Zen-Praxis und Qigong- verträgt sich das?

  • Hallo!


    Ich habe kürzlich an einem Zen-Einführungskurs teilgenommen und war erstaunt darüber (durchaus positiv), dass zwischen den Zazen-Einheiten incl. Kinhin (meist 2-3 x 25 min sitzen + 5 min Kinhin) telweise etwas Qigong-Übungen praktiziert wurden.


    Wie seht ihr Qigong in Kombination mit Zen-Praxis? Verträgt sich das eurer Meinung und Erfahrung nach gut miteinander oder sieht ihr bestimmte Punkte aus irgendwelchen Gründe skeptisch.

    Findet ihr, dass etwas Qigong (10-15 Minuten) unmittelbar vor dem Zazen ein guter bzw. kompatibler Zusatz ist, evtl. gar förderlich oder findet ihr das Timing aus bestimmten Gründen nicht ideal oder bedenklich?


    Mich würden einfach paar Erfahrungswerte und Meinungen zum Thema Qigong in Kombination mit Zen-Praxis interessieren, wobei Qigong eher als Supplement gedacht ist und die Zen-Praxis klar im Vordergrund steht.


    Viele Grüße

    Zrebna

  • Wie seht ihr Qigong in Kombination mit Zen-Praxis?


    Sehr positiv. Ich habe in meiner Abhandlung zur Richtigstellung der Sitzmeditation kurz über die Einbettung der Zen-Praxis in einen erweiterten Kontext - den 5 Dinge, die ins Lot zu bringen sind und Yangsheng - gesprochen. Ob dies unbedingt in einem Einführungskurs, oder auch einem Sesshin, so kombiniert werden sollte, vielleicht nicht, aber im eigenen Alltag auf jeden Fall. Außerdem gehe ich davon aus, dass Qigong nur ausgeführt wurde und nicht die dahinterliegende Theorie besprochen wurde, oder doch?

  • Wie seht ihr Qigong in Kombination mit Zen-Praxis?


    Sehr positiv. Ich habe in meiner Abhandlung zur Richtigstellung der Sitzmeditation kurz über die Einbettung der Zen-Praxis in einen erweiterten Kontext - den 5 Dinge, die ins Lot zu bringen sind und Yangsheng - gesprochen. Ob dies unbedingt in einem Einführungskurs, oder auch einem Sesshin, so kombiniert werden sollte, vielleicht nicht, aber im eigenen Alltag auf jeden Fall. Außerdem gehe ich davon aus, dass Qigong nur ausgeführt wurde und nicht die dahinterliegende Theorie besprochen wurde, oder doch?

    Genau, es wurde nur ausgeführt - quasi, um das Sitzen körperlich ggf. zu erleichtern - also eher als körperliche Übung - Theoretisches oder gar Informationen in Richtung Taoismus wurden nicht besprochen.


    Findest du etwas Qigong vor dem Zazen als eine Art Vorbereitung hilfreich?


    PS: Die Abhandlung scheint interessant - hab sie mir direkt mal auf mein Kindle geladen und freue mich schon aufs Lesen^^

  • Findest du etwas Qigong vor dem Zazen als eine Art Vorbereitung hilfreich?


    Ja, finde ich.


    Ich bin ein Freund langer und tiefer Meditation/Zazen. Wenn man 60 Minuten Zeit hat, aber am Anfang, weil noch ungewohnt, nur 20 Minuten sitzen kann, dann finde ich es hilfreich, wenn man vorher 40 Minuten Gehmeditation oder bewegte Achtsamkeit wie Qigong macht. Das ist dann häufig ein geschicktes Mittel, um aus dem Alltäglichen herauszukommen und das Zazen als Sitzmeditation vorzubereiten. Außerdem ist es allein für sich gut für den Körper. Und Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig.

  • Himmelsbaum


    in deinem Text zu der Sitzmeditation scheibst du auch über den Atem. Das ist ein Punkt an dem ich öfter Schwierigkeiten habe.

    Zitat

    Um während der Chan-Übungen natürlich atmen zu können, mag es notwendig sein außerhalb von Chan, ein Atemtraining durchzuführen. Außerhalb von Chan wird der Atem reguliert durch ein aktives Tun, um dann während der Sitzmeditation den Atem durch nicht Eingreifen zu regulieren. Allgemein gilt: ein natürlicher Atem ist die Vollatmung.

    Ich habe oft Schwierigkeiten den Atem während des Sitzens nicht zu regulieren, wahrscheinlich weil ich eine Vorstellung von einer idealen Atembewegung im Kopf habe, die in einem Atemzug von der Bauchatmung in eine Brustatmung übergeht. Vor allem mit der Brustatmung habe ich dabei aber Probleme, da ich da körperliche Blockaden und Enge spüre - so ein bißchen wie ein Korsett fühlt sich das an. Daher fand ich es sehr spannend, dass du hier Atemübungen erwähnst, die helfen können zur Vollatmung zu kommen. Hast du da spezielle Übungen im Sinn gehabt? Oder kannst du etwas empfehlen, was hilfreich sein könnte?


    Zrebna Sorry, falls es off topic ist.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte


  • Danke für den Post, mir geht es ähnlich wie dir.

    Erstmal, mir wurde in einem Zen-Einführungskurs eher die Bauchatmung gelehrt/gezeigt - du ( Himmelsbaum) sprichst aber von der Vollatmung, die glaube ich sowohl die Bauchatmung als auch die Brustatmung beinhaltet?

    Ich dachte bis dato, dass die Zen-Atmung immer die Bauchatmung darstellt und man seine beobachtende Aufmerksamkeit im Unterbauch-Bereich (hara) halten soll - siehe z.B. hier:

    Atmung - Zen-Meditation
    Der Atmung wird in allen spirituellen Wegen große Beachtung geschenkt. Sie ist ein Bindeglied zwischen Körper und Geist. Über unsere Atmung können wir sowohl…
    www.zenmeditation.de


    Ansonsten habe ich dasselbe Problem, dass meine Atmung oft erzwungen und gefühlt beengter wird, sobald ich mich auf sie konzentriere bzw. sie in mein Bewusstsein während der Zen-Mediation gelangt.


    Evtl. könnten die Tipps hier langfristig Abhilfe schaffen:


    Könntest du evtl. einmal erläutern, wie denn die korrekte Zen-Atmung aussieht?



    Lg

    Zrebna

  • Nun - es gibt keine "korrekte Zenatmung" - allenfalls in dem Sinn, dass man sie geschehen lässt, wie sie geschieht. Lediglich zu Beginn des Sitzens sollte man den Atem regulieren.

    Zitat

    Wenn du erst deine Körperhaltung eingerichtet hast, solltest du deinen Atem regulieren.

    Dōgen, Fukan Zazen Gi

    Eine etwas eingehendere Beschreibung dieses "regulierens":

    Zitat

    Benutze diese Methode, um den Atem zu harmonisieren: öffne für eine Weile deinen Mund, und wenn ein langer Atemzug kommt, atme lang; wenn ein kurzer Atemzug kommt, atme kurz. Harmonisiere allmählich deinen Atem und folge ihm auf natürliche Weise. Wenn die Zeitabstände leicht und natürlich werden, verlagere dein Atmen still zur Nase.

    Keizan, Zazen Yojinki

    Das Problem insbesondere bei Neulingen ist häufig das 'Einrichten der Körperhaltung', bedingt vor allem durch im Laufe der Zeit erworbene Haltungsfehler - beispielsweise Rundrücken, der allerdings auch angeboren sein kann. Ich selbst habe wegen einer angeborenen (zum Glück nur leichten) Skoliose da mit ungünstigen Bedingungen zu arbeiten.


    Die in den Beiträgen oben beschriebene 'Enge' im Brustraum ist für Haltungsfehler ein typisches Symptom. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, es hat bei mir ein paar Sesshin gedauert, bis ich erstmals die Erfahrung einer 'Öffnung' des Brustraums machen konnte. Es hat sich tatsächlich angefühlt, als hätte ich ein eisernes Band um meine Brust gesprengt, eine recht spektakuläre Sache. Ein Yogin würde vielleicht von der 'Öffnung des Herzchakra' (anahata) sprechen. Im Qigong ist das Shan Zhong oder der 'mittlere Zinnoberfeld' (Zhong Dantian). Etwas Geduld und Beharrlichkeit muss man also (jedenfalls nach meiner Erfahrung) aufbringen, wobei das Ausmaß sicher individuell recht unterschiedlich ist, entsprechend den jeweiligen Ausgangsbedingungen.


    Was eine große Hilfe ist, ist die Ergänzung (nicht Vermischung!) der Zenübung mit einer Form der Körperarbeit; wobei sich insbesondere Hatha-Yoga und Qigong bewährt haben. Yoga konnte ich durch meine Lehrerin kennenlernen (die auch zertifizierte Yogalehrerin ist), auf deren Sesshin nach dem Samu am Vormittag eine Einheit Yoga zum Tagesablauf gehört. Persönlich bevorzuge ich Qigong, wobei ich das Glück hatte, vor fast 40 Jahren einen großartigen Lehrer zu finden. Von dem ich mich zwar nach einigen Jahren wegen persönlicher Unstimmigkeiten trennte, dem ich aber bis heute dankbar bin für das, was er mir gezeigt hat.


    Ich habe im Laufe der Jahre meinen eigenen (auf meine persönlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmten) Stil entwickelt; ziemlich eklektisch mit Elementen aus dem Baduan Jin ('acht Brokate'), dem Dayan Qigong ('Wildgans-Qigong'), therapeutischem Qigong und dem 'martial' Qigong meines ersten Lehrers (der eigentlich Taijiquan und Gongfuquan lehrte). Als besonders nützlich für das Zazen empfinde ich speziell die Übung des 'Kleinen himmlischen Kreislaufs' (Xia Zhoutian); eine einigermaßen brauchbare Beschreibung beispielsweise hier.


    Das ist dann auch meine Methode der "Harmonisierung" bzw. "Regulierung" des Atems - wobei damit gleichzeitig auch insbesondere der Oberkörper auf- und ausgerichtet wird. Also Ausrichtung der Wirbelsäule, der Punkt Baihui (kleine Fontanelle bei Kleinkindern) senkrecht über Huiyin (Mitte des Perineums), wobei automatisch das das Becken gekippt wird (um das Iliosakralgelenk, also nicht durch Beugung der unteren Wirbelsäule) und das Kinn 'eingezogen' wird. Bei der Ausatmung sinken automatisch die Schultern und die Schulterblätter richten sich nach hinten und unten aus, was dem Brustkorb Weite gibt und langes, schmerzfreies (zumindest im Rücken) Sitzen ermöglicht.


    Nochmals zur Verdeutlichung: das übt man nicht während des Zazen, sondern getrennt davon. Die Regulierung von Haltung und Atmung zu Beginn des Zazen ist dann (wenn man einigermaßen geübt ist) nur eine Sache von drei, vier Atemzügen - dann lässt man das los.

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  • Ich dachte bis dato, dass die Zen-Atmung immer die Bauchatmung darstellt und man seine beobachtende Aufmerksamkeit im Unterbauch-Bereich (hara) halten soll

    Gutgemeinter Rat: vergiss das. Aufmerksamkeitsfokus im Unterbauch ist allenfalls bei Aufgeregtheit und Unruhe sinnvoll. Ansonsten tendiert das dazu, schläfrig zu machen. Umgekehrt kann man Dumpfheit / Schläfrigkeit entgegen wirken, wenn der Fokus auf der Nasenspitze oder in den Nasenlöchern sitzt. Am besten ist es freilich, überhaupt keinen Fokus zu setzen, sondern diesen im Gegenteil zu weiten, bis er den ganzen Herz-Geist umfasst und verschwindet.

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  • Könntest du evtl. einmal erläutern, wie denn die korrekte Zen-Atmung aussieht?


    Für eine gute Atmung geht man am besten zum Mediziner, nicht zum Zen. Eigentlich sollte Qigong hier schon helfen, den Brustkorb zu erweitern, was die Atmung bereits flexibler macht. Ebenso sehe ich es wie Sudhana: "es gibt keine "korrekte Zenatmung"", der hat viel Gutes bereits dazu geschrieben.


    Hat man während des Zazen Probleme, nicht in den Atem einzugreifen, dann ist dies für den Anfang eine gute Möglichkeit zum Üben von Loslassen. Man fängt in der Regel nicht an 'Ich, mein, mich' loszulassen, sondern eben die kleinen Dinge wie hier den Atmen, einfach geschehen zu lassen.

  • Es gibt eine (seltsame) Richtung in Korea (und auch in Deutschland inzwischen), den Won-Buddhismus, die auch Qi Gong in ihre Praxis eingebunden haben. (Aber man findet auch einige Zen-Schulen, wo beides angeboten wird (oder Tai Chi als auch Zen). Zudem soll es eine Übungsabfolge geben, die auf Bodhidharma zurückgehen soll. Auch gibt es nicht nur daoistisches, sondern auch buddhistisches Qi Gong (mal von Falun Gong abgesehen), z.B. das stille Qi Gong oder Chan Mi Gong. Und es gibt im Zen auch Berichte, dass sich einige Meister mit Qi Gong-artigen daoistischen Übungen von der Zenkrankheit (so ner Art spirituelles Burnout?) haben heilen lassen.
    In der tibetischen Tradition gibt es auch Qi gong-artige Übungen, z.B. Kum Nye und Yantra Yoga.
    Ich denke, dass Bewegungsübungen auch einigen Schwierigkeiten beim Zen wie Hämorrhoiden oder Meniskusproblemen vorbeugen können.
    Zudem gehört heutzutage zum Tai Chi und Qi Gong oft eine Art Stehmeditation (ähnliches gibt es wohl auch im koreanischen Zen), nach denen ich auch besser gesessen habe. Zudem hab ich die Erfahrung gemacht, dass Vertiefungserfahrungen leichter beim Tai Chi als beim Sitzen eintreten, auch daher vielleicht nicht schlecht. Insgesamt denke ich, dass es sich gegenseitig befruchten kann.

    "Von der Waschschüssel der Geburt

    bis zur Waschschüssel des Bestatters -

    nur Geschwafel"

    Ikkyû Sôjun

  • Ansonsten habe ich dasselbe Problem, dass meine Atmung oft erzwungen und gefühlt beengter wird, sobald ich mich auf sie konzentriere bzw. sie in mein Bewusstsein während der Zen-Mediation gelangt.

    Ich habe für mich jetzt auch eine ganz profane Möglichkeit entdeckt. Die Gymnastiklehrerin Gabi Fastner hat bei Youtube einige Videos zu Atemgymnastik, in denen sie Übungen zeigt, um die Muskulatur zwischen den Rippen aufzudehnen und die Atemräume zu erweitern.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ich dachte bis dato, dass die Zen-Atmung immer die Bauchatmung darstellt und man seine beobachtende Aufmerksamkeit im Unterbauch-Bereich (hara) halten soll

    Gutgemeinter Rat: vergiss das. Aufmerksamkeitsfokus im Unterbauch ist allenfalls bei Aufgeregtheit und Unruhe sinnvoll. Ansonsten tendiert das dazu, schläfrig zu machen. Umgekehrt kann man Dumpfheit / Schläfrigkeit entgegen wirken, wenn der Fokus auf der Nasenspitze oder in den Nasenlöchern sitzt. Am besten ist es freilich, überhaupt keinen Fokus zu setzen, sondern diesen im Gegenteil zu weiten, bis er den ganzen Herz-Geist umfasst und verschwindet.

    Punktuell dient aber die Nasenspitze meines Wissens nach als "Atemobjekt" eher im Theravada-Bereich (Samatha)?
    Bzgl. Zen habe ich tatsächlich immer nur den unteren Bauchbereich gelesen, sofern man mal punktuell (z.B. bei Unruhe) ein temporäres Objekt nutzen will und von der gegenstandslosen Praxis abweicht...

  • Punktuell dient aber die Nasenspitze meines Wissens nach als "Atemobjekt" eher im Theravada-Bereich (Samatha)?
    Bzgl. Zen habe ich tatsächlich immer nur den unteren Bauchbereich gelesen, sofern man mal punktuell (z.B. bei Unruhe) ein temporäres Objekt nutzen will und von der gegenstandslosen Praxis abweicht...

    "Unterer Bauchbereich" meint den unteren Dantian oder Qihai - bei Mattigkeit / Schläfrigkeit empfiehlt sich als Gegenpol der obere Dantian bzw. sein 'Zugangspunkt' Yintang zwischen Augenbrauen. Der entsprechende 'Zugangspunkt' für den unteren Dantian ist Shenjue - etwas unterhalb des Nabels; der Punkt, der von der Öffnung der Hände im Hokkaijoin (dem 'kosmischen Mudra') umrahmt und so 'geöffnet' wird. Man liest / hört manchmal auch 'den Atem in den Handflächen ruhen lassen'.


    Die Empfehlung, auf Nasenspitze bzw. Nasenöffnung kommt in der Tat aus dem ānāpānasmṛti (Pali ānāpānasati), da hast Du recht. Also der Atemachtsamkeit, nach wie vor beliebt im Theravada. Ich persönlich halte das für effektiver, weil leichter zu fokussieren.

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  • Danke fürs Antworten und auch für den größeren Post oben, den ich mir gerade durchgelesen habe (war gestern zeitlich kurz angebunden und habe mir diesen Post daher für heute aufgehoben ^^) - da steckt eine Menge Information und viel Hilfreiches drin - vielen Dank :)

  • Wenn's recht ist, dann hätte ich noch 2 weitere Fragen:


    1. Erfolgt die Atmung bei Qigong über die Nase oder über den Mund? Oder evtl. eine Kombination, wie z.B. Einatmung über die Nase und Ausatmung über den Mund?


    2. Zazen bezeichnet ja eigentlich die gegenstandslose, d.h. nicht objektbezogene Meditation (Shikantaza). Bei meinem Zen-Einführungskurs wurde jedoch Anfängern empfohlen, erstmal mit einem Objekt zu üben, um allgemeine Konzentrationsfähigkeiten weiterzuentwickeln, weil die Konzentration für gegenstandslose Mediation (das eigentliche Zazen) einfach noch nicht ausreicht. Dies kann ich ehrlicherweise so bestätigen, weil ohne Objekt (wie z.B. Atem zählen oder Atem(empfindungen) beobachten) ich mich schnell in Unachtsamkeit, d.h. z.B. in Gedanken verliere.

    Wie würdet ihr einem Anfänger vorschlagen, Zen innerhalb einer formalen Sitzpraxis zu üben?

    Was soll ein Anfänger mit seinem Bewusstsein machen? Wohin soll seine Aufmerksamkeit und sein Bewusstsein gelenkt werden und während der Sitzpraxis ruhen? Was ist während der Praxis der "Ankerpunkt" bzgl. der Aufmerksamkeit eines Neulings?

  • Sorry, hat etwas gedauert. Das Covid-Monster hat mir aufgelauert und mich erwischt ;).

    1. Erfolgt die Atmung bei Qigong über die Nase oder über den Mund? Oder evtl. eine Kombination, wie z.B. Einatmung über die Nase und Ausatmung über den Mund?

    Ganz so, wie es angebracht, also 'natürlich' ist. Bei stillem Qigong atme ich wie beim Zazen, Mund mit leicht aufeinandergelegten Lippen, ohne Zähne zusammenzubeißen - Atmung also durch die Nase. 'Leitpunkt' ist da allerdings nicht die Nase, sondern der Endpunkt des Dumai-Meridians (Du-28) - Mitte der Oberlippe, Innenseite. Da beginnt der Übergang vom Dumai- zum Renmai-Meridian, der wiederum Mitte der Unterlippe endet (Re-24). Die 'Brücke' für den Fluss des Qi ist die Zunge, die 'aufgestellt' wird und mit der Unterseite der Zungenspitze Kontakt zum vorderen Gaumen hält - also am Oberkiefer gegenüber von Du-28. Das ist der 'theoretische' (oder 'esoterische') Hintergrund für die Empfehlung dieser Zungenhaltung beim Zazen.

    Zitat

    Drücke deine Zunge gegen den vorderen Gaumen und schliesse deine Lippen und Zähne.

    (Dōgen, Fukan Zazen Gi)

    Beim Qigong in Bewegung hängt es von der jeweiligen Übung ab, wie ein- und ausgeatmet wird. Grundsätzlich sind da alle Kombinationen möglich. Bei den 'energetischeren' Übungen wird oft Einatmung durch die Nase mit Ausatmung durch den Mund verbunden, das baut eine Art 'Druck' auf. Ist natürlich alles esoterischer Hokuspokus, aber so lässt es sich vielleicht am verständlichsten beschreiben. Natürlich wird bei der 'Arbeit' mit dem Qi auch viel mit Vorstellungen bis hin zur Visualisierung gearbeitet. Das wiederum hat im Zazen absolut nichts verloren, davor hatte Himmelsbaum zu recht gewarnt. Selbst bei den paar Atemzügen zur Ein- und Ausrichtung von Sitzen und Atmen sollte man das auf das Notwendigste beschränken.


    Nach einer Weile des Übens braucht man übrigens solche Vorstellungen auch beim Qigong nicht mehr - der Körper ist dann hinreichend konditioniert; er hat die 'Form' der jeweiligen Übung gelernt.

    2. Zazen bezeichnet ja eigentlich die gegenstandslose, d.h. nicht objektbezogene Meditation (Shikantaza). Bei meinem Zen-Einführungskurs wurde jedoch Anfängern empfohlen, erstmal mit einem Objekt zu üben, um allgemeine Konzentrationsfähigkeiten weiterzuentwickeln, weil die Konzentration für gegenstandslose Mediation (das eigentliche Zazen) einfach noch nicht ausreicht. Dies kann ich ehrlicherweise so bestätigen, weil ohne Objekt (wie z.B. Atem zählen oder Atem(empfindungen) beobachten) ich mich schnell in Unachtsamkeit, d.h. z.B. in Gedanken verliere.

    Wie würdet ihr einem Anfänger vorschlagen, Zen innerhalb einer formalen Sitzpraxis zu üben?

    Okay, die wussten, wovon sie reden. In der Tat geht es bis auf wenige Ausnahmen jedem, der mit der Zazenübung beginnt, so wie Dir: die 'Objektfreiheit' wird erst einmal zurückgestellt, um 'jōriki' (定力) zu entwickeln. Das ist im wesentlichen Konzentrationskraft - der Übende ist auf ein Objekt konzentriert und bemüht sich, sich nicht davon ablenken zu lassen. Ist schwieriger, als es sich anhört. Ist aber eine wichtige Grundlage.


    Nicht ablenken lassen heisst, nichts anderes zu ergreifen - ergreifen mit Gedanken, die sich fortsetzen und in denen man versinkt. Das lernt sich leichter mit einem einzigen Objekt, an dem man sich 'festhalten' kann, als ganz ohne Objekt (wie beim shikantaza) oder mit einem Nicht-Objekt (etwa einem kōan).


    Das 'Objekt', mit dem man dieses jōriki, dieses Beharrungsvermögen, trainiert ist in aller Regel der eigene Atem. Ich persönlich halte da die 'klassische' Achtsamkeit auf den Atem für sinnvoll, wie sie etwa in MN.118.17-21 beschrieben wird. Wobei das im Kontext 'Zen' ja nur eine vorbereitende Übung ist; in aller Regel sollte da der Stand von Vers 18 schon ausreichen. Wenn das einigermaßen stabil ist, kann man dann den Fokus auf das Objekt 'Atem' lösen und versuchen, ohne Fokus einfach nur zu sitzen. Wobei man dabei erst einmal wieder recht ähnliche Probleme haben wird wie bei der Atemübung am Anfang - aufsteigende Gedanken, die sich verselbständigen. Der Umgang damit ist jeweils der gleiche: den Gedanken bemerken (der oft nur das letzte Glied einer bislang unbemerkt gebliebenen Kette ist), ihn los und ziehen lassen wie eine Wolke am Himmel - keine Wolkenschlösser bauen. Mit Übung tauchen immer weniger Gedanken auf, die Ketten werden kürzer. Das trainiert man erst einmal mit Objekt (Atem z.B.), dann ohne.


    Oft wird empfohlen, die Atemzüge zu zählen - von 1 bis 10 und dann wieder von vorne. Hat den kleinen Vorteil, dass es ein sehr deutliche Zeichen dafür ist, dass man den Fokus verloren hat, wenn man plötzlich nicht mehr weiss, beim wievielten Atemzug man gerade ist (man fängt dann einfach wieder bei 1 an). Ich persönlich halte vom Zählen nicht viel (wie schon meine Lehrerin). Wie ich im Selbstversuch feststellen konnte, kann man mit einiger Übung Multitasking machen - korrekt zählen und gleichzeitig dabei die Gedanken schweifen lassen. Spätestens, wenn man das bei sich feststellt, ist es höchste Zeit, auf das Zählen zu verzichten - da wird's kontraproduktiv.

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  • Erstmal auch sorry von mir, dass ich mich erst jetzt melde (ich bin unter der Woche privat einfach wenig online/digital - quasi als Ausgleich, da ich bereits als Softwareentwickler logischerweise arbeitstechnisch viel digital "unterwegs" bin) ...

    Dann direkt von mir gute Besserung bzgl. der Coivid-Infektion - hoffe, dass diese im Idealfall bereits überstanden ist und der Verlauf relativ milde gewesen ist.


    Nun aber vielen Dank für deinen extrem hilfreichen Post - der hat mir wirklich sehr geholfen und bei mir Vieles beantwortet.


    Auf das zitierte unten beziehe ich mich noch vereinzelt im Folgendem:


    Erstmal zum letzten Absatz bzgl. Atem-Zählen.

    Genau dieses Phänomen, dass du beschreibst, kann ich bei mir auch beantworten.

    Ich verliere mich in Gedanken und bin nicht mehr konzentriert, aber zähle trotzdem irgendwie meist "richtig" mit. Ansonsten fühlt sich das Atem-Zählen manchmal auch sehr gezwungen an und kann meine Atmung (evtl. aufgrund mentalem Subvokalisieren der Zahlen) stören und verpannen...


    Mittlerweile zähle ich daher den Atem (wenn überhaupt) nur noch zu Beginn und gehe dann zum Atem-Beobachten über. D.h. meine temporäre Zen-Konzentrationsübung, die mich langfristig zur gegenstandslosen Praxi führen soll, ist quasi hauptsächlich den Atem zu beobachten.

    Hierzu noch eine Frage bzgl. der verlinkten Passage 'MN 118.17-21:

    19-21 sind ja fast schon analytisch und konzeptuell incl. mentalen Bildern/Affirmationen.

    Das wäre mir ehrlich gesagt zu weit weg vom Gedanken des Zen, wie ich ihn bis dato als Laie interpretiere (Dinge sehen, wie sie sind ohne z.B. etwas "im Moment Unwirkliches" zu erzeugen).

    Ich würde mich daher eher auf den Vers 18 beschränken.


    Wenn du von Atem Beobachten sprichst, wie würdest du mir empfehlen hier vorzugehen.

    Z.b. im Theravada wird ja oft mit einspitziger Konzentration geübt, bei dem der Übende z.B. nicht wirklich den Atem beobachtet, sondern sich auf die körperlichen Empfindungen, die mit dem Atmen einhergehen konzentriert - meistens um den Bereich der Nasenlöcher herum.

    Wollen wir im Zen auch so üben, falls wir den Atem als Übung beobachten wollen?

    Oder wollen wir den Atemprozess als Ganzes in seiner Breite beobachten, als z.B:

    - Alle körperlichen Empfindungen, die mit dem Atmen zu tun haben, und zwar überall im Körper.

    - Atempausen.

    - Allgemeine Eigenschaften des Atmens, wie z.B. Länge, Intensität und Beschaffenheit (flach, tief, verspannt, entspannt,...) der Ein-/Ausatmung

    - Ggf. Gedanken/Gefühle beobachten/erkennen und gehen lassen/loslassen, wenn sie denn aufkommen.

    - Die ein-und ausströmende Luft selber fühlen.

    <- Das (und ggf. gibt es noch mehr, was zu beobachten wäre) alles zusammen - gleichzeitig oder nicht gleichzeitig ("wie es gerade kommt")


    Mir ist einfach nicht ganz klar, was im Zen-Kontext als temporäre "Konzentrationsübung" mit Atem-Beobachten im Detail genau gemeint ist oder empfohlen ist.


    In der Literatur gibt es hierzu unterschiedliche Anleitungen...


    Wie würdest du mir empfehlen, konkret zu üben?


    Viele Grüße

    Zrebna :)

    Einmal editiert, zuletzt von Zrebna ()

  • Zunächst noch einmal zu der Geschichte mit dem Zählen. Das ist eine konzeptuelle 'Zwischenschicht' zwischen achtsam beobachtendem Subjekt und beobachtetem Objekt - dem Atem. Diese konzeptuelle Zwischenschicht baut auf Unterscheidungen auf: Atem / Nicht-Atem, Aus- und Ein-Atem - beides zusammen eine Nummer mit Nachfolger und Vorgänger, wenn wir dann noch anfangen zu zählen ... Das Problem ist offensichtlich: die Achtsamkeit ist geneigt, sich auf das Konzept, die 'Zwischenschicht' zu richten und darüber das eigentliche Objekt - den Atem - zu vergessen.


    'Achtsamkeit auf den Atem' ist nach meinem Verständnis nicht nur eine Übung im Loslassen von Konzepten (geht also in Richtung hishiryō), es ist gleichzeitig eine Übung in Konzentration auf das, was in Vers 18 der "Atemkörper" genannt wird. Wenn dieser materiell körperlose Atemkörper durch Übung längere Zeit aufrecht erhalten werden kann, kann man beginnen, ihn als letztes Objekt loszulassen. Es zu vergessen.


    Die Eintrittsschwelle, wenn ich das mal so nennen darf, über die man beim Zen hinweg muss, ist Hingabebereitschaft für und Ausdauer bei der Übung. Aus dem obigen ist sicher deutlich geworden, dass auch die Achtsamkeit auf den Atem auf eine Aufhebung von Subjekt und Objekt der Beobachtung gerichtet ist. Das ekāgratā (der 'einspitzige Geist', ikkyō shō 一境性) ist keine Theravada-Spezialität ...


    Dass man als Übende/r da mit 'Tricks' arbeitet, also mit hilfreichen Werkzeugen, dagegen ist nichts einzuwenden. Das Konzept des Atemzählens kann eine Weile eine nützliche Krücke sein - aber die muss man unweigerlich loslassen. Als Übender sollte man darauf achten, über den Werkzeugen deren Zweck nicht zu vergessen. Und darauf, welche Werkzeuge einem weiterhelfen und welche nicht (mehr).


    Wie in einem früheren posting schon geschrieben, halte ich bestimmte Formen der Körperarbeit, die einen 'energetischen' Ansatz mit einbeziehen, für potentiell hilfreiche Werkzeuge, um 'Blockaden' beim Sitzen aufzuheben. Die Konzentration der Objektwahrnehmung auf bestimmte somatische Regionen ist ein guter 'Ankerpunkt', um die Konzentration aufrecht zu erhalten - da ist es hilfreich, wenn die Wahrnehmung dieser Regionen gezielt geschult wird; etwa durch Yoga oder Qigong.


    Vielleicht mal zum Ausprobieren eine "somatische" Alternative zum Zählen: lass den Fokus Deiner Achtsamkeit auf den Atem bei jedem Atemzug von einer Fingerspitze zu benachbarten übergehen und so im hokkai jōin kreisen. Auch das ist eine 'Zwischenschicht' - aber, wie ich finde, eine, die 'näher' am Atemobjekt ist - und 'transparenter' dafür.

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  • Vielen Dank auch für diesen Post und die Tipps :)

    Körperliche Übungen helfen mir auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit zu steiger.

    Üben mittlerweile immer als Vorbereitung von meiner Zen-Praxis etwas achtsames Dehnen und paar Qigong-Formen und das hilft auf jeden Fall.

    Sogar im Rahmen meines Krafttrainings (Hobby zum Ausgleich) versuche ich mich mehr auf körperliche Empfindungen in den angesprochenen Bereichen zu konzentrieren, was nicht nur das Training selber "verbessert", sondern die Erfahrung an sich - komme so wirklich beim Sport gut runter.


    2 Fragen hätte ich noch:


    1. Was ist denn mit Atemkörper konkret gemeint?


    2. Nach der Sitz-Praxis, hänge ich immer 5 Minuten langsames Kinhin (Soto-Style) an.

    Wie würdest du einem Anfänger empfehlen hier zu üben, und zras bzgl. der Aufmerksamkeit?

    Einfach so, wie beim Sitzen? Ein-Ausatmung mit Schritten synchronisieren?

    Ggf. auch körperliche Empfindungen, die mit dem Gehen zusammenhängen (Beine, Fußsohlen,
    etc.) achtsam und bewusst wahrnehmen?


    3. Nochmal zu diesem Punkt aus dem vorherigem Posting:

    Wenn du von Atem Beobachten sprichst, wie würdest du mir empfehlen hier vorzugehen.

    Z.b.

    1.

    im Theravada wird ja oft mit einspitziger Konzentration geübt, bei dem der Übende z.B. nicht wirklich den Atem beobachtet, sondern sich auf die körperlichen Empfindungen, die mit dem Atmen einhergehen konzentriert - meistens um den Bereich der Nasenlöcher herum.

    Wollen wir im Zen auch so üben, falls wir den Atem als Übung beobachten wollen?

    Oder


    2.

    wollen wir den Atemprozess als Ganzes in seiner Breite beobachten, als z.B:

    - Alle körperlichen Empfindungen, die mit dem Atmen zu tun haben, und zwar überall im Körper.

    - Atempausen.

    - Allgemeine Eigenschaften des Atmens, wie z.B. Länge, Intensität und Beschaffenheit (flach, tief, verspannt, entspannt,...) der Ein-/Ausatmung

    - Ggf. Gedanken/Gefühle beobachten/erkennen und gehen lassen/loslassen, wenn sie denn aufkommen.

    - Die ein-und ausströmende Luft selber fühlen.

    <- Das (und ggf. gibt es noch mehr, was zu beobachten wäre) alles zusammen - gleichzeitig oder nicht gleichzeitig ("wie es gerade kommt")


    Ansonsten noch eine Bemerkung bzgl. Achtsamkeit des Atems und den bekannten Passagen aus dem Pali-Kanon -> MN 118.17-21:


    Vermutlich muss es auch Passagen geben, die ich nicht kenne, in denen einspitzige Konzentration als Übung beschrieben wird, ansonsten könnte ich mir nicht erklären wie es zu den Anleitungen, bei denen Samatha-Praxis beschrieben wird gekommen ist.

    "Konszentrations-Meditationsformen", bei denen tiefe Versenkungen erreicht werden sollen, wurde ja teils auch im alten Indien zu Zeiten des historischen Buddhas von spirituell Suchenden praktiziert - Buddha hat aber doch genau diese Praktiken irgendwann mal bewusst verlassen und hat salopp gesagt sein eigenes Ding gemacht.


    Rein intuitiv und 100% geraten scheint mir da der Ansatz im Zen (Shikantaza) näher an den Lehren Buddha's zu sein, als Jhana-Praktiken.

    Mir ist klar, dass ich hier aus Ignoranz heraus spekuliere und rumrate, weil mir zu wenig bekannt ist bzw. ich noch zu wenig weiß als auch selber erfahren habe - wollte es nur mal anmerken, weil ich mir das schon öfter gedacht habe...


    Viele Grüße

    Zrebna :)

  • Sogar im Rahmen meines Krafttrainings (Hobby zum Ausgleich) versuche ich mich mehr auf körperliche Empfindungen in den angesprochenen Bereichen zu konzentrieren, was nicht nur das Training selber "verbessert", sondern die Erfahrung an sich - komme so wirklich beim Sport gut runter.

    Das ist der Punkt, wo auch die traditionellen 'inneren' Kampfkünste (mein Lehrer bestand auf der Bezeichnung '... künste') ansetzten; am bekanntesten das Taijiquan. Ich konnte da auch Waffenformen lernen - Schwert, Lanze, Fächer (letzteres habe ich nie gut auf die Reihe gekriegt). Heute kämpfe ich nur noch mit dem Teegeschirr ... Ich kam eigentlich vom Kraft- und Ausdauertraining an Geräten zum Taijiquan, als in 'meinem' Studio da ein Schnupperkurs angeboten wurde. Zu der Zeit hatte ich auch angefangen, Zazen zu üben - also regelmäßig meine Zeit 'abzusitzen'. Bis ich mich auf mein erstes Sesshin traute, sollte es noch etwas dauern ... Langer Rede kurzer Sinn - eine positive Wechselwirkung mit Krafttraining kann ich mir sehr gut vorstellen.

    1. Was ist denn mit Atemkörper konkret gemeint?

    Es ist eine Wahrnehmungsebene des Atems jenseits körperlicher Bedingungen. Der Atem 'verschmilzt' mit dem materiellen Körper und löst diesen in sich auf - es verbleibt (wenn die konzentrierte Achtsamkeit nicht abreisst) die Wahrnehmung des Atems als immaterieller 'Körper'. Die "Gestaltungen des Körpers" - das Zwicken hier, das Jucken da - sind weg. Mach Dir deswegen keinen Kopf - Du merkst es, wenn das passiert. Wenn man mit Erwartungshaltung übt, schafft man sich nur unnötig Probleme.

    2. Nach der Sitz-Praxis, hänge ich immer 5 Minuten langsames Kinhin (Soto-Style) an.

    Wie würdest du einem Anfänger empfehlen hier zu üben, und zras bzgl. der Aufmerksamkeit?

    Einfach so, wie beim Sitzen? Ein-Ausatmung mit Schritten synchronisieren?

    Ggf. auch körperliche Empfindungen, die mit dem Gehen zusammenhängen (Beine, Fußsohlen,
    etc.) achtsam und bewusst wahrnehmen?

    Das Kinhin steht bei manchen Hardcore-Zennis ein wenig in Verdacht, 'nur' der Entspannung der Muskulatur zwischen den Sitzperioden zu dienen. Nunja - solchen Mißbrauch hat wohl schon jeder irgendwann mal betrieben, da ist nichts dabei. Ich persönlich teile die Wertschätzung meines Dharma-Vorfahren Menzan Zuiho für das Kinhin. Es zeigt uns einen Weg, die 'Haltung' des Zazen auf Bewegung anzuwenden und aus dem Zen im Sitzen ein Zen im Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen (gyōjūzaga, 行住坐臥) zu machen.


    Wichtig ist die Achtung auf den wie beim Sitzen ausgerichteten Oberkörper, unterstützt durch das Shashu-Mudra vor dem Brustbein bzw. mittleren Dantian. Der Atem 'reguliert', also tief und gleichmäßig, das Gehen damit synchron. Einatmend den hinteren Fuß vom Boden lösen und nach vorne bringen, ausatmend absetzen. Schrittlänge unter einer Fußlänge. Die wechselnden Kontakte von Füßen und Boden wahrnehmen sowie die horizontale Verschiebung des Körperschwerpunktes. Vertikale Verschiebungen vermeiden, also Kopf und Schultern sowie die waagrechten Unterarme auf konstanter Höhe halten.


    Ansonsten finde ich die angemessene Herangehensweise an die Achtsamkeit auf den Atem ganz gut in Vers 18 beschrieben:

    Zitat

    Wenn er lang einatmet, versteht er: ,Ich atme lang ein‘; oder wenn er lang ausatmet, versteht er: ,Ich atme lang aus.‘ Wenn er kurz einatmet, versteht er: ,Ich atme kurz ein‘; oder wenn er kurz ausatmet, versteht er: ,Ich atme kurz aus.‘

    Einfach ganz genau hinschauen, was da mit dem Atem geschieht, ohne einzugreifen. Ohne Erwartung - auch das wäre ein Eingriff. Mein Verständnis geht also eher in Richtung Deiner 2. Alternative.


    Der Atem kann natürlich auch als 'Einstiegsobjekt' für tiefergehende konzentrative Übungen genutzt werden, also die dhyāna / jhāna. Dieser Ansatz wird im Zen eher abgelehnt - das ist "totes Holz und kalte Asche".

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Vielen Dank auch für diesen ausführlichen Post mit all den Anleitungen und hilfreichen Gedanken - damit bin ich nun fürs Erste gut bedient und gucke einfach, was mit der Zeit geschieht^^


    Auch danke für die Schilderung deiner eigenen Anfänge mit Zen - immer interessant und motivierend zu lesen, wie es bei erfahreneren Praktizierenden begonnen hat :)


    Viele Grüße

    Zrebna _()_

  • Hier noch eine letzte Frage (versprochen xD) :

    Also das Atem beobachten klappt gefühlt ziemlich gut, nur bin ich mir immer unsicher was man am besten mit seiner Aufmerksamkeit/Achtsamkeit in den Atempausen macht?

    Klar, man nimmt die Pausen zwischen Ein-und Ausatmung wahr, aber auf was könnte man sich hier konzentrieren? Es gibt ja in diesen Phasen keinen Atem mehr, dem man folgen kann...

  • Hier noch eine letzte Frage (versprochen xD) :

    Also das Atem beobachten klappt gefühlt ziemlich gut, nur bin ich mir immer unsicher was man am besten mit seiner Aufmerksamkeit/Achtsamkeit in den Atempausen macht?

    Klar, man nimmt die Pausen zwischen Ein-und Ausatmung wahr, aber auf was könnte man sich hier konzentrieren? Es gibt ja in diesen Phasen keinen Atem mehr, dem man folgen kann...

    Wenn du nach sowas suchst, beobachtest du tatsächlich den Atem.

    Du sollst ihn betrachten, wie du ein Bild betrachtest.

    Beim Atem betrachten erscheint nicht nur der Atem, es erscheint dein ganzes sein, betrachte den ganzen Körper, deine Gefühle, deinen Geist, deine Geistesobjekte. Du wirst feststellen, dass es da nichts mehr zu beobachten gibt, weder beim Ein- noch Ausatmen, oder in den #Pausen#.


    buddhaland.de/forum/thread/?postID=577317#post577317
  • noch eine letzte Frage (versprochen xD) :

    Schon okay ;) dafür ist Sangha ja da ...

    Du hast da einen nicht unwichtigen Punkt entdeckt - die Leere zwischen Ein- und Ausatmen. Wenn Du 'natürlich' atmest (was Du bei der Atemübung tun solltest), dann ist dieser 'Spalt' sehr klein - aber er gibt Dir die Möglichkeit, Deiner subjektiven Aufmerksamkeit für einen Moment das Objekt zu nehmen - den Moment des fehlenden Atems. Da kann 'etwas' passieren - muss allerdings nicht. Am besten vergisst man das bzw. hakt es als vage Möglichkeit von begrenztem Interesse ab. Sonst begeht man unwillkürlich den Fehler, in den Atemkreislauf steuernd einzugreifen (etwa die Atempausen zu dehnen) und fällt so aus der Rolle des reinen Beobachters.


    Beim Qigong kann man zu diesen Wechselpunkten des Atems bestimmte 'Energieknotenpunkte' ansteuern - aber eben dies sollte man mit Zazen nicht vermischen, das wäre kontraproduktiv. In das, was geschieht, nicht steuernd eingreifen sondern es 'von sich' geschehen lassen.


    Am besten an diesen 'Nullstellen' einfach aufmerksam auf das erneute Kommen oder Gehen des Atems warten - der kommt bzw. geht von selbst und es dauert auch nicht (zu) lange (oder zu kurz) sondern halt so lange, wie es nun mal dauert ... :)

    OM MONEY PAYME HUNG