Etikettieren in der Meditation - Brauch ich das?

  • Oft lese ich, ich solle meine Gedanken während der Meditation etikettieren. Das würde den Gedanken "die Macht nehmen" und sie verschwinden lassen.

    Das führt bei mir aber leider manchmal dazu, dass ich mir zusätzliche Gedanken darüber mache, was denn wohl das richtige Etikett wäre. Und das kann's ja nicht sein. Deswegen lasse ich das auch meist sein. In den allermeisten Fällen habe ich auch kein Problem, zum Konzentrationsobjekt (bei mir Atem) zurück zu kommen.

    Haltet ihr es trotzdem für wichtig, dass ich mich darin übe?


    Manchmal ist ein Gedanke auch nur so kurz, dass er gerade in die Länge eines Atemzugs passt. Er ist am Ende des Ein- oder Ausatmens "von selbst" wieder weg. Da würde es länger dauern "Denken, Denken" o.ä. zu denken. Oft sind diese kurzen Gedankenblitze sogar so schwach, dass ich gar keine Energie finde, sie in den nächsten Atemzug zu verlängern. Sie sind einfach wieder weg. Das finde ich immer am besten.

  • Das ist die Frage: was ist das richtige Etikett?

    Vielleicht ein Preisschild?

    Um es mal mit Kodo Sawaki zu formulieren: eigentlich ist doch jeder Gedanke nur ein Furz.

    :zen:

  • Ein Etikett verwende ich, wenn ich ein Gedankenobjekt von Emotionen befreien will, muss. Ist an diesem Subjektivobjekt ein Etikett ist es nur noch dieses Etikett. Ein emotional Gefangennehmendes wird zu einem Ding, zu dem ich mich immer neutraler verhalten kann.


    Ein "So bin ich halt." wird zu einem vor mir sitzender Persönlichkeitsanteil, der ein Etikett bekommt und so als "So könnte ich sein."

    Der Eigene Persönlichkeitsanteil wird zu einem Objekt in der Persönlichkeit und hat kaum noch Zugriff, auf die emotionalen Handlungen.


    Etiketten, Benennungen trennen Gefühl und Verstand und erschaffen eine Wahl haben.

  • Oft lese ich, ich solle meine Gedanken während der Meditation etikettieren. Das würde den Gedanken "die Macht nehmen" und sie verschwinden lassen.

    Das führt bei mir aber leider manchmal dazu, dass ich mir zusätzliche Gedanken darüber mache, was denn wohl das richtige Etikett wäre.


    Das "leider" kannst du wegstreichen, denn das was dir aufgefallen ist, ist vollkommen korrekt. Man sollte auf seinen Kopf nicht noch einen Kopf drauf stecken - man spricht dann auch von "Etikettenschwindel" :grinsen:

    • Offizieller Beitrag

    Wenn der Geist sehr ruhig ist, dann lohnt es sich, das was ihn ablenkt ganz genau zu anzuschauen. Dies führt ja ganz natürlich zu Formen der Kategorisierung auch wenn die nicht sprachlich sein müssen.


    Wenn man sich Gedanken über Etiketten macht, dann ist das ein Zeichen, das der Geist noch zu unruhig dafür ist. Von daher würde ich nicht krampfhaft etikettieren.

  • Ein Etikett verwende ich, wenn ich ein Gedankenobjekt von Emotionen befreien will,

    Das ist ein toller Hinweis! Ich glaube, ich habe versucht, den Gedanken zu etikettieren und nicht die Emotion.

    Für einen emotionslosen Gedanken brauche ich keine Etikett. Und bei einem emotionsgeladenen eines für die Emotion.

    Das hilft mir weiter.


    Dank auch an alle anderen! _()_

  • Mehr hätte ich auch nicht schreiben brauchen. :)

    Das Mehr ist dem geschuldet das ich diesen, Meinen Satz, nicht ganz durchdrungen habe.

    Der Name des Objektes ist ja schon da und bekommt von mir "Wie fühle ich Dich" dazu geklebt.

