgefühl, das von einem Ich ausgeht, ist nur der Versuch, nur die Übung. Ein Buddha fühlt dann wiederum gar nicht mehr mit, denn "mit" suggeriert eine Trennung. Er ist einfach eins mit der Situation und allem, was damit zusammenhängt. Er entscheidet sich auch nicht, irgendwas zu tun, weil er mitfühlt. Die Dinge passieren einfach. Und wenn etwas getan wird, dann nennt man das im Mahayana: der Buddha strahlt eine Bodhisattva-Aktivität aus.