Abgespaltene / verleugnete / verdrängte Gefühle

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und mich beschäftigt gerade eine Frage zum Umgang mit Gefühlen. Ich praktiziere noch nicht so lange regelmäßig Meditation und bin auch für Buddhismus kein Experte. In dem Buch Das weise Herz spricht Jack Kornfield von seiner eigenen Lebensgeschichte und den traumatischen Erfahrungen in seiner Kindheit. Er habe sich damals auf eine Beobachterposition zurück gezogen und seine Gefühle abgespalten. Das ist natürlich etwas anderes als gegenüber seinen Gefühlen eine wohlwollende und achtsame Haltung einzunehmen. Wahrscheinlich konnte er seine Gefühle zu dem damaligen Zeitpunkt nicht verarbeiten und seine Psyche hat deswegen zu diesem Abwehrmechanismus gegriffen.

    Ich frage mich jetzt, wie ich in der Meditationspraxis mit solchen abgespaltenen oder verleugneten Gefühlen gut umgehen kann. Bisher habe ich vor allem Sitzen in der Stille praktiziert oder meine Aufmerksamkeit gezielt auf körperliche Empfindungen gerichtet. Seit kurzem praktiziere ich auch Tonglen Meditation nach Pema Chödrön, was ich sehr hilfreich finde. Dabei komme ich durchaus auch mit schwierigen Gefühlen in Kontakt. Aber ich habe das Gefühl, dass ich zu bestimmten Gefühlen wie z.B. Traurigkeit keinen Zugang habe.


    Gibt es in der buddhistischen Psychologie eine Entsprechung zu der (psychoanalytischen) Vorstellung von solchen abgespaltenen Gefühlen und wie wird das dort erklärt. Ich habe in Vorträgen von Thich Nhat Hanh mal ein bißchen über das Speicherbewusstsein gehört. Dort liegen mentale Formationen als Samen und können sich manifestieren, wenn sie gewässert werden. Das geht ja ein bißchen in eine solche Richtung. Dann wären abgespaltene Gefühle vielleicht Samen die im Speicherbewusstsein wuchern, ohne manifest werden zu können!? Ich freue mich, wenn ihr eigene Erfahrungen, Ideen, Fragen oder Anmerkungen zu dem Thema mit mir hier teilen möchtet.


    Viele Grüße

    Mabli

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Hi, Mabli . Das Buch habe ich auch. Es ist sehr wertvoll. Und so wie die ähnliche Problematik aus meiner Kindheit.

    Ohne zu viel theoretiesieren, ich würde jedem raten, in solchen Fällen sehr erfahrenen Psychotherapeuten oder den Psychologen aufzusuchen. Der Hacken liegt drin, dass J. Kornfield ist selbst der Psychologe , und dazu mit der "westlichen " Mentalität. Denn die Tiefe Meditation , wenn man mit den absgepaltenen Gefühlen ( auch verdrängen, usw.) arbeitet, kann die momentane Situation verschlimmern, und die Symthomatik dazu noch verstärken. Im Buch J. Kornfield redet doch sehr viel Mit den Klienten , und er ist immer bereit sie real ( nichts virteuell!) sie zu unterstützen. Einige er hatte selbst dann an die Psychologen mit der Buddhistischen Ausrichtung überwiesen, man kann es mehr als genug fie Fälle im Buch finden.

    Die Meditation ist so wie das zweischneidige Schwert. Wenn , also, diese abgespaltene Anteile der Psyche auf die Oberfläche ( des Bewusstseins) gelangen, es kann sehr schmerzlich sein und die sollten richtig integriert werden. Ansonten, es wäre , wie es Nietzsche ausdrückte, man sollte besser im Keller schlafende Hunde in ruhe lassen, ansonsten die laufen nach oben und könnten dich schier zerfleichen. Man kann hier den Keller mit diesem "Speicher" vergleichen, aber ungefähr. Dieser "Speicher " einige Autoren verwechseln mit dem Kollektivem Unbewussten von C.G. Jung, was nichts stimmt, und genug verwirrt. "Speicher-Bewusssein" gehört Nur-Geist-Schule von TB, die meinen es anders, als die moderne Psychologie.


