Philosophie der Wildnis

    • Offizieller Beitrag

    Kaum ein Buch hat mich, soweit ich mich erinnere, in den letzten Jahren mehr inspiriert und begeistert, weil es einen gangbaren, schönen und interessanten Weg beschreibt, anders mit dem und denen umzugehen, was und die uns umgeben.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.


    Zitat

    Zitat aus dem Buch:

    "Nicht jeder, der irgendwo seine »Heimstatt« errichtet, will also eine Gegend zivilisieren; das tun nur jene, die glauben, dass man an einem Ort leben könne und dabei die anderen Lebens­formen der Gegend ignorieren, verachten, von sich abhängig machen und schließlich beherrschen dürfe. Dass man, um zu Hause zu sein, das menschliche Heim von der Gemeinschaft der Lebewesen abschirmen und die lebendige Umwelt als Ein­schränkung interpretieren müsse, die man überwinden sollte. Dass man jener Umwelt nicht zugestehen dürfe, wohltuend zu sein, die doch voneinander abhängige Wesen zusammenbringt und somit ein Netz aus Bindungen erzeugt, die uns befreien.

    Aber es gibt noch andere Arten, aus einer Gegend eine Hei­mat zu machen, bei denen im Gegensatz zur zivilisierenden Me­thode jene Achtsamkeit der Vielfalt der Lebensformen gegen­über erwünscht ist - jene stetige Diplomatie mit den Anderen (die nur gefährlich sind, wenn man sie missachtet)."

    Unbedingt auch und gerade für Buddhisten lesenswert!

  • Auf meinen „Gängen“ treffe ich „selten?“ auf Orte, an denen der Mensch schon mehrere Jahre nicht mehr eingegriffen hat. Seine Kulturwahn einfach mal vergessen hat. Aber, wenn bleibe ist ein Betrachter, nur Wahrnehmen ohne Bewegung.

    Nur ein paar Schritte vom Weg ab und die Wildnis ist da. Wie Buddha es lehrt: Verlasse deine eingeübten Vorstellungen und finde dich, der nicht da ist.


    Die erkennbaren, auch von mir begangenen, Wege des Menschen sind ein guter Weg in diesen Betrachter zu kommen und schon ist der Wegrand frei vom Menschen. Ich habe mir also einen fast kulturfreien Raum erkennbar gemacht. Selbst die Hinterlassenschaften der Menschen werden zu Natur, denn kein Mensch interessiert sich mehr dafür, das gehört eben dazu, zur Wildnis, dem vom Menschen vergessenen.


    Da werden Pflanzen und alle möglichen Tierchen zu einer von Kultur freien Welt. Oh, ein Veilchen, ein Eichhörnchen, ein Vogel usw.

    Das gute ist, dass ich, sobald ich diese Welt betrete, nicht mehr zur Verfügung stehe für mein Zuhause. Gehe ich auf meinen Gang, bin ich Hauslos und frei für alle Welten. In meine Wohnung ist das noch Übung.


    Es reicht vollkommen nur gehen mit meinen Füßen, Bären und sonstiges Getier werde ich da nicht sehen, die hab ich ja in Filmen.

  • Zitat aus dem Buch:

    Zitat

    die doch voneinander abhängige Wesen zusammenbringt und somit ein Netz aus Bindungen erzeugt, die uns befreien.


    Von was für einer Befreiung spricht der Autor hier und wie können Bindungen befreiend wirkend?

    • Offizieller Beitrag

    Von was für einer Befreiung spricht der Autor hier und wie können Bindungen befreiend wirkend?

    Bindungen meint hier das Netz der Abhängigkeiten, des abhängigen Entstehens, in das wir als Wesen mit allen anderen Wesen eingewoben sind. Diese Sichtweise befreit von der Illusion, ein Geist in einer Maschine aus Fleisch und Knochen zu sein, dem nur das Abbild einer illusionären und absurden Wirklichkeit in totaler Isolation in Leere bleibt. Mit anderen Worten: die Befreiung aus dem Gefängnis des egozentrischen Solipsismus. Das ist im Grunde der buddhistische Weg. Leider führt aber ein grundlegendes Missverständnis der Lehre des Buddha oft genug direkt in dieses Gefängnis, dann nämlich, wenn sie zur Weltflucht dient. Dabei sollen alle Verbindungen zu einer als leidhaft erlebten Wirklichkeit vernichtet werden, um in Nichtsein aufzugehen. Das ist diese Form von "Zivilisation", die versucht, sich von der Welt und der Gemeinschaft der Lebewesen abzuschirmen, wie das obige Zitat ausführt.

    • Offizieller Beitrag


    Das habe ich hier irgendwo. Werde ich nach der Empfehlung dann nochmal zur Hand nehmen.

  • Erinnert mich stark an den Taoismus und seiner Einheit als Einheit mit der Welt und seinen Kulturskeptizismus (und auch an schamanistische Ansätze der Einheit von Natur und Mensch). Wir sind und bleiben eben Natur. Auch im Zen findet man öfters Hinweise, die in die Richtung deuten. Ein zeitgemäßes Leben kann den Klimawandel nicht ausblenden, muss die Einheit von Mensch und Natur nicht ausblenden. Für viele Buddhisten ist Natur aber schlicht Samsara, so mein Eindruck.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Von was für einer Befreiung spricht der Autor hier und wie können Bindungen befreiend wirkend?

    Bindungen meint hier das Netz der Abhängigkeiten, des abhängigen Entstehens, in das wir als Wesen mit allen anderen Wesen eingewoben sind. Diese Sichtweise befreit von der Illusion, ein Geist in einer Maschine aus Fleisch und Knochen zu sein, dem nur das Abbild einer illusionären und absurden Wirklichkeit in totaler Isolation in Leere bleibt. Mit anderen Worten: die Befreiung aus dem Gefängnis des egozentrischen Solipsismus. Das ist im Grunde der buddhistische Weg. Leider führt aber ein grundlegendes Missverständnis der Lehre des Buddha oft genug direkt in dieses Gefängnis, dann nämlich, wenn sie zur Weltflucht dient. Dabei sollen alle Verbindungen zu einer als leidhaft erlebten Wirklichkeit vernichtet werden, um in Nichtsein aufzugehen. Das ist diese Form von "Zivilisation", die versucht, sich von der Welt und der Gemeinschaft der Lebewesen abzuschirmen, wie das obige Zitat ausführt.


    Okay. Sind es die Abhängigkeiten und Bindungen selbst, die befreiend sind oder ist es die Sichtweise, die basierend auf dem Erkennen der Abhängigkeiten entsteht, die befreiend wirkt?

    • Offizieller Beitrag

    Sind es die Abhängigkeiten und Bindungen selbst, die befreiend sind oder ist es die Sichtweise, die basierend auf dem Erkennen der Abhängigkeiten entsteht, die befreiend wirkt?

    Da nichts außerhalb dieser Abhängigkeiten oder Bindungen Sichtweise existiert: Beides. Die Illusion, von der ich Befreiung erfahre, ist ja die Vorstellung von Unbedingtheit und Abhängigkeit = Getrenntsein des Ich von der Welt.

  • Sind es die Abhängigkeiten und Bindungen selbst, die befreiend sind oder ist es die Sichtweise, die basierend auf dem Erkennen der Abhängigkeiten entsteht, die befreiend wirkt?

    Da nichts außerhalb dieser Abhängigkeiten oder Bindungen Sichtweise existiert: Beides. Die Illusion, von der ich Befreiung erfahre, ist ja die Vorstellung von Unbedingtheit und Abhängigkeit = Getrenntsein des Ich von der Welt.


    Kannst du die beiden Sätze einmal umformulieren, ich verstehe die nicht. _()_

    • Offizieller Beitrag

    Kannst du die beiden Sätze einmal umformulieren, ich verstehe die nicht. _()_

    Klar.

    Außerhalb dessen, was abhängig entsteht, existiert nichts. Ein Ich, das außerhalb der Skandha, als Teil der Skandha oder als Gesamtheit der Skandha existieren würde, gibt es nicht. Ein Ich, das in Unabhängigkeit oder bindungslos existieren würde, gibt es nicht. Das bedeutet, dass das, was ich als Ich erlebe (aber auch dieses Erleben), mit allem verbunden und aus allem hervorgebracht wird – in jedem Augenblick neu. Daher existiert nichts außerhalb von Abhängigkeiten und Bindungen.


    Befreiung bedeutet also die Befreiung von der Illusion eines getrennten Ich, das als unabhängiger und unbedingter Beobachter, in einer Fleischmaschine durch die Gegend läuft und eine VR von Welt vorgegaukelt bekommt, hin zu der Erkenntnis eines totalen Eingebunden- und Abhängig-Seins in den Ursache-Wirkung-Nexus der Wirklichkeit.

  • Befreiung bedeutet also die Befreiung von der Illusion eines getrennten Ich, das als unabhängiger und unbedingter Beobachter, in einer Fleischmaschine durch die Gegend läuft und eine VR von Welt vorgegaukelt bekommt, hin zu der Erkenntnis eines totalen Eingebunden- und Abhängig-Seins in den Ursache-Wirkung-Nexus der Wirklichkeit.

    Hi, das war schon, warum man sollte das Fahrrad erfinden?


    Die Illusion des Ich: On the Taboo Against Knowing Who You Are : Watts, Alan: Amazon.de: Bücher

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Man muss sich schon schützen und verteidigen sonst würde man nicht überleben. Man müsste dabei aber nicht mehr tun als das Not-wendige. Was weitgehend Theorie ist wenn man in der warmen Stube sitzt, ein Buch schreibt und tausend Dinge der Ausbeutung nutzt. Weshalb es interessant wäre wie der Autor von diesem empfohlenen Buch lebt, was Schönes ausdenken kann sich bald jemand.

  • Befreiung bedeutet also die Befreiung von der Illusion eines getrennten Ich ...


    Okay.


    Also verstehe ich es richtig, wenn ich sage: Eine Erkenntnis über die Natur der Bedingungen ist befreiend, nicht aber die Bedingungen selbst ohne irgendeine Erkenntnis? Denn letzteres ist, wie ich das Buchzitat "ein Netz aus Bindungen erzeugt, die uns befreien" verstehe.

  • Igor07

    Das habe ich nicht verstanden. Bitte erkläre genauer, was Du meinst.

    Lieber Thorsten Hallscheidt , ich meinte genau von dir den zitierten Abschnitt, nichts mehr und nichts weniger.

    Wenn ich mich mit meinem Körper, meinem Schmerz oder mit meinen Problemen identifiziere, bestimme, so wie verorte, dann ich würde mich nichts mehr als der Knochensack mit dem "faulen " Fleisch drin wahrnehmen( empdinden), mehr nichts.

    Von kurzem ich habe eine Anekdote gelesen. ( Buddhsistisch).

    Das hat damit zu tun.

    Ein Wahrsager sagte dem Heiligen, er hatte sehr viel "Ärger" in sich.

    Und der weise Mann antwortete, das ist wahr , aber er benutzt ihn nichts.

    Also, mit den anderen Worten, bin ich mein "Ärger" oder nichts? Vereinfacht ausgedrückt.

    Im TB man spricht , z.B., über eine "Blume im Himmelsaraum".

    Aber die Blume ist nichts real, also wenn ich mit dem "Nichts realem" mich ("") identifiziere, dann ich würde leiden, als das Ergebnis. Mit den Illusionen, wenn sie alle sogar sehr schön aussehen, aber die sind nichts real, oder das alles wäre keinen Klaren Himmel.

    Man kann über das Klare Licht, Rigpa oder Buddha-Natur sprechen, das spielt keine Rolle, wie es man etikettiert.

    Hinter allen Aufklebern, hinter allen Models, hinter allen "bedingdten" und "zusammmehesetzten" es ist immer da.

    Man sieht es nur nichts, weil der Mensch konditioniert ist, er denke, er sei die "Blume", aber dann er verpasst die Chance den Himmel zu sehen, noch mehr, den Himmel zu sein. Das ist alles.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates