Alaya oder grundlegende Gutheit

  • Werter Sudhana ,


    mein Beitrag #23 war nur eine Antwort auf Ratio. Ich wollte mich damit nicht auf deine vorherigen Beiträge beziehen. Die Beiträge vor Ratios Beitrag (#22) habe ich auch gar nicht genau verfolgt.


    Die Debatte zwischen den Madhyamikas und den Cittamatrins ist für mich keine tibetische Debatte, auch wenn sie von den tibetischen Schulen aufgenommen wurde, weil sie eine Debatte innerhalb des indischen Buddhismus war. Sie fand dort bereits statt bevor der indische Buddhismus nach Tibet überliefert wurde.


    Grundlage meines Beitrages #23 ist das Weisheitskapitel von Candrakirtis Madhyamakavatara in dem er sich mit der Position der Cittamatrins auseinandersetzt. Dabei bezieht er sich sowohl auf Sutras als auch auf die Werke von Nagarjuna und Aryadeva

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Die Debatte zwischen den Madhyamikas und den Cittamatrins ist für mich keine tibetische Debatte, auch wenn sie von den tibetischen Schulen aufgenommen wurde, weil sie eine Debatte innerhalb des indischen Buddhismus war. Sie fand dort bereits statt bevor der indische Buddhismus nach Tibet überliefert wurde.

    Es ist jedenfalls keine Debatte, die das gesamte Mahāyāna betrifft - und die in Indien spätestens vor einem Jahrtausend erlosch. Candrakīrti gehört schon nicht mehr zur ostasiatischen Rezeption des Madhyamaka - allerdings zwei Generationen früher Bhāviveka mit dem Prajñāpradīpa, um 630 übersetzt und dem nur noch in chinesischer Übersetzung erhaltenen *Mahāyāna-hastaratna-śāstra, 649 übersetzt. Bhāvivekas Svātantrika - Madhyamaka war für das Sanlun (chin. Madhyamaka), wo mittlerweile das frühe Tiantai die weitere Entwicklung prägte, allerdings von nachrangigem Interesse. Im Gegensatz zum Weishi (chin. Yogācāra) - Xuanzang greift in seinem Cheng Weishi Lun die Debatte um Bhāvivekas Kritik am Yogācāra auf und bezieht Stellung zugunsten seiner 'Gegner' Sthiramati und Dharmapāla. Diese "Debatte" kannte Xuanzang aus eigener, unmittelbarer Erfahrung; um 640 war er längere Zeit in Nālandā.

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  • Diese unterschiedlichen Interpretationen als Streiterei abzutun ist nicht angemessen


    Vielleicht versteht man mich da falsch - aus diesem Konflikt sind Streitereien entstanden, und zwar nicht zwischen Meistern und Gelehrten, sondern von den Schülern - das ist ja auch nichts besonderes. Wenn das Wort eher gefällt: Es ist ein Diskurs entstanden.

  • Wenn dieser Thread wieder aufgegriffen wird, nutzte ich die Gelegenheit, um eine Frage zu stellen. Trungpa unterscheidet ein grundlegendes Alaya Prinzip, das er auch als grundlegende Gutheit bezeichnet, und eine Alaya Bewusstsein, das aus diesem Prinzip hervorgeht. Das Alaya Prinzip treffe keine Untetscheidungen, das Bewusstsein schon. Was hat es mit dieser Differenzierung in Bezug auf das Speicherbewusstsein auf sich?

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  • Trungpa unterscheidet ein grundlegendes Alaya Prinzip, das er auch als grundlegende Gutheit bezeichnet, und eine Alaya Bewusstsein, das aus diesem Prinzip hervorgeht.

    Nun, Chögyam Trungpa ging z.T. recht *eigenartig* mit traditionellen Konzepten um (und schaute auch gerne über den 'tibetischen' Tellerrand hinaus). Unter dem Vorbehalt nur beschränkter Kenntnis der tibetischen Yogācāra-Rezeption und der Unkenntnis des Kontextes, in dem Trungpa das gesagt hat, würde ich das spontan so interpretieren, dass er mit "grundlegendes Alaya Prinzip" den Tathāgathagarbha (oder in seiner Diktion "sugātagarbha") meint, die sog. Buddhanatur. In der Tat kenne ich (wenn auch nur aus der ostasiatischen Tradition) die Auffassung vom ālaya als einem Aspekt des Tathāgathagarbha.

    Zitat

    Was den Begriff garbha (zang) betrifft, so existieren alle fühlenden Wesen in der Weisheit des Tathāgatagarbha, und daher wird er Uterus (zang) genannt. Da das Wissen von Soheit dem Reich der Soheit entspricht, gibt es unweigerlich kein fühlendes Wesen, das [davon] ausgeschlossen ist. Der Tathāgata umfasst gleichermaßen das Reich der Soheit, und daher wird er 'das Enthaltene' [also 'Embryo', suo zang] genannt. Fühlende Wesen sind der Tathāgatagarbha.