    Gibt es in der buddhistischen Psychologie eine Entsprechung zu der (psychoanalytischen) Vorstellung von solchen abgespaltenen Gefühlen und wie wird das dort erklärt.

    Ja, es gibt sehr schönes Buch, das mir persönlich sehr geholfen hat, also in diese Richtung, aber von der Psychologen und den zugleich den praktizierenden Buddhisten geschrieben.


    Psychotherapie & Buddhismus | Arbor Verlag




    In dem Buch Das weise Herz spricht Jack Kornfield von seiner eigenen Lebensgeschichte und den traumatischen Erfahrungen in seiner Kindheit. Er habe sich damals auf eine Beobachterposition zurück gezogen und seine Gefühle abgespalten. Das ist natürlich etwas anderes als gegenüber seinen Gefühlen eine wohlwollende und achtsame Haltung einzunehmen. Wahrscheinlich konnte er seine Gefühle zu dem damaligen Zeitpunkt nicht verarbeiten und seine Psyche hat deswegen zu diesem Abwehrmechanismus gegriffen.

    Ja, das stimmt.Aber er war für ihn, wie er genug bemerkt, sehr schmerzlicher und langer Prozess. Und er war sehr lange Zeit auf die Hilfe von seinen Lehrer A. Chan angewiesen. Und er erzäht dort, wie es schiwierig war für ihn zurück in Westliche Zivilisation zurechtzukommen ( nach dem Kloster) , so wie ins das "Normale", nichts abgeschottene Leben sich zurechtzufinden. Nach der "Erleuchtung" so wie "Kartoffeln Schälen". Auch sehr empfelenswertes Buch von ihn. ( Es hiess zuerst " Das Tor des Erwachens", Kösel-Verlag, 2001.).

    Wenn du die Fragen hast , oder kommunizieren wolltest, schreibe mir PN, ich besuche das Forum ab und zu. Von bestimmten Punkt man geht immer allein. Das ist dann der Zeichen der Mündigkeit und der Reife. ( allgemein gespochen, ich meine nichts mich selbst ). Aber ich hatte sehr viel mit den verschiedenen Psychoanalytikern gearbeitet, deswegen ich weiss schon, wie ich ticke. Man braucht den realen und lebendigen Mesnchen, der dich unterstützt, im Bezug auf solche Symptomtik, so meine Meinung und meine Erfahrungen.


    Ich praktiziere noch nicht so lange regelmäßig Meditation und bin auch für Buddhismus kein Experte.

    Genau deswegen man geht das bestimmte nichts kalkullierte Risiko ein, wenn man in die Tiefe geht und allein versucht nur durch die Meditation das im Griff zu kriegen. Noli nocere(lat.)---nichts schaden, das ist das erste Gebot.

    Alles Gute dir auf dem Weg, Mabli

    LG.

    Igor.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Hallo Mabli,

    willkommen hier im Forum.

    Tonglen ist so eine gute Methode, wenn man einen Zugang/ eine Anleitung gefunden hat, mit der man gut arbeiten kann. Für mich klingt das bei dir so, weil du von hilfreich sprichst. Ich habe mal versucht, mein ganzes Gefühlsleben mit dem denkenden Hirn zu begreifen (und im Grunde irgendwie auch dort bearbeiten bzw. lösen zu wollen), mittlerweile bin ich auch bei Tonglen angekommen und übe mich "einfach nur" darin, dass was jetzt gerade da ist annehmen und loslassen zu können und einen angemessenen Weg zu finden, manches davon auch mitzuteilen. Mit der Übung geht's dann langsam tiefer in die verschiedenen Gefühle rein.

    Pass bitte auf dich auf, manchmal kommt man allein nicht weiter mit Techniken aus Büchern.

    Möge es dir wohl ergehen.

    _()_

  • Hi Igor07 ,


    danke für deine Antwort! Du sprichst ganz wichtige Sachen an. Die abgespaltenen Gefühle müssen irgendwie integriert werden. Das habe ich auch verstanden. Wie genau das dann abläuft, da habe ich keine Ahnung. Es geht wahrscheinlich nicht mit der Brechstange, sondern in einem langen und mühsamen Prozess, wie Du schreibst. Ich bin auch bei einer Meditations-Lehrerin , die auch psychotherapeutisch arbeitet, in einer Gruppe angebunden. Alleine würde ich das nicht angehen. Das hätte ich vielleicht dazu schreiben sollen. Man braucht sehr wahrscheinlich auch eine gewisse Stabilität, damit man diese Gefühle (oder Persönlichkeitsanteile) zulassen und annehmen kann, sonst kann das sicher auch nach hinten losgehen. In der Praxis versuche ich immer vor Tonglen und danach zu sitzen und mich zu sammeln und so auch einen guten Rahmen zu schaffen. Ich merke schon, dass das eine sehr kraftvolle Übung sein kann. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei Blockaden langsam abschmelzen können - eventuell auch verbunden mit einer tiefen Atmung. Ich habe mal einen Film über Stan Grof gesehen, der das holotrope Atmen entwickelt hat. Da kam auch Jack Kornfield zu Wort. Das finde ich auch unglaublich spannend. Aber auch hier gilt natürlich, dass das in jedem Fall mit erfahrenen Therapeuten gemacht werden sollte.


    Danke auch für den Buchtipp. Das klingt super spannend!


    Hi Gurkenhut,


    ja, meine Probleme nur durch das Denken lösen zu wollen, das habe ich auch lange versucht. Aber ich habe gemerkt, wenn das Herz nicht berührt wird, dann bleiben die Probleme auch mehr oder weniger unberührt. Danke dir für deine Mitteilung!

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Die abgespaltenen Gefühle müssen irgendwie integriert werden. Das habe ich auch verstanden.

    Das war wohl wieder typisch... sobald da ein Loch ist, muss da was rein.


    Wozu auch schwarze Löcher.

    Lasst es uns einfach integrieren.

  • Diese Gefühle können nicht integriert werden. Warum? Sie sind es schon, sonst würden sie dir nicht auffallen.

    Was hilft? Diese Gefühle einfach als zu mir gehörend akzeptieren, ihnen Platz schaffen und nicht mit ihnen spielen. Schick sie auf die Gefühl-Spielwiese und wenn die zu klein ist, vergrößer sie. Beobachte die einzelnen Gefühle wie Vieh auf der Weide.

  • Die abgespaltenen Gefühle müssen irgendwie integriert werden. Das habe ich auch verstanden.

    Das war wohl wieder typisch... sobald da ein Loch ist, muss da was rein.


    Wozu auch schwarze Löcher.

    Lasst es uns einfach integrieren.

    Was meinst du mit typisch? Für wen oder was typisch?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Noreply


    Danke dir für das Bild mit der Gefühlsspielwiese. Das finde ich sehr schön.

    Diese Gefühle können nicht integriert werden. Warum? Sie sind es schon, sonst würden sie dir nicht auffallen.

    Mir fällt da eher eine Abwesenheit von etwas auf - wenn du willst - ein schwarzes Loch. Das heißt ja nicht, dass sie nicht da sind, aber sie sind anscheinend vom Rest des Bewusstseins getrennt.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Das heißt ja nicht, dass sie nicht da sind, aber sie sind anscheinend vom Rest des Bewusstseins getrennt.

    Nun so zu tun als hätte man das nicht gewollt...

    Meinst du das bringt was?


    Mimimimi :)


    Denk bitte nur an dieses Leben.

    Reiß dich zusammen ^^


    :D

  • Beobachte die einzelnen Gefühle wie Vieh auf der Weide.


    "


    Die Folge von Herdenverhalten sind starke Preisschwankungen des betroffenen Handelsobjekts.

    Zudem beschleunigen Hamsterkäufe die Warenrotation und verringern die logistische Reichweite.


