Abgespaltene / verleugnete / verdrängte Gefühle

  • Gurkenhut


    Danke dir für deine Antwort. Ich bin kürzlich erst in einem Meditationskurs mit Tonglen in Berührung gekommen und es fühlte sich für mich hilfreich und stimmig an. Jetzt habe ich ein kleines Buch von Pema Chödrön dazu gelesen, in dem die Praxis gut erklärt wird. Aber das ganze Drumherum sind für mich noch böhmische Dörfer. Z.B. tauchen die Begriffe Lamrim und Lojong in dem Kontext immer wieder auf. Ich bin ja jemand, der den Dingen auf de Grund gehen und genau verstehen möchte. Das kann eine positive Eigenschaft sein - kann aber auch was von Kontrolle haben. Vielleicht ist es ja auch gar nicht nötig immer alles ganz genau zu verstehen und zu wissen, um in der Praxis weiter zu kommen.

    Ich glaube nicht, dass man die böhmischen Dörfer kennen muss um von Tonglen zu profitieren. Gerade wenn es dir erstmal nur um die Erarbeitung oder Durcharbeitung der Gefühle geht.

    Andererseits kann ich die Neugier auf die Grundlagen gut verstehen :)

    Im Zuge meiner Beschäftigung damit habe ich jedenfalls festgestellt, dass es im tibetischen Buddhismus eine Menge Gruppen gibt, die sich gegenseitig vorwerfen Sekten zu sein oder sektiererische Praktiken zu verfolgen. Das macht es nicht unbedingt einfacher da einen guten Einstieg in das Thema zu finden.

    Das stimmt. Gleichsam sind Streitsituationen für mich ein guter Ausgangspunkt zu schauen, ob ich von jemandem lernen will, weil mit Schönwetter gut umgehen können viele.

  • ... Bin aber auch erst seit vier Monaten dabei, mich ernsthaft mit Lojong/Lodjong auseinander zu setzen. Das sind kurze einprägsame Merksätze, die entweder das Verständnis vertiefen und das Herz öffnen sollen (in der Meditation und im Alltag) oder konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag.

    In der Psychotherapie spricht man da von kognitiver Verhaltenstherapie: das Denken bestimmter Gedanken ("Merksätze") zum Zwecke der konditionierten Gewöhnung daran, so zu denken, und zum Zwecke der entsprechenden Modifikation der nicht-begrifflichen Kognition.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • In der Psychotherapie spricht man da von kognitiver Verhaltenstherapie: das Denken bestimmter Gedanken ("Merksätze") zum Zwecke der konditionierten Gewöhnung daran, so zu denken, und zum Zwecke der entsprechenden Modifikation der nicht-begrifflichen Kognition.

    Ich persönlich reagiere ja auf die behaviouristische Psychologie allergisch (vielleicht auch eine Form der Konditionierung), insbesondere wenn alles auf Konditionierung reduziert wird. :shrug: Ich denke dann immer, da hängt doch so viel mehr dran.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • In der Psychotherapie spricht man da von kognitiver Verhaltenstherapie: das Denken bestimmter Gedanken ("Merksätze") zum Zwecke der konditionierten Gewöhnung daran, so zu denken, und zum Zwecke der entsprechenden Modifikation der nicht-begrifflichen Kognition.

    Kognitive Verhaltenstherapie geht meiner Erfahrung nach nur am Rande um Konditionierung sondern viel mehr um die Aufarbeitung von unbewussten Vorgängen um dann ganz bewusst einen gesunden Umgang damit zu finden. Mit einfachen "Merksätzen" ist das nicht getan und damit ist es eben auch genau keine stumpfsinnige Konditionierung. Sowas findet man eher bei Systemen wie "ABA" und co und das ist nicht ohne Grund höchstkritisch zu betrachten.

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  • Ich persönlich reagiere ja auf die behaviouristische Psychologie allergisch (vielleicht auch eine Form der Konditionierung), insbesondere wenn alles auf Konditionierung reduziert wird. :shrug: Ich denke dann immer, da hängt doch so viel mehr dran.

    Tipp: Bei YouTube finden sich dazu ein paar wirklich schöne Gespräche mit Krishnamurti.

    Er hat zb. diese behaviouristische, konditionierende Therapie mit einem Psychologen beprochen, über Ich und Mir.

    Auch für alle anderen natürlich, die sich temporär dafür interessieren.


    Grüße so am Rande

  • Aufarbeitung von unbewussten Vorgängen um dann ganz bewusst einen gesunden Umgang damit zu finden.

    von unbewussten Vorgängen...


    Das ist wohl auch der Punkt... wieso man schwarz zu weiss macht und weiss zu schwarz...

    Ich habe mich dazu auch mal gefragt, ob die Dinge nicht von sich aus, vom Unterbewusstsein an die Oberfläche kommen, früher oder später...

    Und ich denke da oft automatisch irgendwie an die Mitmenschen der Masse, die man aus einem scheinbarem Zufall heraus trifft. Nur was ist Zufall? Muss es nicht etwas geben, wo sich die Dinge sammeln, noch verborgen, oder noch in einer schmerzloseren Form verpackt?


    Vielleicht so nach dem Motto der Körper rennt vor, egal was auf ihn wartet... er holt sich dann auch nicht wenige Treffer ab... und naja er wird krank, weil er sonst nicht mit sich sprechen könnte, was an sich schon krank ist... aber was soll's - so oder so funktioniert es und davon kann ich mir immer wieder eine Scheibe abschneiden.

  • In der Psychotherapie spricht man da von kognitiver Verhaltenstherapie: das Denken bestimmter Gedanken ("Merksätze") zum Zwecke der konditionierten Gewöhnung daran, so zu denken, und zum Zwecke der entsprechenden Modifikation der nicht-begrifflichen Kognition.

    Ich persönlich reagiere ja auf die behaviouristische Psychologie allergisch (vielleicht auch eine Form der Konditionierung), insbesondere wenn alles auf Konditionierung reduziert wird. :shrug: Ich denke dann immer, da hängt doch so viel mehr dran.

    Dass "alles" auf Konditionierung beruht ist jedoch sehr kompatibel mit der buddhistischen Sichtweise des abhängigen Entstehens. Ein "mehr" wird im Buddhismus nicht benötigt.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Ich habe mich dazu auch mal gefragt, ob die Dinge nicht von sich aus, vom Unterbewusstsein an die Oberfläche kommen, früher oder später...

    In der Regel ist das ja wahrscheinlich auch eine vernünftige Haltung. Die Dinge werden dann bewusst, wenn es an der Zeit ist. Es kann ja aber auch sein, dass sich da im Unbewussten ein paar Sachen verknotet haben - aufgrund welcher Umstände auch immer - und das zu mehr Leiden führt und man mit zuwarten und geschehen lassen alleine nicht weiter kommt. Dann könnten unter Umständen auch aktivierende Interventionen hilfreich sein. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

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  • Dass "alles" auf Konditionierung beruht ist jedoch sehr kompatibel mit der buddhistischen Sichtweise des abhängigen Entstehens. Ein "mehr" wird im Buddhismus nicht benötigt.

    Da bin ich tatsächlich zu wenig im Thema drin, um dazu was sagen zu können.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Dass "alles" auf Konditionierung beruht ist jedoch sehr kompatibel mit der buddhistischen Sichtweise des abhängigen Entstehens. Ein "mehr" wird im Buddhismus nicht benötigt.

    Da bin ich tatsächlich zu wenig im Thema drin, um dazu was sagen zu können.

    Kein Problem.

    Als Nachtrag wie mein sehr knapper Hinweis an Gurkenhut zu versehen ist und auch als weiteres Indiz der Verwandtschaft von buddhistischen und psychotherapeutischen Methoden:


    Im Mittelpunkt der kognitiven Therapieverfahren stehen Kognitionen. Kognitionen umfassen Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen. Die kognitiven Therapieverfahren, zu denen die kognitive Therapie (KT) und die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) gehören, gehen davon aus, dass die Art und Weise, wie wir denken, bestimmt, wie wir uns fühlen und verhalten und wie wir körperlich reagieren. Schwerpunkte der Therapie sind

    • die Bewusstmachung von Kognitionen,
    • die Überprüfung von Kognitionen und Schlussfolgerungen auf ihre Angemessenheit,
    • die Korrektur von irrationalen Einstellungen und
    • der Transfer der korrigierten Einstellungen ins konkrete Verhalten.

    Die kognitive Therapie stellt somit die aktive Gestaltung des Wahrnehmungsprozesses in den Vordergrund, weil in letzter Instanz nicht die objektive Realität, sondern die subjektive Sicht des Betrachters über das Verhalten entscheidet. Ist die Kognition inadäquat (z. B. durch Wahrnehmungsselektion und -bewertung), ist auch die Möglichkeit beeinträchtigt, Affekt und Verhalten zu korrigieren. Vor allem spontanes und emotional getriebenes Verhalten sind sehr von der Art beeinflusst, wie ein Mensch sein Modell der Umwelt gedanklich strukturiert hat.

    "die Art und Weise, wie wir denken" ist also bestimmend. Dann ist Analyse erforderlich, um die Unangemessenheit unseres Denkens zu erkennen, wobei sich "Angemessenheit" auf die Zielsetzung bezieht: was soll erreicht werden? Und die Zielsetzung bei der kognitiven Verhaltenstherapie mag von der beim Lojong mehr oder weniger abweichen. Erstere hat weltliche Zielsetzungen, letztere hat spirituelle Zielsetzungen.

