Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive

  • Ich denke, du neigst ebenso zu unnötiger spekulativer Proliferation wie Thorsten. Aber Danke, dass du dich wenigstens kürzer fasst!

    Wie dieses Zitat, so wie mein eigener Text sind nichts mehr als die schimmernde Zeichen auf dem Monitor.

    Das hättest du vielleicht gerne: etwas schreiben und nichts damit zu tun haben. Aber natürlich ist der Text der Ausdruck deiner Gedanken. Wenn du deinen Gedanken nicht glaubst, sie nicht für bare Münze nimmst, kannst du relativierende verbale Ausdrücke hinzufügen. Da du das nicht getan hast, muss ich davon ausgehen, dass du wirklich meinst, was du schreibst, und also erscheint mir dein Text als "unnötige spekulative Proliferation".

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Das hättest du vielleicht gerne: etwas schreiben und nichts damit zu tun haben. Aber natürlich ist der Text der Ausdruck deiner Gedanken. Wenn du deinen Gedanken nicht glaubst, sie nicht für bare Münze nimmst, kannst du relativierende verbale Ausdrücke hinzufügen. Da du das nicht getan hast, muss ich davon ausgehen, dass du wirklich meinst, was du schreibst, und also erscheint mir dein Text als "unnötige spekulative Proliferation".

    "Ich "habe damit zu tun... Auf der konventionellen Ebene, die ist notwendig für das Über-Leben.


    Zitat

    Wer die Unpersönlichkeit des ganzen Daseins nicht durchschaut hat und nicht erkennt, daß es in Wirklichkeit nur diesen beständig sich verzehrenden Prozess des Entstehens und Vergehens geistiger und körperlicher Daseinsphänomene gibt, aber keine Ich-Wesenheit in oder hinter diesen Daseinserscheinungen, der ist außerstande, die vier Edlen Wahrheiten (siehe sacca) im richtigen Lichte zu erfassen. Er wird glauben, daß es eine Ichheit, eine Persönlichkeit sei, die das Leiden erfahre; eine Persönlichkeit, die böses oder gutes siehe Karma verübe und gemäß ihres Karma wiedergeboren werde; eine Persönlichkeit, die ins Nirwana (siehe nibbāna) eingehe; eine Persönlichkeit, die auf dem Achtfachen Pfade (siehe magga) wandle. Daher heißt es im Vis. XVI:

    »Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen Wandrer sieht man da.«

    anattā


    Ich als Igor ist auf die Sprache als das Mittel der Kommunikation angewiesen. Aber die Realität, wie sie ist, nichts wie sie meiner Wahrnehmung er-scheint, "sieht anders aus".

    Was ich damit meine?


    Zitat

    Unsere projizierten Vorstellungen, wie alles existieren würde, entsprechen nicht der Realität. Nichts auf Seiten der Phänomene, einschließlich unserer Probleme, macht sie aus deren eigener Kraft zu einem Problem. Konventionell mag es ein Problem geben, um das man sich kümmern muss, doch wir können es als Problem nur geltend machen im Zusammenhang mit der Vorstellung von „Problem“ und dem Begriff dafür.


    A. Berzin, "Study Buddhismus".


    Das sind , also, zwei verschiedene Ansätze...

    Wie die Realität er(be) -schaffen ist, und wie ich sie durch mein Gehirn wahrnehme. Und entspechend interpretiere.

    Nichts mehr, aber nichts weniger.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Die konventionelle Ebene ist die Ebene von illusionären Vorstellungen, sie ist nicht notwendig für das Leben, die absolute oder eher natürliche Ebene ist das Leben, so wie es ist. Eigentlich ist es auch keine Ebene, vor allem nichts Höheres. Sie ist eher das Einfache, das von einem kompliziert ausgerichteten Geist übersehen wird.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Die konventionelle Ebene ist die Ebene von illusionären Vorstellungen, sie ist nicht notwendig für das Leben, die absolute oder eher natürliche Ebene ist das Leben, so wie es ist. Eigentlich ist es auch keine Ebene, vor allem nichts Höheres. Sie ist eher das Einfache, das von einem kompliziert ausgerichteten Geist übersehen wird.

    Sorry, es geht um das Wesen der Realität, aber bestimmt keine



    Zitat

    Ebene von illusionären Vorstellungen,

    Schaue hier:



    Und vergeliche mit dem:



    Zitat

    Im höchsten Sinne (paramattha) nämlich, so lehrt der Buddhismus, ist das sog. Dasein ein bloßer Prozess von beständig wechselnden körperlichen und geistigen Phänomenen, und weder innerhalb noch außerhalb dieses Werdeprozesses ist irgend eine beharrende Ich-Einheit oder Persönlichkeit anzutreffen.


    Das entspricht der Sicht der Modernen Wissenschaft. Und wenn wir das verinnerlichen , wir können viel mehr besser auf so genannter "Relativen" Ebene zurechtkommen.

    Denn diese Grenze, diese Trennung es gibt in der Wirklichkeit nichts.


    Nirvana und Samsara

    Form / Leere

    sind zwei Seiten von derselben Entität.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

    • Offizieller Beitrag

    Diese außerordentliche Kapazitäten haben jedoch den Neben-Effekt, dass das Gehirn Fragen konstruiert (weil es das kann), die vollkommen irrelevant sind für das Überleben und Antworten ersinnt (weil es das ebenso kann), die ebenso irrelevant sind. Religionen sind demnach ein Produkt der durch sich selbst irregeleiteten Kapazitäten des Gehirns.

    Religion fängt ja nicht als Spekulation an sondern als Verehrung von Übernatürlichen und da insbesondere übernatürlichen Wesen.


    Von daher ist doch die erste Frage, warum der Menschen eine Tendenz hat übernatürliche Wesen anzunehmen und dann zweitens zu fragen was für eine Funktion so eine Verehrung haben kann.