    Als Marktverhalten ist das Herdenverhalten insbesondere bei Noise Tradern bekannt, die oft vom Herdenverhalten geleitet sind und durch Stimmungen oder Gruppen dazu motiviert werden, zu kaufen oder in fallende hinein zu verkaufen. Dies ist der so genannte „Stimmungs-Noise“.[10] Steigende oder fallende Kurse sind ein Indiz dafür, dass sich bereits andere Marktteilnehmer zuvor genauso entschieden haben. Dieser Noise kann sowohl bei Kauf- als auch bei Verkaufsentscheidungen und auch bei Halte-Entscheidungen zugrunde liegen. Herdenverhalten ist somit ein Zeichen für fehlende Effizienz von Märkten.


    "

  • Noreply . Was bedeutet im deinem Zitat "Integrieren"? Ich meine es rein psychoanalytisch( psychologisch). Warum aber die abgetrennt? Man weiss auf der bewussten Ebene über diese Gefühle nichts. Und man hat zu ihnen keinen Zugang. Man leidet dann unter sehr schweren Depressionen, Sucht-Problematik, unter Panik-Attacken, man bekommt tonnenweise die Pillen, die nur das Bewusstsein vernebeln und die ganze Problamtik noch mehr verschleiern und verdecken. In deisem Sinne "integrieren" beduetet zuerst diese Gefühle einfach bewusst zu werden, sie klar sehen, dass die einfach im deinem Innerem Kosmos existieren. Nur dann man kann ( danach) über die "Weide" und das "beobachten" reden. Ansonsten, also Im Umkehr-Schluss, mann hat nichts zu beobachten, denn man weiss nichts, was ihn quält. Diese Anteile der Psyche sind nichts verdrängt, das wäre dann die andere Bedeutung, aber man ist nichts imstande sie einfach wahr-zu-nehmen, deswegen die sind ab-ge-spalten.



    Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei Blockaden langsam abschmelzen können - eventuell auch verbunden mit einer tiefen Atmung. Ich habe mal einen Film über Stan Grof gesehen, der das holotrope Atmen entwickelt hat. Da kam auch Jack Kornfield zu Wort. Das finde ich auch unglaublich spannend. Aber auch hier gilt natürlich, dass das in jedem Fall mit erfahrenen Therapeuten gemacht werden sollte.

    Ja, ich hatte die Methode von St. Grof genug ausprobiert, ich denke , das ist nichts für jeden. Zuerst mit dem Thera, dann allein, auf die eigene Faust. Ich hatte über mich einige Dinge erfahren, dann ich denke bis heute, es wäre besser, keinen Schimmer davon zu haben. Sehr schmerzhaft, und sehr vieles , was "Im Keller " man vorfindet, kann sehr selbst-zerstörerisch auswirken. Nichts umsonst die Psyche wollte es nichts wahrhaben. So das ganze System verteidigt , sozusagen das "Gleichgewicht", die " Homöostase", um nichts aussseinader-zu-fallen.


    Mabli . Das sind echt wie die schwarze Löcher, denn die berauben deine Energie, machen dich total kaputt, aber du hast keine Ahnung, um was es geht, oder wo die Ursache ( Auslöser) für die ganze Misere liegt, dann manchmal man empfindet das eigene Leben oder die Gefühle, als ob er wie fremd-ge-steuert " wäre. Das ganze Phänomen ist sehr gut psychoanalytisch beleuchtet, sogar es wurde über die verschiedene Personlichkeiten im einem Körper geschildert, das war regelrecht der Boom! Aber der innere Mechanismus ist identisch, eigentlich.

    Deswegen je langsamer, desto besser, nichts den Schicksal zu viel herauszufordern.

    LG.

