The Root of Zen: Ein Interview mit David Hinton

  • Vorher wurde versucht, Roloff und Hinton als "Übersetzer" zu markieren, beide sind jedoch auch Praktizierende.

    Ich denke/hoffe mal, das gilt für uns alle hier. Da sind wir alle "Empiriker".

    Eben. "Wahrscheinlich", ergo, es gibt keine Übereinkunft.

    Ja. Es gibt Theorien, plausible und weniger plausible. Angesichts der Quellenlage ist das Räsonnieren über ein "vorinstitutionelles Chan" 400 n.d.Z. reine Spekulation. Historisch einigermaßen fassbar wird Chan erst mit der sog. Lankavatara-Schule oder Ekayana-Schule (nicht mit Tiantai zu verwechseln), davor gibt es nur Fantasie statt Empirie. Und die Bodhidharma-Legende entstand erst (nach und nach) in der Tang-Zeit, die kann man ja wohl nicht ernsthaft als Beleg heranziehen.


    Was das Platform-Sutra angeht, habe ich mit der Dunhuang-Version (Übers. Yampolsky) auf die älteste erhaltene Version (um 780, also ca. 70 Jahre nach Huinengs Tod) verwiesen - es ist also keine spätere 'Anwachsung'. Wenn Du Yampolsky, McRae, Red Pine oder Jarand greifbar hast, kann ich Dir die Stelle raussuchen. Ist ziemlich am Anfang - erster Lehrvortrag, anschließend an seine Auslegung der Trikaya-Doktrin.

    Wenn man diese Frage nicht stellt, bewegt man sich in einem endlosen Kreislauf von Formalitäten und verwechselt dann noch den Sinn der buddhistischen Praxis, nämlich Empirie, also Erfahrungswissen, mit Wissenschaft.

    Sorry - aber das ist nicht Empirie, das ist Hermeneutik. Und wenn man sich da im Kreis bewegt, dann ist das kein hermeneutischer Zirkel - der ist nämlich eine Spiralbewegung. Da kommt dann auch die praktische Erfahrung ins Spiel - die steuert diesen hermeneutischen Zirkel ins Zentrum - dem, "was außerhalb der Schriften und Rituale übertragen wurde" wird. Ob man da nun die wirre und inkonsistente schriftliche Überlieferung - sei es die des Buddhismus oder die Daoismus - als hermeneutisches Material bemüht oder das wirre und inkonsistente Geschwätz eines Meisters (oder Übersetzers, SCNR }:-)), macht keinen großen Unterschied. Allenfalls hinsichtlich des Risikos, an der Nase herumgeführt zu werden. Wobei ich persönlich ersterem - der schriftlichen Überlieferung - doch häufig das 'Sutra der Berge und Gewässer' vorziehe.


    Wie auch immer, wenn so eine daoistische Hermeneutik des Chan funktioniert (angeblich soll ja auch christliche funktionieren), habe ich nicht das geringste Problem damit - entscheidend ist da Orthopraxie, nicht Orthodoxie. Aber hier geht es ja um etwas anderes - nämlich um die kühne Behauptung, Chan funktioniere nur mit einer daoistischen Hermeneutik - den Buddhismus habe man da über Bord geworfen und Chan (erst recht Zen) auf buddhistischer hermeneutischer Grundlage funktioniere nicht bzw. sei dann nicht wirklich Chan / Zen.


    Ich kann mir nicht helfen - so ein wenig übergriffig empfinde ich das schon. Ich habe Hinton nicht gelesen (reizt mich auch nicht allzusehr), aber bislang habe ich nicht den Eindruck, dass diese Behauptung auch nur einigermaßen fundiert ist. Schon gar nicht empirisch evident. Die Evidenz (für Andere) ist entscheidend, sonst kannst Du Deine "Empirie" in die Tonne kloppen. Das ist dann nämlich nur ein "ich sehe was, was du nicht siehst" - Spiel.

    Oben wird dadurch, dass Wuzhu Schriftenkenner war, unterstellt, er habe den Buddhismus nicht hinter sich gelassen.

    ... was wiederum selbst eine Unterstellung ist. Ich will hier gar nicht über die Tiefe der Einsicht oder Nicht-Sicht von Wuzhu spekulieren, aber auf jeden Fall hat er seine (offenbar recht tiefgehenden) Kenntnisse buddhistischer Sutren als fangbian (hōben, upāya) zum Wohl seiner Zuhörer genutzt. Keinen Laozi, keinen Zhuangze, kein Yijing (falls Dir dieser Punkt entgangen sein sollte).

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  • Yampolsky, McRae, Red Pine oder Jarand greifbar hast

    Korrektur: nicht Red Pine, sondern Cleary - die übrigens auch Huinengs Kommentar zum Diamantsutra enthält.

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  • Ich habe früher gern gesagt, dass Zen eine daoistische Variante des Buddhismus ist. Aber im Laufe von Dekaden und in der Auseinandersetzung mit Praktizierenden vor allem des japanischen Zen bin ich drauf gekommen, dass es besser ist, im Falle von Zen gar nicht von Buddhismus zu sprechen, damit klarer wird, worum es da im Zen/Chan ganz entscheidend geht. Das buddhistische Drumherum ist bloß ein äußerliches Vehikel für etwas, das man über den Taoismus ebenfalls erreicht/erkennt/erlebt, und um dieses Erleben des Übenden geht es. Der Witz ist, dass man zum Erwachen ganz ohne Buddhismus oder Taoismus gelangen kann. Im Umkehrschluss sind demnach alle religionsspezifischen Wege für dieses "Heilsziel" verzichtbar.


    Hinton wiederum bringt ein paar gute Argumente auf der Sprachebene und der Gedankenwelt Chinas. Da ist sicher nicht alles neu entdeckt, aber ich sehe z.B. in der Interpretation des Mu von Joshu zur Buddha-Natur des Hundes Parallelen zu meinen eigenen Ansichten.


    Nun gehe ich nochmal ausführlicher auf Wuzhu ein, das lohnt sich m.E..


    "Da Meister Daoyis Ansichten nicht mit den Methoden Wuzhus übereinstimmten, verließ er ihn. Im Jingzhong-Kloster in Yizhou traf er auf Gebotelehrer Hekong und die anderen und sagte: „Chan-Meister Wuzhu in den Bergen praktiziert weder Anbetung noch Rezitation, er sitzt einfach in Leere.“ Das vernahmen Hekong und die anderen mit großem Erstaunen und riefen aus: „Wie könnte das der Buddha-Dharma sein!?“


    Ja, wie kann etwas der Buddha-Dharma sein? Offenbar ein alte Frage. Die da vom Buddha-Dharma Überzeugten dachten also, in "Leere" zu sitzen (oder vlt. im Tao zu verweilen) gehöre nicht dazu. Sie hatten schon die klare Vorstellung, dass es gewisser Rituale bedarf. Und dann haben wir einen Wuzhu, der sich gut in der buddhistischen Überlieferung auskennt. Würde ich etwas anschaulich machen, würde ich auch daraus zitieren können, wohingegen mir Parallelen aus dem Koran und selbst aus dem Christentum kaum geläufig sind und ich auch die Hermeneutik a la Hegel nicht beherrsche, ich würde also in der mir angestammten Metaphern-Heimat bleiben, vor allem, wenn die Leute, die mich unterstützen, das als Gegenleistung auch gern so haben.


    Jetzt schauen wir uns zwei Textpassagen an. Erst mal die Ansprache ans gemeine Volk.


    "Wenn der Ehrwürdige seinen Sitz einnahm, erläuterte er üblicherweise allen, die den Weg studierten, die Gelübde. Da er befürchtete, dass sie sich an wörtliche Erklärungen hängen würden, zitierte er zuweilen die Krabben im Reisfeld und fragte dann nach dem Sinn, doch die Versammlung verstand ihn nicht."


    Wie auch immer, es geht um einen Klassiker, die Gelübde, und die Leute begreifen nicht recht. An einer anderen Stelle setzt sich Wuzhu dann ausgerechnet mit den Kennern der Materie auseinander, Vinaya-Experten. Und die belehrt er so:


    "Was Nicht-Rückbesinnen und Nicht-Denken angeht, so bedeutet es, sich überhaupt keines Dharmas zu besinnen, weder des Buddha-Dharmas noch weltlicher Lehren. (…) Im Augenblick wahren Erkennens ist dieses Erkennen wie Transzendenz des Erkennens. Wenn das Erkennen unzureichend ist, heißt es ‚den Buddha sehen‘. Im Moment des wahren Sehens ist jedoch selbst dieses Sehen nicht. (…) Derart gelassen, weder versinkend noch treibend, weder dahinfließend noch kreisend, aber so lebendig wie ein springender Fisch – und zu jeder Zeit ist alles Meditation!“


    Hier sind nun drei typische buddhistische Merkmale aufgehoben: 1) Der Dharma. 2) Der Buddha. 3) Die vom Alltag getrennte Meditation.

    Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass es eine buddhistische Metaphernwelt und ein Zitieren und Textinterpretieren (wie es der Pfarrer wohl in der Sonntagspredigt mit der Bibel macht) fürs gemeine Volk gibt und eine tiefsinnigere Lehre, um die es wirklich geht, in der genau das ad acta gelegt ist. Ich weiß nicht, ob Wuzhu zu seiner Zeit, wenn man ihn gefragt hätte, von sich selbst behauptet hätte, dass er auch ganz ohne Buddhismus dahin gelangt wäre. Möglicherweise war das den damaligen Adepten noch nicht so klar, da die Welt noch nicht so zusammengerückt war und ihr Instrumentarium der Analyse ein anderes.


    Falsch aber ist, dass Wuzhu seine Daoisten nicht kannte. Er grenzt sich allerdings klar von ihnen ab. Es folgt eine längere Passage, wo er sich mit eben diesen unterhält und ihnen sogar den Zhuangzi erklärt:


    "Was Zhuangzis Aussage angeht, dass ‚nicht geboren ist, was Leben erzeugt‘, so ist ‚nicht geboren‘ genau dann, wenn keine verblendeten Gedanken entstehen. Und was ‚das, was Leben zerstört, stirbt nicht‘ betrifft, so bedeutet ‚stirbt nicht‘ genau ‚ungeboren‘.“ (…)


    Die Daoisten meinten: „Wenn einer es so erklärt, bedeutet es: ‚Buddhismus und Daoismus sind nicht zwei.‘“ Doch der Ehrwürdige widersprach: „So ist es nicht. Zhuangzi und Laozi haben Nicht-Tun, Nicht-Merkmale, das Eine, Reinheit und Spontaneität verhandelt. Der Buddha lehrte freilich, dass sowohl Kausalität als auch Spontaneität nutzlose Theorien seien. ‚Alle Ehrwürdigen und Heiligen stimmen mit dem Dharma des Nicht-Tuns überein, und doch gibt es Unterschiede.‘ Der Buddha verweilt also weder in Nicht-Tun noch in Nicht-Merkmalen. (...) Zhuangzis, Laozis und Fuzis Lehre kann man mit der der shrâvaka vereinen. Der Buddha ermahnte diese, als seien sie ‚blind und taub‘."


    Interessant ist also, dass die Daoisten schon damals das Gefühl hatten, was Wuzhu predigt, käme ihrer eigenen Lehre gleich. Was Wuzhu dagegenhält, ist nun ausgerechnet, dass der Buddha Kausalität (!! ein für viele Buddhisten unumstößliches Gesetz - siehe mein obiges Zitat aus dem "Proto-Chan") als nutzlos ansehe - und Spontaneität. Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir aus heutiger Sicht gerade darin eine Nähe von Zen und Daoismus postulieren, denn so wie ich es verstehe, kennt der Daoismus das Chaos und hängt gerade nicht - wie viele Buddhisten - dem (traditionell buddhistischen) Kausalitätsgesetz an, während wiederum Spontaneität geradezu das Kennzeichen von Erleuchtungserfahrungen im Chan ist (Wuzhu selbst, erinnern wir uns, hatte ja sein erstes Erwachen, nachdem ihm jemand mit Worten die Lehre des Meisters Kim erklärt hatte) oder von Handlungen in Geschichten wie der, wo ein Mönch eine Frau über einen Fluss trägt, damit sie nicht nass wird. Wir haben hier den interessanten Fall, dass Wuzhu sich gegen etwas abgrenzt, das er wohl falsch verstanden hat, er führt ein Scheingefecht. Darum glaube ich, können Daoisten hier in diesem Forum Wuzhu als Geistesfreund ansehen.


    [Zu ergänzen ist das Übliche, zumal diese Textpassage gegen Ende der Überlieferungen zu Wuzhu steht: Wer solche Texte verfasst, hat in der Regel ein Interesse, seine Schule gegen andere abzugrenzen, d. h. wenn wir hier von "Wuzhu sagte dies und machte das" reden, dann muss das nicht alles auf dessen Mist gewachsen sein; wir versuchen im Grunde aus einer halbwegs fiktiven, eher hagiographischen als biographischen Figur, Sinn zu machen.]


    Zitaten nach: Gutes Tun. Die Lehren von Zen-Meister Wuzhu. Kindle E-Book 2022.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    2 Mal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Persönlichkeitsglaube (sakkāya-ditthi, siehe ditthi),

    Zweifelsucht (siehe vicikicchā),

    Hängen an Regeln und Riten (sīlabbata-parāmāsa; upādāna, 3),

    Sinnliches Begehren (siehe kāma-rāga),

    Groll (vyāpāda),

    Begehren nach Feinkörperlichkeit (rūpa-rāga),

    Begehren nach dem Unkörperlichen (arūpa-rāga),

    Dünkel (siehe māna),

    Aufgeregtheit (siehe uddhacca),

    Unwissenheit (siehe avijjā).


    samyojana


    Hier ist die Fessel "Unwissenheit". Dieses gefesselt sein an Unwissenheit erschafft Persönlichkeitsglaube.

    Dieser erzeugt Zweifel als Fehler, darum hängen an Regeln und Riten als Hafen der Ordnung. Sinnliches Verlangen ist Flucht aus dem Hafen und um der Sinnlichkeit zu entgehen, kommt das Verlangen auf nur ein Geistwesen zu sein. Doch ein Geist wird auch noch Körperlich gedacht, also kommt es zu einem Dünkel etwas ganz Besonderes zu sein. Dadurch erscheint Aufgeregtheit, weil der Dünkel immer verteidigt werden muss, und das führt dazu, die Unwissenheit durch Studieren zu überwinden, doch löst sich dadurch eine Frage auf, mit einer Antwort, erscheinen zehn neue Fragen. Also gefesselt von Unwissenheit, die nicht befriedigt werden kann.


    Leider kann das nur so erkannt werden und nicht durch Bekämpfen und vernichten der Fesseln. Wenn eine Fessel scheinbar ausgeschaltet ist, erscheint eine andere stärker. Ein gefesselt sein rein durch Gedankengebäude.

    Aber wie es geht, das Befreien, steht im Diamantsutra. Doch nur wenn man das heilige Gebrabbel entfernt und das wahrnimmt, was wesentlich ist, und das ist sicher nicht das, an dem sich die Leser festbeißen. https://www.buddhaland.de/atta…84-diamantsutra-kurz-pdf/

    Da steht ganz klar, dass Befreiung durch keine Lehre oder irgendjemanden ausgelöst wird. Befreiung geschieht allein in dem fühlenden Wesen, das befreit wird ohne irgendeine Äußerlichkeit aus Lehren oder Texten. Der Witz ist das es so erscheint, weil der Befreite sich wieder fesselt und die Lehren benutzt, um das, sein befreit sein, zu verstehen. Das Gestrüpp wird wieder höher, bis zum nächsten Befreien. Irgendwann werden Lehren nicht mehr Fesseln, sondern Getrennt vom Befreiten erkannt. Nicht Vernichtet, sie gehören zu seinem Ich-Sein, von dem der Befreite weiß, dass es eben seine Person ist, und er nicht mehr dem Glauben verfällt, diese Person zu sein. Innerlich sagt er, das ist nicht Mein, das ist nicht mein Ich, das ist nicht meine Person, aber das bin auch Ich.


    Bebop Ich stimme ganz mit dir überein. Zazen ist das, was schnell zum Ziel führt, einfach nur Sitzen, hellwach in der Welt und doch ohne jedes konzeptionelle Gedanken machen. Doch Zen als Regeln und Ritus fängt das Befreit sein im Zazen immer wieder ein. Denn es gibt wahrscheinlich sehr wenige Meister, die wissen, wie es ist befreit zu sein und doch auch das sie eine Person sind. An die sie nicht gefesselt sind und sich auch nicht darauf festnageln lassen das sie ja Person, persönlich sind.

  • Interessant ist also, dass die Daoisten schon damals das Gefühl hatten, was Wuzhu predigt, käme ihrer eigenen Lehre gleich. Was Wuzhu dagegenhält, ist nun ausgerechnet, dass der Buddha Kausalität (!! ein für viele Buddhisten unumstößliches Gesetz - siehe mein obiges Zitat aus dem "Proto-Chan") als nutzlos ansehe

    Das ist ein gutes Beispiel für die von mir oben konstatierten Defizite hinsichtlich der Kenntnis der geistesgeschichtlichen Wurzeln des Chan. Zunächst einmal - "Kausalität" gibt es im Buddhismus nicht. Es gibt eine Konditionalität, wobei vier Klassen von Bedingungen (四緣 siyuan / shien) unterschieden werden. Das findet sich schon im Abhidharma des frühen Buddhismus (der Theravada-Abhidhamma nennt sogar inflationäre 24). Nach China übermittelt durch das Jushe Lun / Kusha ron (Abhidharmakośa-bhāṣya) von Vasubandhu. Wobei das allerdings erst zu Lebzeiten Huinengs übersetzt wurde. Wichtiger für Chan war da das Zhonglun (中論 Madhyamaka-śāstra), also Nāgārjunas MMK mit Anmerkungen Piṅgalas. 409 von Kumārajīva übersetzt und kommentiert. Die Behandlung der siyuan findet man da vor allem in Abschnitt 20, wobei das Thema im Kontext 'abhängigen Entstehens' pratityasamutpada (緣起 yuanqi / engi) natürlich an mehreren Stellen der MMK aufgegriffen wird.


    Wenn Du mit "Kausalität" karma ansprichst, dann wirst Du hingegen vor allem in Abschnitt 17 fündig. Die Dekonstruktion des karma-Begriffs beginnt (nach Vorstellung verschiedener Konzepte davon) bei Vers 21. Wenn man damit etwas vertraut ist, überrascht einen Wuzhus Antwort nicht im geringsten.


    Nicht ganz zufällig gilt Nāgārjuna als indischer 'Patriarch' des Chan. Der oben erwähnte Vasubandhu übrigens auch, wenn auch wohl eher wegen der Autorschaft der Weishi sanshi zong (唯識三十頌, Triṃśikā vijñapti kārikā), Grundtext des Yogacāra. Auch erst zu Lebzeiten Huinengs übersetzt - Yogacāra- (und Tathāgathagarbha / Buddhanatur-) Konzepte wurden zunächst durch das Lankavatara-Sutra übermittelt, dem zentralen Lehrtext des Chan vor Huineng.


    Wenn es zu Beginn des 5. Jahrhunderts einen Impuls gab, als eine der Bedingungen für das Entstehen von Chan, dann war es die Übersetzung Nāgārjunas (und Kanadevas, ebenfalls indischer Zen-Patriarch) sowie die Übersetzung des Lankavatara (älteste bekannte, jedoch nicht erhaltene Übersetzung zwischen 412 und 433 von Dharmakṣema). Die Fassung in vier Schriftrollen, die traditionell mit Bodhidharma in Verbindung gebracht wird, ist von 443 von Guṇabhadra (im Tripitaka sind zwei weitere, spätere überliefert).


    Vorsorgliche Anmerkung: natürlich ist diese 'Patriarchenlinie' ein konstruierter Mythos. Aber trotzdem verweist sie auf eine geistesgeschichtliche Entwicklungslinie, in die Chan sich einordnete und mit der es auf seine Wurzeln verweist.

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  • Zweifellos haben Bodhidharma und seine Clique sich in den ihnen zugeschriebenen Texten von Nagarjuna inspirieren lassen.

    Nagarjuna hat die Leere (shunyata) in bedingtem Entstehen (pratitya samutpada) offenbart gesehen. Buddhistische Praxis war für ihn Wiedergutmachung von Schuld: "Karma ist eine Schuld ohne Verfallsdatum, ... sie wird vergolten durch kontinuierliche Praxis (bhâvanâ-heya)."

    (siehe Youru Wang (Hg.): Deconstruction and the Ethical in Asian Thought ).


    Für mich ist damit sein Versuch gescheitert, zunächst zu erläutern, dass es weder Karma gäbe noch nicht gäbe bzw. Erzeuger und Empfänger des Karma "traumgleiche" Wesen seien. Die Theorie ging in seiner Praxis nicht mehr auf. Am Ende bringt er eine moralische Verpflichtung (Schuld) als Notwendigkeit zur Praxis ins Spiel. Nagarjuna sucht eine logische Anbindung an das, was vom Buddha überliefert wurde. Darum kann man mit ihm auch dieses Linien- und Patriarchenspiel betreiben.


    Bei Bodhidharmas Clique findet sich auch der Einfluss des Vimalakirti-Sutras, nachdem Befleckungen nicht abgeschnitten werden müssen, um Nirwana zu erlangen. (Dieser Vimalakirti gilt freilich nicht als Patriarch.) Nun ist also die Frage, ob man darin - oder im Verwerfen der Kausalität bwz. eines Karmas von Gut und Böse (statt in einem rhetorischen "weder noch" des Nagarjuna) einen feinen Unterschied sieht bzw. eine entscheidende "Weiterentwicklung" oder nicht. Von welchem Ballast und auf welche Weise hat sich Nagarjuna befreit (der eindeutig der vernünftigen Analyse anhing) und von was und wie die Bodhdiharma-Clique und ein Wuzhu (der Nicht-Denken und Nicht-Rückbesinnen - für mich das Gegenteil der Vorstellung einer wiedergutzumachenden Schuld - in den Mittelpunkt stellte)? Und wenn man sich diese Frage stellt und z.B. schaut, wie sich Schulen wie die tibetischen, die sich wesentlich an Nagarjuna gebunden fühlen, oder die Dôgens entwickelt haben (und inwiefern sie den Schriften verhaftet blieben), dann kann man m.E. im Chan ein Modell erahnen, das sich von dieser letzten Verpflichtung Nagarjunas gegenüber der Überlieferung noch befreien will. Eben weil der Impuls von Nagarjuna hierzu offensichtlich nicht ausreichte, ist ein entscheidender Einfluss aus anderen Richtungen anzunehmen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Buddhistische Praxis war für ihn Wiedergutmachung von Schuld: "Karma ist eine Schuld ohne Verfallsdatum, ... sie wird vergolten durch kontinuierliche Praxis (bhâvanâ-heya)."

    (siehe Youru Wang (Hg.): Deconstruction and the Ethical in Asian Thought ).

    Sorry, wenn ich deutlich werde - aber das ist Unsinn. Das scheint mir eine Zusammenfassung von MMK 17.14 -15 zu sein (Wang liegt mir nicht vor). In den Versen 12-20 stellt Nāgārjuna die Karma-Theorie vom 'avipraṇāśa' ('Unauflöslichen') vor. "Ohne Verfallsdatum" - naja ... Das ist die Auffassung der Saṃmitīya, eines Ablegers der Vātsīputrīya ('Personalisten). Eine der ca. 20 Sekten des frühen indischen Buddhismus, laut dem Pilgermönch Xuanzang in der ersten Hälfte des 7. Jhdts. zahlenmäßig so stark wie alle anderen zusammengenommen. Davor (Vers 6 bis 11) wird die saṃtāna- ('Verkettungs'-) Theorie vorgestellt, die Karma-Theorie der Sautrāntika, einer anderen bedeutenden frühen Sekte (und Abspaltung der Sarvāstivādin). Das ist also Abhidharma - einmal vom Sthaviravada-Zweig, einmal vom Pudgalavada-Zweig.


    Entweder hast Du den Autor missverstanden oder der Autor Nāgārjuna, evt. speziell Vers 13. Da lässt Nāgārjuna seinen Saṃmitīya-Kontrahenten sprechen bzw. auf die Sautrāntika-Position antworten: "Ich werde nun die richtige Auffassung darlegen ...". "Ich" ist hier aber nicht Nāgārjuna. So wird es übrigens auch im tibetischen Prasaṅgika-Madhyamaka gelesen, wenn man sich J. Garfields Übersetzung und Kommentierung der tibetischen Fassung der MMK (dBu-ma rtsa-ba shes-rab) anschaut.


    Wie schon gesagt - Nāgārjunas Dekonstruktion folgt erst im Anschluss, ab Vers 21. Ich zitiere mal Max Wallesers Übersetzung des Zhonglun, Piṅgalas Anmerkung zum Vorangegangenen (12 - 20) ist kursiv gesetzt, die letzten drei Sätze davon beziehen sich offensichtlich auf das 'Ich' des Vers 13; "unverlierbar" ist eine Übersetzung des 'avipraṇāśa':

    Zitat

    Was in diesem śāstra gelehrt wird, dessen Bedeutung ist ohne Abbrechen (uccheda) (und) ewig (śāśvata). Weshalb? karma ist vollständig leer, still-erloschen-vereigenschaftet. (Wenn sein) Eigensein (svabhāva) ohne Sein ist, welcher dharma ist abzuschneiden, welcher dharma ist verlierbar? Weil durch Verkehrtheit bedingt, ist Wandern im saṃsāra auch nicht ewig. Weshalb? Wenn dharmas durch Irrtum entstanden sind, dann sind sie illusorisch, nicht tatsächlich; weil nicht tatsächlich, nicht ewig. Ferner: da Gier und Haften (ihn) verwirren, erkennt (er) nicht die tatsächliche Beschaffenheit. Deshalb sagt er: karma ist unverlierbar. Das ist es, was Buddha lehrt. Ferner:


    Die karmas entstehen ursprünglich nicht, weil sie nicht mit wahrhaftigem Sein sind. Die karmas auch vergehen nicht, weil sie nicht entstehen. (XVII. 21.)


    Wenn karma mit Eigensein ist, dann heißt es ewig, nicht gewirkt auch heißt dann karma, (denn) das Ewige ist eben nicht zu wirken. (XVII. 22.)


    Wenn es nicht-gewirktes karma gibt, so wäre das nicht-gewirkte trotzdem Sünde. Den reinen Wandel nicht abgeschnitten (habend), hätte man doch die Mängel des Unreinen. (XVII. 23.)


    Dies dann widerspricht aller weltlichen Ausdrucksweise. Gutwirken und böswirken werden auch nicht unterschieden. (XVII. 24.)


    Wenn man sagt: »karma ist absolut bestimmt, so hat es doch selbst eigenes Wesen«, so würde man, Vergeltung empfangen habend, (sie) dennoch nochmals empfangen. (XVII. 25.)


    Wenn die weltlichen karmas aus Qualen (kleśa) hervorgehen, so sind diese kleśas nicht tatsächlich: wie wird karma tatsächlich sein? (XVII. 26.)


    Wallesers Zhonglun-Übersetzung ist im Internet zugänglich, ich empfehle zusätzlich Weber-Brosamer / Backs Übersetzung des Sanskrittextes (im Link leider nur Auszüge, aber die zitierten Verse sind dabei). Wallesers Übersetzung ist leider suboptimal (etwa 'Qualen' für kleśa).


    Zitat

    Anhaftungen, Taten, Körper, Täter und Früchte: Sie erscheinen als Fata Morgana, als Luftspiegelungen, als Traumgebilde.

    MMK 17.33

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    Einmal editiert, zuletzt von Sudhana ()

  • Sudhana

    Danke sehr, ich kann aber nur vermuten( annhemen), warum überhaupt dieses Missverständnis zustande kam.

    Nach TB Karma gehört zu aüsserst verborgenen Phänomenen.

    Das ist überhaupt nichts sofort erscihtlich und nachvollziehbar, eigentlich.

    Wie können diese ganze "Fata-Morgana" oder die "Luftspiegelungen", die alle so wie den Traumhaften Charakter haben, ----aber die erscchaffen reale Karma ( produzieren), usw...

    Meine Position, und ich bin kein Profi, ;), dass Zen meistens zwei verschidenen Ebenen verwechselt, denn , zugespitzt formuliert, "Die Ver-gelt-ung" ist durchaus real, aber wem die konkret gilt?

    Wenn man in dem letzeten Zitat den Täter, den Tat und die Handling ( " Früchte") so wie aisseinander nimmt, dann sie alle voneinader abhängig, aber man findet die alle als das (inhärentes) Wesen nicht.

    Genau deswegen aber die real wirken... Also diese alles umfassende Interdependenz ermöglicht die Handllung, als den Akt, dann , folglich, entsteht die Frucht.

    Sehr viele Zen- Interpretatoren betrachten aber das ganze Wie N. in dem letzen Zitat.

    Dabei sie vernachlässigen ( so wie unbewusst), dass Karma abolut real ist.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Mir geht es hier nicht darum, Nagarjunas Verdienste zu schmälern, sondern aufzuzeigen, dass er seine Lehre unbedingt als die Buddhas verkaufen wollte. Und das, obwohl - da braucht man sich dann nur Theravada-Lesarten des Palikanon anzuhören - ganz offensichtlich von ihm Deutungssprünge vollzogen werden, Auslassungen nötig sind usf. Dennoch ist es ihm wichtig, und so sieht es ja auch der erwähnte Garfield, "causality" aus den vier edlen Wahrheiten und dem bedingten Entstehen herzuleiten. Garfield über Kausalität bei Nagarjuna Ein wichtiger Satz darin (S. 227): Nagarjuna leitet die Leere der Phänomene aus ihrem bedingten Entstehen her. Und: Bedingtes Entstehen ist die Erklärbarkeit (expicability) und Stimmigkeit (coherence) des Universums.


    Man kann aus heutiger Sicht sagen, dass Nagarjuna sich - mit Buddha - getäuscht hat. Lars Gustafsson gibt in seinem letzten Buch "Der optische Telegraf" ein Beispiel: "Die Nullpunkte zweier separater Lichtkegel sind nicht miteinander vergleichbar, weil sie keine kausale Verbindung haben." Ich erwähne das nur, weil ich es gerade las, aber es ist für mich als Nicht-Naturwissenschaftler nicht das erste Mal, dass ich bedingtes Entstehen als Erklärbarkeit des Universums widerlegt sehe. Ich glaube auch hier haben Naturwissenschaftler schon Beispiele gebracht. Bedingtes Entstehen erklärt nur einen Teil der Wirklichkeit. Aber Leere ebenfalls, sie ist kein hinreichender Ausweg.

    Interessanterweise bietet der Taoismus in zweierlei Hinsicht eine brauchbarere Deutung des Universums, wie etwa Hinton sie im Interview andeutet. Im Taoismus ist - so mein Verständnis - Platz für diese Nicht-Kausalität und eben auch klarer in der Leere das Phänomenale angelegt, wohingegen Nagarjuna es laut Garfield so versteht: Zu behaupten, dass bedingtes Entstehen leer sei, heißt letztlich, dass die Leere der Phänomene selbst leer ist.


    Nagarjunas Problem besteht meines Erachtens also darin, dass er ein vom Buddha überliefertes Konzept entleert sehen will, dass im Palikanon m. E. nicht entleert ist. Das wäre keineswegs schlimm, wenn es etwas bringt. Im Zen greift man gerne darauf zurück, wenn man den Schüler antreibt, immer noch weiter zu gehen, bis alle Konzepte und Erwartungen und Vorurteile vernichtet sind. So weit so gut.


    Allerdings sagt derselbe Nagarjuna (wenn es denn stimmt, dass auch diese Schrift vom selben ist) im Bodhicittavivarana, Vers 88: "Die die Leere der Phänomene verstehen und an das Gesetz des Karma und seiner Früchte glauben, sind erstaunlicher als erstaunlich und aufs Höchste wunderbar." Mit der philosophisch schönen Gedankengymnastik zur leeren Leere ist es plötzlich wieder vorbei, in einem Text über die Bedeutung des Bodhi-Geistes wird gewünscht, ans Karma und dessen Früchte zu glauben. Ähnlich widersprüchlich sind dann auch Texte von Adepten wie Dôgen. Es gibt eine Kluft zwischen der Theorie und der Praxis.


    Von daher ist die Frage, ob die frühen oder Proto-Chan-Adepten hier nicht konsequenter waren, und ich sehe das so. Die Befleckungen, die Nirwana sind (Bodhidharma-Text mit Bezug auf Vimalakirti), sind nicht dasselbe wie entleerte Phänomene bei Nagarjuna, wenn es da noch Früchte des Karma gibt. Das schließt ein, dass auch Bodhidharma in sich widersprüchlich ist, schließlich zitiert er die im Detail genannten unterschiedlichen Quellen, ohne diese Widersprüche selbst auflösen zu können. Immerhin heißt es in den "Aufzeichnungen" (siehe Broughton) aus der Bodhidharma-Clique, als ein Lehrer auf Laotse angesprochen wird: "Hier spricht jemand, der die Bedeutung (von Buddhas Lehre) umarmt und der nie zurückfällt, sobald er den Entschluss zur Erleuchtung gefasst hat." Man sah sich also durchaus auch im Einklang mit Laotse. Diese anderen Einflüsse machten es möglich, dass sich mit Mazu und seiner Hongzhou-Schule im 8. Jh. Ideen wir renyun etablierten, "den Bewegungen der Dinge folgen" (vgl. Daoismus).

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Mir geht es hier nicht darum, Nagarjunas Verdienste zu schmälern, sondern aufzuzeigen, dass er seine Lehre unbedingt als die Buddhas verkaufen wollte.

    Also - darüber, dass die Sthaviravada-Sekten mit dem ganzen Mahāyāna ihre Probleme haben und deren Fundamentalisten das als 'andersfährtig' denunzieren (übrigens ein ausgesprochen westliches 'Problem'), brauchen wir hier doch wohl nicht diskutieren. Wobei da Nāgārjuna mit seiner zwei-Wahrheiten-Dialektik durchaus eine Brücke schlägt. MMK 24, ich komme später darauf zurück. Zunächst: ich sehe nicht, was die Frage, wie 'orthodox' Nāgārjuna aus Sicht von Śrāvakas war, mit seinem Beitrag zum ostasiatischen Mahāyāna im allgemeinen und zur Genese des Chan im speziellen zu tun haben soll. Finde ich offtopic. Trotzdem noch zu Deinem ersten Absatz:

    Zitat

    Ein wichtiger Satz darin (S. 227): Nagarjuna leitet die Leere der Phänomene aus ihrem bedingten Entstehen her.

    Ein wenig komplexer ist es schon. Ich habe es mir näher angeschaut, da ich Garfield so eine grobe Fehlinterpretation nicht zugetraut habe. Ich vermute mal, es geht um das hier: "for Nagarjuna, among the most important means of demonstrating the emptiness of phenomena is to argue that they are dependently" - zu den wichtigsten Mitteln, die Leere der Phänomene aufzuzeigen, gehört es, aufzuzeigen, dass dass sie abhängig sind. Das ist eine epistomologische Aussage, keine ontologische, wie Du es anscheinend verstanden hast. Es geht um eine didaktische Frage - um ein Mittel (unter anderen) der Argumentation - nicht darum, dass sich das Eine aus dem Anderen herleitet. Ich übersetze mal einen weiteren Abschnitt von Seite 227:

    Zitat

    Die wichtige philosophische Ausarbeitung beginnt mit 24:15. Von diesem Punkt an offeriert Nagarjuna eine Theorie über die Beziehung zwischen Leere, abhängigem Entstehen und Konvention und argumentiert nicht nur, dass diese drei als korrelierend / zusammenhängend verstanden werden können, sondern dass, wenn die konventionellen Dinge (oder die Leerheit selbst) nicht leer wären, dieser tatsächliche Nihilismus das zur Folge haben würde, den der verdinglichende Gegner dem Madhyamika unterstellt. Diese Taktik, nicht nur gegen jedes Extrem zu argumentieren, sondern auch, dass die widersprüchlichen Extreme sich tatsächlich gegenseitig bedingen, ist ein dialektisches Markenzeichen von Nagarjunas philosophischem Ich.

    Da leitet sich eben nicht eines vom anderen her; Leere, abhängiges Entstehen und Konvention sind lediglich unterschiedliche Aspekte der einen Realität - deren 'verhüllte Wahrheit' (saṃvṛtisatya, 'empirische Wahrheit'). Um Deinen ersten Absatz abzuschließen:

    Zitat

    Bedingtes Entstehen ist die Erklärbarkeit (expicability) und Stimmigkeit (coherence) des Universums.

    Auch hier lohnt etwas mehr Kontext, also nochmals Garfield S. 227:

    Zitat

    Die Leerheit von Verursachung geltend zu machen bedeutet, die Nützlichkeit unseres kausalen Diskurses und unserer Erklärungspraxis zu akzeptieren, aber der Versuchung zu widerstehen, diese als auf kausalen Kräften beruhend zu betrachten oder eine solche Begründung zu fordern. Das abhängige Entstehen ist einfach die Erklärbarkeit und Kohärenz des Universums. Seine Leerheit ist die Tatsache, dass dass es nicht mehr gibt als das.

    Entscheidend ist die Nützlichkeit des Diskurses - bei Nāgārjuna die Nützlichkeit der Dekonstruktion. Wobei ich die Dekonstruktion (von Wort und Schrift - und damit letztlich von begrifflichem Denken) als eine Voraussetzung der Annäherung an die 'Überlieferung jenseits von Wort und Schrift' ansehe - das bereits angesprochene 'gate, paragate, parasamgate'. Speziell dieser Punkt ist das wohl wichtigste Vermächtnis des Sanlun (Madhyamaka) an Chan. Das wunian, wuxin (Nicht-Gedanke, Nicht-Geist), auch Bodhidharmas biguan (Wand-Betrachtung) sind nichts als perfekte Dekonstruktion. Nāgārjuna ist nicht einfach ein Philosoph, er weist einen Weg der Praxis.


    Daher übrigens auch die Gleichgültigkeit der klassischen (Tang-) Chanmeister hinsichtlich konsistenten Lehrsystemen. Das überließ man Tiantai und Huayan. Im Chan-Diskurs werden da sehr unterschiedliche Ansätze aufgegriffen - psychologische wie das Weishi (Vijñānavāda), das eine Synthese mit der Tathāgatagarbha-Überlieferung eingegangen war und sich vom Monismus zum Non-Dualismus entwickelte, Huayan-Ideen wie die der wechselseitigen ungehinderten Durchdringung der Phänomene - und natürlich den der Leere, der völligen Dekonstruktion. Nicht Buddha, nicht Geist. Entscheidend im Chan ist nicht die Konsistenz des Diskurses, sondern seine Nützlichkeit. Was natürlich auch implizit eine Offenheit für kulturelles Substrat angeht. Seien es nun daoistische Ideen oder christliche. Wenn es denn nützt ...


    Wobei es nun nicht nur die 'drei Abhandlungen' waren, die zu Beginn des 5. Jahrhunderts den geistegeschichtlichen Boden für Chan mit(!) vorbereiteten, sondern natürlich auch die diesen Śāstras korrespondierenden Sūtren: das von Huineng hoch geschätzte Diamantsūtra, das Vimalakīrti-nirdeśa-sūtra, das Mahāprajñāpāramitā-sūtra in 27 Bänden und natürlich der Nāgārjuna zugeschriebene Kommentar dazu, das Mahāprajñāpāramitā-śāstra in 100 Bänden. Alles zwischen 401 und 413 von Kumārajīva und seinem Team übersetzt, wie auch die Sanlun ('drei Abhandlungen') von Nāgārjuna und Kanadeva.


    Dein ganzer zweiter Absatz ist völlig offtopic für unser Thema Proto- und frühes Chan. Trotzdem eine längere Anmerkung, weil diese Lichtkegel-Geschichte durchaus interessant ist. Ein Lichtkegel ist ja definiert als die Fläche der Raumzeit mit den möglichen Lichtstrahlen, die durch ein gegebenes Ereignis verlaufen. Das Ereignis selbst ist definiert als der Zustand eines vierdimensional (drei räumliche Koordinaten, eine zeitliche) bestimmten Punktes der Raumzeit. Zu jedem Ereignis (was man als physikalische Definition von 'dharma' verstehen kann) gibt es einen dreidimensionalen Vergangenheits- und einen Zukunftslichtkegel; d.h. die Bereiche der Kegel umfassen alle anderen Ereignisse, die das Ereignis beeinflussen können (seine absolute Vergangenheit) bzw. die selbst durch das Ereignis beeinflusst werden können (seine absolute Zukunft). Nun gibt es - Folge der Grenze der Lichtgeschwindigkeit - Ereignisse, die außerhalb der Lichtkegel anderer Ereignisse liegen, also mit diesen nicht unmittelbar wechselwirken können (wobei ich jetzt nicht mit Quantenverschränkung anfangen will so firm bin nicht). Dessenungeachtet nehmen die Überschneidungen beider Lichtkegel mit wachsender temporaler Distanz zum Ereignis kontinuierlich zu - den Zeitpunkt der Identität aller Vergangenheitslichtkegel bestimmt man ja mit zunehmender Genauigkeit - den sog. big bang. Was die Zukunftslichtkegel angeht, muss die Physik zunächst einmal die Geometrie der Raumzeit klären - ob sie hyperbolisch, flach oder sphärisch ist (was natürlich nur zweidimensionale Analogien für dreidimensionale Modelle sind, wie auch der Kegel). Letztlich geht es darum, ob das Raumzeit-Volumen endlich oder unendlich ist.


    Aber zurück zum Thema - Du unterstellst Nāgārjuna positive ontische Aussagen, die Du widerlegt siehst. Das läuft auf das hinaus, was die Tibeter eine Svatantrika-Interpretation des Madhyamaka nennen: aus Nāgārjunas Dekonstruktion positive Aussagen abzuleiten. Bhāviveka (auf den diese Interpretation zurückgeht) wurde allerdings erst im 7. Jahrhundert übersetzt - ist also für unsere Diskussion von Proto- und frühem Chan hier anachronistisch. Anachronistisch natürlich auch 'Widerlegungen' Nāgārjunas mit Argumenten aus der modernen Physik. Offtopic ohnehin (auch Igor07 ), geht es hier doch nicht um eine aktuelle Bewertung Nāgārjunas, sondern um seine Rezeption im China des 5. Jahrhunderts.

    Nagarjuna es laut Garfield so versteht: Zu behaupten, dass bedingtes Entstehen leer sei, heißt letztlich, dass die Leere der Phänomene selbst leer ist.

    Ist etwas verkürzt, aber ja - ein wichtiger Punkt. Die 'Leerheit der Leere' unterstreicht, dass es überhaupt nicht um eine Ontologie geht, sondern um Dekonstruktion von Sprache und begrifflichem Denken.

    Zitat

    24.18 Das Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit (pratītyasamutpāda), dies ist es, was wir 'Lehrheit' nennen. Das ist [aber nur] ein abhängiger Begriff (prajñapti); gerade sie (die Leerheit) bildet den mittleren Weg.

    Was den hier noch etwas kryptischen letzten Halbsatz angeht, so wird dessen Zielrichtung im letzten, dem 27. Kapitel deutlich, das sich mit der Zurückweisung von Sichtweisen befasst - aller möglichen Sichtweisen über das Selbst und die Welt und ihr Verhältnis zueinander, gegliedert in 16 Klassen. Die Leerheit, die den mittleren Weg bildet, ist eine Leerheit von Sichtweisen - auch der von der Leerheit.


    Übrigens nimmt dieser Abschnitt 27 unübersehbar Bezug auf das Brahmajāla Sūtra bzw. Sutta (im Palikanon DN.1), dem diese 16 falschen Sichtweisen entnommen sind. Möglicherweise ein später hinzugefügter Abschnitt mit apologetischer Intention, aber im Zhonglun enthalten und in China als authentisch rezipiert. Also - ich persönlich assoziiere mit 'Zurückweisen jeglicher Sichtweisen' problemlos Zen ...

    Allerdings sagt derselbe Nagarjuna (wenn es denn stimmt, dass auch diese Schrift vom selben ist) im Bodhicittavivarana

    Eben nicht "derselbe Nagarjuna". In Tibet wird Nāgārjuna ja so einiges untergeschoben. Das stammt mit ziemlicher Sicherheit aus dem 7. Jhdt., ist also ca. ein halbes Jahrtausend jünger. Der Autor wird gelegentlich hilfsweise in der Forschung als 'tantrischer Nāgārjuna' bezeichnet. Wurde mW auch nicht ins Chinesische übersetzt, also völlig offtopic. Ansonsten möchte ich darum bitten, zumindest in diesem Thread Dōgen aus dem Spiel zu lassen; ich hab's mir schon verkniffen, auf Deine provokante Bemerkung zum jijuyu zanmai zu reagieren - das trägt hier zur Sache absolut nichts bei.

    sind nicht dasselbe wie entleerte Phänomene bei Nagarjuna, wenn es da noch Früchte des Karma gibt

    Offen gesagt frage ich mich im Moment, warum ich mir in meinem letzten Posting die Mühe gemacht habe, Dir zu verklickern, was in MMK 17 steht, wenn Du denselben Unsinn, auf den ich da geantwortet habe, wiederholst ohne auf meine Argumentation einzugehen. Und ob da eine Fortführung dieser Diskussion noch Sinn macht.


    Trotzdem ein bibliografischer Hinweis für wen es auch immer interessant sein sollte. Wer sich für Sanlun / Sanron (ostasiatisches Madhyamaka) interessiert, sollte sich außer mit Nāgārjunas Zhong lun / MMK auch mit seinem nur in chinesischer Übersetzung erhaltenen Shiermen lun (Dvādaśanikāya-śāstra, 'Abhandlung der 12 Tore') sowie mit Kanadeva / Aryadevas Bai lun (Śata-śāstra, '100 Verse' - von denen allerdings nur die ersten 50 übersetzt sind) befassen. Das sind die '3 Abhandlungen', nach denen die Schule in China benannt wurde. Qellen für Zhong lun / MMK habe ich genannt, für die anderen gibt es leider keine deutsche Übersetzung. Vom Shiermen lun gibt es eine Übersetzung mit einführenden Essays und Kommentaren von Hsueh-li Cheng, leider recht teuer. Ich habe eine PDF-Arbeitskopie ohne chinesische Schriftzeichen 'only for personal use', die ich bei ernsthaftem Interesse zur Verfügung stellen könnte. Das Bai lun wurde von Giuseppe Tucci übersetzt und in 'Pre-Diṅnāga Buddhist Texts on Logic From Chinese Sources' übersetzt, darin auch Nāgārjunas erst 541 ins Chinesische übersetzte Huizheng lun (Vigrahavyāvartanī). Nur antiquarisch erhältlich (1. Auflage 1929, 2. 1981); ich habe einen Reprint von 1998 (Pilgrim House Kathmandu) gefunden. Das Dazhi du lun (Mahāprajñāpāramitā-śāstra) wurde von Etienne Lamotte in fünf Bänden ins Französische übersetzt, daraus ins Englische übertragen von Gelongma Karma Migme Chodron. Frei erhältlich im Internet.


    Was sonst noch so unter Nāgārjuna oder Madhyamaka läuft, mag interessant sein - ist aber nicht für das ostasiatische Mahāyāna und Chan von Belang.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Ich bin echt nichts so ausgebillet und so verdammt raffiniert, wie Sudhana:like: , der weiss es besser in millionen mal....

    Aber einiges ich wollte sagen:


    Ich glaube auch hier haben Naturwissenschaftler schon Beispiele gebracht. Bedingtes Entstehen erklärt nur einen Teil der Wirklichkeit. Aber Leere ebenfalls, sie ist kein hinreichender Ausweg.

    Klar, wenn ich die Leerheit buchstäblich verstehe... Aber der egal welcher Tisch ist leer...aber ---von inhärenten Existenz

    Er ist nichts leer davon, ein Tisch zu sein.

    Das Verstehen von N. wirkt auf rein praktischer Ebene, denn dann wir sind imstande unsere "leidbringende " Emotionen durchzuschauen um als die Folge von ihnen befreit zu werden. Denn die alle basieren ( fussen auf) der Täuschung.

    Mehr ich wollte den Thread nichts mehr vermüllen.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich finde den Begriff der Leerheit schon überflüssig. Wenn etwas nicht da ist, würde ich ja auch nicht von Nichtdaistigkeit sprechen. (Obwohl ich mich frage, ob es diese Unterscheidung im Chinesischen überhaupt gibt, ob da nicht nur von wu oder kong gesprochen wird).
    Letztlich heisst das, dass es eben kein "unsere" leidbringenden Emotionen gibt. Daher nichts von uns zu durchschauen ist. Und es letztlich nichts zu erlangen gibt, worauf ja auch das Diamantsutra hinweist.
    Es ist die Frage, ob es der Daoismus mit seiner fließenden Qualität von allem hier nicht den einfacheren Weg geht. Dann brauch es weder Leerheit, noch muss ich dann betonen, dass die Leerheit selbst auch leer sei.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Ich finde den Begriff der Leerheit schon überflüssig. Wenn etwas nicht da ist, würde ich ja auch nicht von Nichtdaistigkeit sprechen. (Obwohl ich mich frage, ob es diese Unterscheidung im Chinesischen überhaupt gibt, ob da nicht nur von wu oder kong gesprochen wird).

    Ich empfinde das so, dass „Leerheit“ im Daoismus immer nur durchscheint, ohne bezeichnet zu sein.

    Es erschein in mir, wenn ich einen Textteil mit Körper und Geist durchschaut habe.

    Wenn „Leerheit“ vorbei sein soll, fülle ich dieses von Vorstellungen befreit sein schnell zu, damit ich die „Leerheit“ nicht mehr aushalten muss.

    Doch meistens freut es mich und ich lasse „Leerheit“ los, damit ich als Ellviral reagieren kann.


    Im Daoismus wird von dem das erscheint berichtet. Warum sollte man von etwas berichten, das nicht erscheint? Da gibt es als Beispiel das „DAO“, doch das wird immer so beschrieben, dass es eben ein Erscheinen ist, das nur mit einem Wort ohne Bedeutung bezeichnet werden kann.

    Im Buddhismus wird ein Hype um "Nirvana" gemacht und es als Nicht-Sein, Nicht-Ich, Leere, Leerheit bezeichnet, obwohl Buddha immer gesagt hat das es ein Wort für etwas ist, das eben mit einem Wort ohne Bedeutung bezeichnet wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Letztlich heisst das, dass es eben kein "unsere" leidbringenden Emotionen gibt. Daher nichts von uns zu durchschauen ist. Und es letztlich nichts zu erlangen gibt, worauf ja auch das Diamantsutra hinweist.

    Du soltest dich ein wenig Mühe geben, wenigstens Wiki zu lesen.


    Diamant-Sutra gehört zum Mahayna. Und man sollte dort zwei verschiedene Ebenen unterscheiden:


    Zitat

    Nach der Lehre des Buddha existieren zwei Wirklichkeiten/zwei Wahrheiten: 1.) einerseits die Welt der Form, die Welt der sinnlich erfahrbaren Phänomene, die Welt der in Zeichen und Begriffen geronnenen trügerischen, da einseitigen, Wahrnehmungen und 2.) auf der anderen Seite: die Welt der Leerheit (Shunyata), die Welt der „Soheit“, eine Sphäre jenseits der Form, jenseits von Geburt und Tod, Anfang und Ende, Selbst und Nichtselbst, eine Welt jenseits aller Begriffe. Der Buddha beschränkt sich jedoch nicht darauf, diese beiden Wirklichkeiten einander gegenüberzustellen. Form und Leerheit sind letztlich eins, es gibt keine Dualität von Form und Nicht-Form – beide sind Ausdrucksformen ein und derselben Wirklichkeit, zwei Gesichter ein und der gleichen Welt.



    Auf der rein "relativen" Ebene es gibt weiter das Leid, der Tod. ( Geburt).


    Die Welle, als Form, ist real , und wenn man nichts genug aufpasst, man kann ertrinken.



    Zitat

    Ein Gleichnis, das diesen Gedanken illustriert, lautet so: Eine Welle im Ozean ist nur scheinbar ein isoliertes, selbsthaftes Phänomen – sie ist Teil des Ozeans, geht aus ihm hervor. Die Welle besteht also letztlich ausschließlich aus Elementen, die Nicht-Welle sind (Form ist Leerheit). Trotzdem geht die Welle nicht völlig im Ozean auf, sie bleibt trotz ihres Eingebettet-Seins in den Ozean des Universellen eine Welle, ein individuell existentes Phänomen (Leerheit ist Form).


    Wenn du nur einen Aspekt siehst, aber den anderen ignorierst, dann du nimmst nur eienen "Ein-Schnitt" der Entität.



    Wenn „Leerheit“ vorbei sein soll, fülle ich dieses von Vorstellungen befreit sein schnell zu, damit ich die „Leerheit“ nicht mehr aushalten muss.

    Doch meistens freut es mich und ich lasse „Leerheit“ los, damit ich als Ellviral reagieren kann.

    Also, mein Anliegen an Noreply dann wäre, wenn das "leere" Auto den überfahren "Wollte", nichts in den "Leeren-Modus" einzuschalten.

    Das könnte sehr elend enden.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Mein Anliegen an dich ist mich nicht mehr zu zitieren und zu kommentieren.

  • Ich denke, in der Argumentation von Sudhana wird zuviel an Fachvokabular vorausgesetzt, und diejenigen, die es nicht verstehen, lassen sich ggf. in die Irre führen. Der Hauptpunkt ist hier sein Argument, Nagarjuna würde nicht ontologisch, sondern epistemologisch zu verstehen sein. Klären wir doch erst mal diese Begriffe. Ontologie beschäftigt sich mit allem, was es gibt, "denn sie fragt erstens, was es heißt, dass es etwas gibt, und zweitens, welche Kategorien von Objekten existieren und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen." (Definition der Philosophie-Abt. Uni München). Nagarjuna beschreibt mit dem bedingten Entstehen eindeutig kausale Zusammenhänge und das Verhältnis solcher Objekte. Es ist deshalb nicht möglich, Nagarjuna nur epistemologisch zu verstehen. Die Epistemologie ist die "Lehre der Erkenntnis". Typische Fragen der Epistemologie sind: "Wie kommt Wissen, wie kommen Erkenntnisprozesse zustande."


    Es ist schwierig, wenn wir offensichtlich unter diesen Begriffen etwas anderes verstehen oder die Herangehensweise des anderen für falsch halten, da zusammenzukommen. Das erklärt dann auch "off topic"-Vorwürfe.


    Damit wir nicht vergessen, dass es hier um Hintons Verständnis ging - er sprach von "der Kosmos als ein einziges generatives Gewebe" und "Die Absicht der Ch'an-Praxis war es, als integraler Bestandteil der fortlaufenden Entfaltung des Kosmos zu verweilen." Er sagte auch - damit klar ist, dass ich hier in Hintons Sinne argumentiere: "Diese grundlegenden taoistischen/Ch'an-Begriffe operieren auf wirklich tiefen kosmologischen und ontologischen Ebenen."


    Wenn nun trotz der Behauptung Sudhanas, es ginge Nagarjuna um Praxis, diese Praxis aus epistemologischen Erwägungen entstehen soll, dann wird sie naturgemäß verkopfter sein als die ontologisch begründete. Wenn z. B. jemand aus der Leere handeln will, dann ist das etwas anderes als wenn jemand sich in einem "generativen kosmischen Gewebe" sieht und als "Teil der Entfaltung des Kosmos". Meines Erachtens kann man im Fortgang der Zen-Geschichte ganz gut in Abgrenzung zu anderen Schulen, etwa der Tibetischen, sehen, wozu die eine und die andere Praxis führen kann. Bzw. indem man innerhalb des Zen diejenigen, die eher dem taoistischen Einfluss folgten mit denen vergleicht, die eher dem hier als wesentlich erachteten von Nagarjuna folgten.


    Ein anderer fauler Trick ist, bestimmte offene Fragen als geklärt zu verkaufen. Ich gab mit meiner Formulierung zu erkennen, dass die Autorenschaft des Bodhicittavivarana nicht eindeutig geklärt ist, von Sudhana wird unterstellt, das sei sie, im negativen Sinn. Ich möchte meine Zeit nicht damit verbringen, für all das Links beizubringen, schon die ersten Seiten des Folgenden zeigen ein Für und Wider diverser Theorien und Ansichten insbesondere aus Tibet auf: The Role of the Bodhicittavivaraṇa in the Mahāmudrā Tradition of ...


    Allerdings ist das für meine Argumentation zweitrangig. Wie Hinton sagte, ist der taoistische Einfluss ein Verständnis des Kosmos als generativ, erzeugend, und des Übenden als jemanden, der an der Entfaltung dessen teil hat. Nagarjunas Verständnis ist jedoch dies, und hier zitiere ich aus einer Yuktisastika-Übersetzung, die man dann ggf. ihm natürlich auch wieder absprechen kann: Yuktisastika deutsch.doc - Google Drive


    1) "Um ein Fazit zu ziehen: Es gibt kein Entstehen; es gibt kein Vergehen. Der Weg des Entstehens und Vergehens wurde freilich von den Buddhas aus einem praktischen Grund dargelegt (...)"

    Es ist nun ganz einfach, den Unterschied zum Daoismus und zu entsprechenden Chan-Linien aufzuzeigen:

    Tatsächlich gibt es permanent ein Wechselspiel von Entstehen und Vergehen (im Tao ist dies angelegt).


    2) "Zunächst sollte ein Lehrer seinem nach Wahrheit suchenden Schüler sagen, dass alles existiert.

    Später sollte er dem Schüler, der die Bedeutung versteht und frei von Anhaften ist, sagen: „Alle Dinge sind leer.“


    Ein Schüler, der frei von Anhaften ist, muss bereits verstanden haben, dass alle Dinge leer sind, dieser Rat ist absurd und entspricht in etwa der seltsamen Logik der edlen Wahrheiten und der Kausalkette. Natürlich ist das genau Nagarjunas Kennzeichen, die zwei Wahrheiten, eine relative und eine absolute. In der Philosophie sagt man aber auch, dass das eine unwahr sein muss, wenn das andere wahr ist.


    Vor allem aber lese man sich die Zwei Eingänge und Vier Praktiken von Bodhidharma durch: Dort wird im Wesentlichen dasselbe gesagt (nämlich dass die Dinge letztlich leer sind), allerdings nur darauf abgehoben, dass die Menschen im Allgemeinen das anders sähen. Einen Rat, Schüler erst anders zu belehren, gibt es nicht, im Gegenteil, Bodhidharma serviert seinen Schülern alles, was er zu sagen hat.


    3) "Karma, seine Folgen und die Orte der Wiedergeburt wurden ebenfalls von den Buddhas in vollem Umfang erläutert."


    Demnach sind Karma, Folgen und Wiedergeburt essentielle Themen des Dharma für Nagarjuna, zumindest auf dieser relativen Ebene. Das beantwortet auch den Vorwurf, ich hätte MMK 17 nicht zur Kenntnis genommen (unter 4. zitiere ich ja gleich selbst das "Phantom", als das da Karma benannt wird). Was ich behaupte ist, dass Nagarjuna mit seiner Zwei-Wahrheiten-Nummer nicht drumherum kommt, immer wieder Bezug auf Lehren zu nehmen, die relativ sinnlos und überflüssig sind. Dagegen hielt ich das Zitat von Wuzhu.


    Es muss doch offensichtlich sein, dass man Menschen nicht erst etwas erzählen muss, was auf der absoluten Ebene Bullshit ist. Stattdessen sollte man damit Schluss machen und sich fragen, wieso das bis heute auch vielen Zenlehrern nicht gelingt. Und insofern sind diese Verweise auf die Moderne nicht off-topic, weil sich von da zeigen lässt, dass sich diese Fehler Nagarjunas in diesen "Linien" wiederholen.


    4) "Man erweckt Begierden, indem man an etwas Angenehmes denkt; man wird frei von Begierden, indem man sich davon abwendet. Doch Nirwana erlangt man, indem man es als leer ansieht, als ein Phantom."


    Freiheit von Begierden durch Abwendung ist Theravada-Denken und nicht Teilhabe an der kosmischen Entfaltung (Daoismus).


    Bei Broughton heißt es in einer brieflichen Antwort Huikos: "meditiert man über den eigenen Körper und Buddha und erkennt, dass sie nicht verschieden sind – warum sollte man dann weiter nach jenem rückstandslosen Zustand (Nirwana) suchen?" Hier wird also nicht mittels der Leere als Endziel der Erkenntnis Nirwana vermittelt , sondern über die Identität des eigenen Seins.


    All dies sind feine, aber hinreichend deutliche Unterschiede, die den Einfluss Nagarjunas auf die frühen Chan-Buddhisten in ein anderes Verhältnis setzt.


    Zitat


    Die Leerheit, die den mittleren Weg bildet, ist eine Leerheit von Sichtweisen - auch der von der Leerheit.


    Natürlich, hier geht es um Dekonstruktion von Sprache und begrifflichem Denken - und das ist großer Unsinn. Wenn dem so wäre, hätte Nagarjuna nicht ein Wort darüber verlieren können. Wenn wir uns mit Texten auseinandersetzen, so ist diese Kritik an ihrer mangelnden Logik vonnöten. Nagarjuna hatte eine Sichtweise, sonst würden wir hier ja nicht seinen Einfluss diskutieren. Das bedeutete im logischen Umkehrschluss, dass er diese Leerheit nicht verwirklicht hätte. So kommen wir also nicht weiter. Wir reden hier über Nagarjunas Dogmen, seine Lehrinhalte. Alles, was dieser Kernsatz beweist, ist, dass es ihm in erster Linie um diese Leere von der Leere ging, und nicht um die kosmische Entfaltung oder ihr Potential.


    Das Gleiche gilt für Auffassungen zur Kausalität, hierzu findet man Artikel über die Unvereinbarkeit mit der Quantentheorie, da Kausalität eine zeitliche Abfolge beinhaltet (Stichworte etwa Quantum Switch oder JD Norton: Causation as folk science). Warum habe ich da aktuelle Diskussionen ins Spiel gebracht, von denen Nagarjuna nichts wissen konnte? Weil bei der Frage, ob ein buddhistisches Lehrgebäude ihm letztlich wichtig war (und daran besteht kein Zweifel) und ob es ggf. daoistisch(er) geprägte Chan-Tradition gibt, ein Unterscheidungsmerkmal sein kann, wie stark sie auf die Kausalität und bedingtes Entstehen fixiert waren.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    2 Mal editiert, zuletzt von Bebop () aus folgendem Grund: Querverweise ergänzt

  • Hat mir jetzt was eingebrockt. Meine Auffassung davon das hier ein Sein ist, mit einem temporären Ich/Person ist viel sicherer geworden. Denn dieses Sein nennt sich nicht ich, genau wie Buddha zu sich nicht sagen würde Ich bin Buddha und Ellviral bildet sein ein sein Ich zu kennen, oh gerade vergessen.

    Aber ist egal Ellviral ist sowieso nur virtuell. Das reicht "mir", um die Fehler der Person einfach hinzunehmen und sich nicht daran festzuhalten. Allerdings glauben meine Leser das Ellviral eine reale Person ist, auch wenn sie nur den Avatar von Helmut sehen, "mir". Beide werden festgetackert vom Lesenden find ich lustig. Virtuelle Personen die glauben die Wirklichkeit zu sein glauben auch das Ellviral wirklich ist.

    Buddha redet nur von Leiden der Angst, gut das ich die Angst keine Person zu sein loslassen kann und so Ellviral einfach Ellviral sein lassen kann.

    Mir ist der Daoismus näher und die Lehre des Buddha, Buddhismus ist mir ganz einfach viel zu verworren.

  • Bebop


    Warum um Gottes willen du macht so alles verdammt kompliziert?


    Beim N. es gibt , eigentlich keine Dogmas, es gibt keinen Punkt, keine Stütze, wo man sich so "rein metaphysisch" sicher fühlen kann.

    Natürlich, hier geht es um Dekonstruktion von Sprache und begrifflichem Denken - und das ist großer Unsinn. Wenn dem so wäre, hätte Nagarjuna nicht ein Wort darüber verlieren können. Wenn wir uns mit Texten auseinandersetzen, so ist diese Kritik an ihrer mangelnden Logik vonnöten. Nagarjuna hatte eine Sichtweise, sonst würden wir hier ja nicht seinen Einfluss diskutieren. Das bedeutete im logischen Umkehrschluss, dass er diese Leerheit nicht verwirklicht hätte. So kommen wir also nicht weiter. Wir reden hier über Nagarjunas Dogmen, seine Lehrinhalte. Alles, was dieser Kernsatz beweist, ist, dass es ihm in erster Linie um diese Leere von der Leere ging, und nicht um die kosmische Entfaltung oder ihr Potential.

    Doch, er schildert niiemals, wie die Realität ausssieht, aber immer er verneint alle mögliche Formen, die in seine Zeit vorherrschend waren.

    Insgesamt vier! Variablen.

    Und was sollte er verwirklichen? Was? Sage es mir...

    Die berüchtigte "Leerheit" ist nichst mehr als das blose Wort. Bloß benannt.

    Wenn in den Zahlen 10,20, 30, usw...Zahl "Null" vorkommt, das es würde doch nichts bedeuten, dass die Leer sind. Aber ohne "Null" es wäre keine Operation möglich.

    Ich bin kein Sudhana , der , nehme ich an, wenisgtend drei Uni abgeschlossen hatte, mit dem Wissen von chinesisch und weiss noch der leiber Himmel, was noch dazu...

    Schaue mal...

    Wenn man über egal was redet... Z. B. Der "König"...

    Wann kam dieser König konkret zustande ?

    Als der Mensch noch das Kind war, der war noch! kein König.

    Als er so wie abgewählt, angenommen, wurde, wieder es wäre keinen König zu finden.

    Und als der Mensch , der Mann ( konventionell, überienstimmend) als der König benannt, wenn der stirbt, er wurde wieder kein König mehr.

    Obwohl auf dem Denkmal wird "Der König" ...usw... stehen.

    So auch mit der Leere und egal welchen Wort oder Begriff... man kann nachweisen, also rein logisch, dass die real per se, per defintition, als inhärentes Eingenwesen einfach nichts möglich sind.

    Man braucht keine "Leerheit" werwirklichen, das ist bloß! nur das Wort.

    Man kann aber unsere "verkehrte Ansichten" über das Wesen der Realität durchzublicken, und drin liegt das ganze Übel...

    Unsere Ich-Sucht, unsere Agressivität, unsere Hass , der Krieg usw....

    Das alles wäre dann nur die Folge von den falschen Vorstellungen, die wir von uns selbst , von der Leuten oder von der Welt halten und und wähnen, dass es alles der Realität entspricht. mehr nichts.

    Im Dao, wie auch im Zen man betrachtet das ganze nur wie aus der absoluten Perspektive.

    Aber tut mir leid, die Welle ist leer, weil sie der teil des Ozeans ist, also die geht in den Ozean auf...

    Und zugleich, die Welle ist Form, also ihre Leerheit ist ihr Form, denn sie bleibt als die Wuchtige Masse des Wassers vorhanden, deswegen die kann bestimmt auch töten, .... obwohl sie , eigentlich leer ist.

    Man sollte , wie ich es verstehe, immer zwei Pole berücksichtigen...

    Leere/ Fülle?

    Kurz/ lang

    Yin/ Yang

    usw....

    Henne/ Ei *lach`*


    Wenn es sogar OT war, man würde das überleben...

    Oder einfach ignorieren, kein Problem...

    Ach, noch ein Paar..lol

    Lesen/ ignorieren... Tja... Das was.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

    • Offizieller Beitrag

    Darum ist es auch so wichtig, dass Körper und Geist abfallen (shinjin datsuraku). Eine solche Vorstellung muss Bodhidharma, so verstehe ich Hinton, und den frühesten Chan-Adepten absurd vorgekommen sein. Auf subtile Weise verschiebt sich hier also die Gewichtung. Dieses Chan ist vorinstitutionell und lässt sich darum auch nicht an Sutren festmachen, die in ihrer jeweiligen Gewichtung ja schon von solchen Institutionen und Schulen abhängen. Auch ein "geistesgeschichtliches Verständnis" des Chan führt dann wieder nur zu einer Nach-Betrachtung, die "Offene Weite, nichts von heilig" trifft auf Tientai und Huayan schon nicht mehr zu.

    Dieser vorinstitutionelle Chan wäre ja dann das was McRae für 500-600 als Proto-Chan ansetzt und für dessen Verstehen er das Bodhidharma zugeschriebene Werk "The Treatise on the Two Entrances and Four Practices" untersucht.


    Das wäre also ein guter Ort um da zu schauen, inwieweit man da eher den Einfluss wichiger Sutren wie dem Lankavatara Sutra oder einen starken daoistischen Einfluss nachweisen kann. Hier gibt es auf Englisch sogar drei Übersetzungen:


    Zen’s Oldest Text: Three Versions of Bodhidharma’s “Two Entrances & Four Practices

  • Bebop : Wenn wir über die chinesische Rezeption von Nāgārjuna und deren Einfluss auf das entstehende Chan diskutieren, sollten wir uns zumindest auf Arbeiten beschränken, die vor dem 7. Jahrhundert auch in China bekannt waren.


    Beim Bodhicittavivarana, mit dem Du argumentiert hast, ist der entscheidende Punkt nicht, dass es nicht authentisch ist. Übrigens - auch in dem von Dir selbst verlinkten Text steht ja gleich im ersten Satz "dem tantrischen Nāgārjuna zugeschrieben" und auf der zweiten Seite, dass mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Text vom Autor der MMK stammt. Der entscheidende Punkt ist jedoch, um es hier noch einmal zu wiederholen, dass der Text in China gar nicht bekannt war. Was sein Einfluss auf das tibetische Mahāmudrā mit unserem Thema zu tun haben soll, erschließt sich mir beim besten Willen nicht.


    Welche Texte da relevant sind, also die Grundtexte der Sanlun-Schule und das Nāgārjuna zugeschriebene Dazhi du lun (Mahāprajñāpāramitā-śāstra), habe ich genannt und auf vorliegende Übersetzungen verwiesen. Die Kommentare zu den 'drei Erörterungen' von Sengzhao (378 - 413) und von Jizang (549 - 623) liegen leider nicht in Übersetzungen vor. Zu Jizang gibt es zumindest diese interessante Arbeit Self-reflection in the Sanlun Tradition: Madhyamika as the "Deconstructive Conscience" of Buddhism - wobei Jizangs 'sizhong erdi' (vier Ebenen der zwei Arten von Diskurs) eine interessante Parallele zu Bodhidharmas 'erru sixing' (zwei Eingänge und vier Praktiken) ist, das ja ebenfalls ins 6. Jhdt. datiert wird.


    Stattdessen komst Du jetzt mit den Yuktiṣaṣṭikākārikā an. Die sind zwar mit ziemlicher Sicherheit authentisch, wurden aber erst im 10. Jahrhundert ins Chinesische übersetzt, sind mithin ebenfalls für unser Thema nicht relevant. Wenn es wenigstens die Suhṛllekha gewesen wären, die lagen im 5. Jahrhundert noch in zwei Übersetzungen vor (Guṇavarman 421 und Saṃghavarman zwischen 434-442). Haben in der Sanlun-Schule allerdings keine besondere Rolle gespielt.


    Ansonsten wären als Belege für Deine Thesen zur Abwechsung auch mal ein paar Zitate aus daoistischen Primärquellen ganz sinnvoll gewesen - nur so als Hinweis. Hat sich aber - zumindest für mich - erledigt, ich bin hier raus.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Igor07 Aus meiner Sicht ist der Wechsel von alles ist leer, ohne einen Kern (modern gesprochen: alles ist prozessual), zu alles ist Leerheit ein unnötiger, zudem die Gefahr besteht, daraus eine Sphäre jenseits..., eine Hinterwelt zu basteln, die man dann wieder negieren muss ("auch die Leerheit ist leer") ein unnötiger. (zumal es eh nicht jenseits von (Worten, Bewusstsein etc.) ist, sondern vor - somit rein immanent).

    Zu den zwei Wahrheiten hat Bebop ja eigentlich schon alles geschrieben (es wäre zu ergänzen - dieser Schritt ist vermutlich notwendig, weil sonst das ganze Konstrukt zu widersprüchlich/letztlich nicht haltbar ist - was es aber auch nicht besser macht).

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Aus meiner Sicht ist der Wechsel von alles ist leer, ohne einen Kern (modern gesprochen: alles ist prozessual), zu alles ist Leerheit ein unnötiger, zudem die Gefahr besteht, daraus eine Sphäre jenseits..., eine Hinterwelt zu basteln, die man dann wieder negieren muss ("auch die Leerheit ist leer") ein unnötiger. (zumal es eh nicht jenseits von (Worten, Bewusstsein etc.) ist, sondern vor - somit rein immanent).

    Man braucht überhaupt hier nichts zu basteln... Es gibt auch keinen Wechsel überhaupt.. Der findet statt nur im unserem Begfrifflichem Bewusstsein, mehr niemals. Immanent, transzendent... Leere/ Form... Das sind zwei Seiten, aber von derselben Entität.

    "Study Buddhismus". A. Berzin.

    Was du jetzt machst, lieber Keine Ahnung , das wäre der unnnötige Konstrukt, der in der Realität nichts vorhanden ist.

    Du macht aus der "Leere" den "immanenten" Konstrukt durch die Geistige Zu-schreibung, also durch die Hintertür. Allegorisch gesprochen.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Zitat
    Zitat

    sind mithin ebenfalls für unser Thema nicht relevant

    Zur Frage der Authentizität von Nagarjunas Schriften: Nagarjuna - Wikipedia


    Es ging mir darum, anhand anderer Schriften Nagarjunas aufzuzeigen, welches Gedankengebäude diesem Mann zugrunde liegt und dass es sich nicht nur aufs MMK beschränkt. Dazu habe ich verständlichere Übersetzungen herangezogen als die von Sudhana gebrachte des MMK, von der ich annehme, dass sie die Hälfte der Interessierten kaum verstanden hat, wo freilich das Gleiche in einem Schwurbelton gemacht wird: "da Gier und Haften (ihn) verwirren, erkennt (er) nicht die tatsächliche Beschaffenheit. Deshalb sagt er: karma ist unverlierbar." Um es runterzubrechen: Hier wird eine klassische Kausalkette aufgezeigt: Erst sind da Gier und Anhaften mit der dazugehörigen Täuschung, dann entsteht daraus in einer Kausalkette eine Vorstellung von Karma. Diese (falsche) Vorstellung vom Karma bezeichnet Nagarjuna als leer. Seine Argumentation beruht jedoch gerade darauf, dass es eine Kausalkette gibt, also Kausalität, d. h. obwohl er sich argumentativ davon freizumachen versucht, ist diese Kausalität Teil seiner Prämisse, seiner Voraussetzung. Und dieser Fehler fiel im Proto- oder frühen Chan offenbar auf. Man merkt da ein Unbehagen gegen Nagarjunas Ausweg mit den zwei Wahrheiten. Bei Nagarjuna muss das Falsche neben dem Richtigen (Glaube ans Karma neben der absoluten Wahrheit der Leere) bestehen. Denn auch wenn er behauptet, der Buddha habe tatsächlich dies und das gemeint, kann ja jeder im Palikanon noch lesen, wie der Buddha akribisch Kausalketten und Karma-Wirkungen über Leben hinweg erläuterte. Das ist einer der vielen verzweifelten Versuche, aus all diesen Ungereimtheiten herauszukommen. Der Versuch ist im Großen und Ganzen gescheitert, da man in den Linien, die das nicht aufgearbeitet haben, bis heute immer wieder in Büchern von Lehrern, die den Buddhismus grundlegend erklären, genau dieses Vorgehen findet: Erst werden bestimmte von Nagarjuna bereits als leer bezeichnete Theorien (wie die vom Karma), die Kausalkette, die edlen Wahrheiten usf. erklärt und als Konsens buddhistischen Glaubens beschrieben, um dann vom großen Thema shunyata, der Leere, als Heilsziel zu sprechen, die tatsächlich, wenn man sie ernst nähme, das zuvor Gesagte ad absurdum führte.


    Und ehe ich's vergesse: Bodhidharma kam angeblich aus Indien. Der brauchte keine Übersetzungen von Nagarjuna ins Chinesische.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    2 Mal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Igor07

    "Die radikale Wendung in die Immanenz, ins Hier kennzeichnet gerade den chinesischen bzw. fernöstlichen Charakter des Zen-Buddhismus. [...] Der Weg führt in keine Transzendenz."
    Byung Chul Han


    Das würde dem Daoismus entsprechen. Während ja gerade diskutiert wird, dass der Weg das Buddhismus ein überweltlicher, transzendenter sei.
    Das würde für Hintons Ansatz sprechen.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson