Stehmeditation Im Zen

  • Da ich selbst eine Art Stehmeditation im Tai-Chi-Chuan-Kontext praktiziere, und ich auf eine Stehmeditation aus dem Seon gestossen bin, die Frage: spielt sie im Zen insgesamt eine Rolle? Mir ist sie eigentlich noch nicht begegnet. Aber eigentlich kenn ich den Spruch von "Praktizieren im Sitzen, Stehen, Liegen und Gehen".
    Mein Eindruck ist, dass "ich" durch Stehmeditation auch besser sitze.

    How to Meditate Standing Up

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Interessante Frage. Auch ich habe im Rahmen meiner Taiji Quan - Übungen Zhan Zhuang Qi Gong ("stehen wie ein Pfahl") kennengelernt und auch ich finde es bemerkenswert, dass es keine formale Übung des Zen im Stehen zu geben scheint. Obwohl die 'vier Haltungen' öfters angesprochen werden, beschränkt man sich da doch auf das Sitzen und Gehen. Ich vermute, dass man da schlicht eine 'Autorisierung' durch indische Quellen vermisste. Bezeichnend ist, wieviel Mühe sich Menzan Zuiho (auf dessen Kinhinki die Formalisierung Soto-Kinhin zurückgeht) gab, seine 'restaurierte' Form des Kinhin aus kanonischen Quellen abzuleiten.


    Dass das im Seon etwas anders aussieht, hat mich überrascht - wobei natürlich fraglich ist, wie weit verbreitet / üblich diese Praxis im Seon eigentlich ist. Bis hin zur "thought regulation" sieht mir die Beschreibung nach einem stark simplifizierten Zhan Zhuang aus - das Mudra etwa :roll:... Wenn man schon die Hände vor der Plauze zusammenlegt, dann liegen die Laogong-Punkte besser direkt übereinander auf dem Qihai. Und 'kleiner himmlischer Kreislauf' ist auch ein bißchen mehr als nur Zwerchfellatmung ('diaphragmatic breathing').

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Anknüpfend an diesen Thread und die dort von Igor07 verlinkte Arbeit Carsten Krauses:


    Herzlichen Dank für den Link, Igor07 - die Arbeit kannte ich noch nicht. Das letzte Kapitel über die vier Meditationsformen passt auch prima als zusätzliche Hintergrundinformation zum Thread hier (der leider bislang auf kein großes Interesse stieß). Es ist bezeichnend, dass im Tiantai (Jap. Tendai) die Formen im Stehen und Liegen nur negativ bezeichnet werden und auch noch in dieselbe Kategorie fallen - als "Meditation ohne Sitzen und ohne Schreiten". Die übliche Form der Zenübung (wechselnd Zazen und Kinhin) fiele entsprechend in die Kategorie "Meditation des teilweisen Sitzens und teilweisen Schreitens" - allerdings mit der Tendenz zur Transformation in "Meditation ohne Sitzen und ohne Schreiten", dem gyō jū za ga (= gehend stehend sitzend liegend) - Zen. Wie Krause richtig anmerkt, ist die "Meditation ohne Sitzen und ohne Schreiten" eigentlich eine "Meditation nicht nur im Sitzen und beim Schreiten". Im Grunde genommen ist das, jedenfalls nach meinem Verständnis, auch keine Meditationsform, sondern formlose (besser: Form transzendierende) Meditation.


    Jedenfalls - offenbar lehrt auch Tiantai / Tendai Stehen und Liegen nicht als distinkte Meditationsformen. Möglicherweise ist die Seon-Stehmeditation ein Erbteil des Huayan (Jap. Kegon), das in Korea mit den verschiedenen, vor allem auf Mazu Daoyi zurückgehenden Chan-Traditionen zum Seon verschmolz. Wobei ich über deren Praxisformen nichts Näheres weiss. Vorerst scheint mir bei dieser Seon-Übung ein daoistischer Einfluss die naheliegendste Vermutung zu sein.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Im Grunde genommen ist das, jedenfalls nach meinem Verständnis, auch keine Meditationsform, sondern formlose (besser: Form transzendierende) Meditation.

    Hm, Sudhana , aber sogar bei dem so wie "normalen" Zen man sitzt eigentlich, um weiter... lol... nichts mehr zu "sitzen"...

    Zen ist doch paradoxal per eigenen Natur... Man benutzt das geschickte Mittel, aber um darüber hinaus zu gehen.

    Anders ausgedrückt, in der Bild-reihe " Auf der Suche nach dem verlorenen Ochsen" das letze 10 Bild heisst :" Er wirkt mit helfenden Hand in Stadt"... Der Weg des "Bodhisattva", eigentlich, zurück in den Markt , in das "normale" Leben.... aber die andere Qualität... ( Und die Berge sind wieder die Berge.. so etwas...)...

    Was ich vermitteln wollte... das geht doch genau um dieses "Transzendieren", eigentlich....

    So wenigtens ich es vetstehe, aber ich kann mich täuschen... lol...

    Ich bin doch noch kein Bodhisattva, mit der "Helfenden " Hand.... .. Man kann es auch anders betrachten--- alles! , das ganze Leben ist die Meditation... die darüber hinaus auf den Alltag aus-wirkt. Samadhi in der Stadt... im Schlamm des Lebens... Keine Dualität , alles ist heilig. (Form ist Leer und umgekehrt, so man kann / könnte/ die "dritte" Wahrheit , über welche du gesprochen hast, so zu interpretieren..) Oder?

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Mir ist so etwas ähnliches bei den Kwan Um Zen-Leuten begegnet, aber da hieß es nur, dass man, wenn die Beine eingeschlafen sind, aufstehen kann/soll. Da schien es mir keine eigenständige Übung zu sein.

    Wie alt Zhan Zhuang ist, da bin ich mir nicht sicher. Es scheint mir (ähnlich wie Tai Chi) nicht so sehr alt zu sein. Wiki meint:

    "Das System der grundlegenden Übungen, so wie es heute bekannt ist, wurde von Großmeister Wang Xiangzhai (1885–1963) begründet."

    (Wie beim Tai Chi bin ich mir aber nicht sicher, ob es nicht eher neokonfuzianisch als daoistisch ist).

    Allerdings gibt es bei Zhuangzi eine Aussage: "Der Weise atmet von der Ferse aufwärts", was manche als Stehmeditation verstehen (Das Wort Meditation ist sicher in diesem Fall nicht als Geistestraining zu verstehen, so wie manche auch sagen, Zazen ist nicht Meditation).

    Aber sie könnte ja auch im buddh. Kontext unabhängig davon entstanden sein. (Allerdings ist Zen für mich eh ein wenig synkretistisch, hat atmet auch ein wenig den Geist des Tao, und beim Seon kommt dann noch Huayan und Amida-Buddhismus dazu, auch noch koreanisch schamanistisches dazu). Aber sicher sollte man Zhan Zhuang und Stehende Meditation des Seon vielleicht nicht zu sehr vergleichen. Daoismus (oder auch Neokonfuzianismus) und Buddhismus liegen halt doch auch weit auseinander. (Aber den Eindruck hab ich auch bei verschiedenen buddh. Richtungen - z.B. Betonung der Eigenbemühung (jiriki) oder der anderen Kraft (tariki)).


    Zu "keine Dualität: alles ist heilig" noch ein paar Gedanken. Mal wieder ein wenig abschweifend. Hiess es bei Bodhidharma nicht: Offene Weite, nichts heiliges?

    Zu Dualität/Einheit noch mal: Im Daoismus kennt man drei Modi. Einmal den Modi der Vielheit. Dann den Modi der Einheit. Dann den Modi, wo auch die Einheit vergessen ist. Aber man kennt nicht so die Abwertung des einen, die Bevorzugung des anderen. Obwohl sicher die Selbstvergessenheit ein wenig priorisiert wird. Aber bei Laozi heisst es auch:


    Keinen-Namen-habend (Nondualität?)

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend (Dualität?)

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.


    Also,

    stets ohne Begierden sein,

    um die Feinheiten zu sehen.

    Stets Begierden haben,

    um zu sehen, wonach verlangt wird.


    Die zwei -

    gemeinsam treten sie hervor,

    verschieden werden sie benannt.

    Gemeinsam heißen sie:

    Noch verborgener als das Verborgene.

    Das Tor der vielen Feinheiten.


    Naja, Daoismus mag ja eher die Gleichwertigkeit. Aber man könnte ja auch "Leere ist Form, Form ist Leere" so ähnlich lesen. (Obwohl es da ja eher um die Skhandas geht).

    Zum Thema zurückkehrend, wie ich ja auch anmerkte, hilft mir das Stehen auch beim besser sitzen, (die Körperstruktur wird irgendwie anders), und mich verwundert nur ein wenig, dass man so viel Wert aufs Sitzen, ein wenig aufs Gehen, kaum/nicht auf Stehen und Liegen (das kenn ich nur aus dem Dzogchen oder halt aus anderen Kontexten (Yoga oder Osho)) gelegt wird.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

    Einmal editiert, zuletzt von Keine Ahnung ()

  • Sehr angenehm, diese Stehmeditation.

    Darauf wäre ich jetzt garnicht gekommen, momentan ertrage ich keine Meditation im Sitzen, verstärkt meine Trauer sehr und die Stehmeditation räumt regelrecht meine Knochen von unten nach oben auf.

    Diese hat nun echt Anhaftungspotential, erst habe ich mir 10 Minuten vorgenommen, später wollte ich garnicht mehr aufhören.

    Ob ich die Hände und Arme richtig halte, weiß ich nicht und ob Augen offen oder geschlossen, weiß ich jetzt auch nicht; jedoch ist das wohl eher sekundär.

    1000 Dank.

    Liebe Grüße Schneelöwin


    Ein Geist, der an eine Idee gebunden ist, an ein Konzept, an eine Wertvorstellung macht Handlung immer korrupt. Wenn man an einen Glauben gebunden ist, wird die eigene Handlungsweise glaubensgemäß und daher korrupt sein. Wenn man nach seinem eigenen Erfahrungswissen handelt, wird die Begrenztheit des Wissens die Handlung immer korrupt sein lassen.

    Jiddu Krishnamurti




    • Offizieller Beitrag

    Sehr angenehm, diese Stehmeditation.

    Darauf wäre ich jetzt garnicht gekommen, momentan ertrage ich keine Meditation im Sitzen, verstärkt meine Trauer sehr und die Stehmeditation räumt regelrecht meine Knochen von unten nach oben auf.

    Diese hat nun echt Anhaftungspotential, erst habe ich mir 10 Minuten vorgenommen, später wollte ich garnicht mehr aufhören.

    Ob ich die Hände und Arme richtig halte, weiß ich nicht und ob Augen offen oder geschlossen, weiß ich jetzt auch nicht; jedoch ist das wohl eher sekundär.

    1000 Dank.


    Toller Bericht, danke. Ich werde es auch mal wieder stehend versuchen.


    Ich habe mal von Samuel Theiler gelernt, dass man bei der Meditation im Stehen, die Augen geöffnet lassen sollte. Sonst besteht die Gefahr, dass man umfällt.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Dieser Gedanke mit dem "Umfallen" kam mir auch; und zunächst hatte ich die Augen sicherheitshalber offen gehalten.

    Dann merkte ich aber mit der Zeit, dass mein Stand immer fester wurde, obwohl ich garnicht viel Kraftanstrengung benötigte und dann baute sich das Vertrauen auf, die Augen nun schließen zu können.


    Dabei bemerkt man das Loslassen der Muskeln noch viel mehr und das Gefühl dass die Knochen sich gerade rücken. Danach - als sich alles stimmig anfühlte - wurde der Geist dann ruhiger.

    Tolle Erfahrung - mal sehen wie sich das weiter entwickelt.

    Liebe Grüße Schneelöwin


    Ein Geist, der an eine Idee gebunden ist, an ein Konzept, an eine Wertvorstellung macht Handlung immer korrupt. Wenn man an einen Glauben gebunden ist, wird die eigene Handlungsweise glaubensgemäß und daher korrupt sein. Wenn man nach seinem eigenen Erfahrungswissen handelt, wird die Begrenztheit des Wissens die Handlung immer korrupt sein lassen.

    Jiddu Krishnamurti




  • Wenn ich mich recht erinnere, hat man im Zen die Augen stets leicht geöffnet. Auch in den aus den den Kampfkünsten entstammenden Stehübungen (Wu Chi, Zhan Zhuang, San Ti Shi) hat man die Augen leicht geöffnet (das entspricht der für mich sehr schönen Vorstellung von Peter Sloterdik als Meditation als einen Schwebepunkt zwischen innen und außen). Obwohl ich nicht glaube, dass man mit geschlossenen Augen umkippt. Zum Teil gibt es da die Anweisungen, vor Bäumen zu stehen (Einer meiner Tai Chi Chuan-Lehrer empfahl auch die Übung in der Natur), hat also angenehmes vor den Augen. Manchmal hatte ich da den Eindruck einer gemeinschaftlichen Praxis, obwohl ich auch gern an einem Fluss stehe. (Sicher sieht man da daoistische Einflüsse, der Mensch als nicht getrennt von der Natur - beim Sitzen kann es einem allerdings passieren, dass Schafe versuchen, einem das Kissen unter dem Hintern wegzuziehen ;). Aber Buddha hat ja auch in der Natur gesessen. Klöster und Meditationszentren kamen doch erst später).

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Hier mal noch ein Link zu einem Wuji-Video, das in der Haltung ja nicht so sehr abweicht, aber auch sehr gut die körperliche Ausrichtungen aus Qi Gong Sicht beschreibt. Was vielleicht hilfreich sein kann.

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    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Es lohnt sich diesem Video - wenn auch 50 min lang - die Aufmerksamkeit zu schenken - . Vielleicht danach nicht zu perfektionistisch werden, sondern sich herantasten (hineinfühlen) . Dankeschön, freue mich darüber:)

    Liebe Grüße Schneelöwin


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  • Durch die Erkenntnis der Stehmeditation im Zusammenhang mit der Qi Gong Haltung bin ich auch wieder motiviert die Shibashi Übung zu machen.

    Lange Zeit war ich im falschen Stand und kein Lehrer nahm sich je die Zeit zunächst einmal nur eine Stunde Qi Gong - wie stehe ich überhaupt - anzubieten. Allerdings war ich auch im Verein und nicht privat unterwegs.

    toll wie detailgenau Marco Lück alles durchgeht, das habe ich so noch nie erlebt und so ein guter Lehrer wohnt nun in Westerrönfeld. Ich werde mir nach und nach alle seine Videos ansehen.

    Liebe Grüße Schneelöwin


    Ein Geist, der an eine Idee gebunden ist, an ein Konzept, an eine Wertvorstellung macht Handlung immer korrupt. Wenn man an einen Glauben gebunden ist, wird die eigene Handlungsweise glaubensgemäß und daher korrupt sein. Wenn man nach seinem eigenen Erfahrungswissen handelt, wird die Begrenztheit des Wissens die Handlung immer korrupt sein lassen.

    Jiddu Krishnamurti