• Samsara ist leidhaft. Glück erzeugt Leid, Leid erzeugt Leid, Stagnation erzeugt Langeweile und Leid. Darum ist der buddhistische Weg auch ein Weg der Enttäuschungen. Samsara ist kein Bereich, in dem es je – weder persönlich noch gesellschaftlich – auf lange Sicht irgendwie "besser" werden könnte. Wird ein Problem gelöst, kommen zehn neue zutage. Die Krisen unserer Tage sind die Konsequenzen der vergangenen Handlungen. Unsere jetzigen Handlungen evozieren künftige Krisen und Probleme: Karma. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ist eine Krise scheinbar bewältigt, folgen zehn weitere nach. Menschen eben.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Ist das deine Überzeugung oder aus einem Text zitiert?

    Ich Frage, weil ich mich an einen Beitrag von dir erinnere,

    in dem du dich eher positiv über die Welt äußerst.

    denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht, drum besser wär's, dass nichts entstünde.


    (Goethes Faust)

  • Ist das deine Überzeugung oder aus einem Text zitiert?

    Seit etwa einem Jahr tendiere ich mehr und mehr zu dieser Auffassung. Der Beitrag ist kein Zitat.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Ich kann nur zustimmen, bei mir war diese Wahrnehmung aber schon

    immer so.

    Jetzt müssten gleich die Beiträge kommen, dass doch der Buddhismus

    der Ausweg aus dem Leiden sei.

    denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht, drum besser wär's, dass nichts entstünde.


    (Goethes Faust)

  • Jetzt müssten gleich die Beiträge kommen, dass doch der Buddhismus

    der Ausweg aus dem Leiden sei.

    Ist er ja auch. Der Weg ist aber unter Umständen recht schmerzhaft, da er über Enttäuschungen funktioniert...

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Darum ist der buddhistische Weg auch ein Weg der Enttäuschungen.

    Ich würde es so schreiben wollen:


    "Darum ist der buddhistische Weg auch ein Weg der ENT -- Täuschungen."


    Man befreit sich von Täuschungen, Illusionen und Hirngespinsten (was natürlich nicht ganz schmerzfrei geschieht), um der Wahrheit näherzukommen und letztlich Befreiung vom Leiden zu erlangen.

    Die Wahrheit zu kennen, sie anzunehmen, zu akzeptieren und dennoch glücklich zu sein, was sollte das anderes sein als Weisheit und Lebenskunst?

    . Samsara ist kein Bereich, in dem es je – weder persönlich noch gesellschaftlich – auf lange Sicht irgendwie "besser" werden könnte.

    So ist es wohl. Und wer begehrt, dass es anders sein sollte, findet sich schnell im Dukkha-Zustand wieder....

    Ist eine Krise scheinbar bewältigt, folgen zehn weitere nach. Menschen eben.

    Nach einem Krisen-"Zyklus" tritt in aller Regel auch irgendwann wieder eine (längere) Entspannungsphase auf, das liegt in der Natur der Sache.

    Und allen Unkenrufen zum Trotz sind Menschen auch lernfähig....

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Die Wahrheit zu kennen, sie anzunehmen, zu akzeptieren und dennoch glücklich zu sein, was sollte das anderes sein als Weisheit und Lebenskunst?

    Ich denke, solange Glück auch noch mit der kleinsten Faser angestrebt wird, ist man sofort wieder in Samsara. Samsara ist der Schatten der Wirklichkeit, den wir uns auf der Basis von Begehren, Abneigung und Unwissenheit, konstruieren.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Darum ist der buddhistische Weg auch ein Weg der Enttäuschungen.

    Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Aus meiner Sicht und meinem Erleben geht es nicht darum, das, was Du Probleme und Krise nennst, zu überwinden (das wüsste ich auch nicht, wie das gehen sollte).


    Sondern wir verändern, was wir als Krise oder Probleme definieren und wahrnehmen. Es geht um die innere Bewertung, um mein Verhältnis zu Geschehnissen innen und außen, nicht um die Veränderung der Welt.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Ich denke, solange Glück auch noch mit der kleinsten Faser angestrebt wird, ist man sofort wieder in Samsara.

    Da stimme ich dir zu, aber ich meinte, dass sich eine Form von "Glück" einstellt (also quasi - wie eine Nebenwirkung -"passiert"), wenn man die Realität, wie sie ist, akzeptiert, nicht anhaftet und im Hier und Jetzt lebt.

    Ich habe schon Menschen kennengelernt, die mit sich und der Welt ganz im Reinen waren, sie wirkten zufrieden und strahlten Frieden, Ruhe und "Glück" aus....(alle im Alter > 70 Jahre und nicht verschont von Krankheiten).

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


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    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Jetzt müssten gleich die Beiträge kommen, dass doch der Buddhismus

    der Ausweg aus dem Leiden sei.

    Und wenn es so wäre....? :)

    Keine große Überraschung in einem buddhistischen Forum.... ;)


    Aber natürlich hat "Mephisto" recht: Wenn nichts entstünde, müsste auch nichts (leiden und) vergehen...

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


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  • Das Wort "Samsara" besteht aus zwei Teilen:


    "Sam" kommt von der indoeuropäischen Wurzel "*sem" die "zusammen; als eins" bedeutet. Sie kommt auch in anderen Worten wie "Sangha" oder "Sanskrit" vor aber auch in englischen Wörtern wie "some" oder "single".
    "Sara" kommt von der Wurzel "*ser" die "Fließen" bedeutet und in dem medizinischen Begriff "Serum" - das Fließende- fort.


    Es bedeutet also so etwas wie "als eins Fließen".


    Was auffällt ist, dass Samsara nicht so sehr ein Ort ist, an dem "man" sich befindet oder ein Zustand, in dem man sich befindet sondern es ist eine Bewegung - die man als Teil der Welt vollzieht - so ein Karussell.


    Und auch wenn es auf der Welt Glück und Freude und Erfüllung gibt, bringt das wenig wenn sie nicht festzuhalten sind, sondern vorbeiwischen.


    Auch Strategien des Umverteilung und Umsortieten bringt wenig, wenn man sich nicht abgrenzen kann. Auf der Erde gibt es jetzt zehnmal so viele Nutztiere, wie es Menschen gibt. Für einmal Adamssohn zeigt das Glücksrad zehnmal Hühnerhof oder Schweinestall. Und auch von den Menschen geht es ja vielen lausig.

  • Samsara ist kein Bereich, in dem es je – weder persönlich noch gesellschaftlich – auf lange Sicht irgendwie "besser" werden könnte. Wird ein Problem gelöst, kommen zehn neue zutage. Die Krisen unserer Tage sind die Konsequenzen der vergangenen Handlungen. Unsere jetzigen Handlungen evozieren künftige Krisen und Probleme: Karma. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ist eine Krise scheinbar bewältigt, folgen zehn weitere nach. Menschen eben.

    Da besteht halt auch du Gefahr der Stagnation. Denn auch wenn das so ist, kann sich jede Einzelne von uns fragen welcher Beitrag er leisten kann um die Richtung ein wenig zu beeinflussen.

  • Der Weg in die Freiheit von Samsara führt schon über die Verbesserung soweit ich das sehe. Mit entsprechender Entwicklung von Sittlichkeit, Weisheit und Sammlung wird mit dem Stromeintritt erstmal ein Absinken in niedrige Daseinsbereiche verhindert und dann wird es immer besser bis zum völligen Erwachen.

  • Die Wahrheit zu kennen, sie anzunehmen, zu akzeptieren und dennoch glücklich zu sein, was sollte das anderes sein als Weisheit und Lebenskunst?

    Ich denke, solange Glück auch noch mit der kleinsten Faser angestrebt wird, ist man sofort wieder in Samsara. Samsara ist der Schatten der Wirklichkeit, den wir uns auf der Basis von Begehren, Abneigung und Unwissenheit, konstruieren.

    Ich würde das ausdifferenzieren wollen. Der Wunsch nach Glück ist aus meiner Sicht das Wesen liebevoller Güte. Die Abwesenheit von Leid zu wünschen wesentlicher Bestandteil von Mitgefühl. Diesen Wunsch/ diese Wünsche völlig aufzugeben hat für mich die Tendenz eher in die Gleichgültigkeit zu führen, als in den Gleichmut (der für mich sehr eng verwandt ist mit bedingungsloser Güte). Beim Bestreben nach Glück, was sich in einem "ich brauche xy um glücklich zu sein" oder in einem Festhalten wollen des Angenehmen und Vermeiden des Unangenehmen zeigt, stimme ich dir zu.

  • ..was mir noch dazu einfällt ist die Praxis des „Dana, freigebiges Geben.“ , das erste der sechs Paramitas.

    Denn auch wenn es so, können wir durch unser alltägliches Handeln etwas bewirken.

  • Ajahn Chah hat ein treffendes Bild formuliert:

    Das Glas, das ich in der Hand habe, ist bereits zerbrochen.


    Quelle


    Das lässt sich auf die gesamte Wirklichkeit übertragen:

    • Das Gefühl von Trauer ist bereits vergangen.
    • Das Gefühl von Freude ist bereits vergangen.
    • Der Körper, den ich meinen nenne, ist bereits zu Staub zerfallen.
    • Der Mensch, den ich liebe, ist bereits fortgegangen.
    • Der Erfolg, den wir erlangen, ist bereits zu einem Misserfolg geworden.
    • Die Krise, in der wir uns befinden, ist bereits überwunden.
    • Die überwundene Krise beinhaltet bereits neue Krisen.
    • Der Krieg, der gerade tobt, ist bereits zu einem Frieden geworden.
    • Der Frieden, in dem wir uns sicher fühlen, ist bereits von einem Krieg zerstört worden.
    • Der Staub, über den ich gehe, ist bereits Tier oder Pflanze oder Sonne.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

    2 Mal editiert, zuletzt von Thorsten Hallscheidt ()

  • Wie geht es dir mit diesen Sätzen? (Falls du antworten magst. Ich glaube, sie können Verzweiflung sinnlos befeuern und genug drauf rumgekaut erleichternd wirken.)

  • Das Glas, das ich in der Hand habe, ist bereits zerbrochen.


    Ganz egal, wie wertvoll das Glas ist, wenn ich es jetzt in meiner Hand als zerbrochen ansehe, wird es mir nur sehr kurz schmerzen, wenn es mir aus der Hand fällt. Es wird ein kurzer Schreck und die Beseitigung der Trümmer.


    Leiden wird es, wenn ich bei der Beseitigung und in nachfolgenden Zeit immer noch an das Glas in meiner Hand denke, obwohl es schon lange in einer Deponie ist.

    Das Bedauern oder das sich Erfreuen an einem nicht mehr vorhandenen Zustand ist Leiden, dabei ist es nicht von Bedeutung, ob es ein Zustand der Freude, der Trauer, der Verletzung, des Frieden usw. ist,


    Mein Mann ist gestorben, er ist schon lange Staub, war es bereits, als ich ihn verstorben gesehen habe.

    Alles ist schon geschehen.

    Nichts davon kann repariert werden.

    Alle meine liebevollen Gedanken an ihn sind vergeblich.

    Doch wenn ich mir immer bewusst bin, dass ich vergangenes wiedergeboren lasse, ohne jede Substanz, kann ich mich sogar daran erfreuen, ohne an Vergangenem zu hängen, es wieder haben zu beabsichtigen, mich daran festzuhalten.


    Das Glas in meiner Hand,

    es ist schon zerbrochen,

    an dem Glas in meiner Hand kann ich mich erfreuen,

    weil ich es als schon zerbrochen erkenne,

    mache ich mir keine Gedanken um Gesten oder morgen.

    Das Glas in meiner Hand hat jetzt

    keine Vergangenheit und keine Zukunft,

    selbst seine Gegenwart kann ich kaum fassen.

    Ist es zerbrochen? Ist es das Glas in meiner Hand?

    Ja es ist jetzt das Glas in meiner Hand.

    Keine Zeiten, keine Gedanken, kein Bedenken, kein Leiden.

  • Samsara ist leidhaft. Glück erzeugt Leid, Leid erzeugt Leid, Stagnation erzeugt Langeweile und Leid. Darum ist der buddhistische Weg auch ein Weg der Enttäuschungen. Samsara ist kein Bereich, in dem es je – weder persönlich noch gesellschaftlich – auf lange Sicht irgendwie "besser" werden könnte. Wird ein Problem gelöst, kommen zehn neue zutage. Die Krisen unserer Tage sind die Konsequenzen der vergangenen Handlungen. Unsere jetzigen Handlungen evozieren künftige Krisen und Probleme: Karma. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ist eine Krise scheinbar bewältigt, folgen zehn weitere nach. Menschen eben.

    Es entsteht eine Art von Reizlosigkeit , Sättigung im Herzen wenn man das wirklich verstanden hat


    Mir wurde irgendwann mal klar , dass ich alles schon Mal erlebt, konsumiert, gesehen habe.


    Manchmal sehe ich die Welt als einen riesigen Recyclinghof.

    Es gibt nichts neues, erstrebenswertes in dieser Welt.

    Die Elemente kommen immer wieder in neuen Formen .

    Es ist der selbe alte "Mist", für den man einen hohen Preis zahlen muss .


    Die Welt wird nicht gerettet, besser oder schlechter.


    In Wirklichkeit ist da niemand.

    Das ganze Universum ist nur ein Geistesmoment dem wir einen Wert, Bedeutung geben.


    Unwissenheit ist der Brennstoff, der alles brennen lässt.


    Vor einigen Wochen war ich beim Zahnarzt und habe neben einer Kontrolle und Reinigung, ein paar Zähne behandeln lassen.


    Jetzt im abgelegenen Kloster ist mir ein kleines Stück Zahn herausgebrochen .


    Mein erster Gedanke : "Das kann doch nicht sein, ich war gerade erst beim Zahnarzt"


    Aber natürlich kann, und muss das so sein. Mindestens das halbe Leben ist vorbei und die Dinge werden nicht besser .


    Ein Freund auf Facebook hat mich vor kurzem gefragt, warum ich immer noch ins Kloster gehe, und dort unter relativ harten Bedingungen praktiziere. Ich hätte doch so ein tolles Leben (wer postet schon die negativen Sachen aus seinem Leben).


    Weil ich müde werde . Ich habe genug gesehen und erlebt. Es ist genug.


    Mein Lehrer hier in Thailand ist definitiv ein Arahat . Er wird mir wohl nicht diese "Müdigkeit" nehmen, aber wenn ich mir seine Belehrungen zu Herzen nehme ,dann werde ich nur noch einmal Schlafen gehen, und nie wieder aufwachen und auftauchen.


    Viele Menschen wollen das nicht hören und verstehen. Sie sehen dich als traurigen Pessimisten an , aber das stimmt nicht.


    Das Leben ist meiner Meinung nach, nicht nur Leiden . Aber dieses Leben ist nur möglich weil sich die Dinge ständig ändern müssen.

    Und irgendwann wird es einem klar, dass es genug ist.


    In Wirklichkeit erschafft man in jedem Augenblick ein Universum, den Himmel und die Hölle, wenn man die Dinge nicht sieht wie sie sind.


    Irgendwann ist Sehen nur noch Sehen, ohne dem erschaffen einer Welt mit dem ganzen wollen und nicht wollen, und was dann halt noch folgt.


    Es entstehen keine Konsequenzen mehr daraus .

    Hören, fühlen usw das selbe Spiel.


    Es wird still , und das Glück und Unglück wird durch Frieden ersetzt.


    Das Feuer wird immer kleiner und man verbrennt sich immer weniger daran.


    Und wenn kein Brennstoff mehr da ist, erlischt es.


    Und der letzte Rauch schwebt dem kühlen Nachthimmel entgegen, und erst dann kommt man dem nahe, was man stark vereinfacht als unsere wahre Existenz bezeichnen könnte.


    Das Stille Meer des Friedens, ungeboren, unbegrenzt und unsterblich.


    Mögen wir alle Frieden finden!

  • Samsara ist leidhaft. Glück erzeugt Leid, Leid erzeugt Leid, Stagnation erzeugt Langeweile und Leid.

    Ja aber die Verblendung ist so mächtig dass die Menschen alles tun um sich ein schönes vergängliches Plätzchen im Samsara einzurichten, dafür gehen sie jedes Risiko ein und töten sich sogar gegenseitig.

  • Samara ist ohne Leiden, sowieso, es ist nur das Geschehen, an dem ich nichts ändern kann, weil ich Teil des Geschehens bin und nicht das Geschehen als Ganzes.


    Samsaras ist nur dann Leiden, wenn ich Nirvana in ihm finden suche oder Nirvana im Samsara.

    Wenn ich glaube, dass ich sterblich bin und daran leide.


    Ich sollte, wenigstens heute, mit dem Wissen der Biologie erkennen, dass ich aus Zellen bestehe, die sich seit ewigen Zeiten nur durch Teilen reproduzieren.

    Ich wurde geboren von unsterblichen Zellen, was mache ich mir Gedanken um mein Sterben, die Zellen machen immer weiter und werden immer weiter dafür sorgen das geboren wird.


    Selbstverständlich nicht meine Zellen, dieses ganze System vergeht, doch es ist auf unegoistische Weise ohne Ich sein, das auch stirbt, unsterblich. Hätte ich mich fortgepflanzt, würde diese eine, halbe Zelle meine Erfahrungen mit dem Überleben weitergeben, gemischt mit der anderen halben Wahrheit.


    Dieses Glas, das ich als mein Leben erkenne, ist schon zerbrochen. Doch, wenn es zerbricht, werde ich schon lange vorher zerbrochen sein. Mindestens 10 Sekunden.

  • Als Kunstgriff/ Trick, zum Erlernen der Nicht-Anhaftung, mag diese Betrachtungsweise Sinn machen.

    Es ist allerdings, glaube ich, ein Unterschied, ob man sich dieser Denkweise bedient oder ob es sich um selbst erfahrene Erkenntnis handelt, die verinnerlicht wurde.

    Mit "Leben im Hier und Jetzt" hat es wohl eher weniger zu tun....


    Die sogenannte absolute, tiefe Wahrheit ist leider nicht "alltagstauglich", weil sie mit der "relativen Wahrheit" kollidiert, was zunächst mehr Verwirrung, als Klarheit hervorbringt.


    Ein Beispiel aus dem Leben:

    Zur Zeit versuche ich, einer Verwandten meines Mannes seelisch etwas beizustehen (gezwungenermaßen aus der Ferne), die seit 2018 sehr schwer erkrankt ist. Zunächst diagnostizierte man Brustkrebs (3 OP's, Chemo, Bestrahlung), seit Januar 2021 kam noch ein bösartiger Hirntumor (Glioblastom) hinzu (3 OP's, Bestrahlung, Chemo). Sie ist jetzt 45 Jahre jung, Mutter zweier Söhne (10 J./15 J.) und kämpft , kämpft, kämpft mit eisernem (Über-) Lebenswillen um ihr Leben.....Nach den ärztlichen Prognosen wäre sie schon mind. 1/2 Jahr tot.


    Würde es ihr jetzt helfen, sich schon als tot zu sehen? Als "Asche" in der Urne?

    Vielleicht wäre es für die Helfenden und die Angehörigen hilfreich, um in eine heilsame Distanz zu kommen, die tatkräftige Unterstützung erleichtert (oder erst ermöglicht)?


    Ebenso könnte man aber auch imaginieren, dass sie wieder vollständig gesund wird, auch, wenn es - nach den Einschätzungen der Ärzte - höchst unwahrscheinlich ist.

    Gewisse esoterische Denkweisen beschreiten diesen Weg: Man fokussiert sich auf das Positive und manifestiert es dadurch....


    Es wiederholt sich alles ständig und endet meist mit den Zeilen: Gekämpft, gehofft und doch verloren....

    Aber JETZT lebt sie, leben wir - mit Bewusstheit!

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Leid erzeugt Leid

    Den Punkt will ich noch ergänzen (ohne widersprechen zu wollen, dass Leid Leid erzeugen kann.) Leid kann auch Gutes erzeugen. Vielleicht existiert auch keine exakte oder eindeutige Zuteilung zu Glück und Leid.

    Den Frieden, den ich mit meinem Leben geschlossen habe ist der, allen Mist meines Lebens kompostieren zu dürfen und den Blumen danach beim wachsen zuschauen zu dürfen und mich darüber freuen zu dürfen. Ich glaube, es kann einen weich spülen unter guten Umständen Leid anschauen zu können und auszuhalten. Und ich für meinen Teil mache danach weniger Blödsinn als vorher.

    Einmal editiert, zuletzt von Gurkenhut ()