    P.S. Ich hatte auch versucht, mit LSD, aber wegen dieser Corona es alles wurde abgesagt. Schade, denn es wäre echt gut, scheint mir.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich habe mal versucht meine Erfahrung in einem Gedicht auszudrücken. Das Gedicht ist unter dem Eindruck der Lektüre eines psychoanalytischen Buchs entstanden, was man ihm vermutlich etwas anmerken kann. (:


    Der Glanz im Auge der Anderen

    ist mir wie die Luft zum Atmen

    so muss ich ersticken

    an Wut, Neid und Groll


    und blicke angstvoll

    in die matten Augen

    und verliere mich


    Verborgen hinter falschen Schein

    muss doch ein leises Sehnen

    ein Wunsch nach Nähe sein

    unter einem Meer von Tränen

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Echt schön! Im diesem Meer von Tränen liegt die Seligkeit verborgen. Wie im der tiefsten Dunkelheit ist das Licht verborgen liegt.

    Man kann sich nicht verlieren, aber nur sich selbst zu ent-denken, das eigene Weise Herz, das auch das Herz von Allem ist.

    Und Wut , Neid und Groll sind in der Wirklichkeit nur die Verborgene Gesichter der Liebe, die nichts entsteht und auch niemals vergeht.

    So war auch meine eigene Erfahrungen, Mabli .

    Ich danke dir herzlich. :heart:

    _()_

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Generell finde ich - aus eigener Erfahrung - so etwas sehr schwierig. Für mich war ein wichtiger Punkt, dass ich mir therapeutische Hilfe gesucht habe. Für mich war essentiell herauszufinden wieso ich zu Gefühlen auf Distanz gegangen bin, und dann einen guten Umgang damit zu erlenen. Zazen und das Dharma waren zwar schon bevor ich das aufgearbeitet habe sehr hilfreich, aber erst nachdem ich bei Therapie da einen gewissen Durchbruch hatte, konnte ich mich dem Dharma weiter öffnen.


    Ich kann mir zwar vorstellen, dass man solche Probleme auch alleine mit sich selbst lösen kann, und ich bin mir recht sicher, dass buddhistische Techniken dabei hilfreich sein können, aber eine Therapie mit Therapeut:in der man vertraut ist dann doch nochmal etwas anderes.

    _()_

  • Zunächst einmal ist einen Dissoziation/Abspaltung von Gefühlen bzw. Persönlichkeitsanteilen eine Schutzreaktion auf starke Verletzungen wir sie Traumata bedeuten. Aber auch kleine Verletzungen, die immer wieder erlebt werden. Die führen zu Traumata und Abspaltungen.

    Dann gibt es auch Gefühle, die sozial unerwünscht sind, wie Wut, Neid, und diese werden dann verdrängt und müssen unbewusst bleiben. Diese suchen sich dann aber Wege zum Ausleben, weil irgendwas in einer Situation aufbricht.

    Sowohl Verdrängung, als auch Abspaltung braucht Energie und Kraft und zeigt sich in der Persönlichkeit als ein Aktions-oder Reaktionsmuster, das der Situation unangemessen ist.

    In solchen Fällen hilft tatsächlich eine Gesprächstherapie oder kognitive Verhaltenstherapie, in der einem die Probleme bewusst werden und man sie besprechen kann. Man lernt sich dann selbst zu sehen und wenn man sich mit seiner Lebensgeschichte versöhnt hat, dann integrieren sich die verdrängten oder abgespaltenen Persönlichkeitsanteile oder Gefühle.


    Durch die Zen-Praxis ist man dann auf einem Weg in dem man sich wirklich gründlich selbst erforschen kann und den inneren Prozessen auf den Grund gehen kann. Da das aber eine von vielen äußeren und inneren Bedingungen abhängige Sache ist, erlebt man dann auch so manche Überraschung über sich.

    :zen:

  • Gibt es in der buddhistischen Psychologie eine Entsprechung zu der (psychoanalytischen) Vorstellung von solchen abgespaltenen Gefühlen und wie wird das dort erklärt.

