Perfektionismus in der Praxis - Angst vor Wiedergeburt

  • Hallo zusammen,


    meiner Frage geht die Erkenntnis voraus, dass ich dazu tendiere, bei allem, was mich sehr anspricht oder interessiert, einen nahezu "hundertprozentigen" Ansatz zu verfolgen. In diesem Fall gilt das auch für die buddhistische Praxis. :rad: :mala:


    Ich bin nun insgesamt seit einem knappen Jahr Laienpraktizierender (Mahayana), nachdem ich erstmals im Frühjahr 2019 mit dem Buddhismus in Kontakt kam.


    Vor etwas über einem Jahr kam ich in Kontakt mit dem "Buddhismus", wie ihn die SGI praktizierte. Wenn auch sehr zugänglich und vereinfacht, war das damals der "Türenöffner" zum buddhistischen Pfad. Ich merkte jedoch bald, dass der absolute Weg Nichirens mit seiner Ablehnung anderer Schulen und die verdünnte, auf Ikeda bezogene Lehre der SGI nicht mit meinem Streben nach der Lehre und dem Pfad Buddhas vereinbar waren. So löste ich mich und begann seither eine solitäre Praxis, da mir leider seit meinem Ausstieg eine Sangha fehlt.


    Ich habe seitdem mehrere Sutras (Lotos, Arya Sanghata, Goldenes Licht, Mahaparinirvana, Diamant, Herz) rezitiert, übersetzt, Gebetsmühlen gedreht, Nembutsu und nebenbei noch Odaimoku + Gongyo (allerdings in abgewandelter Form, nicht nach SGI-Manier) praktiziert, was sich von allem immer noch am "stimmigsten" anfühlt. Dennoch hat mich das alles teilweise sehr verwirrt und frustriert (inkl. Schwindel, Kopfschmerz) und ich bin davon abgekommen.


    Mittlerweile praktiziere ich "nur" noch Odaimoku und höre gelegentlich Dharmatalks. Dazu übe ich Achtsamkeitsmeditation im Alltag.


    Meine größte Sorge ist, dass ich die "falsche" Praxis ausübe und dadurch in den niederen Daseinsbereiche wiedergeboren und unablässig leiden werde. Ich habe das Gefühl, in diesem Leben gar nicht mehr alles lesen, studieren, praktizieren oder erreichen zu können, was "notwendig" ist, um in der nächsten Existenz in günstigen Umständen weitermachen zu können. Auch bin ich hin- und hergerissen zwischen dem "weltlichen" Leben und dem Leben in einem monastischen Orden, wo ich mich mit "Haut und Haaren" der Ausübung widmen kann. So versuche ich zumindest, die Pancasilas aufrecht zu erhalten, habe aber Angst, je nach Auslegung gar nicht alles erfüllen zu können.


    Welche Erfahrungen und Anregungen habt ihr zu diesem Thema?


    Gassho

  • Herzlich willkommen!


    Ich habe meine ersten fünf oder sechs Jahre nur mit einem Mantra (gekoppelt an die Atmung), einen körperscan und Metta praktiziert.


    In der Zeit habe ich vermutlich keine drei Bücher zum Thema Buddhismus gelesen.

    Ich habe einfach nur gemacht was ich in einem 7 oder 10 Tage Retreat ganz am Anfang gelernt hatte.


    In Wirklichkeit braucht man nicht viel für den Start.

    Je mehr man liest und studiert, desto mehr Ideen und Ansichten belasten die Praxis.

    Mach ein Retreat (Vipassana) und bleib ein paar Jahre lang dabei. Egal wie sinnlos es dir erscheint oder egal wie verlockend eine andere "bessere" Technik auch ist.


    Wichtig wäre ein Lehrer den du zur Not mal ein paar Fragen stellen kannst.

    Falls du nichts in der Nähe hast, dann fahr alle 12 bis 24 Monate zu einem Retreat.


    Das mit den anderen (schlechten) Existenzen ist jetzt noch kein Thema für dich.

    Solange die Gebote halbwegs eingehalten werden, kann dir nicht mehr so viel passieren.


    Alles Gute für dich!


    Martin

  • Lieber Haiku herzlich willkommen,

    ich kann Deine Verwirrung förmlich spüren. Und nein, sie kommt nicht, weil Du womöglich dem falschen Pfad folgst, sondern - so vermute ich - weil Du zuviel denkst, zuviel willst und zuviel fürchtest.


    Einfach zur Ruhe kommen (vom Denken loslassen), dem achtfachen Pfad folgen, über die 4 Edlen Wahrheiten kontemplieren und morgens und/oder abends eine halbe Stunde meditieren.


    Wichtig ist, dass Du begreifst, dass der Buddha keine Drohungen ausgesprochen hat, sondern mitfühlend Empfehlungen gegeben hat. Sie beginnen mit "ich übe mich ..."


    Wie Martin bereits schrieb, halte ich auch die Vipassana-Meditation für hilfreich.


    Lass Dich nicht durch die vielen verschiedenen Sekten irritieren.


    Ich halte mich so nah wie möglich an den Ursprung. Auch das Anhaften an Ritualen ist ein Hindernis.

    Alles Gute für Dich

    _()_ Monika


    PS: ich weiß, das Denken loslassen klingt leicht und ist es nicht. Aber es geht. Ich habe in letzter Zeit auch zuviel Ängste und Sorgen gewälzt, andere Probleme als Du, aber der Ursprung ist immer derselbe. Und bin gerade wieder auf einem "aufsteigenden Ast", weil ich mich erinnere ...

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Meine größte Sorge ist, dass ich die "falsche" Praxis ausübe und dadurch in den niederen Daseinsbereiche wiedergeboren und unablässig leiden werde. Ich habe das Gefühl, in diesem Leben gar nicht mehr alles lesen, studieren, praktizieren oder erreichen zu können, was "notwendig" ist, um in der nächsten Existenz in günstigen Umständen weitermachen zu können. Auch bin ich hin- und hergerissen zwischen dem "weltlichen" Leben und dem Leben in einem monastischen Orden, wo ich mich mit "Haut und Haaren" der Ausübung widmen kann. So versuche ich zumindest, die Pancasilas aufrecht zu erhalten, habe aber Angst, je nach Auslegung gar nicht alles erfüllen zu können.


    Welche Erfahrungen und Anregungen habt ihr zu diesem Thema?

    Ich musste lachen, aber es ist kein Auslachen, eher nur ein sich amüsieren über die Worte, ohne mich dabei als klüger zu sehen oder zu fühlen, da ich solche Gedanken selbst immer wieder habe und hatte. In niedere Daseinsbereichen zu enden, befürchtete ich nicht bisher, eher überhaupt wieder geboren zu werden als Mensch oder anderes Wesen auf der materiellen Welt. Ich kenne es aber zu gut mit dem : " so viel werde ich unmöglich schaffen zu lesen, was ich alles lesen müsste um mehr zu verstehen und den Edlen Achtfachen Pfad richtig praktizieren zu können ".

    Eigentlich reicht es aus, wenn man sich bemüht den Edlen Achtfachen Weg zu gehen das ist zuerst die Sila Gebote einzuhalten. Ich habe das Gefühl, dass es die anderen 5 Glieder fördert oder erweckt, und das Glied Konzentration / Meditation kann man dann auch mal anfangen und einfach weiter üben alles acht. Und wenn man mal nicht so viel geübt hat die Konzentration, so ist es dennoch schon ein Gehen auf dem Weg mit den anderen Gliedern die man übt. Irgendwann so zwischendurch fängt es an sogar Spaß zu machen oder man bekommt eine Freude im Herzen mit der Konzentration weiter zu machen, das habe ich gestern gehabt, aber nun schwindet es wieder, doch diese Freude ist gerade noch ein wenig da, das sollte ich wohl nutzen. Ansonsten : Ja, Dharmatalks hören ist auch eine Stütze, eine Hilfe für das Gehen auf dem Pfad, oder etwas lesen aus der Lehre. Das was Ellviral hier vorschlug, damit könnte ich ja mal anfangen demnächst. Wobei halt das Lesen und Zuhören nicht das wichtigste ist, sondern eher das üben des Pfades, Erkennen durch Erfahrung, statt durch Denken. Aber es kann viel helfen anderen zu zu hören, etwas darüber zu lesen, was passieren kann, wie es richtig ist, was man lassen sollte. Dafür ist eine Sangha gut. Ich habe auch noch keine. Meine ist das Anhören weiser Mönche und das lesen und sich austauschen hier. Das waren meine Erfahrungen und Anregungen.

    Der Weise, der, auf Sittlichkeit gestützt,

    Den Geist entfaltet, sich in Weisheit übt,

    Ein solch entschlossener und weiser Jünger

    Mag dieses Lebens Wirrsal einst entwirren.


    (Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya).

    Einmal editiert, zuletzt von Rigpa ()