    Adjektive, Wiewörter erzeugen Verbindungen mit Objekten die sonst nicht Mein, Ich, Selbst werden.

  • Hallo @ThomZimm.


    ob Du das brauchst, kann Dir natürlich hier keiner beantworten. ;)


    Etikettieren ist eine bewährte Methode in verschiedenen Richtungen der buddhistischen Praxis.

    Wenn sie im Moment für einen selbst nicht funktioniert, dann kann das verschiedene Gründe haben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, und unter Einbeziehung, was void, Noreply, Leonie ):


    1. Man hat die Methode noch nicht richtig verstanden, oder sie wurde nicht genug erklärt.
    2. Es ist im Moment noch nicht die richtige Methode.
    3. Es ist eine Methode, die für einen völlig ungeeignet ist. (halte ich für sehr selten)
    4. Die Methode funktioniert so gut, dass das Ego Angst bekommt, und dagegen arbeitet.

    Ich tippe mal auf (1) und (4), so wie es ja schon gesagt wurde.


    Der Sinn des Etikettieren ist es, etwas Raum zwischen den Beobachter und den Wahrnehmungen zu bringen, um die Wahrnehmungen möglichst neutral und liebevoll sehen zu können. Später geht das in der Regel mehr oder weniger ohne Hilfsmittel, aber erst mal müssen die meisten Menschen das trainieren (Bodyscan wäre eine andere Methode aus der Kategorie).


    Analysieren steht also nicht im Fokus. Deshalb ist es hilfreich, möglichst allgemein und grundsätzlich zu etikettieren. Nicht "Angst" oder "Wut", sondern "Gefühl". Nicht "Schmerz", sondern "Empfindung". Nicht "Fantasie" oder "Analyse", sondern einfach "Gedanken". Dadurch vermeidet man auch jegliche Bewertung.


    Und wenn Du Dir Gedanken über die Etiketten machst: Das sind Gedanken. Du könntest einfach weiter machen, und die labeln.


    Wie Wetering bemerkt, falsche Etiketten gibt es gar nicht. Es gibt höchstens Etiketten, die nicht hilfreich sind, weil sie bewerten (sprich, Gier und Hass verstärken), statt nur zu beobachten.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Doch ich kann die Frage nach dem: "brauch ich das?" beantworten.

    Ein Eremit, ein echter ganz ohne Mitmenschen oder Kontakt lebender braucht das nicht, ein Robinson vor Ankunft von Freitag.

    Und damit ist es auch alles gesagt. Wer "Robinson" gelesen hat, das ganze Buch, weiß jetzt das genau zu dem Zeitpunkt der Ankunft eines Menschen waren Etiketten Erklärung unumgänglich.

    Alles was Robinson bisher mit Etiketten beklebt hatte, waren nur Objekte, die nicht mit ihm interagierten. Kein einziges Objekt mit Etikett reagierte auf Robinson, bis Freitag erschien und dieser auf die Etiketten reagierte, sie infrage stellte, ihren Wert für sich und an Robinson prüfte.

  • Hallo Aravind,

    Ich tippe mal auf (1) und (4), so wie es ja schon gesagt wurde.


    Der Sinn des Etikettieren ist es, etwas Raum zwischen den Beobachter und den Wahrnehmungen zu bringen, um die Wahrnehmungen möglichst neutral und liebevoll sehen zu können.

    ich tippe bei mir eher auf (1). Deine und die anderen Erklärungen helfen mir schon weiter.

    Danke

    Liebe Grüße, Thomas

  • Ich habe die Stelle noch rausgesucht: "Wir können also Etiketten wie Zukunft, Vergangenheit, Hoffnung, Pläne, Wünsche, Ärger, Langeweile, Unsinn, Träume gebrauchen. Das erste Etikett, das hochkommt, ist das richtige. Es ist nicht nötig, das beste zu finden. In jedem Fall hilft uns das Etikettieren, uns selbst besser kennen zu lernen."

    Ayya Khema (Ohne mich ist das Leben ganz einfach)

  • man kann auch das, was so "auftaucht" ganz simpel mit "Denken" etikettieren....sehr unkompliziert und dann zum (Aus-) Atem zurückkehren....kein Film von machen, das ist nicht nötig....

  • Hallo Aravind,

    ich tippe bei mir eher auf (1). Deine und die anderen Erklärungen helfen mir schon weiter.

    Danke

    Liebe Grüße, Thomas

    Gern geschehen!

    Ob 1 oder 4 findest Du mit der Zeit schon heraus. Und sei auf 4 schon mal gefasst. ;)

  • Ich etikettiere jeden Tag mehrfach.

    Auf diese Art und Weise lernte ich den Inhalt meines Geistes erst richtig intensiv kennen.


    Und erkenne ich mich, erkenne ich Andere.


    So erkenne ich

    Konzepte, die fünf Hindernisse, Reaktionen auf negative Gefühle oder auch auf positive Empfindungen.


    Das Wichtigste ist das Annehmen das es eben jetzt in diesem Moment so ist.

    In mir.In meinem Geist.


    Ohne da draußen zu reagieren, reagieren zu müssen.


    Damit habe ich die ständige Wahl angenommen.

    Die Wahl für mich selber zu entscheiden.Verantwortung zu übernehmen.Verantwortung zu tragen.

    Für die nächste Minute, Stunde oder auch Situation.


    Mögen wir alle glücklich sein

    In Metta🙏

  • Hallo Thomas,

    das 'Etikettieren' ist ein Aspekt der Sati-Übung (Achtsamkeitskeitsmeditation), wie sie in der Theravada-Tradition ausgeübt wird, ist also in eine bestimmte Lehr- und Praxistradition eingebunden. Grundsätzlich ist es nicht sinnvoll, Übungen aus verschiedenen Traditionen zu vermischen.


    Grundlage dieser Übung ist vor allem das Satipatthana Sutta MN.10. Es macht Sinn, wenn man sich für diese Übung entschieden hat, das gesamte Sutta sorgfältig zu studieren. Anschließend dann das Maha-Satipatthana Sutta DN.22 (in dem Vieles wiederholt und in einen breiteren Kontext eingeordnet wird). Ein/e qualifizierte/r Lehrer/in ist dabei auf jeden Fall eine große Hilfe; Internetforen sind da nicht wirklich ein vollwertiger Ersatz.


    Es gibt zu dieser Übung etliches an Sekundärliteratur, besonders empfehlen möchte ich das kostenfrei im Internet herunterladbare 'Sati in den Pali Lehrreden' von Bhikku Analayo. Speziell das 'Etikettieren' wird da im 5. Abschnitt behandelt.


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana


    In deinem ersten Link (Satipatthana Sutta MN.10) findet sich eine Stelle, in der Folgendes steht:


    Zitat

    Oder er verweilt, indem er die Ursprungsfaktoren im Körper betrachtet, oder er verweilt, indem er die Auflösungsfaktoren im Körper betrachtet


    Was wird als die Ursprungsfaktoren und die Auflösungsfaktoren im Körper bezeichnet?


  • Hallo Sudhana ,

    Es gibt zu dieser Übung etliches an Sekundärliteratur, besonders empfehlen möchte ich das kostenfrei im Internet herunterladbare 'Sati in den Pali Lehrreden' von Bhikku Analayo. Speziell das 'Etikettieren' wird da im 5. Abschnitt behandelt.

    Vielen Dank für diese interessante Quelle.

    _()_

  • Was wird als die Ursprungsfaktoren und die Auflösungsfaktoren im Körper bezeichnet?

    Du hast da auf Anhieb eine Klippe entdeckt :). Antwort darauf unter Vorbehalt - ich komme ja vom Zen her und daher bin ich mit theravadischer Hermeneutik nur grob vertraut, auch wenn es in der konkreten Erfahrung der Übung natürlich Berührungspunkte gibt. Aber meine Sicht ist da halt eine von Außen; vielleicht kann ja jemand, der Theravada praktiziert, dazu Näheres sagen.


    Es handelt sich jedenfalls um samudayadhamma und vayadhamma. Es gibt zu dieser Stelle unterschiedliche Übersetzungs-/Interpretationsansätze, vor allem in Abhängigkeit davon, wie man 'dhamma' an dieser Stelle versteht. Kann man dann etwa übersetzen mit "(Natur-)Gesetz [Dhamma] des Entstehens" und "(Natur-)Gesetz des Verfallens" - es ginge da also allgemein um Wahrnehmung der biologischen Vorgänge des Werdens und Vergehens des Körpers. Liest man 'dhamma' als 'Seinsmomente' (oder 'Faktoren') im Sinn der abhidharmischen dhamma-Theorie, so wird die Stelle auf den 'Atemkörper' bezogen und die Faktoren seiner Entstehung sind speziell der Körper als Ganzes, die Nasenöffnung und mentale Aktivität. Die entsprechenden gegensätzlichen dhamma sind dann der Zerfall des Körpers insgesamt sowie der Nasenöffnung und das Aufhören mentaler Aktivität. Letztere Deutung habe ich bei Nyanasatta Thera gefunden, der sich da vermutlich(?) auf die klassische Kommentarliteratur bezieht, die ich mir gespart habe, erstere (zumindest sinngemäß) bei Nyanatiloka Thera.


    Insbesondere der Ausdruck samudayadhamma verweist darauf, dass es letztlich nicht um das Erkennen körperlicher Vorgänge geht, sondern um Einsicht (vipassana) in die 2. edle Wahrheit (von der Ursache von dukkha = samudaya, 'das Mit-Aufsteigende'). Entsprechend ist das 'Auflösen' vaya Vorstufe von nirodha ('Erlöschen'), der 3. edlen Wahrheit. Diese bilden sich gewissermaßen im 'Atemkörper' unmittelbar ab. Wobei die Einsicht in sie nach traditioneller Auffassung allerdings den 'Stromeintritt' voraussetzt - also einiges an Übung ...


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Update zu meinem ersten Post in diesem Thread

    Manchmal ist ein Gedanke auch nur so kurz, dass er gerade in die Länge eines Atemzugs passt. Er ist am Ende des Ein- oder Ausatmens "von selbst" wieder weg. Da würde es länger dauern "Denken, Denken" o.ä. zu denken.

    Hierzu habe ich gerade eine Stelle in "Acht Schritte zum Glück" von Bhante Henepola Gunaratana gefunden:

    'Acht Schritte zum Glück' von Bhante Henepola Gunaratana, S. 42:

    Manche benutzen das Etikettieren, indem sie in der Meditation aufkommende Phänomene mit Worten benennen. Bemerkt der oder die Meditierende zum Beispiel Gedanken, so etikettiert er dieses geistig mit "Denken Denken, Denken". Bemerkt er Geräusche, so etikettiert er diese mit Hören, Hören, Hören".

    Ich empfehle diese Technik nicht. Die Erscheinungen, die Sie vielleicht etikettieren wollen, finden so schnell statt, dass ihnen keine Zeit bleibt, um sie zu etikettieren. Das Etikettieren braucht Zeit - Zeit für die Entstehung des Gedankens oder die Entstehung der Empfindung, Zeit, Worte für das zu finden, um das Ihnen bewusst Gewordene zu konzeptualisieren. Sie können nicht etwas etikettieren, während es passiert. Sie können nur etwas etikettieren, was bereits vergangen ist. Es reicht aus, Dinge zu beobachten, wenn sie passieren, und sich dessen bewusst zu sein.

    In letzter Zeit habe ich aufgehört, emotionslose Gedanken etikettieren zu wollen (Danke für den Hinweis, Noreply ) , wodurch meine Praxis deutlich unverkrampfter geworden ist.

  • Zitat:

    " Es reicht aus, Dinge zu beobachten,"

    ....... ist meiner Meinung nach schon "zu viel", zu "Aktiv", einfach Wahrnehmen und Gewahrsein* entwickeln/kultivieren....

    *wird auch als primordial Awareness bezeichnet.