    In der buddhistischen Psychologie können Gefühle nicht abgespalten werden, weil sie gar nicht zum Selbst gehören. Es ist nur die falsche Selbst-(An)sicht (Persönlichkeitsglauben, Glauben an die Selbstidentität), welche Gefühle als Teil von einem selbst erscheinen lassen. Siehe MN109:

    Zitat

    "Bhikkhu, ein nicht unterrichteter Weltling, der die Edlen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, betrachtet ... Gefühl als Selbst, oder Selbst als Gefühl besitzend, oder Gefühl als im Selbst enthalten, oder Selbst als im Gefühl enthalten.

    ...


    "Bhikkhu, ein wohlunterrichteter edler Schüler, der die Edlen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, betrachtet ... Gefühl nicht als Selbst, oder Selbst als Gefühl besitzend, oder Gefühl als im Selbst enthalten, oder Selbst als im Gefühl enthalten.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Leonie & xiaojinlong Danke Euch für die Erinnerung, dass man solche Probleme in der Regel nicht im Alleingang lösen kann oder sollte. Das stimmt natürlich. Das kann wie Igor07 ja auch schreibt nach hinten losgehen, wenn man da mit der Brechstange heran geht. Ich habe auch schon Therapien gemacht und werde das auch für die Zukunft nicht ausschließen, dass ich mir Hilfe von einem Therapeuten suche. Momentan versuche ich ergänzend zu therapeutischen Ansätzen einen anderen / ergänzenden Zugang zu dem Thema zu finden.


    Ich habe jetzt durch ein wenig lesen heraus gefunden, dass die Tonglen Praxis im tibetischen Buddhismus eingebettet ist in eine umfangreiche Geistesschulung. Weiß jemand von Euch vielleicht mehr dazu? Das würde mich sehr interessieren dazu mehr zu erfahren.


    SteFo Das ist aber vom Ende her betrachtet, oder? Ich bin mit ziemlicher Sicherheit ein nicht unterrichteter Weltling. ^^ Die spannende Frage ist ja dann: Was muss der Weltling für einen Prozess durchleben, um zu der Erkenntnis zu kommen, in deren Besitz der wohlunterrichte edle Schüler ist?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ich frage mich jetzt, wie ich in der Meditationspraxis mit solchen abgespaltenen oder verleugneten Gefühlen gut umgehen kann. Bisher habe ich vor allem Sitzen in der Stille praktiziert oder meine Aufmerksamkeit gezielt auf körperliche Empfindungen gerichtet.

    Lieber Mabli,

    Hallo Community.


    Vor knapp drei Jahren machte ich meinen ersten 10 Tages Vipassana Kurs.

    Und seit rund 1,5 Jahren meditiere ich fast jeden Tag. So um die 45 Minuten.


    Wie lerne ich meditieren?

    Indem du dir Mühe gibst.

    Wie lange dauert es, wenn ich mir doppelt so viel Mühe gebe?

    Doppelt so lange.


    Diese schöne Geschichte hab ich irgendwo gelesen.


    Du akzeptiert deine Gefühle einfach und dadurch ändert sich dein Denken.

    Deine Gefühle sind nicht abgespalten, oder du hast sie nicht verleugnet.

    Sie sind anders.


    Liebe Grüße,

    Bernd

  • SteFo Das ist aber vom Ende her betrachtet, oder? Ich bin mit ziemlicher Sicherheit ein nicht unterrichteter Weltling. ^^ Die spannende Frage ist ja dann: Was muss der Weltling für einen Prozess durchleben, um zu der Erkenntnis zu kommen, in deren Besitz der wohlunterrichte edle Schüler ist?

    Nein, vom Ende her betrachtet ist das sicher nicht, denn das Ende des Pfades ist gemäß der Doktrin ja nibbana und da von einem "Schüler" die Rede ist, kann der noch nicht am Ende sein, sondern muss noch lernen.

    Deine Frage soll wohl bedeuten: "was muss passieren, dass ein nicht-buddhistischer Mensch sich entscheidet den achtfachen Pfad zu gehen und also den entsprechenden Lehrern zu folgen?" Und das kann ich dir nicht sagen, weil ich nicht weiß, ob es allegemeingültige Bedingungen dafür gibt. Diese Fragestellung ergibt sich auch nur dann, wenn die buddhistische Lehre kein Gut in der nativen Kultur des entsprechenden Menschen ist.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Deine Frage soll wohl bedeuten: "was muss passieren, dass ein nicht-buddhistischer Mensch sich entscheidet den achtfachen Pfad zu gehen und also den entsprechenden Lehrern zu folgen?"

