Visuddhi Magga XIV: Die Daseinsgruppen

  • Hallöchen zusammen,


    hat jemand Kapitel 14 vom Visuddhi Magga gelesen und verstanden, wie bei den viññāna-kkhandha- Beschreibungen die 89 Bewusstseinzustände mit den 14 Anlässen zusammenhängen? Ich bin da skeptisch, ob das irgendjemand liest und im Anschluss denkt: Ja, das macht Sinn. So erlebe ich das auch.

  • Was ist denn genau das Verständnisproblem? Die Anlässe benennen wann Bewusstsein auftritt und die Bewusstseinszustände benennen wie das Bewusstsein auftritt.

  • Hallöchen zusammen,


    hat jemand Kapitel 14 vom Visuddhi Magga gelesen und verstanden, wie bei den viññāna-kkhandha- Beschreibungen die 89 Bewusstseinzustände mit den 14 Anlässen zusammenhängen? Ich bin da skeptisch, ob das irgendjemand liest und im Anschluss denkt: Ja, das macht Sinn. So erlebe ich das auch.

    Hallo Bosluk

    es ist doch völlig normal so zu denken.


    Es handelt sich bei den ältesten Schriften um einen Wegweiser zum Mond den der Buddha uns in großem Mitgefühl hinterlassen hat.


    Nicht um den Führerschein für ein Mobil das einen zum Mond bringt.


    Mobilität bedingt Notwendigkeit.


    Die Erfahrung,

    die Praxis der Anweisungen umzusetzen und unterschiedliche Bewusstseinsstufen auch zu erleben führt zu Vertrauen auf dem Pfad.


    Und Vertrauen als Basis zu erfahren ist Hingabe im Klarem Bewusstsein.


    Es bleibt müßig über viele Worte zu sinnen, wenn Sein erlebt werden kann.


    Heute, Morgen oder in fünftausend Jahren.😉


    In Metta🙏

  • Himmelsbaum


    Grundsätzlich erschien mir die Einteilung in kusala (karmisch heilsam), akusala (karmisch unheilsam) und avyākata (karmisch neutral) merkwürdig, da die karmisch neutrale Gruppierung (avyākata) wiederum mit heilsamen und unheilsamen Karma untergruppiert wird. Aber wenn ich es jetzt richtig deute, dann ist das karmisch neutrale ja in vipāka und kiriya geglidert. Und das karmisch neutrale (avyākata) vipāka sind damit Bewusstseinszustände, die die Frucht des bereits gewirkten Karma bilden. Und wäre das nicht karmisch neutral, sondern karmisch (un-)heilsam würde das auf einen fatalismus hinauslaufen. Damit verstehe ich die Eingliederung in kusala (karmisch heilsam wirkend), akusala (karmisch unheilsam wirkend) und eben avyākata (vipāka und kiriya).


    Dazu sind mir aber die Unterschiede zwischen den Acht karmisch heilsamen (1-8. in dieser Tabelle) und Acht karmisch unheilsamen (22.-29. in dieser Tabelle) nicht klar. Die Beispiele aus dem Buch helfen mir da auch nicht weiter.

    Aus dem Kapitel geht hervor, dass die Pfadmomente (18.-21., Spalte des karmisch heilsamen wirkenden) zu den Fruchtmomenten (Spalte des vipāka) führen. Das ist jetzt erstmal trivial, jedoch ist die karmisch-unheilsam wirkende Spalte in lobha, moha, dosa wurzelnd und führt entsprechend nicht zu den Pfadmomenten. Das würde bedeuten, dass alles in lobha, dosa und moha wurzelnd wirkende die Grundlage zum Pfadmoment nimmt und damit erlischt. Das verwirrt mich, da doch erst das auf dem Pfad wandeln zur Minderung der drei Wurzeln führt. Hier beißt sich jetzt die Katze in den Schwanz.


    Numisatojama

    Ja, womöglich verhalte ich mich manchmal zu ungeduldig bei solchen Texten.

  • Dazu sind mir aber die Unterschiede zwischen den Acht karmisch heilsamen (1-8. in dieser Tabelle) und Acht karmisch unheilsamen (22.-29. in dieser Tabelle) nicht klar. Die Beispiele aus dem Buch helfen mir da auch nicht weiter.

    Aus dem Kapitel geht hervor, dass die Pfadmomente (18.-21., Spalte des karmisch heilsamen wirkenden) zu den Fruchtmomenten (Spalte des vipāka) führen. Das ist jetzt erstmal trivial, jedoch ist die karmisch-unheilsam wirkende Spalte in lobha, moha, dosa wurzelnd und führt entsprechend nicht zu den Pfadmomenten. Das würde bedeuten, dass alles in lobha, dosa und moha wurzelnd wirkende die Grundlage zum Pfadmoment nimmt und damit erlischt. Das verwirrt mich, da doch erst das auf dem Pfad wandeln zur Minderung der drei Wurzeln führt. Hier beißt sich jetzt die Katze in den Schwanz.

    Die beiden Links sind bei dir identisch und weisen nicht auf unterschiedliche Tabellen!


    Um das zu verstehen, muss man sich den Bewusstseinsprozess ansehen. Dieser besteht aus 15-17 (?, weiß ich nicht mehr so ganz genau) Bewusstseinsmomenten und diese Momente findet man in der Tabelle.

    Den Bewusstseinsprozess kann man in drei Teile aufspalten:
    1. Aufnehmende, erfahrene Bewusstseinsmomente (vipaka, also karmagewirkt)
    2. Freie Bewusstseinsmoment im Unerleuchteten und Erleuchteten
    (Hier findet die Entscheidung statt, praktisch der Moment des "freien Willens", kiriya also frei)

    3. Reaktion (kusala oder akusala also heilsam oder unheilsam)


    Bei 2. finden wir im Abhidhamma eine Art freien Willen. Wie dieser zu einer Entscheidung kommt (die beiden zugehörigen dhammas sind mansikara und adhimokkha (adhimokkha, weiß ich nicht mehr ganz genau auswendig) , wird nicht weiter ausgeführt.

    Damit wird der "freie Willen nicht begründet. Für den Befreiungsweg ist dies auch unerheblich. Trotzdem natürlich schade. Ich war damals sehr neugierig, ob der Abhidhamma nicht doch noch irgendwelche Geheimnisse enthält :-). Ist schon wieder über 20 Jahre her. Die Zeit rennt.

  • 2. Freie Bewusstseinsmoment im Unerleuchteten und Erleuchteten
    (Hier findet die Entscheidung statt, praktisch der Moment des "freien Willens", kiriya also frei)

    Hier findet die Entscheidung statt, praktisch der Moment der freien Entscheidung.

    Durch die Freiheit der Entscheidung für eine absichtliche Handlung entfällt das Problem des freien Willens.

    Denn freien Willen gibt es nicht. Wenn es den geben würde, könnte ich meinen Körper, meinen Geist, so steuern, dass er immer so ist, wie ich es will.

    Dieser Glaube an meinen freien Willen führt zum Festhalten an Körper und Geist und damit zu Leiden.

  • 2. Freie Bewusstseinsmoment im Unerleuchteten und Erleuchteten
    (Hier findet die Entscheidung statt, praktisch der Moment des "freien Willens", kiriya also frei)

    Hier findet die Entscheidung statt, praktisch der Moment der freien Entscheidung.

    Durch die Freiheit der Entscheidung für eine absichtliche Handlung entfällt das Problem des freien Willens.

    Denn freien Willen gibt es nicht. Wenn es den geben würde, könnte ich meinen Körper, meinen Geist, so steuern, dass er immer so ist, wie ich es will.

    Dieser Glaube an meinen freien Willen führt zum Festhalten an Körper und Geist und damit zu Leiden.


    Falls es jemanden interessiert:


    Ich wollte hier natürlich keinen "freien Willen" postulieren. Ich führe es deshalb weiter aus.


    Wenn karma-vipaka immer zu bestimmten kusala und akusala Bewussteinsprozessen führen würde, wäre die Befreiung komplett durch karma und vipaka determiniert.
    Andersherum, wenn dieser kiriya-Moment frei wäre, gäbe es einen Part der nichtdeterminiert ist. Woher sollte dieser freie Part kommen?

    (Das würde natürlich ganz genau wie Ellviral sagt letztendlich ein Ich postulieren, einen Macher, eine Kontrolleur und kein anatta)

    Ich habe deshalb natürlich den mir damals glücklicherweise zur Verfügung stehenden burmesischen Abhidhamma-Lehrer gefragt, was er denn meint, ob dieser Moment bedingt oder frei wäre. Seine Antwort war etwa die Folgende:

    "Auch diese (freien) kiriya-Bewusstseinsmomente sind bedingt, aber nicht durch karma-vipaka, sondern durch 'momentane Bedingungen'".

    Was diese 'momentanen Bedingungen' nun sein sollten, konnte er mir leider auch nicht mehr erklären.


    Ich könnte mir gut vorstellen, dass in diesen 'momentanen Bedingungen' auch der Zufall als Bedingung ein Rolle spielt.
    (Also, dass quasi hier eine Wahrscheinlichkeitswelle, wie sie auch bei Elektronenbeschuss am Doppelspalt auftritt mit reinspielt. Aber das ist natürlich reine Spekulation :)

  • Grundsätzlich erschien mir die Einteilung in kusala (karmisch heilsam), akusala (karmisch unheilsam) und avyākata (karmisch neutral) merkwürdig, da die karmisch neutrale Gruppierung (avyākata) wiederum mit heilsamen und unheilsamen Karma untergruppiert wird. Aber wenn ich es jetzt richtig deute, dann ist das karmisch neutrale ja in vipāka und kiriya geglidert. Und das karmisch neutrale (avyākata) vipāka sind damit Bewusstseinszustände, die die Frucht des bereits gewirkten Karma bilden. Und wäre das nicht karmisch neutral, sondern karmisch (un-)heilsam würde das auf einen fatalismus hinauslaufen. Damit verstehe ich die Eingliederung in kusala (karmisch heilsam wirkend), akusala (karmisch unheilsam wirkend) und eben avyākata (vipāka und kiriya).


    Ich denke, du hast es richtig verstanden. Ich formuliere es aber einmal in meinen Worten:


    Wenn wir etwas tun (Karmahandlung), dann ist dies heilsam, unheilsam oder neutral und führt bezüglich heilsam-unheilsam zu entsprechenden Karmawirkungen (vipaka). Die Karmawirkungen selbst können nicht auch Karmahandlung sein. Daher sind die Karmawirkungen bzw. Früchte karmisch-neutral. Wenn Buddhaghosa schreibt, dass das karmisch-neutrale und gewirkte Bewusstsein zweifach ist, dann weil es die Frucht einer heilsamen-unheilsamen Karmahandlung in der Vergangenheit ist. Also: die karmisch-neutrale Gruppierung wiederum ist nicht mit heilsamen und unheilsamen Karma untergruppiert, sondern mit Karmawirkungen heilsamen und unheilsamen Karmas.


    Gethin gibt in seiner Abhidhammatthasaṅgaha- und Abhidhammatthavibhāvinī-Übersetzung mit Wijeratne eine gute Beschreibung von kiriya und warum es nicht einfach nur funktionell ist:


    Zitat

    The term kiriya, again meaning literally something like 'action', is used in the Abhidhamma to qualify those mental events or states of consciousness that neither produce kammic results (vipāka) nor themselves constitute such results: kiriya states are neither kamma — whether wholesome (kusala) or unwholesome (akusala) — nor its result. As such, kiriya is used to characterize two broad types of consciousness: first certain basic consciousnesses that occur for all beings as part of the process of being conscious; secondly and more significantly, the consciousness of the arahat, which, since it is free of the motivations of greed (lobha), hatred (dosa), and delusion (moha), does not produce results to be experienced in future births. While there is a sense in which the arahat merely acts, his actions are nevertheless based in dhamma and are necessarily motivated by lack of greed, i.e. generosity (alobha); lack of hatred, i.e. friendliness (adosa); and lack of delusion, i.e. wisdom (amoha). As such it is hardly appropriate to describe them as merely 'functional'. {Wijeratne; Gethin 2007 #287D: xx}

  • Aus dem Kapitel geht hervor, dass die Pfadmomente (18.-21., Spalte des karmisch heilsamen wirkenden) zu den Fruchtmomenten (Spalte des vipāka) führen. Das ist jetzt erstmal trivial, jedoch ist die karmisch-unheilsam wirkende Spalte in lobha, moha, dosa wurzelnd und führt entsprechend nicht zu den Pfadmomenten. Das würde bedeuten, dass alles in lobha, dosa und moha wurzelnd wirkende die Grundlage zum Pfadmoment nimmt und damit erlischt. Das verwirrt mich, da doch erst das auf dem Pfad wandeln zur Minderung der drei Wurzeln führt. Hier beißt sich jetzt die Katze in den Schwanz.


    Dies verstehe ich nicht. Im Theravada folgt der überweltliche Fruchtmoment unmittelbar auf den überweltlichen Pfadmoment. Und natürlich führt Unheilsames (in lobha, moha und dosa wurzelndes Bewusstsein) niemals zum Heilsamen, geschweige denn zum Überweltlichen. Kannst du dies noch einmal umformulieren, ggf. auch mit Zitaten?


    Das "Gehen auf dem Pfad" führt zur Minderung der 3 unheilsamen Wurzeln, aber erst die überweltlichen Bewusstseinsmomente führen zum abschneiden.

  • [...] first certain basic consciousnesses that occur for all beings as part of the process of being conscious; secondly and more significantly, the consciousness of the arahat [...]

    Ich habe übersehen, dass die Bewusstseinsmomente 72. - 98. nur beim arahat auftreten, was auf der praktischen Seite bedeutet, ohne die Frucht der Arahatschaft wird in jedem Bewussteinsmoment karmisch gewirkt, sofern der Bewusstseinsmoment gerade nicht bereits ein karmisches Ergebnis ist.

    Ich unterstelle Buddhaghosa jetzt mal, dass das korrekt ist, weil ich es selbst nicht nachempfinden kann. Das ist dann ja eine leicht zugängliche Entscheidungshilfe, wenn ich sowieso karmisch wirke, dann doch lieber etwas heilsames, als etwas unheilsames.

    Das mag zwar keine neue und keine überraschende Information sein, doch vergesse ich das im Alltag gerne mal.



    Das "Gehen auf dem Pfad" führt zur Minderung der 3 unheilsamen Wurzeln, aber erst die überweltlichen Bewusstseinsmomente führen zum abschneiden.

    So verstehe ich das auch. Dann habe ich die Tabelle missverstanden. Es deckt sich aber ebenfalls mit den Sutten, dass nur im Heilsamen die Pfadmomente entstehen. Denn da gilt es immer zu Beginn in die Sila hineinzuwachsen:


  • ohne die Frucht der Arahatschaft wird in jedem Bewussteinsmoment karmisch gewirkt, sofern der Bewusstseinsmoment gerade nicht bereits ein karmisches Ergebnis ist.


    Nein, nicht ganz. Ein Bewusstseinsprozess (cittavithi) besteht aus einer unterschiedlichen Anzahl von Bewusstseinsmomenten (cittakkhana). Die Anzahl ist abhängig davon ob es ein geistiges oder körperliches Objekt ist oder ob das Objekt einen schwachen oder starken Eindruck hat. Für Weltlinge sind manche dieser Bewusstseinsmomente in einem Bewusstseinsprozess karmisch-neutral (kiriya), karmisch-gewirkt (vipaka) und karmisch-wirkend (heilsam, unheilsam).

  • Nein, nicht ganz. Ein Bewusstseinsprozess (cittavithi) besteht aus einer unterschiedlichen Anzahl von Bewusstseinsmomenten (cittakkhana). Die Anzahl ist abhängig davon ob es ein geistiges oder körperliches Objekt ist oder ob das Objekt einen schwachen oder starken Eindruck hat. Für Weltlinge sind manche dieser Bewusstseinsmomente in einem Bewusstseinsprozess karmisch-neutral (kiriya), karmisch-gewirkt (vipaka) und karmisch-wirkend (heilsam, unheilsam).

    Damit nimmst du mir gerade die letzte Möglichkeit, etwas praktisches aus diesem Kapitel zu entnehmen :D


    In Bezug auf die bisherige buddh. Praxis würde ich sie wie ein Fahrzeug ausdrücken, das man lernt zu fahren. Ein Gefühl dafür zu bekommen, wann und wie stark das Lenkrad eingeschlagen werden muss, um ein Hinderniss auszuweichen und wieder auf gerade Strecke zu kommen. Oder zu beobachten, wie das Ergreifen des Lenkrads zu letztlich unbefriedigenden Situationen führt und es nur eine fortgesetzte Autofahrt ist, die früher oder später Autounfälle hervorbringt. Wobei ein Loslassen natürlich nur möglich ist, wenn ich das Auto mal für einen Moment zur Ruhe gebracht habe.

    Und der Visuddhi Magga ist bis jetzt für mich eine Beschreibung und nüchterne Auflistung aller Fahrzeugkomponenten wie das des Lenkrads bestehend aus einem gebogenem und gefrästem Rundstahl, Schrauben, gekanteten Blechen mit einem Kunstlederüberzug.

    Diese Beschreibungen sind weder notwendig für das Autofahren, noch unterstützen sie die Autofahrt. Es ist bestenfalls "nice-to-know" für jemanden, der schonmal autogefahren ist und sich für die Hintergründe interessiert.

  • Nein, nicht ganz. Ein Bewusstseinsprozess (cittavithi) besteht aus einer unterschiedlichen Anzahl von Bewusstseinsmomenten (cittakkhana). Die Anzahl ist abhängig davon ob es ein geistiges oder körperliches Objekt ist oder ob das Objekt einen schwachen oder starken Eindruck hat. Für Weltlinge sind manche dieser Bewusstseinsmomente in einem Bewusstseinsprozess karmisch-neutral (kiriya), karmisch-gewirkt (vipaka) und karmisch-wirkend (heilsam, unheilsam).

    Damit nimmst du mir gerade die letzte Möglichkeit, etwas praktisches aus diesem Kapitel zu entnehmen :D


    Das klingt jetzt ein wenig dramatisch. Eigentlich habe ich ja nur deinen Begriff 'Bewusstseinsmoment' gegen 'Bewusstseinsprozess' ausgetauscht.