    Es gibt bestimmte Arten wie unser Gehirn getweakt ist, die uns dazu bringt, Übernatürliches anzunehmen. Wir haben z.B sehr detaillierte Modelle anderer Menschen - wie stellen sie uns im Traum vor und auch wenn jemand gestorben ist, bleibt er uns so in Erinnerung, dass wir teilweise Dialoge mit ihm führen können. Von daher ist es sehr verständlich, das man zu der Idee eines vom Körper unabhängigen Seele und von Gespenstern kommt. Da von einer "irregeleiteten" Kapazität zu sprechen ist nicht ganz falsch


    Aber nur weil es kontraintuirive Elemente beinhaltet, bedeutet dass ja nicht, dass es keine wichtige Funktion für das Überleben erfüllt.


    Und die wichtigste Funktion von Religion - die seit dem Vater der Religionssoziologie Èmile Durkheim als zentraler Punkt gehandelt wird, ist der des sozialen Zusammenhalts.


    Eben gerade weil der Mensch so ein soziales Wesen ist, ist der Gruppenzusammenhalt so extrem wichtig - gerade in kriegerischen Auseinandersetzungen.


    Ein zentraler Punkt ist hier der Klang - der Verwandtschaftsverbund. Wenn es noch einen Großvater oder einen Grossmutter gibt, dann fühlen sich die Enkel noch als Familie aber bei den Urenkeln wird es schon schön schwieriger in diesen das Gefühl des Zusammenhalts wachzurufen. Ein Weg ist es, den gemeinsamen Ahnen präsent zu halten - in Mythen - in Festen - in Ritualen des Zusammenhalts. Indem man gemeinsam agiert und dich geibsam an einem Bezugspunkt ausrichtet bleibt man ein großer Verbund und kann sich gegen andere Verbunde durchstzten - der Kult dient unmittelbar dem Überleben.


    Gerade weil der der Ahn unsichtbar/virtuell ist kann er zum Repräsentanten der kollektiven Energie der Gruppe werden. So wie ein unsichtbares Leittiers an der Spitze eines Schwarms.


    Und wenn man mehrere solche Klans zu einem noch größeren Gemeinwesen organisiert, dann wird man seine höheren Wesen in eine Ordnung bringen müssen und gemeinsame übergreifende Kulte und Mythologien schaffen, Stammesgesetzte in dieser Ordnung verankern usw.

  • Religion fängt ja nicht als Spekulation an, sondern als Verehrung von Übernatürlichen und da insbesondere übernatürlichen Wesen.

    Ich hätte da schon Probleme! Religion hatte oft zuerst die Funktion einer Welterklärung, die dann in einer Zuordnung der Erklärung zu übernatürlichen Wesen führte.

    Und wenn wir schon einmal bei übernatürlichen Wesen sind, warum sollten diese keine Familienstruktur haben wie wir? Lass uns einen Gottvater erschaffen, mit Ehefrau und einigen Kindern und sonstigen Verwandten. Und lass' sie bitte ein paar menschliche Makel haben wie Geilheit oder Machtversessenheit, damit wir sie besser akzeptieren können...

    Auch Religion unterliegt der Evolution von Gedanken. Am Anfang diese Linie standen keine Gottheiten oder so etwas, sondern die Verehrung von Naturkräften. Es lohnt sich Fromm 'Die Kunst des Liebens' mal wieder hervorzukramen.


    Die Idee, irgendwelche tiefsinnigen Grundfragen 'Weshalb gibt es etwas? Warum ist nicht einfach nichts?' mit religiösen Inhalten zu füllen führt zwangsläufig immer weiter von Antworten weg, weil es eine weitere Ebene dazwischenschiebt, die dann selbst wieder erklärt werden muß!


    God's God - YouTube

    • Offizieller Beitrag

    "Welterklärung" ist natürlich auch ein Klassiker.

    Es ist psychologisch und vom Individuum aus gedacht nachvollziehbar dass Mensch sich ihr Nichtwissen dadurch begegnen, dass sie sich irgendwas ausdenken.


    Aber davon ob man sich die Welt gut oder schlecht erklärt, ob man im Erdbeben die Wut eines Gottes oder wie die Japaner die Bewegung eines unterirdischen Riesenwels sieht, ist zwar ganz lustig aber für das Überleben eher egal.


    Von daher finde ich Durkheims Ansatz - das Religionen ihre ursprüngliche Daseinsberechtigung daraus bekamen aus Individuen Kollektive zu schmieden (und zurückgingen nachdem man Kollektive anders organisieren komnte ) viel überzeugender. Es erklärt auch besser, warum den Menschen "ihre" Religion so wichtig ist. Teilweise wichtiger als ihr Leben - die Funktion "Welterklärung" vermag das nicht zu erklären.


    Die Frage der "kollektiven Organisation" ist dagegen etwas auch evolutionär gesehen extrem wichtiges. Sie stellt sich auch wo anders im Tierreich. Bei den Insekten kamen irgendwann die Insektenstaaten der Bienen, Ameisen, Wespen und Termiten auf - wo unterschiedliche Tiere einen Metaorganismus bilden und geradezu zu dessen Organen wurden. ( mit dem Nacktmull gibt es sogar einen Vertreter bei den Säugetieren - auch dort versorgen sterile Arbeiter eine Königin )


    Ein Modell das so erfolgreich war, dass eusoziale Insekten einen gewaltigen Anteil der Biomasse der Insekten bilden. Eben auch weil die zahlenmäßige Überlegenheit gerade im Konflikt von entscheidender Bedeutung ist.


    Damit Eusozialitat gelungen kann, ist es wichtig, die Individuen so zusammenzuschweissen dass das einzelne Individuum seine individuelle Fortpflanzung aufgibt und nicht mehr nur Individuum sondern Teil von was Größerem ist


    Und von daher sehe ich die ursprüngliche Funktion von Religion darin, Menschen zusammenzuschweissen. Und so jenseits der unmittelbaren Familie immer größere Kollektive möglich zu machen, indem man sie auf eine Kollektiven den einzelnen transzendieren Kern ausrichtet.


    Auch ein Gott kann ja für das kollektive Gemeinwohl stehen, in dessen Dienst man individuelle Bedürfnisse und sogar Fortpflanzung zurückstellt um für die anderen und das Ganze da zu sein.


    Die Religion erlaubt das auf einee sehr unmittelbaren, emotionaleren Beziehunsebene. Während dann nachfolgende Arten das Gemeinwohl zu verkörpern -Staat, Justiz, Zivilgesellschaft, Schule, Gesundheitswesen dies anders und auch in einem anonymeren Rahmen vermögen so dass Religion ein nach der anderen Aufgabe verloren hat und immer mehr zu einer individuellen Sache wurde.

  • Die Idee, irgendwelche tiefsinnigen Grundfragen 'Weshalb gibt es etwas? Warum ist nicht einfach nichts?' mit religiösen Inhalten zu füllen führt zwangsläufig immer weiter von Antworten weg,


    ? man hat doch dann zB im Fall christlicher Lehren Antworten. Je nachdem natürlich, die Verallgemeinerung meine ich nur rhetorisch, entscheidend ist ja die innere Haltung. Der einzelne Mensch, sein Streben. 'von religiösen Inhalten' allein kann man schwer auf den jeweiligen Menschen und seinen individuellen Umgang mit 'religiösen Inhalten' und vielleicht auch 'religiösen Antworten' festmachen. Auf die anderen/eine Gesellschaft bezogen: entscheidend ist das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des ideologischen Willens hinter allen präsentierten 'Inhalten' auch hinter 'religiösen Inhalten'.


    Aber bitte antworte auf meine Frage. Was meinst du damit, dass religiöse Inhalte von Antworten wegführen?

    2 Mal editiert, zuletzt von Voyager ()

  • Ich frage mich, ob hier wissenschaftliche Beiträge kommen, es ist ja das Thema dieses Threads. Irgendein Wissenschaftler hier, der eine wohldifferenzierte und angemessene Perspektive aufzeigen mag?

  • Auf der anderen Seite gibt es auch Empiriker (Materialisten?) die diesem Erkenntnisweg entsprechend die möglichen wie auch die unmöglichen ErkenntnisGegenstände kennen und damit auch den sicheren und unsicheren Fragenhorizont. Das soll heissen: Gott ist kein Gegenstand der Physik usw. 'religiöse Inhalte' - was das je nach Person, die diese Wendung denkt, auch sein mag - sind kein Gegenstand empirischer Wissenschaft, eine solche 'Perspektive' ist zB nicht oder nur in der Fantasie existent.

    • Offizieller Beitrag

    Es ist ein sehr breites Thema. Vor allem weil ja der Begriff "Religion" so schwammig ist. Was es weiter schwierig macht, ist dass in Evolution und Geschichte, Sachen auftauchen aber dann später ganz neue Funktionen bekommen: Beim Fisch entwickeln sich Flossen, die sich dann später bei Vögeln zu Flügeln, beim Menschen zu Füßen und Händen werden.


    Und auch bei Religionen kann man sich ja aus heiligen Texten alles mögliche rauskramen und für die unterschiedlichsten Zwecke verwenden: Für magische Rituale, um die Unterdrückung anderer zu rechtfertigen, als kulturelle Identität, als Weg zur Selbstvervollkommenung, als Legitimation für die Gesellschaftsordnung, als Welterklärung, als Ableitung Kranke zu heilen usw. So betrachtet erscheint die Aufgabe uferlos.


    Aber es gibt eine andere Herangehensweise: Je komplexer Gesellschaften werden, desto mehr spalten sich die Aufgaben auf. Wo es in der kleinen Gemeinschaft noch den Schamanen gibt der gleichzeitig Krieger, Heiler und kulturelles Gedächtnis gibt erledigen das in einem komplexeren Setzung verschiedene Professionen. Der Hohepriester scheidet sich vom Herrscher und dieser delegiert dann seine Aufgaben an Richter, Feldherrn. Je komplexer die Gesellschaften werden, desto mehr profane weltliche Aufgaben gibt es. Und je weiter man in Richtung einfacherer Gesellschaften geht, desto mehr fällt alles im Religiösen zusammen bis dieses schlechthin mit der Kultur synonym wird. Mit dem Kit der die Menschen zusammenhält.


    Der sakrale Bereiche ist also zunächst der kollektive Bereich - der Bereich dessen was die Angelegenheit des einzelnen "transzendiert". Die Stammesgesetzte sind nicht einfach menschengemacht sondern gehören einer anderen Sphäre an wo man sich besonders anzieht, seine Stimme verstellt, Masken trägt und die Schwirrholzer surren. So dass klar wird, dass man es mit etwas zu tun hat, was über den Einzelnen hinausgeht und nicht so einfach änderbar ist


    Das klingt gut, Aber natürlich wurden von Antropologen auch viele Beispiele gefunden, wo das nicht passt. Wo ganz individuelle, scheinbar banale Tätigkeiten viel mit Gottheiten zu tun haben oder welche wo kollektive Entscheidungen ganz ohne Bezug auf Götter oder Übernatürliches getroffen wurden.

  • Aber bitte antworte auf meine Frage. Was meinst du damit, dass religiöse Inhalte von Antworten wegführen?

    Gern. Wenn Du eine Frage dadurch beantwortest, daß Du eine neue unbewiesene (und häufig unbeweisbare) neue Einheit einführst, hast Du nicht nur die erste Frage, sondern auch noch die Fragen, die sich auf die neue eingeführte Einheit beziehen.


    Konkretes Beispiel, wenn jemand behauptet 'alles' (das Universum) wurde von einer Gottheit erschaffen, dann muß sich diese Person der Frage stellen, woher diese Gottheit kommt, nach welchen Regeln sie funktioniert etc. etc.


    Special pleading bringt keine Antwort, sondern ist ganz einfach unehrlich.


    Wissenschaft arbeitet daran, unnötige Hypothesen aus Erklärungsmodellen zu entfernen.

    • Offizieller Beitrag

    Gerade in der angelsächsischen Welt stehen die Geisteswissenschaften sich dem Vorbehalt ausgesetzt oft einfach so rumzuspekulieten und zu labern. Weswegen man versucht, dass was man sagt möglichst gut empirisch zu untermauern. Ein gutes Beispiel ist "Big Gods" von Ara Norenzayan:


    Er argumentiert, dass es als ein Nebenprodukt menschlicher Kognitionen wie der Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit (agency detection) und Mentalisierung (dem Erstellen von Theories of Mind) begann, die schließlich zu einer Welt voller mythologischer Akteurerif;"> wie weiterwirkender Ahnen, beobachtender Geister und, später, Götter führte.

    Da “beobachtete Menschen nette Menschen” seien, evolvierte Religiosität zu einem sozialen Werkzeug, um die Kooperation innerhalb der Gruppe zu stärken. Um Trittbrettfahrer abzuwehren, hätten religiöse Netzwerke und Gruppen begonnen, Tätigkeiten zu adoptieren, die glaubwürdiger als bloße Worte seien: Credibility-enhancing displays (CREDs), deutsch etwa: Glaubwürdigkeit steigernde Darbietungen wie Gebete, Opfer und kostspielige Gebote, die “echte Gläubige” von denen unterscheiden, die bestenfalls Lippenbekenntnisse ablegen.

    Norenzayans Thesen stimmen mit archäologischen und ethnologischen Befunden zur Ko-Evolution zunehmend mächtiger und moralisierender Gottheiten mit größeren Gruppen und agrarischen Siedlungen überein. Gleichzeitig werden beide Seiten der religiösen Medaille sichtbar: Während religiöse Gläubige befähigt wurden, stärkere, größere und beständigere Gemeinschaften zu errichten, wurden sie auch zunehmend intolerant gegenüber Außenstehenden und vermuteten Abweichlern. Indem Norenzayan eine Reihe von Experimenten zu anti-atheistischen Vorurteilen präsentiert, kann er zeigen, dass Nichtglaubenden auch in heutigen Gesellschaften häufiger mit Mißtrauen begegnet wird. Weitere historische wie psychologische Studien zeigen auf, dass religiöse Traditionen sowohl Konflikt- wie Friedensbereitschaft fördern können.

    Norenzayans Grundthese unterscheidet sich also nicht grundsätzlich von denen Durkheims aber er erinnt eine Vielzahl von Experimenten mit der er den gedachten Answenheit göttlicher Beobachter auf das Handeln der Menschen konkret misst.

  • Aber bitte antworte auf meine Frage. Was meinst du damit, dass religiöse Inhalte von Antworten wegführen?

    Gern. Wenn Du eine Frage dadurch beantwortest, daß Du eine neue unbewiesene (und häufig unbeweisbare) neue Einheit einführst, hast Du nicht nur die erste Frage, sondern auch noch die Fragen, die sich auf die neue eingeführte Einheit beziehen.


    Danke für die Antwort!


    Das was du beschreibst ist aber nicht der Weg der Religionen, sage ich mal diesen Begriff stützend, obwohl ich ihn unverlässlich finde. Hier (wo eigentlich? Also ok 'in den Religionen') spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Also ein Gefühl (dabei). Neue oder weitere Fragen 'hinter Gott' gibt es für einen Christen eher nicht.


    Konkretes Beispiel, wenn jemand behauptet 'alles' (das Universum) wurde von einer Gottheit erschaffen, dann muß sich diese Person der Frage stellen, woher diese Gottheit kommt, nach welchen Regeln sie funktioniert etc. etc.


    Warum muss? Das ist doch genau der Punkt dabei, ab da (zB Gott) keine Fragen zu stellen


    Special pleading bringt keine Antwort, sondern ist ganz einfach unehrlich.


    Wissenschaft arbeitet daran, unnötige Hypothesen aus Erklärungsmodellen zu entfernen.


    Was heisst 'special pleading'?


    Ja aber Wissenschaft ist doch etwas anderes als Religion.

    • Offizieller Beitrag

    Ich denk, ihr redet da aneinander vorbei.


    Konkretes Beispiel, wenn jemand behauptet 'alles' (das Universum) wurde von einer Gottheit erschaffen, dann muß sich diese Person der Frage stellen, woher diese Gottheit kommt, nach welchen Regeln sie funktioniert etc. etc.

    Dies nimmt aber eben genau an, dass die Funktion solcher Antworten, die Welterklärung ist. Und da ist natürlich jede Erklärung die statt etwas auf was anderes reduziert, etwas neues erklärungsbedürftiges hinzufügt eine schlechte Erklärung.


    Aber das Rätsel löst sich doch sehr schnell, wenn man eben annimmt, dass viele dieser religiösen Antworten gar nicht die Funktion von Erklärungen haben - also ein besseres konsistentes Bild der Welt liefern wollen - sondern den Zweck haben eine bestimmte Emotion zu erzeugen..


    Denn auch eine Emotion kann ja insofern eine Antwort sein als die es schaffen die in der Frage vorhanden Anspannung zu lösen. Und das emotionale Bild eines gültigen Gottes schafft es solche Emotionen zu evozieren.


    Wenn ein Kleinkind fragt "Warum gewittert es" und es kriegt die Antwort "Der Vater lässt seine Donnergäbse kreisen " dann macht das gar keinen Sinn und wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. Aber allein die Worte "Vater" und "kreisen lassen" erzeugen vielleicht das wohlige Gefühl von "na dann ist ja alles in Ordnung".


    Es ist eine ganz andere Art von Antwort. Mit einem anderen Zweck. Vielleicht hätte es auch ein Wiegen oder ein Lied mit sinnlosen Silben getan -hauptsache es vermittelt Geborgenheit.


    Wieder theoretischer ausgedruckt: Der Zweck ist nicht auf der Ebene des Inhalts sondern auf der Ebene der Beziehung die vertieft wird.

  • Diese außerordentliche Kapazitäten haben jedoch den Neben-Effekt, dass das Gehirn Fragen konstruiert (weil es das kann), die vollkommen irrelevant sind für das Überleben und Antworten ersinnt (weil es das ebenso kann), die ebenso irrelevant sind. Religionen sind demnach ein Produkt der durch sich selbst irregeleiteten Kapazitäten des Gehirns.

    Religion fängt ja nicht als Spekulation an sondern als Verehrung von Übernatürlichen und da insbesondere übernatürlichen Wesen.

    Dass es dir so erscheint, kann ich nicht nachvollziehen. "Verehrung von Übernatürlichen" quasi aus dem Nichts, ohne dass begriffliche Fragen/Fragestellungen/Problemkonstruktionen vorangehen sollten, erscheint mir nicht plausibel.


    Da ist mir zuviel Spekulation drin. Meine Arbeitshypothese ist dagegen nicht spekulativ, weil sie natürlich - da sie als begriffliche Konstruktion selbst ein mentales Phänomen ist - auf sich selbst angewandt werden muss:

    Zitat

    Alle mentale Phänomene sind eigentlich Illusionen, weil alles, was wirklich wissenschaftlich evident ist, Aktionspotentiale im Gehirn sind.

    Obgleich ich also viele Worte mache, um die Arbeitshypothese auszudrücken, sage ich gar nichts aus, weil es nur Ausdruck einer Illusion ist und was innerhalb des Ausdrucks "Illusion" genannt wird, selbst wieder eine Illusion qua Illusion sein könnte.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

    2 Mal editiert, zuletzt von SteFo ()

  • Wenn ich nicht genau wüßte, daß Dir klar ist, daß diese Art der Betrachtung nicht nur nicht-buddhistisch, sondern ausgesprochen anti-buddhistisch ist, würde ich den Dialog jetzt abbrechen. Ich nehme aber einmal an, daß es Dir darum geht ein wichtiges Thema weiterzuführen und daß Du deshalb zu einer kleinen Provokation bereit bist.


    Ich antworte mit den Worten des Buddha


    Zitat

    »Aus diesem Grunde eben, Kālāmer, haben wir es gesagt: Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Kālāmer, möget ihr sie euch zu eigen machen. Was ich so gesagt habe, wurde eben mit Bezug hierauf gesagt.

    A.III. 66 Die Rede an die Kālāmer


    Dies zum Thema, etwas Glauben zum Wohlgefallen (dem eigenen und dem der anderen)


    Ich denke, es gibt einen weiteren zentralen Fehler in Deiner Ausführung - der angemessene buddhistische Umgang mit anderen. Die Lehre ist auf persönliches Wachstum ausgelegt. Die oft verwendeten Gleichnisse von Lotuspflanzen, die zuerst Schlammschichten und dann schmutziges Wasser durchdringen müssen, um danach in der Sonne sich frei entfalten zu können, sind ein schönes Beispiel.


    Das in Deinem Text genannte wohlige Vertrauen auf eine Vatergestalt als fadenscheiniger Erklärer für Erklärungsbedürftiges steht im Gegensatz zu einer buddhistischen Betrachtung, wo es um gegenseitige Hilfe, gegenseitigen Respekt und gemeinsame Weiterentwicklung geht.


    Kalyanamitta


    Das schönste mir bekannte Beispiel wird in der Khaggavisāna-Sutta beschrieben


    Zitat

    Spiel und Vergnügen gibt's im Kreise von Gefährten, Und zu den Kindern hegt man innige Liebe. Doch Abscheu fühlend, ob der Trennung von Geliebtem. Allein mag wandern man, dem Nashorn gleich.

    42

    In Himmelsrichtung vierfach wenn man heimisch [5], Abneigungsfrei [6], mit allem stets zufrieden, Und unverzagt ertragend jede Widrigkeit [7], Allein mag wandern man, dem Nashorn gleich.

    43

    Schwer zu befriedigen sind auch manche der Asketen Und gar noch Hausner, die im Hause leben. Nicht sich bekümmernd um die Kinder anderer, Allein mag wandern man, dem Nashorn gleich.

    44

    Der Kennmale des Weltlings sich entäußernd, Wie blattentblößter Kovilāra-Baum [8], Weltliche Bande heldenhaft durchbrechend, Allein mag wandern man, dem Nashorn gleich.

    45

    Wenn einen weisen Freund man findet, Als Weg-Gefährten, edel lebend, kraftvoll, Jedwede Widrigkeiten überwindend, Mag wandern man mit ihm, beglückt und achtsam. [9]

    46

    Wenn keinen weisen Freund man findet, Als Weg-Gefährten, edel lebend, kraftvoll, Gleich einem König, der besiegtes Land verläßt
    [10]
    , Allein mag wandern man, dem Nashorn gleich.


    Sutta Nipata I.3 35-75


    Also statt Ein- und Unterordnung in einem auf Autorität und letztlich Angst und Bedrohung geprägten Modell ein gleichberechtigtes Miteinander.

    Wo sich dieses Miteinander nicht möglich ist, sollte man eher allein bleiben, statt um ein wohliges Miteinander zu erreichen die Wahrheit zu verleugnen.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich nicht genau wüßte, daß Dir klar ist, daß diese Art der Betrachtung nicht nur nicht-buddhistisch, sondern ausgesprochen anti-buddhistisch ist, würde ich den Dialog jetzt abbrechen. Ich nehme aber einmal an, daß es Dir darum geht ein wichtiges Thema weiterzuführen und daß Du deshalb zu einer kleinen Provokation bereit bist.

    Mir geht es ja um die Entstehung von Religion und deren ursprüngliche Funktion. Und diese sehe ich darin, Menschen zu Kollektiven zu formen.Dies war natürlich meist eine eher archaische, grauenhafte und irrationale Sache: Leute die getötet werden weil sie irgendwelche Tabus gebrochen haben, Kriegshymnen an Stadtgötter, Menschenopfer damit die Ernte besser wird. Große Teile der Religionsgeschichte sind ganz und gar hässlich und dumm.


    Aber irgendwann kam eine Zeit, wo sich zunehmend große Reiche ergaben und unterschiedlichste Menschen verschiedenster Kultur und Herkunft sich in dem selben Reich vorfanden. Was eben traditionelle Firmen der Religion - die Formierung "kollektiver Egos" in die Krise stürzte.


    Das was dann dass was Karl Jaspers die Achsenzeit nannte und wo dann auf einmal die Frage nach der conditio Humana aufkam. Bei den griechischen Philosophen, bei Kinfuzous, im Judentum aber eben auch bei Buddha. Das Kalamer Sutra ist ein gutes Beispiel für so ein Enmythologisierung.


    Denn was wäre denn Religion für eine Falle, wenn sie erfolgreich dazu führt das individuelle Ego zu überwinden, um sich dann im kollektiven Ego zu verfangen. Aber genau dies die Schaffung kollektiver Egos aus individuellen Egos war die ürsprüngliche Funktion von Religion.


    Und auch bei Religionen wie dem Christentum - die eigentlich den Sprung vom kollektiven Ego hin zum Universellen ( Liebe deinen nächsten wie dich selbst) geschafft haben sollten, besteht immer und überall die Gefahr in diese ursprüngliche Funktion zurückzufallen.


    Das schöne am Buddhismus ist, dass er in dieser ersten Sinne so wenig Religion ist. Aber wie man ja leider in Myanmar sieht, kann auch der Buddhismus dazu degradiert werden, kollektive Egos zu schaffen.

  • Sicher wird jeder Buddhist Elemente jeder fremden Lehre, die teilweise zur Auflösung des Ego-Gedanken beiträgt, begrüßen.


    Die einzig echte buddhistische Antwort ist und bleibt dabei aber die Anatta Lehre


    Zitat

    16. "Daher, ihr Bhikkhus, sollte jegliche Art von Form, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, sollte alle Form mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.' Jegliche Art von Gefühl, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alles Gefühl sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.' Jegliche Art von Wahrnehmung, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alle Wahrnehmung sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.' Jegliche Art von Gestaltungen, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alle Gestaltungen sollten mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.' Jegliche Art von Bewußtsein, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alles Bewußtsein sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.'" [3]

    17. "Indem er so sieht, wird ein wohlunterrichteter edler Schüler ernüchtert der Form gegenüber, ernüchtert gegenüber dem Gefühl gegenüber, ernüchtert der Wahrnehmung gegenüber, ernüchtert den Gestaltungen gegenüber, ernüchtert dem Bewußtsein gegenüber."

    18. "Wenn er ernüchtert wird, wird er begierdelos. Durch Begierdelosigkeit ist (sein Geist) befreit. Wenn er befreit ist, kommt das Wissen: 'Er ist befreit.' Er versteht: 'Geburt ist zu Ende gebracht, das heilige Leben ist gelebt, es ist getan, was getan werden mußte, darüber hinaus gibt es nichts mehr.'"

    Majjhima Nikāya 109


    (So oder sinngemäß in Dutzenden anderer Texte)


    Das vollständige Verstehen diese Lehre ist Voraussetzung für alles Weitere


    Zitat

    Wenn da, ihr Mönche, ein Mönch irgend etwas (kañci dhammam) als ein Ich (*1) betrachtet, so ist es unmöglich, daß er lehrgemäße Überzeugung besitzt. Besitzt er aber keine lehrgemäße Überzeugung, so ist es unmöglich, daß er den vollkommenen Pfad der Gewißheit betreten kann. Hat er aber nicht den vollkommenen Pfad der Gewißheit betreten, so ist es unmöglich, daß er die Frucht des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr oder der Heiligkeit verwirklichen wird.

    Wenn aber, ihr Mönche, ein Mönch jegliche Erscheinung als Nicht-Ich betrachtet, so ist es wohl möglich, daß er lehrgemäße Überzeugung besitzt. Besitzt er aber lehrgemäße Überzeugung, so ist es wohl möglich, daß er den vollkommenen Pfad der Gewißheit betreten wird. Hat er aber den vollkommenen Pfad der Gewißheit betreten, so ist es wohl möglich, daß er die Frucht des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr oder der Heiligkeit verwirklichen wird.

    A.VI.100 Lehrgemäße Überzeugung III - 5. Anatta Sutta


    Zu Deiner Anmerkung zum Thema Nächstenliebe - wenn ich gelegentlich beim Spazierengehen an einer Kirche vorbeikomme und dabei Leute sehe, die von einem Gottesdienst herauskommen, kommt bei mir beim Anblick dieser traurigen, verkniffenen Gesichter jedes Mal der Gedanke auf: Bitte, bitte, bitte -- liebt mich nicht so, wie ihr euch selber liebt!!! Geht lieber in einen Park oder eine Kneipe als in eure kalte, dunkle Kirche.


    Natürlich gibt es auch in Gemeinschaften, in denen der Großteil der Menschen Buddhisten sind Probleme, das dürfen wir aber in keinem Fall zu einer qualitativen oder quantitativen Gleichsetzung mit anderen Religionen ausarten lassen. Ganz konkret, im Moment gibt es einen Krieg in Europa - die einzigen Waffen, die dort benutzt werden, die nicht von einem Pfaffen oder Popen gesegnet wurden, dürften aus den Niederlanden und aus Deutschland stammen.


    Und zum Thema Myanmar - die Probleme dort sind zu 100% auf den britischen (englischen) Imperialismus zurückzuführen, der zu jedem Zeitpunkt die volle Unterstützung der britischen (englischen) Staatskirche hatte - die perverseste Form organisierter Religion - die Staatskirche!

  • Ich möchte mich gerne weiter an diesem Thread beteiligen.


    Mir geht es ja um die Entstehung von Religion und deren ursprüngliche Funktion. Und diese sehe ich darin, Menschen zu Kollektiven zu formen.

    Ich stimme zu, dass Religion auch heisst: Gewisse Handlungsregelsätze. Geteilte Vorstellungen und Überzeugungen über die Richtigkeit und Unrichtigkeit bestimmter Handlungen sind eine Voraussetzung von Gesellschaften. Gesellschaft heisst: gemeinsame Handlungsregeln, gemeinsame Vorstellungen. Ich denke jedoch nicht, dass ein Ursprungsgedanke bei einer aufgekommenen Überzeugung beispielsweise, dass es ein unsichtbares, aber mächtiges Wesen gibt, was darüber bestimmt, wann Regen fällt und wann nicht, war, dass ein Kollektiv geformt werden soll. Auch zu dem Zeitpunkt, ab dem sich so ein Glaube durch eine interpretierte Bestätigung eines solchen Wesens (Beispiel: es regnet in der Tat (mal) nach einer Opfergabe - davon gab es sozusagen auch vegetarische Varianten) festigt - es mehr zu einem kollektiven Glauben (eine Religion schon?) wird - muss keine Absicht dagewesen sein, Gemeinschaftssinn zu stiften. Überhaupt laufen große Teile der Kollektivbildungen unbewusst/unerkannt der hinter den Denk- und Sprachhandlungen stehenden Bedingungen.


    Dies war natürlich meist eine eher archaische, grauenhafte und irrationale Sache: Leute die getötet werden weil sie irgendwelche Tabus gebrochen haben, Kriegshymnen an Stadtgötter, Menschenopfer damit die Ernte besser wird. Große Teile der Religionsgeschichte sind ganz und gar hässlich und dumm.


    Meist ... da würde mich interessieren welchen Vergleich (welche Textbasis) du zu dieser Einschätzung zu Rate ziehst.


    Es gab und gibt auch friedensstiftende sogenannte religiöse Handlungen und auch Handlungsregeln, die offensichtlich einer friedlichen Grundstimmung dienen und entsprangen. Ein Beispiel: du sollst nicht stehlen, und sogar: du sollst nicht töten.



    Ich möchte an dieser Stelle hier auf eine Verdeutlichung der anderen Seite der Medaille verzichten - Die besteht in Machtmissbrauch und Autoritätshörigkeit (um wenigstens kurz zwei Tatbestände zu nennen), das wäre ein (lediglich?) anhängiges Thema, welches fotost vielleicht/anscheinend? am Herzen liegt. Das gibt es ja (!) und natürlich auch 'in den Religionen' und auch mit Hilfe sogenannter 'religiöser Inhalte', aber das ist dann aus meiner Sicht mehr ein Thema für die Psychologie, oder eben mehr ein Thema auch, dem man sich mit den Erklärungen Buddhas nähern kann. Etwa in der Art: Was ist der (eigentliche) Ursprung des Vereinnahmungswillens, der Ursprung auch von Machtmissbrauch und sogar der Ursprung von Kollektiven und Gesellschaften?


    Als diesem Ursprung möchte ich die innere Haltung nennen. Denn: Jede Idee egal welchen Inhalts muss sozusagen erst von einem Akteur gefüllt werden.


    Zu diesem 'Füllvorgang' nun möchte ich schreiben (und damit hoffentlich auch auf die Erklärungen Buddhas verweisen) Nicht(vollständig)verstehen, Nicht(umfassendgenug)erkennen der Bedingungen des Entstehens jeder bedingten Handlung - also auch: Nichterkennen des Gefühls, des Willens hinter den Handlungen, wozu auch die Sprachhandlungen gehören, ist die erste nennbare Bedingung auch für zB ideologisches, anderes Denken und Handeln unterwerfenwollendes Sprechen und Tun.


    Hieran anschliessend möchte ich sagen, dass (wenn man so formulieren will) nicht nur grosse Teile einer Religionsgeschichte ganz und gar 'hässlich und dumm' waren, sondern je nachdem wie man bewerten will, vielleicht ein grosser Teil einer gesamten Menschheitsgeschichte?


    (An sich ist eine Religionsgeschichte aber mehr? eine Arbeit, die sich vorrangig der Ideengeschichte widmet)


    Zitat

    Das was dann dass was Karl Jaspers die Achsenzeit nannte und wo dann auf einmal die Frage nach der conditio Humana aufkam. Bei den griechischen Philosophen, bei Kinfuzous, im Judentum aber eben auch bei Buddha. Das Kalamer Sutra ist ein gutes Beispiel für so ein Enmythologisieru


    Den vielzitierten Satz 'Geht nicht nach Hörensagen' sehe ich als eine Aufforderung, zu prüfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der Zusammenhang zu einer 'Entmythologisierung' sieht für mich ein wenig mehr gewollt aus, ich finde das Wort und die damit zumeist zusammenhängenden Vorstellungskomplexe aus eben (auch) diesem Grund jedenfalls nicht so günstig, wennauch es schon darum geht: sich gewissermassen von Mythen, sich von gewissen oder vielleicht allen? kollektiven Vorstellungen zu lösen.


    Zitat

    Und auch bei Religionen wie dem Christentum - die eigentlich den Sprung vom kollektiven Ego hin zum Universellen ( Liebe deinen nächsten wie dich selbst) geschafft haben sollten, besteht immer und überall die Gefahr in diese ursprüngliche Funktion zurückzufallen.



    Das schöne am Buddhismus ist, dass er in dieser ersten Sinne so wenig Religion ist. Aber wie man ja leider in Myanmar sieht, kann auch der Buddhismus dazu degradiert werden, kollektive Egos zu schaffen


    Hierzu möchte ich zum einen gerne schreiben: kollektives Ego - so kann man denken. Man spricht ja auch von einem kollektiven Bewusstsein. Letztlich ist es aber nur ein Bild. Die Frage ist: was genau will man damit beschreiben.


    Das andere ist das: In jeder zwischenmenschlichen Situation besteht die Gefahr, die Freiheit des anderen nicht anzuerkennen, es besteht in jedem Moment die Gefahr, ideologisch zu denken, es besteht die Gefahr, dass man vorschnell bewertet indem man denkt spricht und schreibt. Es besteht die Gefahr, jemanden eine Wahrheit diktieren zu wollen, es besteht auch die Gefahr ... dass man diese allgemeine Gefahr (eigentlich: Möglichkeit) einem eher unsichtbaren oder (eigentlich) nicht vorhandenen Atta namens Religion unterstellen möchte, und damit die (eigentliche) Wirksamkeit des eigenen Willens und Wollens und die (eigentliche) Wirksamkeit des Willens und Wollens anderer unterschätzend darstellt.

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  • Zu Deiner Anmerkung zum Thema Nächstenliebe - wenn ich gelegentlich beim Spazierengehen an einer Kirche vorbeikomme und dabei Leute sehe, die von einem Gottesdienst herauskommen, kommt bei mir beim Anblick dieser traurigen, verkniffenen Gesichter jedes Mal der Gedanke auf: Bitte, bitte, bitte -- liebt mich nicht so, wie ihr euch selber liebt!!! Geht lieber in einen Park oder eine Kneipe als in eure kalte, dunkle Kirche.


    Uff! Das sind starke Abgrenzungsenergien bei dir, die kamen richtig an bei mir. Das ist dann wohl auch eine bedingende Grundlage der Gedanken über Religionen und religiöse Inhalte, die du hier äusserst.


    Fühlte sich gerade nicht gut an, das - ok ist immer Projektion - aber wollte ich mal direkt rückmelden. Vor allem aus der Erfahrung, dass Distanz/ein Ablassen und Ablassenwollen von einer stärkeren emotionalen Ablehnung von Anderem und Anderen (Hass?) inklusive dem Gefühl und dem Wollen dieses Gefühls, möglich ist.


    Ich hoffe meine Zeilen bestärken dich nicht in diesem Denkenwollen. Manchmal ist schweigen gegenüber einer offensichtlichen Beobachtung ja weiser.

    2 Mal editiert, zuletzt von Voyager ()

  • Da ist mir zuviel Spekulation drin. Meine Arbeitshypothese ist dagegen nicht spekulativ, weil sie natürlich - da sie als begriffliche Konstruktion selbst ein mentales Phänomen ist - auf sich selbst angewandt werden muss:Zitat

    Alle mentale Phänomene sind eigentlich Illusionen, weil alles, was wirklich wissenschaftlich evident ist, Aktionspotentiale im Gehirn sind.

    Wenn der Wissenshaftler ünter der Farbenblindheit leidet, er kann egal wie lange und bei allen möglichen Menschen die "Aktion-Potenziale" im Gehirn messen, er würde niemals auf dem eigenen Leib erfahren, wie fühlt sich "Blauer Himmel", nur als der Beispiel.

    Das ist nichts möglich, eigenes Qualia durch egal welche "Konstrukte" oder die "Messungen" von den "Geräten" zu vermitteln.

    Aber es ist trotzdem real! Nur weil es über das rein "subjektives" Phänomen geht, es würde nichts bedeuten, dass es nichts existiert.

    Qualia – Wikipedia

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

    • Offizieller Beitrag

    Steven Pinker hat in "Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit" die Rolle und Prävalenz von Gewalt in der Geschichte untersucht. Von Jäger und Sammler Gesellschaften, über Stadtstaaten hin zur Neuzeit. Und in seinen Erhebungen kommt er zu dem Ergebnis, dass die Gewalt insgesamt abgenommen hat. Gerade wenn man nicht nur die Gewalt innerhalb einer Gruppe anschaut - gerade bei den amerikanischen Ureinwohner gab es ja viele Gruppe, wo man innerhalb der Gruppe recht friedlich lebte aber dann gegenüber dem Feind gnadenlos war. Dies ist das Doppelgesicht vieler religiöser Ordnungen.


    "Du sollst nicht töten" ist ja eine beliebte Fehlübersetzung des sechsten Gebotes. Gemeint ist ein "Du sollst nicht morden " - das heißt es sind rein die verbrecherischen Tötungshandlungen untereinander untersagt, während man im Krieg den Feind, bei Gericht den Übeltäter oder bei Opfer das Schlachttier durchaus töten darf. Es wird Friede nach innen gestiftet Gewalt nach außen gelenkt.


    Eine ähnliche Entwicklungsgeschichte - nicht bezogen auf Gewalt selber sondern auf Ungleichheit liefert Kent Flannery "The Creation of Inequality: How Our Prehistoric Ancestors Set the Stage for Monarchy, Slavery, and Empire" Auch hier werden die verschiedensten Komplexitätsstrukturen von Gesellschaften durchgegangen und bei jeder die Ungleichheiten - von denen ja jede wieder Gewalt zu ihrer Durchsetzung benötigt, durchgegangen. Halbwegs egalitäre Gesellschaften tauchen zwar ab und zu auf verschiedenen Ebenen immer wieder auf, sie sind aber "selten" zu nennen.


    Und speziell zur Religion gibt es ja das Werk "Der Ursprung der Religion" von Robert N Bellah wo er eben die Entwicklung der Religion und der mit ihr verbundenen Gesellschaftsformen nachzeichnet.