    Vasubandhu (zugeschrieben, vermutlich Paramārtha), Fo Xing Lun 796a

    Der Tathāgata in seinem Ursache- (oder Uterus-)Aspekt ist nicht ein Wesen oder 'Ding', das einerseits ein Bewusstsein von Soheit in ihrem objektiven Aspekt als 'Reich der Soheit' und andererseits von den fühlenden Wesen als deren subjektivem Aspekt, als 'Wissen von Soheit' hat, sondern Tathāgata ist eben dieses nicht-duale, allumfassende Bewusstsein, in der jede Dualität (insbesondere die Subjekt-Objekt-Dualität) aufgehoben ist und umfasst daher alles Sein, also Soheit in ihrem vollständigen objektiven und subjektiven Aspekt. Es ist Bewusstsein nicht von, sondern Bewusstsein der Soheit. Also nicht ein dem Objekt Soheit korrespondierendes Subjekt, sondern identisch mit Soheit in beiden Aspekten, dem subjektiven der fühlenden Wesen und dem objektiven des 'Reichs der Soheit'. Dieses nicht-duale, allumfassende Bewusstsein wiederum entspricht dem Begriff 'Geist' (citta) in der Yogācara-Philosophie, dessen Basis (aśrāya) der ālaya ist. Dass ich die Bezeichnung "grundlegende Gutheit" für den ālaya für völlig daneben halte (weder eine moralische noch sonstige Wertung wäre hier auch nur im geringsten sinnvoll) wie auch "grundlegende Wachheit" für den sugatagarbha, sei hier nur der Vollständigkeit halber angemerkt. Ich vermute mal, das ist Chögyam pur (respektloser gesagt: komplett auf seinem eigenen Mist gewachsen).


    So, wie nach meiner vorläufigen Einschätzung auch das hier:

    Das Alaya Prinzip treffe keine Untetscheidungen, das Bewusstsein schon. Was hat es mit dieser Differenzierung in Bezug auf das Speicherbewusstsein auf sich?

    Das macht im Kontext Yogācāra keinen Sinn. Wenn mit "Alaya Prinzip" der Tathāgatagarbha gemeint ist, trifft das keine Unterscheidungen - richtig. Das ālayavijñāna allerdings genau so wenig. Es ist ein Speicher für karmische Konditionierungen; nichts, was in irgendeiner Weise aktiv wäre oder auch nur unterscheiden würde - das würde diesem Speicher dann tatsächlich eine atman-Qualität zuweisen. Unterschiede - angefangen mit dem grundlegenden Unterschied Subjekt/Objekt - setzt erst ein personales, 'subjektives' Bewusstsein, also manas.


    Mein vorläufiges Fazit (nochmals: unter Verweis auf meine Vorbehalte): das ist möglicherweise schlecht übersetzt (kann vorkommen, wenn ein Übersetzer nicht wirklich Ahnung hat von dem, was er da übersetzt), möglicherweise ist es schlecht redigiert und da ist etwas durcheinandergeraten oder möglicherweise war Trungpa auch nicht mehr so ganz nüchtern, als er das schrieb. Wobei weitere Möglichkeiten nicht auszuschließen sind - nur die, dass das eine korrekte Darstellung der Yogācāra-Lehre wäre. Wobei ich nicht weiss, ob Trungpa den Anspruch überhaupt hatte, als er das schrieb. Bei dem wusste man nie, ob er etwas ernst meinte oder die Leute nur auf den Arm nahm.

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  • Unter dem Vorbehalt nur beschränkter Kenntnis der tibetischen Yogācāra-Rezeption und der Unkenntnis des Kontextes, in dem Trungpa das gesagt hat, würde ich das spontan so interpretieren, dass er mit "grundlegendes Alaya Prinzip" den Tathāgathagarbha (oder in seiner Diktion "sugātagarbha") meint, die sog. Buddhanatur.

    Der Kontext ist Die Erziehung des Herzens , sein Kommentar zur Lojong Praxis. Wobei er anmerkt, dass sich sein Kommentar an Praktizierende im Anfangsstadium richtet. Er spricht tatsächlich auch von der Buddha Natur und dass es nicht darum gehe die Buddha Natur sofort zu begreifen. Ich muss mich auch korrigieren, er setzt Alaya nicht grundlegender Gutheit gleich, sondern sagt es habe grundlegende Gutheit. Weitere Umschreibungen für Alaya sind:

    • grundlegende Potentialität
    • primitives shamata
    • grundlegend klarer Geist
    • Erfahrung grundlegender Gutheit
    • fundamentaler Zustand des Bewusstseins bevor es sich in Ich und Andere oder in diverse Emotionen aufspaltet
    • Basis
    • Boden, auf dem die Erfahrungen verarbeitet werden
    • Weite
    • um in der Natur des Alaya zu ruhen, muss man seine Armutsmentalität hinter sich lassen
    Trungpa (Erziehung des Herzens, S.40):

    Mit Hilfe unseres Trainings in Shamata und Vipashyana lernen wir unsere grundlegende Gutheit verstehen und wie sie es uns ermöglicht loszulassen. Wir beginnen uns in der Natur des Alaya niederzulassen, ohne Sorgen, sehr naiv und normal, sogar irgendwie beiläufig. Wenn wir uns loslassen, entsteht dadurch in uns das Gefühl einer guten Existenz. Man könnte das als die ganz gewöhnliche und triviale Vorstellung von Lassen-wir's-uns-gut-Gehen auffassen. Doch wenn wir den Wunsch haben, gut mit uns selbst umzugehen, rührt das nicht daher, dass wir etwas zu erreichen versuchen; wir versuchen einfach nur wir selbst zu sein. An diesem Punkt haben wir das natürliche Gefühl, dass wir es uns leisten können uns selbst Freiheit zu gewähren. Wir können es uns leisten uns zu entspannen. Wir können es uns leisten, uns selbst besser zu behandeln, uns mehr zu vertrauen und uns wohl zu fühlen. Die grundlegende Gutheit des Alaya ist immer da. Dieses Gefühl von Gesundheit und Heiterkeit und Naivität ist es, das uns zur Verwirklichung von relativem Bodhicitta führt.

    Da bin ich auch wieder bei dem basic wellbeing von Tsoknyi. Ich verstehe Trunga hier so, dass es eine Bedingung von Bodhicitta ist sich selbst zu vertrauen und MItgefühl mit sich selbst zu haben.


    Trungpa (Erziehung des Herzens, S.38):

    Es gibt einen grundlegenden Zustand der Existenz, der grundsätzlich gut ist und auf den wir uns verlassen können. Da gibt es Raum zum Entspannen, Raum um uns zu öffnen. Wir können mit uns selbst und mit anderen Freundschaft schließen. Das ist die fundamentale gute Eigenschaft oder grundlegende Gutheit und es ist die Basis der Entwicklungsmöglichkeit des aboluten Bodhicitta.

    Und noch ein Zitat zu dem Nicht-Unterscheiden im Alaya:

    Trungpa (Erziehung des Herzens, S.54):

    Vom grundlegenden Alaya-Prinzip aus entwickeln wir alaya-vijnana oder das Alaya-Bewusstsein, das Unterscheidungen trifft. Wir beginnen zwischen diesem und jenem, wer und wessen, was und welches zu trennen. Das ist die Idee von Bewusstsein, oder wir können es sogar "Ich-Bewusstsein" nennen - etwa so: Wer ist auf unserer Seite und wer ist auf der Seite der anderen. Das grundlegende Alaya-Prinzip hat keine Vorliebe, bezieht keine Stellung. Deshalb bezeichnet man es als "natürliche Fähigkeit" oder "Tugend". Es ist neutral. Es ist weder männlich noch weiblich und deshalb steht es auf keiner Seite und die Frage des Werbens stellt sich nicht.

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    Einmal editiert, zuletzt von Mabli ()

  • Es geht ja um einen Kommentar zu einer der Lojong-Losungen aus dem Geistestrainung in sieben Punkten von Geshe Chekawa.


    Von daher ist es vielleicht gut, einen Kommentar von Alex Berzin ( also aus einer Gelg-Perspekive) zu der selben Losung anzusehen:

    Sich in Alaya, die alles umfassende Basis zu entspannen


    Hier nutzen wir als Gegenmittel tiefstes Bodhichitta, indem wir uns in die grundlegende Natur des Geistes entspannen. Geshe Chekawa drückt es in Sakya-Terminologie aus und nennt dies den „Zustand der alles umfassenden Basis“, was man auch unter dem Sanskrit-Begriff alaya kennt. Er schreibt:


    Zitat
    Reflektiere darüber, dass Phänomene wie ein Traum sind. Erkenne die grundlegende Natur des Gewahrseins, die kein Entstehen hat. Das Gegenmittel selbst befreit sich selbst an seinem eigenen Ort. Die essentielle Natur des Pfades ist es, sich in einem Zustand der alles umfassenden Basis zu entspannen. Handle zwischen den Sitzungen wie eine illusorische Person.


    Es gibt zwei Traditionen, in denen die grundlegende Natur des Geistes als das Objekt tiefsten Bodhichittas, der tiefsten Wahrheit unseres noch nicht erlangten erleuchteten Geistes, erklärt wird. In einer Erklärung bezieht sich die alles umfassende Basis auf die Natur des Geistes als „bloße Klarheit und Gewahrsein“

    Ich denke, dass man hier sieht, dass es keine Eigentümlichkeit von Chögyam Trungpa ist, sondern auch hier alāya in einer Art und Weise verwendet wird, die über den Bedeutungsumfang im yogācāra ( Spreicherbewußtsein) hinaus geht und zusätzliche Bedeutungen ( "die befreite grundlegende Natur des Geistes", Bodhicitta ) in sich aufgenommen hat.