Buddhismus und Platons Höhlengleichnis. Wo erkennt ihr eine Verbindung?

  • Auf wikipedia gibt es eine ganz gute Darstellung des Höhlengleichnisses und des Konzepts, das Platon dabei im Sinn hatte. DAS hat mit dem Buddhismus nichts gemeinsam. Nichts.

    Aber mit dem Brahmanismus und den Priesterkasten - die waren bei Platon noch Philosophen, sind dann aber doch auch wieder zu Priestern mutiert. Offenbar war da auch ein wenig Einfluß mit dem ägyptischen Kult des Sonnengottes Ra.


    Dazu wikipedia:

    Zitat

    Es verdeutlicht den Sinn und die Notwendigkeit des philosophischen Bildungswegs, der als Befreiungsprozess dargestellt wird. Das Ziel ist der Aufstieg aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt der vergänglichen Dinge, die mit einer unterirdischen Höhle verglichen wird, in die rein geistige Welt des unwandelbaren Seins. Den Aufstieg vollzieht zwar jeder für sich, aber da man dabei Hilfe benötigt, ist es zugleich auch ein gemeinschaftliches Bemühen.

    Der Buddhismus nennt das wandern im Daseinskreislauf - natürlich gibt es da einen Aufstieg vom Menschenbereich zu den Göttern - aber das ist auch nichts anders als das was alles Dasein auszeichnet: Vergänglich, dukkha und anatta.


    Weiter mit wikipedia:

    Zitat

    Anschließend erklärt Sokrates Glaukon, wie das Gleichnis zu verstehen ist. Die Höhle versinnbildlicht die Welt, die sich den Sinnen darbietet, die normale Umgebung des Menschen, die man gewohnheitsmäßig mit der Gesamtheit des Existierenden gleichsetzt. Der Aufstieg ans Tageslicht entspricht dem Aufstieg der Seele von der Welt der vergänglichen Sinnesobjekte zur „geistigen Stätte“, der intelligiblen Welt, in der sich das nur geistig Erfassbare befindet. Damit meint Platon die unwandelbaren Ideen, die Ur- und Vorbilder der materiellen Phänomene im Sinne seiner Ideenlehre. Unter diesen rein geistigen Dingen nimmt die Idee des Guten den höchsten Rang ein, ihr entspricht im Höhlengleichnis die Sonne. Zur Idee des Guten muss man nach Sokrates’ Überzeugung vorgedrungen sein, um im privaten oder öffentlichen Leben vernünftig handeln zu können.

    Es ist eine Art Pädagogik, die sich für die Elitenbildung daraus ableiten lässt - und es hat mit dem Konzept der Erfahrung, von dem Buddha ja ausgeht und der Einsicht die aus der Erfahrung folgen kann, nichts gemeinsam.

    Bei Platon ist der Leib-Seele Dualismus von Sinnlichem und Geistigem das Bestimmende und dieser Dualismus prägt die ganze westliche Kultur. Obwohl er ja gegen die Götterwelt seiner Zeit war, hat er dann einen Ersatzgott erschaffen, den Gott der Philosophen. Auf diese "Religion" konnte dann Paulus mit seinem Christus-Konzept aufsatteln - und diese Spaltung kommt immer wieder zum Vorschein - es wird ein Ideal-Ich geschaffen und dem soll man dann sich strebend annähern. D.h. man soll sich dem freiwillig unterordnen und tut es auch, weil es so internalisiert ist, dass wir den Unsinn nicht erkennen.


    Die Befreiung von dukkha ist hingegen was ganz anderes. Es ist Befreiung des Geistes aus dem Dickicht der Gedanken und Ansichten, über dies und das. Die praktische Anwendung dieser Akte der Befreiung findet beständig statt, in dem jedes Konzept, jede Ansicht, jeder Gedanke als nichtig erkannt wird und in dem Moment fällt er dann auch in sich zusammen.

    Man kann mit Platon sein gesamtes Leben verbringen - andere verbringen mit Sammlungen von Ostereiern ihr ganzes Leben - was sich da unter deutschen Dächern so sammelt - ist einfach herrlich bekloppt.

    :zen:

    Edited once, last by Leonie ().


  • Sie hätten doch genau für dieses Vorhaben werben können, stattdessen suggerieren ihre Zeilen ja nicht gerade einen von Ansichten befreiten Geist. Eher im Gegenteil. Damit stellt sich mir die Frage der Seriösität ihrer Erklärungen. Was sie dem Platon alles zumuten und wovon sie seine Schriften vehement abgrenzen wollen ...


    Platon könnte man im Kontext der antiken Philosophie behandeln und genau umgekehrt wie sie es tun aber dazu stichhaltige Parallelen zum buddhistischen Denken aufweisen. Dabei kommt natürlich auf den Willen an. Was ist man gewillt zu denken, anderen zu sagen.


    Was sind ihre Botschaften/die Ansichten die sie zur Vereinnahmung und zum Selberweiterstricken freigeben: Platon ist doof und alles mit Christen auch aber Buddhismus ist gut? - das ginge wie vielleicht sichtbar, mit weniger Aufwand und es würde dasselbe klar, nur mit deutlich weniger Konzepten die man über einem blossen Ausdruckswunsch und das Gefühl herumstricken muss.


    Ich kenne keine buddhistische Lehraussage darüber, dass die Befreiung von dukkha in der Befreiung von Gedanken über dies und das läge. Können sie einen buddhistischen Lehrkörper nennen, der es zusammenfassend so sagt? Es gibt ja auch kluge oder diplomatische oder ausgewogene Gedanken. Muss jemand hiervon befreit werden? Wer? Und warum, wenn Gedanken und Denken dieser Art hilft und Gutes bewirkt?

  • Vielen Dank für eure Darlegungen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht und ich habe auch ein bisschen im Internet gegoogelt. Leonie greift was auf, dass sich mit den beiden Links ähnelt:


    Hat die Natur Buddhanatur?
    Die Erkenntnis der letzten „Natur“ aller Phänomene ist buddhistischer Vorstellung zufolge die Erkenntnis ihrer Leerheit, ihres Nicht-Wesens. Von daher kommen…
    buddhismus-aktuell.de


    https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.14220/jrat.2017.3.1.308


    Lg

  • Ich kenne keine buddhistische Lehraussage darüber, dass die Befreiung von dukkha in der Befreiung von Gedanken über dies und das läge. Können sie einen buddhistischen Lehrkörper nennen, der es zusammenfassend so sagt? Es gibt ja auch kluge oder diplomatische oder ausgewogene Gedanken. Muss jemand hiervon befreit werden? Wer? Und warum, wenn Gedanken und Denken dieser Art hilft und Gutes bewirkt?

    mMn Sie haben recht, damit da auch ich keinen Text gelesen habe: dass die Befreiung von dukkha in der Befreiung von Gedanken über dies und das läge. Weil schon bei ungenauer Betrachtung die Gedanken über dies und das notwendig sind und als Alltagsgeist bezeichnet wird.


    Dieses Missverständnis ist im Buddhismus weitverbreitet.

    Die Befreiung von dukkha ist hingegen was ganz anderes. Es ist Befreiung des Geistes aus dem Dickicht der Gedanken und Ansichten, über dies und das.

    mMn Die Befreiung von dukkha ist hingegen was ganz anderes. Es ist Befreiung des Geistes aus dem Dickicht der Gedankengebäude, der Dogmen, Glaubensregeln und -ritualen, die absolute Ansichten über Dies und Das erzeugt haben. Gedankengebäude sind Konstruktion aus Begriffen, wie „Dukkha“ eines ist.


    Weil diese als gesichert stabilisiert gewusst werden, bilden sie ein Höhlensystem (Platon), in dem alle Wege sicher scheinen. Wenn es doch zu Unheil kommt, war es die Umwelt um die Höhle herum, der die Schuld daran gegeben wird. Die Schatten auf der Wand. Falls erkannt wird, dass die Ursache doch in der Höhle der Gedankengebäude zu finden ist, dann ist das Höhlensystem nicht schuld daran, sondern der Wille Gottes.


    Damit der Gott wieder nett ist, werden die Gedankengebäude mit neuen Wegen verbunden, ohne die alten Wege wirklich zu beseitigen. Sie werden nur zu Trampelpfaden, die unbewusst immer mal wieder gegangen werden.



    :idea: mMn Kālāma Sutta (Anguttara Nikāya III. 66) Hier kann jemand genau nachlesen, was Buddha mit Befreien von Dukkha meint. Es geht um die gemauerten Gedankengebäude, die als Bauten aus Backsteinen (Gedanken über dies und das) erkannt werden sollen. Er fordert die Menschen auf, schrittweise jeden Mörtel zu entfernen. Ihre Angst zu verlieren, dass ein Gebäude, das nur durch den Mörtel (Wahrheiten/Glauben) stabil gehalten wird, bei dem Überprüfen der Stabilität zusammenfallen könnte.

    Buddha sieht das ganz locker, wenn ein Gebäude zu einem Stein-Gedankenhaufen geworden ist, kann ein neues wieder aufgebaut werden, um keinen Schaden zu nehmen, wird auf Mörtel oder anderen Stabilisatoren verzichtet. Glaube, Gier, Hass.

    So kann nicht nur die eigene Höhle zu einem korrekten (sammā) Dorf werden, deren Gebäude durch achtfacher Weg (magga) verbunden sind, sondern auch helfen diese Bautechnik mit anderen Menschen zu verglichen von ihren Konstruktionen lernen. Die Umwelt wirklich zu erleben, nicht nur durch Freude und Angst mittels der Schatten an der Wand.


  • Aus dem Text von Auinger:

    Quote

    Das Eigenartige bei Hegel ist, dass bei ihm – freilich unwissentlich – alle Konsequenzen aus der Anatman-Lehre (die auch die Grundlage für die SkandhaLehre ist) gezogen sind und philosophisch immanent ausgelegt werden. Andererseits findet sich bei ihm auch eine sehr ausgeklügelte Theorie des Selbst, sogar des absoluten Selbst. Hegel schafft es also, die essentiellen Gehalte der buddhistischen Anatman-Lehre, die er wohl nur peripher kannte, mit der platonischen und nachplatonischen Philosophietradition, die stets an der Konzeption der Seele, der Person, der substantial aufgefassten Individualität usf. orientiert gewesen ist, zu verbinden.

    Das ist interessant. Ich habe mich mal durch die Phänomenologie des Geistes gekämpft und ich schätze Hegels Philosophie. Das mit der mehr oder weniger ausgeklügelten Theorie des Selbst kann ich bestätigen. Was der Autor mit den immanent philosophisch ausgelegten Konsequenzen der Anatman-Lehre meint, ist mir dagegen eher rätselhaft. Und wie man die Anatman Lehre mit der nachplatonischen Philosophietradition verbinden kann dann umso mehr.

    Quote

    Der zentrale Faktor in der Bestimmung, Entfaltung und dialektischen Entwicklung aller philosophischen Themen ist hierbei die Negation bzw. Negativität. Es gibt keine größere Verbindungskraft, worin alle Entitäten in ihrer Bezüglichkeit auf sich und in ihrer Beziehung auf Anderes bestimmt sind, als die Kraft der Negation. Ausschließlich über negative Konstitution (Anderes nicht zu sein) ist jegliche Bestimmung das, was sie ist. Es gibt keine aus dem negativen Gesamtzusammenhang herausgelösten Positivitäten, die ohne prinzipielle Beziehung zu allem Anderen bestehen könnten. Hier besteht eine wunderbare Entsprechung zum sogenannten Intersein.

    Das leuchtet mir auch soweit ein. Das war die Sache mit omnis determinatio negatio est. Wenn ich etwas als weiss bestimme, dann grenze ich es zugleich von anderen farbigen Dingen ab und das Ding ist nur weiss insofern es nicht blau, nicht schwarz, nicht grün usw... ist. Das kann man als eine strukturalistische Sicht bezeichnen. Und das hat sicher einen Bezug zu Intersein, wenn es auch nicht genau das gleiche meint. Ich würde hier aber auch eher einen Bezug zu Hegels prozessualem Denken sehen, also gewissermaßen seiner Theorie des Wandels und der Veränderung im Gegensatz zu fest in Stein gemeißelten Begrifflichkeiten und Kategorien.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Da es ein Gedankenexperiment ist, kann man seine Antwort: Ich rette mich, opfere mich, bis zum Wahnsinn in sich streiten lassen.

    Beendet wird das nur durch klare Sicht: Es ist nicht jetzt und wenn es jetzt ist weiß ich was zu tun ist doch heute weiß ich nichts. Außer Ethik, Moral, Recht und Gesetz.

    Wie handhabt man etwas, das nicht existiert?

  • Da es ein Gedankenexperiment ist, kann man seine Antwort: Ich rette mich, opfere mich, bis zum Wahnsinn in sich streiten lassen.

    Beendet wird das nur durch klare Sicht: Es ist nicht jetzt und wenn es jetzt ist weiß ich was zu tun ist doch heute weiß ich nichts. Außer Ethik, Moral, Recht und Gesetz.

    Wie handhabt man etwas, das nicht existiert?

    Ich glaube du hast da jetzt im falschen Thread geantwortet. Kann das sein?

  • Da es ein Gedankenexperiment ist, kann man seine Antwort: Ich rette mich, opfere mich, bis zum Wahnsinn in sich streiten lassen.

    Beendet wird das nur durch klare Sicht: Es ist nicht jetzt und wenn es jetzt ist weiß ich was zu tun ist doch heute weiß ich nichts. Außer Ethik, Moral, Recht und Gesetz.

    Wie handhabt man etwas, das nicht existiert?

    Ich glaube du hast da jetzt im falschen Thread geantwortet. Kann das sein?

    Ja du hast recht. Ist mir nicht aufgefallen, weil ich eine Gemeinsamkeit gefolgt bin.

  • Die Befreiung von dukkha ist hingegen was ganz anderes. Es ist Befreiung des Geistes aus dem Dickicht der Gedanken und Ansichten, über dies und das. Die praktische Anwendung dieser Akte der Befreiung findet beständig statt, in dem jedes Konzept, jede Ansicht, jeder Gedanke als nichtig erkannt wird und in dem Moment fällt er dann auch in sich zusammen.

    Man kann mit Platon sein gesamtes Leben verbringen - andere verbringen mit Sammlungen von Ostereiern ihr ganzes Leben - was sich da unter deutschen Dächern so sammelt - ist einfach herrlich bekloppt.

    Das stimmt, Leonie .

    Aber , nur die Meinung, Helmuth Hecker sieht es anders. Und ich denke nichts, dass er keine ahnung davon hat.

    Platon-Gleichnis könnte man als die Illustration benutzen, ich meine so wie DL sagt immer, die Quanten-Physik sagt dasselbe , so wie der TB. Das sind so die verschiedene Zugänge, aber klar, das ist keine trockende Philosophie. Denn der Buddhimus betrifft die Wurzeln von unserer Existenz, und zwar un-mittel-bar. Aber , im Zirkel-Schluss, es wäre nichts ( lehr-reich eher) bedeuten, wenn man für das Verständnis die verschiedene Modelle benutzt.

    Man kann Nagarjuna auch in den westlichen Uni studieren. Und man würde draus kein Buddhist per se. ( Obwohl ich ein Interwiew von einem Wissenschaftler erinnere, der sagte, das hatte sein ganzes Leben radikal transformiert. )

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Wenn Nanavira die existenzielle Philosophen zitiert, wie Helmuth Hecker alle mögliche westliche Mystiker, dazu H.Hessse, W. Busch, deutsche Sprichwörte, und viel mehr ( Palton auch dazu), wenn Thanissaro Bhikkhu erzählt uns brilliant über alle mögliche Richtungen in der Psychotherapie und wenn B.N. Nanananda macht die Vergleiche mit der Sinema-Show, das würde nichts draus folgern, dass ich sollte das ganze sehr gut studieren.

    Die ganze Lehre ist auch nichts mehr als das geschickte Mittel. Wer an die klammert, der verpasst die. ( Das wollte ich einfach ergänzen). Mehr nichts. Bitte, nichts missverstehen, dass ich den Pfad "diskreditieren" wollte.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates