Aufsatz: Die Übertragung außerhalb der Schriften

  • Der ehemalige Theravada-Mönch Piya Tan hat einen Abriss der früheren Zen-Geschichte anhand von Traditionen wie der "Übertragung außerhalb der Schriften" vorgenommen und bezieht sich in seinem langen Aufsatz auch auf akademische Werke von Buswell, Adamek, McRae und anderen. An manchen Stellen zwar redundant, aber insgesamt lesenswert mit einer Fülle von Fußnoten. Auch ein bisschen durch seine Theravada-Brille gefärbt - wenn er z.B. am Ende meint, das bodhi des frühen Buddhismus sei nicht das Erwachen von Chan-Meistern ... Eine Übersetzung findet sich nun online.

    Piya Tan - Transmission outside the scriptures-Endfassung.docx

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Und, was meinst Du Bebop , ist das bodhi des frühen Buddhismus mit dem Erwachen der Chan-Meister (oder gehen wir weiter in den Zen) vergleichbar?

  • Das Erwachen der Theravadin ist so lange unvollständig, wie sie glauben, sie müssten ihren moralischen Pfad dualistisch begründen. Einige wie Buddhadasa Bhikkhu stehen für ein bodhi, wie ich es im Zen sehe. Man möge begreifen, dass der eingeschlagene Weg - ob Mönch, ob Laie, ob zölibatär, ob mit Familie - nicht das ist, was darüber entscheidet, ob man erwacht.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    b) Und wie kontrovers darf es hier werden?

    …schieß mal los. Im Zweifel verschieben wir das Thema in Kontrovers.


    Ich meine schon lange, dass das, was Erwachen ist, das Heilsziel also, in den verschiedenen bud. Traditionen völlig unterschiedlich - und inkompatibel - gesehen wird. Wobei ich das gar nicht, wie Bebop, bewerten will. Das ist einfach so.

  • Ich meine schon lange, dass das, was Erwachen ist, das Heilsziel also, in den verschiedenen bud. Traditionen völlig unterschiedlich - und inkompatibel - gesehen wird.

    Kannst du dies mal anhand von zwei oder drei buddhistische Traditionen näher erläutern was du damit meinst?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

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    Ich meine schon lange, dass das, was Erwachen ist, das Heilsziel also, in den verschiedenen bud. Traditionen völlig unterschiedlich - und inkompatibel - gesehen wird. Wobei ich das gar nicht, wie Bebop, bewerten will. Das ist einfach so.

    Das Erwachen ist sehr klar definiert. Es ist die restlose Überwindung von Dukkha, das durch die Geistesgifte Anhaftung, Ablehnung und Verblendung erzeugt wird. Gibt es eine Tradition, die das anders sieht?

  • Ja. Im Zen ist es das Abfallen jeglichen Dualismus. Anhaftung und Verblendung sind Ausdrücke, die ein Gegenteil erfordern, eine Vorstellung von richtig und falsch. Die muss abfallen. Das zeigt sich in unserer anderen Diskussion um den Fleischgenuss bzw. -verzicht, wo du automatisch annahmst, weil ich sagte: "Ich bin Buddha", ich hätte mir damit Vollkommenheit unterstellt. Das Abfallen solcher Kategorien bedeutet im weiteren Leben vor allem, dass man all diese letztlich leeren Kategorien angenommen hat, d. h. im Zen: Nirwana ist Samsara (oder umgekehrt), Anhaftung ist eben auch Erwachen, Verblendung ist eben auch Verwirklichung. Die Zustände sind koexistent oder im stetigen Wandel. Das wiederum wird für dich wohl zwangsläufig zu der Vorstellung führen, es gäbe dann kein ethisches Verhalten, was aber - und da unterscheide ich mich von den sila-Verfechtern, die es im Zen auch gibt - m. E. genau aus dieser Erfahrung neu erwächst (sila sind nicht Prämisse, sondern entstehen aus Versenkung und Weisheit). Das heißt es gibt kein besonderes Problem oder Grübeln über richtig und falsch, sondern einen verlässlichen Instinkt, was zu tun ist. Soweit jedenfalls meine Ansicht.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Anhaftung ist eben auch Erwachen, Verblendung ist eben auch Verwirklichung

    Nein. Anhaftung ist Anhaftung, Ablehnung ist Ablehnung, und beide führen zu Verblendung. Das Erwachen ist das Ende von Anhaftung und Ablehnung, denn beide bringen die Illusion eines Dualismus hervor: Ich hier – das Objekt meiner Begierde oder Ablehnung dort. Das ist auch im Zen nicht anders. Dort heißen die Geistesgifte Bonno, kleśa im sanskrit/tibetischen oder kilesa im Pali, aber es sind immer diese Ursachen, die Dukkha hervorbringen (wozu auch das Erleben von Getrenntsein und Dualität gehören) und es ist immer die Überwindung der Geistesgifte, die das Erwachen bedeuten. Der Weg ist unterschiedlich, von Tradition zu Tradition, aber das Ziel ist immer das Gleiche.

  • Das sind nur deine Vorstellungen davon, wie das zu sein habe. Dualität zu überwinden bedeutet nicht, dass es kein dukkha mehr gäbe, denn wie ich schon an anderer Stelle sagte, sind unter dukkha selbst laut diesem Buddha Krankheit, Alter und Tod zu fassen (um nur ein paar Beispiele zu nennen), und diese bleiben objektiv bestehen. Das heißt auch, dass ich mich als ein Erwachter jedes Mal neu mit dem Tod eines nahestehenden Menschen auseinandersetze, jedes Mal neu loslasse, jedes Mal neu eine Krankheitserfahrung mache, der Vergänglichkeit ins Auge blicke.


    Wer soll denn bitte je ein "Ende" von Ablehnung erreicht haben? Der Buddha lehnte am Ende z.B. immer noch Sex ab, er lehnte auch das weitere Verweilen in der Welt ab, wenn man die Geschichte von seinem Ende so liest, alles Dinge, die er einst noch befürwortet hatte. Natürlich definierte er das vorher etwas um, aber es bleibt für den Betrachter die Tatsache, dass einer was nicht für sich annahm, was ihm die Natur mit in die Wiege gelegt hatte (komplexe Körperfunktionen der Fruchtbarkeit). Dieses Beispiel habe ich bewusst gewählt, weil gerade in diesem von dir so genannten/zitierten "Geistesgift" sich der Dualismus aufheben lässt, nämlich in der Vereinigung von zwei Menschen aus Lust. Das wird immer wieder von Menschen so erfahren und hat in diesem Augenblick, wo es erfahren wird, Gültigkeit, denn dann gibt es auch nur diesen Augenblick. Das ist die Soheit dieser Erfahrung, ihre Realität, einer der Gründe, warum es uns gibt. Und da ist sogar Leiden aufgehoben (das erst im Nachhinein wieder hineininterpretiert wird, weil der Vorgang wie alles veränglich ist). Und um solches Verankertsein im viel zitierten Hier und Jetzt geht es im Zen, dann werden auch diese Konzepte als solche durchschaut. Der Fokus auf dieses Ursache-Wirkung-Prinzip wie in deinem dukkha-Modell setzt immer einen Beobachter voraus, der nicht in der gelebten Gegenwart und nur da verankert ist. Das ist ein Reflektierender.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Das heißt es gibt kein besonderes Problem oder Grübeln über richtig und falsch, sondern einen verlässlichen Instinkt, was zu tun ist.

    Ja, diese Vorstellung habe ich schon bei dem einen oder anderen gehört. Meine Meinung dazu: das ist gefährlicher Unfug und Selbstbetrug, der nur darauf hinausläuft, dass jedes noch so egoistische, unethische, verantwortungslose, schädliche und unreflektierte Verhalten gerechtfertigt werden kann und dann die Gleichgültigkeit bezüglich der Konsequenzen des eigenen Handelns auch noch als Gleichmut des Erwachens verkauft wird.


    Dieser Instinkt, von dem Du sprichst, existiert vielleicht bei jemandem, der die Lehre über viele Jahrzehnte in intensiver Praxis verwirklicht hat, aber selbst da wäre ich sehr vorsichtig. Viele, die glauben, Zen sei ein direkter Weg, der einen mühelos auf den Gipfel der Erkenntnis katapultieren würde, gehen in diese Falle, in der schließlich ein aufgeblähtes Superego, das sich über jeden Zweifel und jede moralische Wertung erhaben wähnt, als Inbegriff der Weisheit gefeiert wird: Wenn eh alles leer und relativ ist, gibt es auch kein richtiges oder falsches Verhalten – also kann ich instinktgesteuert all das machen, wozu mir gerade der Sinn steht, denn ich bin ja der Buddha, in dem die Wahrheit entsteht und die Realität sich manifestiert... puhhh. Das ist echt nicht mein Ding.


    Manchmal macht es wirklich Sinn, dass bestimmte Lehren – wie im tibetischen Buddhismus – für die Adepten so lange unzugänglich bleiben, bis sie über eine solide Basis in Sachen ethischer Lebensführung und Meditationspraxis verfügen.

  • Zitat

    Manchmal macht es wirklich Sinn, dass bestimmte Lehren – wie im tibetischen Buddhismus – für die Adepten so lange unzugänglich bleiben, bis sie über eine solide Basis in Sachen ethischer Lebensführung und Meditationspraxis verfügen.


    Da kann man dann ein paar recherchieren, die sich einfach nach dem Offenbaren "bestimmter Lehren" an ihren Schülerinnen vergriffen. Weil das so nicht funktioniert. Man hat nicht irgendwann mal Perfektion im ethischen Verhalten erlangt, so dass man nie mehr Fehler machen könnte.


    Dieses Vorenthalten von "Wahrheiten" ist auch ein Machtspiel. Ich lehne das ab. Es braucht da immer einen, der schon irgendwie etabliert ist und zu dem die Adepten aufschauen, damit der überhaupt entscheiden darf, wie weit einer ist. Ich gab schon ein Beispiel, und ich kann noch drastischer werden, um dir das vor Augen zu führen:


    Nehmen wir an, es gäbe ein himmlisches Gericht wie in manchen romantischen Vorstellungen von Christen. Da steht dann also Petrus mit seinem Buch in der Hand. Ich stehe hinter Buddha Shakyamuni und Thich Nhat Hanh. Entgegen dieser anderen Vorstellung, dass Gott alles verzeiht (auch noch im letzten Augenblick), nehmen wir also nun mal an, dass die genaue Buchführung entscheidet. Leider ist es nun so, dass der Shakyamuni so lange in seinem Palast auf Kosten anderer lebte und rumhurte (ich kann ja nix dafür, dass das in die Geschichte mit eingebaut wurde), dass sich in der Gesamtsumme nur noch eine halbwegs bequeme Hölle für ihn finden lässt. TNH werden seine ganzen Flüge zum Verhängnis und die Heuchelei, es anders gepredigt zu haben (und hey, in Plum Village fährt man sogar Auto, da reibe ich mir hinten in der Reihe schon die Hände, denn Autos kann man ja auch nicht herstellen, ohne Leid zu erzeugen, und ich hatte keins ...). Also, TNH bekommt es etwas dicker, und dann bin ich an der Reihe, ein unbedeutendes Lichtlein, das sich an mindestens zwei, drei ganz peinliche Vergehen erinnert und all dieses Fleisch aß, es aber nie auf Buddhas Harem brachte - und siehe da, Petrus' Buchhaltung ist unbestechlich, ich darf mir als Bonus sogar aussuchen, ob ich in die Hölle von Shakyamuni oder in die von TNH mitgehe. Auf dem Weg dorthin sehen wir dann noch den Dalai Lama. Petrus hatte da eine Notiz, nach der es dicke Minuspunkte für die Behandlung einer gewissen Sekte gab und das Versäumnis, sich nicht genügend auf den Angriff der Kommunisten vorbereitet zu haben. Ich hätte das gern mit Petrus ausdiskutiert, aber der DL hat sich schon gleichmütig mit seinem Schicksal abgefunden, und von unten her kommen Anfragen, ob er sich nicht doch noch mal reinkarnieren könnte ...

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Nehmen wir an, es gäbe ein himmlisches Gericht wie in manchen romantischen Vorstellungen von Christen.

    Richtig und falsch sind doch keine moralischen Kategorien wie gut und böse, sodass Du eine Belohnung für das eine oder eine Strafe für das andere bekommst. Darum geht es doch dar nicht. Es geht um Kausalität und Folgenabschätzung für Dich und andere. Mir ist es egal, ob Shakyamuni herumgehurt hat oder nicht. Entscheidend ist für mich, dass er zum einen durch einen Erkenntnisprozess zu dem Schluss gekommen ist, dass diese Handlung bei ihm selbst und anderen zu vermeidbarem Leid führt, und zum anderen aufgrund dieser Erkenntnis diese Handlung eingestellt hat.


    Die Sila sind keine olympischen Disziplinen, bei denen derjenige den meisten Ruhm erntet, der sie am erfolgreichsten absolviert. Die 10 unheilsamen Handlungen gelten als unheilsam, weil sie – wenn ich ihnen in meinem Leben viel Raum gebe – zu Problemen, Chaos und Leid führen. Sie sind kein Selbstzweck, sondern Teil einer Strategie, das Leben einfacher und friedlicher im Miteinander und im Verhältnis zu anderen zu gestalten. Und selbst das ist im Buddhismus kein Selbstzweck. Diese Beruhigung und Harmonisierung des Lebens bildet die Grundlage für die Praxis der Meditation und Kontemplation, die wiederum die Basis für Erkenntnis und Entwicklung sind.


    Leerheit bedeutet nicht, dass Kategorien wie richtig und falsch, groß und klein, hell und dunkel nicht existieren würden, oder dass ich sie überwinden könnte oder sollte. Das ist ein typisches Missverständnis. Es bedeutet, dass die eine Kategorie nur in Abhängigkeit zu einer anderen existieren kann. Die relative und die absolute Existenzweise der Phänomene ist aber gleichwertig. Es wäre ein Irrtum zu denken, dass es richtig und falsch eigentlich ja gar nicht gibt, weil diese Kategorien nicht eigenständig existieren können. Sie existieren als dynamische Relationen, die sich im ebenfalls dynamischen Kontext zur gesamten Wirklichkeit immer wieder verändern. Darum werden im Buddhismus auch relative Wahrheit und absolute Wahrheit nicht als unterschiedliche Qualitäten aufgefasst. Beide Sichtweise existieren gleichwertig als zwei Seiten einer Münze. Daher auch der Ausdruck, dass selbst die Leerheit leer von inhärenter Eigenexistenz ist. Denn auch die Position von Shunyata existiert nur in Abhängigkeit zu einer Realität, in der Dinge nur in Abhängigkeit zueinander existieren. Anders gesagt: Im jedem Augenblick gerinnt die Potenzialität des Seinsgrundes (Shunyata) zur Wirklichkeit der erfahrenen Existenz, die ihrerseits wieder die Bedingungen für die Existenzweise des nächsten Augenblicks darstellt. Das ist die Dynamik von Karma und hat mit moralischen Kategorien nichts zu tun. Ursache und Wirkung sind hier die Schlüsselbegriffe.


    Weil sich die Relation zwischen Kategorien richtig und falsch, und ihr Bezug auf die Wirklichkeit im Zuge der Unbeständigkeit immer wieder verschieben, hat sich auch z.B. die Auswirkung des Konsums von Fleisch im Laufe der Zeit sehr verändert und wird es weiter tun. So muss man immer wieder abwägen, welche Konsequenzen eine beliebige Handlung auf die gesamte Realität hat, heute mehr als früher, weil die globalen Vernetzungen viele Konsequenzen des eigenen Handelns verbergen. Instinkt ist da ein sehr schlechter Ratgeber. Informationen, vernünftiges Abwägen, Reflexion und Empathie sind da schon weit maßgeblicher.


    Das eigentliche ethische Axiom im Buddhismus, das man vielleicht moralisch nennen könnte und das der jeweiligen Einzelentscheidung im Buddhismus zugrunde liegt, ist die Erkenntnis, dass alle Wesen Leid vermeiden und Glück erleben wollen, und dass es sinnvoll ist, das Leiden der Wesen zu mindern, wo immer es geht. Dieses Axiom findet seinen Ausdruck in ahimsa. Ich teile es.


    Leid und Glück sind aber natürlich auch Phänomene, die keine inhärente Eigenexistenz haben, und nur in dynamischer Relation zueinander existieren. Diese Leerheit von inhärenter Eigenexistenz macht sich der Buddhismus zunutze, indem er durch die Praxis die Relation von Leid und Glück so weit verschiebt, dass die eigene Erfahrung, aber auch die Auswirkung des eigenen Seins auf andere, weniger leidvoll werden, indem nämlich die Abhängigkeit und Bedürftigkeit des eigenen Glücks von äußeren Bedingungen und somit oft vom Leid anderer reduziert wird. Das ist der Sinn der ethischen Disziplin im Buddhismus, das ist auch eines der wesentlichen Ziele der buddhistischen Lehre überhaupt.


    Für mich sind die Schriften des Palikanon oder auch andere buddhistische Texte kein Steinbruch, in dem ich mir das herausbreche, was mir im Moment sinnvoll erscheint, sondern eher ein Wald von Metaphern und tradierten Erfahrungen, in dem ich eine leuchtende Spur der allmählich größer werdenden Freiheit wahrnehme. Durch eigene Erfahrungen konnte ich immer wieder Teile dieser Schriften bestätigen. Aber genau darum habe ich auch großen Respekt vor den Teilen, die ich (noch) nicht verstehe, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie schlicht aus mangelnder Erfahrung nicht verstehe, ist weit größer als dass sie Unsinn enthalten, der auf den Misthaufen der Geschichte gehören. Denn es ist ja auch so, dass Inhalte über viele Jahrhunderte gerade auch deshalb weitergegeben werden, weil sie Menschen mit ihren Erfahrungen bestätigen können. Diese unzähligen Menschen, die eine Tradition gelebt, erfahren und zum Teil unter Einsatz ihres Lebens weitergetragen haben, sind sicher nicht dümmer oder machtbesessener oder korrupter als ich. Eher ist es wahrscheinlich andersherum.


    Mir ist Deine Skepsis in Bezug auf Autoritäten und "heilige" Text nicht fremd. Mein Ich von vor 20 Jahren würde Dir in den meisten Punkten zugestimmt haben, vor allem weil die stark übertriebenen Vorstellungen von meinen eigenen Erfahrungen und Fähigkeiten aus mir selbst eine unerschütterliche Instanz zu Beurteilung von Wahrheit und Täuschung, Sinn und Unsinn, Aufklärung und Verblendung gemacht hatten. Dieses Selbstbild hat die letzten Jahre glücklicherweise nicht überlebt, was vor allem daran lag, dass ich durch eigene Erfahrung Sachverhalte bestätigen musste, über die ich mich zuvor echauffiert oder lustig gemacht hatte.


    Ich habe mich in der Vergangenheit viel geschämt im Geheimen, wenn ich merkte, dass ich das Maul mal wieder sehr weit aufgerissen hatte, ohne auch nur im Ansatz zu verstehen, worüber ich hergezogen, was ich verspottet, was ich als religiöse Spinnerei und Verblendung abgetan habe. Und wahrscheinlich werde ich diese Erfahrung zukünftig auch noch machen, zumindest hoffe ich das.

  • Zitat

    Es bedeutet, dass die eine Kategorie nur in Abhängigkeit zu einer anderen existieren kann.


    Solange es Kategorien gibt ...


    Zitat

    Instinkt ist da ein sehr schlechter Ratgeber. Informationen, vernünftiges Abwägen, Reflexion und Empathie sind da schon weit maßgeblicher.


    Das eine schließt das andere nicht aus. Ich gebe die folgenden Beispiele nur zur Illustration von Instinkt, nicht um da eine politische Diskussion aufzumachen, denn es ist klar, dass Meinungen gerade da auseinandergehen: Dass ich z.B. in den frühen Interviews mit dem Biontech-Chef erkannte, dass er mir was vormachen will, ist eher Instinkt, dass nimmt mir in dem Moment keiner per Information ab (dazu ist der investigative Journalismus zu schlecht geworden). Und dieser Instinkt war der beste Ratgeber in den letzten zwei Jahren, und das nicht zum ersten Mal, auch wenn das nicht Instinkt allein ist, sondern natürlich auch Erfahrung im Lesen von Mimik etc. Man hat nicht immer Informationen, und Empathie kann einen über wesentliche Sachverhalte hinwegtäuschen. Mir tut auch einer wie Lauterbach mit seinen Ängsten leid, aber ich bekomme keine Information darüber, ob er bereits offiziell eine Angststörung attestiert bekam (ärztliche Schweigepflicht), also ist viel wichtiger, dass mir mein Instinkt sagt, jemand müsse ihn seines Amtes entheben, und wenn ich das könnte, würde er meine ganze Mitleidlosigkeit zu spüren bekommen und in aller Öffentlichkeit zur Sau gemacht. Was ich damit sagen will, ist, dass Instinkt für manche Menschen - wie für mich - auch im Nachhinein ein recht guter Ratgeber war, und man lernt darauf zu vertrauen und fragt sich eher, warum man es an dieser und jener Stelle versäumt hat, auf den Instinkt zu hören. Mir wird allerdings zuweilen im Freundeskreis gesagt, einen solchen Instinkt empfände man nicht, also kann man damit auch nicht operieren. Meine Kumpels hören den L. und den CEO auch reden und schauen ihnen zu, aber bei denen schrillen keine Alarmsignale, damit finde ich mich ab, das ist im Übrigen sogar in der Überlieferung vorhergesagt, also womöglich einer der Punkte, dem ich zustimmen könnte. Eine Frucht der Übung. Man durschaut die Gauner. Dankeschön. Aber auch ein undankbarer Job. Es geht hier nicht um eine politische Wertung, sondern darum, dass es sehr viele Menschen gibt, die nicht bemerken, wenn sie verarscht werden, weil es ihnen eben an Instinkt mangelt (und vielleicht anderen Zutaten, mit denen diese Verarsche durchschaut werden könnte).


    Die Empathie findet jedenfalls in solchen Fällen genau wie beim Fleischkonsum ihre Grenze in dem, was angebracht ist. Es ist nicht angebracht, dass ich mir etwas spritzen lasse, was Heuchler und Paranoide mir aufdrängen wollen. Eine Ernährung mit Fleisch ist für mich hingegen angebracht, ich merke, wie sie meinem Körper gut tut. Die Evolution ist die größere "Wahrheit" als ahimsa, sie ist insgesamt stimmiger (man beachte, dass im Buddhismus auf das gute Zeitalter mit dem Buddha schlechtere angekündigt wurden, tatsächlich hat sich die Menschheit aber zu Höherem entwickelt, in vielerlei Hinsicht), und von daher ist prinzipiell ein Recht da, Fleisch zu essen. Wahlweise finde ich persönlich es jedoch besser, Tiere, die schon frei sind, nicht zu jagen, sondern sich eigens welche zum Verzehr zu züchten. Das ist auch bloß ein Ausdruck der Evolution. Mir hat noch keiner schlüssig nachgewiesen, dass bei meinem geringen Fleischkonsum keine anständige Tierhaltung möglich ist. Später mag es dann sozusagen evolutionär bedingt der Fleischersatz sein, wenn er sich durchsetzt.


    Die Empathie, von der du sprichst, hat keine Maßeinheit. Jemandem Empathie abzusprechen bedeutet nur, dass man sich auf einen Ausschnitt konzentriert, ohne das Gesamtbild zu sehen. Ich käme nicht im Traum darauf, dass ich jemandem besonders große Empathie unterstelle, weil er sich vegetarisch ernährt. Genausowenig spreche ich jemandem Empathie ab, weil er Metzger ist. Ich spreche sie nicht mal ganz einem Arzt ab, dessen unklaren Geist ich durchschaut habe und der Menschen mit sich in den Abgrund zieht. Denn entscheidender ist dieser verwirrte Geist, der erfordert ein Eingreifen, und seine potentielle Empathie darf darüber nicht hinwegtäuschen und nicht höher anzusiedeln sie als seine Verwirrung.


    Zitat

    Das eigentliche ethische Axiom im Buddhismus, das man vielleicht moralisch nennen könnte und das der jeweiligen Einzelentscheidung im Buddhismus zugrunde liegt, ist die Erkenntnis, dass alle Wesen Leid vermeiden und Glück erleben wollen, und dass es sinnvoll ist, das Leiden der Wesen zu mindern, wo immer es geht. Dieses Axiom findet seinen Ausdruck in ahimsa. Ich teile es.


    Das ist mir zu einseitig. Man kann beobachten, dass Wesen auch "gern" Leid erzeugen, vor allem in der Tierwelt. Und dass sie vor allem gern Lust ausleben und sich vermehren. Da stimmt es also schon nicht mehr mit den buddhistischen Idealen überein, sondern das Konzept ahimsa wird über eine Welt gestülpt, die tatsächlich ein Überlebenskampf der Wesen ist. Wir an der Spitze der Evolution können da natürlich schöngeistig daherreden und uns aus diesen Strukturen zeitweise herausnehmen.


    Bevor jetzt wieder der Einwurf der Beliebigkeit kommt - ich sagte schon, ich nehme nichts als Glaubeninhalt an, und wenn es gelehrt wird und nicht stimmig ist, dann verwerfe und kritisiere ich es. Du kannst dich an ahimsa orientieren, aber wenn es ein anderer nicht macht, schlägt er dir den Schädel ein (oder jagt dir einen Impfstoff in den Arm, den du nicht brauchst und der deinem Immunsystem - im Einzelfall - mehr schadet als nutzt). Ich habe da gern die Möglichkeit, ihm zuvorzukommen (als bei uns. also in Deutschland, die Impfpflicht drohte, habe ich die Vorbereitungen für eine andere Staatsbürgerschaft eingeleitet, mir ist aber lieber, dass es dazu nicht kam). Ich modifiziere überlieferte Schlauheiten so lange, bis sie meiner Erkenntnis der Realität nahe kommen, und ich sage nicht, weil einer meinte, alle Wesen würden Leid vermeiden, das müsse dann auch so sein - ich beobachte da noch was anderes. Die Tierwelt erzeugt mehr Leiden als die Menschenwelt. Genausowenig lasse ich mich von Leuten verarschen, wenn um mich herum die Geimpften kränker sind als die Ungeimpften. Deren Impfreligion nehme ich auch nicht ungeprüft an. ahimsa ist keine passende Antwort auf solche Fragen, mein Körper sagt nein zum Fleischverzicht, mein Geist sagt nein zur mRNA-Spritze. Ich brauche einen geklärten Körper und Geist wesentlicher als Empathie, ich brauche Versenkung, Einsicht, Weisheit also wesentlicher als sila. Das ist ein ganz entscheidender Punkt in meiner Argumentation und auf meinem Erkenntnisweg.


    Zitat

    Denn es ist ja auch so, dass Inhalte über viele Jahrhunderte gerade auch deshalb weitergegeben werden, weil sie Menschen mit ihren Erfahrungen bestätigen können


    Ich lebe in einem Theravada-Land. Da gibt es Fernsehsender mit Dauerbequatschung von Mönchen, eine Weile auch noch von der Dharmakaya-Sekte, die den größten Unsinn erzählte, wenn ich den Untertiteln folgen durfte. Da wird eigentlich gar nicht viel weitergegeben als Dinge, die die Leute permanent ignorieren (außer Geld bei Dharmakaya zu lassen). Wo man hinschaut, wird im Volk von Kohle und Genuss geredet, die junge Generation lebt am Handy und durchs Gamen. Die Mönche reden zuweilen gegen Mauern, können sich aber darauf verlassen, nicht zu verhungern, ja sogar, wenn sie korrupt sein wollen, zu Millionären zu werden. Die meisten Mahlzeiten enthalten hier Fleisch. Bei den Veggie-Tagen gab es an den vegetarischen Ständen meist auch Fleischgerichte. Gemordet wird, gestohlen wird etc. pp. Das Modell, das man sich irgendwas vorfaselt wie "ich mache dies und das nicht, denn es ist nicht gut", funktioniert nicht recht. Meines Erachtens hat sich recht wenig bestätigen lassen, und das fand ich im Zen. Das allerdings hat es in sich. Hat aber so gut wie nichts mit dem zu tun, was üblicherweise dem Volk gelehrt wird. Man könnte es auch die Dekonstruktion des Glaubens nennen, aber Religionen machen das Gegenteil, die bessern ständig ihr Glaubensfundament aus. Im Zen heißt es darum letztlich auch, dass gar nix weitergegeben werden kann. Es brachte mich neulich darauf, dass auch mal deutlich in eigenen Beiträgen zu sagen. Denn selbst die meisten Zennies sitzen irgendwo rum und warten mehr oder weniger auf Bestätigung. Statt sich einfach das zu nehmen, was sie vom Zen brauchen, und die anderen hocken zu lassen. Was sie brauchen, ist die Freiheit eines Bankei, eines Ikkyu, eines Wuzhu, eines Yünmen. Und dann darüber hinaus gehen, statt zu kopieren (und wieder bloß im Tempel zu landen).

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    • Offizieller Beitrag

    Es ist nicht angebracht, dass ich mir etwas spritzen lasse, was Heuchler und Paranoide mir aufdrängen wollen. [...] Genausowenig lasse ich mich von Leuten verarschen, wenn um mich herum die Geimpften kränker sind als die Ungeimpften. Deren Impfreligion nehme ich auch nicht ungeprüft an.

    Soweit zum Thema Instinkt....


    Die Evolution ist die größere "Wahrheit" als ahimsa, sie ist insgesamt stimmiger

    Ok, daher weht der Wind...


    Man kann beobachten, dass Wesen auch "gern" Leid erzeugen, vor allem in der Tierwelt. Und dass sie vor allem gern Lust ausleben und sich vermehren. Da stimmt es also schon nicht mehr mit den buddhistischen Idealen überein, sondern das Konzept ahimsa wird über eine Welt gestülpt, die tatsächlich ein Überlebenskampf der Wesen ist. Wir an der Spitze der Evolution können da natürlich schöngeistig daherreden und uns aus diesen Strukturen zeitweise herausnehmen.

    Spitze der Evolution? Ich muss mich korrigieren: Selbst vor 20 Jahren hätten wir keine Übereinstimmung gehabt. (:

    Die Tierwelt erzeugt mehr Leiden als die Menschenwelt.

    Ich glaube, Dir ist nicht klar, was Leiden im Buddhismus für eine Bedeutung hat.


    mein Körper sagt nein zum Fleischverzicht, mein Geist sagt nein zur mRNA-Spritze. Ich brauche einen geklärten Körper und Geist wesentlicher als Empathie, ich brauche Versenkung, Einsicht, Weisheit also wesentlicher als sila. Das ist ein ganz entscheidender Punkt in meiner Argumentation und auf meinem Erkenntnisweg.

    Oh je... Mein Körper, mein Geist, ich brauche, ich brauche.... Das ist der entscheidende Punkt in Deiner Argumentation.


    _()_

  • Zitat

    Ich glaube, Dir ist nicht klar, was Leiden im Buddhismus für eine Bedeutung hat.


    Doch, und das ist ganz entscheidend. Es ist das Leiden am Dualismus und an den Kategorien. Dieses Leiden können wir überwinden.


    Du aber sprachst von Empathie mit Tieren und dem Verzicht auf Fleisch, um ihnen Leiden zu ersparen, das (nicht Leiden an Dualismus ist, sondern ...) durch Massentierhaltung etc. entsteht. Und dieses Leiden verglich ich mit dem Leiden, das in der Tierwelt ausgelöst wird - ein Leiden, das wie ich schon sagte, Teil der Natur ist (frühzeitiger Tod, qualvoller Tod, qualvolles Leben).


    Zitat

    mein Geist, ich brauche, ich brauche


    Ja, und die Buddhisten, die sich da was vormachen, sind diejenigen, für die das genauso gilt: Ich brauche Leibwächter (Dalai Lama), ich brauche Land (Thich Nhat Hanh), ich brauche einen Vinaya (Buddha).

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Der buddhistische Weg beginnt meines Wissens nicht mit wahrer Ethik, sondern mit wahren Sehen, das entspricht Kensho im Zen, und daraus entspringt dann das Handeln etc..
    Zum anderen hat aus meiner Sicht Zen auch Impulse des Taoismus in sich, und der ist eher kritisch, was einer formalen Ethik angeht. Eine Ethik, die ethisch sein will, ethischen Regeln (letztlich Vorstellungen) folgt, ist für ihn keine wahre Ethik.
    Eine andere Frage wäre, inwieweit Buddhas ursprüngliche Lehre nicht noch sehr dualistisch war, und das Mahayana sich immer mehr davon entfernt hat. (Und ich hab so meinen Zweifel, inwieweit das Vinaya ethisch und mitfühlend war/ist. Er grenzt zu viele Menschen aus.)

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Eine Ethik, die ethisch sein will, ethischen Regeln (letztlich Vorstellungen) folgt, ist für ihn keine wahre Ethik.

    Yep. Deshalb ist praktizierte buddhistische Ethik für Nicht-Mönche ja auch ein Übungsfeld, und keine normative Vorschrift. (*) Für normative Vorschriften in Klöstern gibt es sicher viele Gründe.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

    PS: (*) Und es bringt einen nicht weiter, wenn man den Regeln blind folgt, ohne sie zu erforschen.

  • Eine andere Frage wäre, inwieweit Buddhas ursprüngliche Lehre nicht noch sehr dualistisch war, und das Mahayana sich immer mehr davon entfernt hat

    Dann erkläre doch mal, warum du glaubst, dass die Lehre Buddhas noch dualistisch war. Was meinst du denn, wenn du von Dualismus sprichst und inwieweit findest du deine Auffassung von Dualität in Buddhas Lehre?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Der buddhistische Weg beginnt meines Wissens nicht mit wahrer Ethik, sondern mit wahren Sehen, das entspricht Kensho im Zen, und daraus entspringt dann das Handeln etc..


    Letztlich ist es ja entscheidend, welchen Weg man selber einschlägt. Also welche Werte man lebt, welche Ziele man sich vornimmt, mit welchen Menschen man sich umgibt. Will sagen: der buddhistische Weg - und die Frage womit der beginnt ist ein Unterhaltungsobjekt des Geistes und in der Kommunikation, solange man da nicht auch vom eigenen Weg, oder einem eigenen Anfang spricht.


    Ich glaube, für viele Menschen war ein tatsächlicher Beginn der Beschäftigung mit buddhistischen Texten eine schwierige Lebensphase, eine tiefgehende auch belastende Erfahrung.


    Ja. Grösseres Leiden. Das kann ich mir gut vorstellen. Dass hierdurch bedingt viele persönliche, 'buddhistischer' geprägte Lebenswege und Lebenswegveränderungen entstanden sind.


    Vielleicht ist das Thema auch mehr ein Thema was mit der Fantasie zu tun hat und zu haben soll, dann sind diese Zeilen von mir natürlich unpassend.

  • Der buddhistische Weg beginnt meines Wissens nicht mit wahrer Ethik, sondern mit wahren Sehen, das entspricht Kensho im Zen, und daraus entspringt dann das Handeln etc..

    Das wäre eben ein Weg, bei mir der des Vipassana-Systems.


    Und gleichzeitig:

    Letztlich ist es ja entscheidend, welchen Weg man selber einschlägt.


    Man muss eben den Ansatz finden, mit dem gut einen langen steinigen und schönen Weg gehen kann.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Dann erkläre doch mal, warum du glaubst, dass die Lehre Buddhas noch dualistisch war. Was meinst du denn, wenn du von Dualismus sprichst und inwieweit findest du deine Auffassung von Dualität in Buddhas Lehre?

    Der ganze Vinaya ist dualistisch. Tu dies, lasse dies. Nur wenn du diese Voraussetzungen erfüllst, darfst du beitreten. etc. Letztlich ist alle formale Ethik dualistisch.
    Leiden vs. Leidlosigkeit ist dualistisch.
    Samsara vs. Nirvana.
    (Samsara=Nirvana bzw. "Selbst der Gute wird erlöst, um so vielmehr der Böse" kamen ja sehr viel später).
    Weltlichkeit vs. Überweltlichkeit.
    Arya vs. gewöhnlich.
    Erwacht vs. Nicht erwacht.
    Das Bedingte vs. das Nicht-Bedingte.
    (Auch wenn die Vorstellung, dass es Bedingungen braucht, um das Nicht-Bedingte zu erlangen, zutiefst unlogisch ist).
    Das Wahre (der ganze 8-fache Pfad) vs. das Nicht wahre.
    Wissen vs. Nichtwissen.
    Da scheint mir Zen zum Teil andere Ansätze zu wählen.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

    • Offizieller Beitrag

    Leiden vs. Leidlosigkeit ist dualistisch.
    Samsara vs. Nirvana.
    (Samsara=Nirvana bzw. "Selbst der Gute wird erlöst, um so vielmehr der Böse" kamen ja sehr viel später).
    Weltlichkeit vs. Überweltlichkeit.
    Arya vs. gewöhnlich.
    Erwacht vs. Nicht erwacht.

    Es wird hier immer wieder vergessen, dass Shunyata nicht bedeutet, dass es "in Wirklichkeit" es keine Polaritäten, oder Gegensätze oder Dualismen gibt. Sie haben nur keine inhärente Eigenexistenz.


    Was bedeutet das? Ein Gehender kann nicht existieren ohne das Gehen und die gegangene Strecke. Das Gehen existiert nicht ohne jemanden, der geht und eine Strecke, die zu gehen ist. Die gegangene Strecke wiederum ist keine solche, ohne dass sie jemand gehen würde und es die Möglichkeit des Gehens gäbe. Ein von den anderen Elementen (gegangene Strecke, Gehender) unabhängiges, eigenständig existierendes Gehen existiert nicht, u.s.f.. Genau wird diese Sicht diskutiert bei Nagarjuna, Mūlamadhyamaka-kārikā.


    Aber es ist falsch zu behaupten, Gehender, Gehen und gegangene Strecke würden gar nicht existieren, oder das Erwachen wäre der Zustand, in dem diese Dinge sich in ein großes Einerlei auflösen würden. Das wäre die nihilistische Perspektive. Die idealistische Perspektive wäre jene, die behauptet, das Gehen – oder jedes andere Phänomen – hätte eine eigenständige, unabhängige (inhärente) Eigen-Existenz – etwa wie eine platonische Idee. Der Buddhismus vertritt mit Nagarjuna den mittleren Weg. Dieser besagt, dass die Phänomene existieren, aber nur in gegenseitiger Abhängigkeit von anderen Phänomenen.


    Die Überwindung des Dualismus bedeutet nicht, dass es keinen Unterschied mehr gibt zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem oder dass sie nicht existieren würden, sich in das Wohlgefallen von Satori auflösen. Es wird aber klar, dass sie untrennbar sind, weil sie sich gegenseitig in jedem Augenblick, dynamisch und total bedingen.

  • Die Überwindung des Dualismus bedeutet....

    das Unterscheidungen, die getroffen werden, nicht Dualismus ist. Dualismus erscheint erst, wenn es eine Wahl für eine Seite der unterschiedenen Objekte gibt.

    Eine Auswahl heißt eine Seite annehmen und, was oft nicht beachtet wird, die andere Seite ablehnen. Weil das Ablehnen nicht bemerkt wird, gibt es plötzlich ein Gegenteil, wo vor der Wahl nur unterschiedliche Objekte in gegenseitiger Abhängigkeit waren.


    Eine Wahl treffen heißt also Leiden verursachen, das ist aber nicht zu vermeiden, jede Handlung erzeugt Leiden, auch wenn es sich unbemerkt auswirkt. Eines Tages muss man bekennen: Es ist jetzt so, weil ich zu einem anderen Zeitpunkt einverstanden mit meiner Wahl war.

    • Offizieller Beitrag

    Eine Wahl treffen heißt also Leiden verursachen, das ist aber nicht zu vermeiden, jede Handlung erzeugt Leiden, auch wenn es sich unbemerkt auswirkt.

    Nein. Es gibt Handlungen, die helfen, das Leiden zu lindern und solche, die es verstärken. Um zu zwischen heilsamen und unheilsamen Handlungen zu unterscheiden, gehört Unterscheidungsvermögen. Das entsteht durch die Beschäftigung mit Unbeständigkeit und Ursache-Wirkung-Beziehungen.