    Mir ging es bei der Frage nach der Sichtweise der buddhistischen Psychologie und auch bei der Frage nach dem notwendigen Prozess nicht um eine Doktrin, sondern um die Erfahrung also eher die praktische Anwendung. Den Text, den Du zitiert hast habe ich da tatsächlich auch nicht als eine Gegenübersetzung von In- und outgroup gelesen, als Buddhisten und Nicht-Buddhisten, sondern als eine Beschreibung von zwei Zeitpunkten einer Entwicklung.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  •  

    SteFo Das ist aber vom Ende her betrachtet, oder? Ich bin mit ziemlicher Sicherheit ein nicht unterrichteter Weltling. ^^ Die spannende Frage ist ja dann: Was muss der Weltling für einen Prozess durchleben, um zu der Erkenntnis zu kommen, in deren Besitz der wohlunterrichte edle Schüler ist?

    Er muss sich bemühen und zwingen, das zu sehen und zu leben, das jetzt da ist. Er muss üben, dass es nur das gibt, das jetzt da ist. Sei es materiell oder geistig.

    Es hilft sehr, die Unterscheidung zu üben zwischen: Weltlich und Überweltlich, damit klar wird, dass Überweltlich nur in dem Person, Menschen existiert. Überweltlich ist beispielsweise:: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.

    So kann der Mensch leben, mit den Überwelten in ihm und sich ganz auf das Weltliche konzentrieren.

    Mein Selbst ist nicht die Welt und die Welt nicht mein Selbst.

  • Deine Frage soll wohl bedeuten: "was muss passieren, dass ein nicht-buddhistischer Mensch sich entscheidet den achtfachen Pfad zu gehen und also den entsprechenden Lehrern zu folgen?"

    Mir ging es bei der Frage nach der Sichtweise der buddhistischen Psychologie und auch bei der Frage nach dem notwendigen Prozess nicht um eine Doktrin, sondern um die Erfahrung also eher die praktische Anwendung.

    Für mich gibt es da keinen Unterschied. Eine Doktrin kann nur verstanden werden, wenn man sie lebt, d.h. praktiziert. Sie wird gelebt/praktiziert, wenn das, was man davon sofort umsetzen kann, umgesetzt wird, und wenn das, was das Ziel der Doktrin ist auch ernsthaft angestrebt wird, weil daran geglaubt wird.


    Den Text, den Du zitiert hast habe ich da tatsächlich auch nicht als eine Gegenübersetzung von In- und outgroup gelesen, als Buddhisten und Nicht-Buddhisten, sondern als eine Beschreibung von zwei Zeitpunkten einer Entwicklung.

    "eine Beschreibung von zwei Zeitpunkten einer Entwicklung" ist ausgeschlossen, denn "ein nicht unterrichteter Weltling, der die Edlen nicht beachtet" kann nicht als ein Teil des Pfades verstanden werden. Der Pfad wird erst beschritten, wenn zum ersten Male "die Edlen ... beachtet" werden und dann wird der Pfad weiterhin verfolgt, wenn diese Beachtung erhalten bleibt.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Ich habe jetzt durch ein wenig lesen heraus gefunden, dass die Tonglen Praxis im tibetischen Buddhismus eingebettet ist in eine umfangreiche Geistesschulung. Weiß jemand von Euch vielleicht mehr dazu? Das würde mich sehr interessieren dazu mehr zu erfahren.

    Niemand mehr da, der hier besser drauf antworten kann als ich? :cry:

    Ich freue mich jeden Tag über die gute Anleitung und den Nutzen des ganzen für meinen Alltag. Bin aber auch erst seit vier Monaten dabei, mich ernsthaft mit Lojong/Lodjong auseinander zu setzen. Das sind kurze einprägsame Merksätze, die entweder das Verständnis vertiefen und das Herz öffnen sollen (in der Meditation und im Alltag) oder konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag.

    Auch hier möchte ich anmerken, dass es sehr kompetente Menschen gibt, die einem da mit Rat und Hilfe zur Seite stehen können. Manche der Merksätze kann man sehr falsch oder sehr destruktiv verstehen.

  • Gurkenhut


    Danke dir für deine Antwort. Ich bin kürzlich erst in einem Meditationskurs mit Tonglen in Berührung gekommen und es fühlte sich für mich hilfreich und stimmig an. Jetzt habe ich ein kleines Buch von Pema Chödrön dazu gelesen, in dem die Praxis gut erklärt wird. Aber das ganze Drumherum sind für mich noch böhmische Dörfer. Z.B. tauchen die Begriffe Lamrim und Lojong in dem Kontext immer wieder auf. Ich bin ja jemand, der den Dingen auf de Grund gehen und genau verstehen möchte. Das kann eine positive Eigenschaft sein - kann aber auch was von Kontrolle haben. Vielleicht ist es ja auch gar nicht nötig immer alles ganz genau zu verstehen und zu wissen, um in der Praxis weiter zu kommen. Im Zuge meiner Beschäftigung damit habe ich jedenfalls festgestellt, dass es im tibetischen Buddhismus eine Menge Gruppen gibt, die sich gegenseitig vorwerfen Sekten zu sein oder sektiererische Praktiken zu verfolgen. Das macht es nicht unbedingt einfacher da einen guten Einstieg in das Thema zu finden.


    Der Lehrer von Pema Chödrön, Chögyam Trungpa Rinpoche, scheint ja auch eine schillernde Persönlichkeit zu sein. ich habe mir die Dokumentation Crazy Wisdom über ihn angeschaut und fand das sehr spannend. Er ist ja aber anscheinend auch sehr umstritten, wenn ich das richtig verstanden habe.


    Und auf ein interessantes Buch von einer Schülerin von Pema Chödrön bin ich in dem Zusammenhang noch gestoßen. Linda B. Jones: Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung. Das habe ich mir heute bestellt. Hier der Klappentext:

    Zitat


    Traumata können uns zeitlebens gefangenhalten - es sei denn, wir finden einen Weg, uns Stück um Stück von ihnen zu befreien. Wie aber sät man die Saat unserer inneren Stärke, die es hierfür braucht? Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung bietet Antworten.


    "Meine Freundin und Schülerin Linda B. Jones hat ein Buch geschrieben, das ich sehr empfehlen kann. Hier geht es nicht um eine Licht-und-Liebe-Praxis für Leute, die schon alles auf die Reihe gebracht haben. Das Buch handelt von den haarigen, schwer zu verkraftenden Herausforderungen und Anfechtungen, mit denen wir es im wirklichen Leben zu tun haben." (Pema Chödrön)


    Sanft, mitfühlend und aufrichtig führt uns Linda B. Jones in ihrem Handbuch der Trauma-Bewältigung auf den Weg - mithilfe der jahrhundealten Lojong-Losungen und der Tonglen-Praxis. Traumata können sich auflösen, wenn wir der Kettenreaktion jenes Leidens auf die Spur kommen, welches daraus entsteht, daß wir immer und immer wieder unseren Abhängigkeiten nachgeben. Zuerst allerdings müssen wir zur Wurzel der Abhängigkeit vordringen. Über die Tonglen-Praxis und das Entwickeln von Mitgefühl mit sich selbst hinaus kann dieser Prozeß einiges an psychologischer Arbeit beinhalten. Doch zum Glück gibt es die kleinen, freundlichen Begleiter, die einem den Weg auf dieser langen Reise weisen. Ein solcher freundlicher Begleiter für schwere Zeiten ist zweifelsohne Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung, das in äußerst kompakter Form klare Orientierungen bietet - zeitgemäß und lösungsorientiert. Übersetzt von Stephan Schuhmacher.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte