Moin zusammen.
Ich lese gerade das Buch "Wie Siddhartha zum Buddha wurde". Es ist eine Biografie des Buddha anhand von verschiedenen Quellen des Theravada und des Mahayana, verfasst von Thich Nhat Hanh. Auffällig ist die Art von Leben, die hier beschrieben wird. Der Buddha wandert sehr viel durch wunderschöne Wälder und offene Landschaften. Offenbar erfreut er sich der Schönheit der Natur. Er genießt den Wind, die Farben der Blätter, wenn das Sonnenlicht durch sie hindurch scheint. Er sitzt gerne an Flüssen und Lotos-Teichen, unterhält sich mit verschiedensten Leuten, die ihm auf seinen Reisen begegnen. Morgens meditiert er ein paar Stunden bevor er anschließen durch den Wald spaziert im Rahmen seiner Gehmeditation. Am Vormittag geht er in die Dörfer und erbettelt das Essen für den Tag. Er wird aufgrund seiner Ausstrahlung oft eingeladen, beschenkt und bedient. Die Nacht verbringt er oft im Wald an seinen Lieblingsplätzen.
Mit anderen Worten: Urlaub von Feinsten (jedenfalls wenn es um meine Vorstellung von Outdoor-Urlaub geht).
Mein persönlicher Alltag sieht da schon sehr anders aus, da ich in einem streng getakteten Netz von Arbeiten und Verpflichtungen verwoben bin. Fast bin ich etwas neidisch und denke mir: Der hat´s gut. So ein Leben möchte ich auch führen! Aber dafür müsste ich mich so ziemlich jeder Verantwortung, jeder Pflicht, jeder Vereinbarung entziehen, die mein Leben eben gerade nicht zu einem dauerhaften Urlaub macht.
Wenn man Kants kategorischen Imperativ zu Rate zieht...
Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
...so stellt sich mir die Frage welche gesellschaftlichen Konsequenzen eigentlich ein solches dauerhaftes Urlaubsdasein für alle hätte.
Aber klar, ich bin natürlich nicht erwacht, und wenn ich so ein Leben führte, wäre es in erster Linie Urlaub, der nur mir selbst diente. Auf jeden Fall ist das Leben als jemand, der zum Wohle aller Wesen lebt, in keiner Weise so, wie ich es mir naiver Weise vorstellen würde: Leute kommen zu mir, wollen etwas, und ich muss das dann machen. Das ist im Moment bei mir eher der Fall, auch wenn ich zum Teil Geld für das bekomme, was ich für andere tue (Aber was ist schon Geld im Vergleich zu einem Blatt, durch das das Sonnenlicht hindurchscheint in einem frühlingshaften Wald am frühen Morgen).
Beim Buddha besteht dieses "allen Wesen dienen" also vor allem darin, jedem, der offene Ohren hat, seine Lehre zu vermitteln. Also dient er den Wesen vor allem durch den Dharma. Soweit so gut...
Ich frage mich, was der Buddha täte, wäre er Altenpfleger mit Familie, wenig Geld, Schulden, viel Stress... also die deutsche Lebenswirklichkeit in dieser Berufsgruppe, die sehr konkret zum Wohle der Alten und Kranken handelt. Dann müsste er ganz real Menschen tatkräftig bei ihren sehr alltäglichen Problemen helfen. Für Meditation bliebe nicht viel Zeit, und auch für ausgedehnte Spaziergänge im Wald nicht. Davon liest man in den buddhistischen Quellen aber eher selten. Das Haushälterleben wird da eher als eng, schmutzig und bedrückend beschrieben. In Relation zu diesem Dauer-Urlaubs-Gefühl, das ich bei Thich Nhat Hanh beschrieben finde, kann ich das nachempfinden. Aber das ist nun mal das Leben, auf dessen Basis die Mönche überhaupt ihre Freiheit leben können. Gäbe es diese Basis eines von anderen erwirtschafteten Überflusses nicht, gäbe es auch die Lebensform eines Wandermönches nicht. Klar geht es denen gut, wenn die sich um ihre Befreiung kümmern, das Leben mit Meditation und Wanderungen zubringen können, von vielen Menschen respektiert und geachtet werden, sich weder um Arbeit, Wohnung noch Lebenshaltung kümmern müssen. Es ist aber eine Befreiung von den Zwängen der Gesellschaft auf Kosten der Gesellschaft... umgedeutet zu "zum Wohle aller Wesen"... das hört sich dann nicht ganz so parasitär an. Das lobe ich mir doch das Ora et Labora der Benediktiner oder im traditionellen Zen.
Das hier beschriebene ist natürlich nur eine Seite. Auf der anderen Seite, macht die buddhistische Lehre das Leben der Haushälter, also unser Leben, auch deutlich leichter, weil Angst, Hass und Begehren, weil das Leiden im Alltag weniger wird. Aber es bleibt doch das leicht schale Gefühl von "die haben gut reden" . Ich wäre jedenfalls auch sehr entspannt und fröhlich bei so einem Dauerurlaub, wie ihn offenbar der Buddha bei Thich Nhat Hanh erlebt.