    Nun könnte man sagen, dass es doch ausreichend ist, wenn einfach die unangemessenen Gedanken abgestellt werden. Gut, aber wie, wenn dieses Denken schon stark konditioniert ist und sich also der Willenssteuerung entzogen hat und wie erkennt man diese Gedanken rechtzeitig, grade wenn sie entstehen, aber noch bevor sie Schaden anrichten? Es bedarf also der Achtsamkeit! Und es bedarf der Erinnerung, was man analysiert hat, zu welchen Schlussfolgerungen man gekommen ist und diese Erinnerung ist bereits angemessenes Denken bzw "Merksätze", die man präsent haben muss, um gegen die unangemessene Konditioniertheit vorgehen zu können. Am nachhaltigsten jedoch erscheint mir, nicht nur auf diese Art permanent achtsam zu sein, sondern Schritt für Schritt sich ganz von unangemessem Denken zu befreien dadurch, dass unangemessenes begriffliches Framing durch ein angemessenes ersetzt wird und das ist im Prinzip vergleichbar mit dem Geistestraining des Lojong.

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  • SteFo Danke dir für die Erklärung. Dadurch wurde mir viel deutlicher was du mit diesem Vergleich meinst.


    Als Nachtrag wie mein sehr knapper Hinweis an Gurkenhut zu versehen ist und auch als weiteres Indiz der Verwandtschaft von buddhistischen und psychotherapeutischen Methoden:

    Wenn wir von psychotherapeutischen Methoden sprechen, gibt es natürlich neben der Verhaltenstherapie eine ganze Reihe weiterer Methoden. Und die Verhaltenstherapie wurde auch weiter entwickelt und es gibt vielfach integrative Bemühungen, die versuchen verschiedene Methoden anlassbezogen einzusetzen. So hat die Verhaltenstherapie in der Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT) Achtsamkeit als Element integriert und so gewissermaßen auch profanisiert, also aus dem religiösen Kontext heraus gelöst.

    Dann gibt es natürlich den klassischen Schulenstreit in der Psychotherapie zwischen den verhaltenspsychologischen und psychodynamischen (tiefenpsychologischen) Ansätzen. Und von psychodynamischer Warte würde natürlich die Kritik kommen, dass es bei manchen Problemen nicht reicht nur an möglicherweise inadäquaten Gedanken zu arbeiten, sondern eine tiefgreifendere Arbeit an Beziehungsmustern und ein aneignendes Verstehen der eigenen biographischen Gewordenheit notwendig sein kann, um eine bestmögliche Heilung zu erreichen.

    Neben den Verfahren, die in Deutschland von der Krankenkasse zugelassen sind, gibt es noch etliche weitere wie z.B. Systemische Therapie, Gestalttherapie, Körperpsychotherapie, Hypnotherapie, Traumatherapie, Ego-State-Therapie, usw... .Ganz interessant ist vielleicht auch noch, dass sich bestimmte Richtungen wie die Logotherapie, initiatische Therapie oder die transpersonale Therapie auch mit spirituellen Fragen und Erfahrungen befassen.

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  • Mabli


    Ich finde besonders die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) interessant, welche mir näher am theravadischen Verständnis zu liegen scheint, weil es hierbei um die partielle Loslösung des Selbst von unangemessenen Gedanken geht, also nicht die Konstruktion einer angemesseneren Art zu denken im Vordergrund steht. Ich finde es interessant, dass die kognitive Verhaltenstherapie näher beim tibetischen Mahayana, ACT dagegen näher bei Theravada zu liegen scheint. Daneben hat ACT auch eine interessante philosophische Grundlage.

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  • Um das Thema hier mal wieder aufzugreifen. Ich bin kürzlich über einen Vortrag von Tsoknyi Rinpoche über gestoßen. Er spricht über eine Praxis des Umgangs mit schwierigen Gefühlen, die er beautiful monster nennt. Diese Praxis nennt er handshake praxis, weil es um eine Wiederherstellung des Kontakts zwischen dem kognitiven Geist und den Emotionen geht. Die Praxis ist eine Weiterentwicklung der traditionellen Praxis, die viel stärker auf die kognitive Erkenntnis ausgerichtet sei. Tsoknyi Rinpoche eklärt diese Weiterentwicklung damit, das die Welt komplexer geworden sei und auch die Welt des Gefühle komplexer geworden sei. In modernen Gesellschaften sei die Verbindungen von kognitivem Geist und der Welt der Gefühle dadurch sehr prekär geworden und man könne nicht mehr davon ausgehen, dass die Gefühle von einer kognitiven Erkenntnis ohne weiteres erreicht und mitgezogen werden.


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