Berufswahl - passend zum Zen

  • Es geht hier ja um die Frage nach dem Rechten Lebenserwerb, dem 5. Glied des Achtfachen Pfades. Es gehört zu dem Teil der Silas und steht in einer Einheit zu Rechter Rede und Rechtes Tun.

    Zu samma-ajiva gibt es ein ganzes Themenheft der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg.

    https://www.bghh.de/wp-content/uploads/2019/05/Dhammaduta-01-2019.pdf

    Man meidet z.B. Berufe, die andere schädigen.

    Aber man meidet auch Tätigkeiten, die Gier und Hass fördern und lehnt es ab seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Da kann man schon mal in seinem derzeitigen Beruf näher hinsehen, ob da nicht einiges an Oberflächlichkeit und Bequemlichkeit sich ausgebreitet hat. Wie ist der Umgang mit Kollegen? Wie ist es mit Kunden?

    :zen:

  • Ich bin vom Beruf Übersetzer und finde, es passt prima. Die Sachen fließen ins eine Ohr rein und aus dem anderen gleich wieder raus. Der Kopf bleibt am Ende des Tages unbekümmert.


    Aber noch wichtiger als die Tätigkeit an sich ist die Dauer der Arbeitszeit. Ich persönlich arbeite nur 18 Stunden pro Woche. Und da kann man jeden Scheiß eigentlich gut aushalten und ein schönes Leben führen.


    “If I should sell both my forenoons and afternoons to society, as most appear to do, I am sure that for me there would be nothing left worth living for. [...] There is no more fatal blunderer than he who consumes the greater part of his life getting his living.”


    - Henry David Thoreau

  • Interessante Überlegungen hier...


    Ich glaube, dass man eine Zen-Haltung in jedem Beruf verwirklichen kann. Ich denke, wenn man sich mit diesen Inhalten beschäftigt, wird man auch von sich aus in Bereiche gehen, die einen da sozusagen 'rufen'. Man wird sich achtsam mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen beschäftigen und sich damit Inhalten/Berufen nähern, die dem entsprechen.

    Ich würde außerdem viel in die Praxis gehen, mit Menschen sprechen, die den jeweiligen Beruf ausüben, für den ich mich interessiere. Praktika anstreben.


    Ich habe viele Jahre mit meinem derzeitigen (Brot-)Beruf gehadert, weil ich ihn aus einer Notwendigkeit heraus ergreifen musste, bin aber durch meine Zen-Praxis über die Jahre in eine sehr gute Akzeptanz gekommen. Ich habe erkannt, dass ich überall hineinwirken kann und allein meine Haltung zu etwas auch mein "Sein" in diesem Umfeld lenkt. Ich habe nicht nur meinen Frieden damit geschlossen, sondern mich mittlerweile auch in ganz anderer Form verwirklichen können, als ich es jemals gedacht hätte.

  • In Japan gibt es ja den Begriff des Shokunin - das ist so eine Art meisterlicher Kunsthandwerker. Diese Idee ist mit einer eigenen Spiritualität behaftet - die aber natürlich mehr aus dem Shinto kommt als auch dem Zen.


    Shokunin ist ein japanisches Wort für "Kunsthandwerker" oder "Handwerker", das auch den Stolz auf die eigene Arbeit ausdrückt. Mit den Worten des Shokunin Tashio Odate:


    Zitat

    Shokunin bedeutet nicht nur handwerkliches Geschick, sondern impliziert auch eine Haltung und ein soziales Bewusstsein ... eine soziale Verpflichtung, sein Bestes für das allgemeine Wohl des Volkes zu geben, [eine] Verpflichtung sowohl in materieller als auch in geistiger Hinsicht


    Traditionell ehrten die Shokunin zu Neujahr ihr Handwerkszeug - die geschliffenen und gepflegten Werkzeuge wurden in einen tokonoma (ein Behälter oder eine Kiste, die noch immer in japanischen Häusern und Geschäften zu finden ist) gelegt, und zwei Reiskuchen und eine Mandarine (auf Reispapier) wurden auf jeden Werkzeugkasten gelegt, um die Werkzeuge zu ehren und Dankbarkeit für die Erfüllung ihrer Aufgabe auszudrücken.

    Dies Ehrung des Handwerkszeugs hat damit zu tun, dass im Shintoismus nicht nur Bäume oder Berge als Sitz des Göttlichen gesehen wird sondern eben auch so etwas scheinbar triviales wie Werkzeuge. Und von daher ist ihnen Respekt zu erweisen und Betriebsunfälle werden traditionell auf Arbeitmittel zurückgeführt, die man nicht mit Respekt behandelt hat.


    Neben der Hingabe an die Aufgabe und die Werkzeuge kommt der Respekt vor der Natur - dem Rohmaterial:


    Wer der Natur gehorsam ist, erhält den Segen der Natur. Wenn dem Handwerk diese Unvermeidlichkeit fehlt, fehlt ihm auch die Kraft und die Schönheit. Reiche Qualitäten, die man in der Volkskunst sieht, sind Geschenke der Natur. Wenn wir die Schönheit in ihnen sehen, hören wir die Natur sprechen. -Sōetsu Yanagi


    Die Materialien für das Handwerk kommen aus der Natur. Ein Shokunin ist auf natürliche Energie angewiesen, um Materialien in ein Produkt zu verwandeln, und das fertige Produkt wird unweigerlich von der Umgebung beeinflusst, in der es hergestellt wird.

    Der dritte Punkt ist die Hingabe an das Hier und Jetzt der Fertigung, die ja einerseits unglaublich öd aber gleichzeitig anspruchsvoll ist und volle Aufmerksamkeit erfordert:


    Was die Arbeit eines Shokunin von der eines Künstlers unterscheidet, ist, dass solche einmaligen Kreationen in Wirklichkeit das Ergebnis endloser Wiederholungen des Spaltens, Hobelns und so weiter sind. Es ist nicht nur das Ergebnis meiner eigenen Lebenspraxis, sondern auch der Erfahrung, die mir meine Vorfahren in einer ununterbrochenen Reihe von Weisheiten aus alten Zeiten weitergegeben haben. -Shuji Nakagawa

    Der letzte Punkt, ist die das Arbeit eine Hingabe an die anderen sein kann. Kein individuelles Unterfangen sondern ein gemeinsames Projekt und ein Geschenk.


    Die Shokunin existieren als Shokunin, weil andere mit ihnen in Gemeinschaft leben. Bei Asahi-yaki, zu dem ich gehöre, gibt es sechs weitere Shokunin. Obwohl ich meine Arbeit ganz allein machen kann, ist es doch die Asahi-yaki-Töpferei als Ganzes, die die Techniken und die Weisheit der Vergangenheit weitergibt. Ich denke, Shokunin sind Leute, die sich darum kümmern, was "WIR" machen, und nicht, was "ich" mache. - Hōsai Matsubayashi


    Was ich da in der Arbeit sehe, ist dass sie voller Verbeugungen ist. Verbeugungen vor der Arbeit, vor dem Material, vor den Werkzeugen, vor den Kollegen und vor dem Kunden. ( Dies muß alles nicht sichtbar sein)


    Und man kann sich vorstellen, das das in vielen Arbeiten geht. Man muß keine abgedrehten japanische Töpferwaren herstellt, sondern es geht bestimmt genauso wenn man Handies repariert. Oder als Müllmann der sich innerlich vor jeder Tonne ( und den zugehörigen Menschen und Haustieren) verbeugt.


    Wo es nicht geht ist, dort wo man sich nicht verbeugen darf sondern verbiegen muß. Als Handwerker der von seinem Chef zum Pfusch gezwungen wird. Oder als jemand der wen anderes bei Verträgen über den Tisch ziehen soll.

  • Bestatter

    Man meidet z.B. Berufe, die andere schädigen.

    Aber man meidet auch Tätigkeiten, die Gier und Hass fördern und lehnt es ab seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Da kann man schon mal in seinem derzeitigen Beruf näher hinsehen, ob da nicht einiges an Oberflächlichkeit und Bequemlichkeit sich ausgebreitet hat. Wie ist der Umgang mit Kollegen? Wie ist es mit Kunden?

    Es hat etwas paradoxes wenn man länger drüber nachdenkt. Denn ein Runder Schuh wird ja erst draus wenn man sowohl den Beruf nicht ausübt, als auch die Dienstleistungen / Produkte nicht in Anspruch nimmt.

    • Metzger sein / Fleisch konsumieren.
    • Soldat sein / verteidigt werden.
    • Banker sein / eine Baufinanzierung bekommen

    Die Jobs zur linken sind halt gesellschaftlich verankert bzw. eigentlich fast erforderlich. Man kommt nicht ohne erheblichen Mehraufwand ohne sie aus (wenn überhaupt). Also klar, Vegetarische Ernährung geht vermutlich noch am einfachsten. Mit seinen Steuergeldern keine Armee zu finanzieren geht nicht mehr, und man stößt an die ethischen Probleme der Realpolitik, die man ja im Pazifismus-Diskurs immer wieder durchdekliniert. Was ist mit dem Feldarzt? Er heilt (ethisch positiv bewertet), aber ist doch irgendwie in Kriegshandlungen verstrickt. Es ist zum Mäusemelken.


    Ich würde also eher die Berufswahl-Frage nicht über ein Ausschlussverfahren angehen, sondern eher überlegen, wie kann ich positiv in die Welt hineinwirken.


    Und unmittelbar im Anschluss nochmal gegenchecken: Passt dieser Job zu mir, oder macht er mich ggf. kaputt. (nicht jeder kann z.B. von der Persönlichkeit gut Lehrer sein, selbst wenn die akademische Qualifikation locker erreichbar ist).

  • Den Soldaten, der verteidigt, würde ich gar nicht pauschal kritisch sehen. Genauso wenig wie den Banker, der eine faire Baufinanzierung zur Verfügung stellt. Ich glaube, in vielen Branchen lohnt es zu differenzieren, was genau an einem Arbeitsplatz gemacht wird, ob die konkrete geleistete Arbeit positiv in die Welt hineinwirkt.

  • Zum Beispiel in was für Tätigkeiten man als Kind - ohne es jetzt für jemand anderen zu tun - ganz aufgegangen ist. War es beim Kinderflohmarkt oder beim Malen oder ganz was anderes?

    Nach kurzem Nachdenken war eins der wenigen Dinge, wo ich wirklich in der Kindheit aufgegangen bin das Durch-Schnurrten, wenn die Eltern mal weg waren von allem möglichen, was mir so in den Sinn gekommen ist. Keine Schublade, kein Schrank und auch nicht die hintersten Winkel waren vor meinen neugierigen Blicken sicher. Und ich habe auch heute noch das Gefühl, wirklich alles gefunden zu haben :)

  • Man musst bereit sein, mit dem ganzen Körper zu handeln. Jedes einmischen des Ego, das will ich nicht, das ist niedrig, das kostet zu viel Zeit, das ist langweilig, das ist unterbezahlt sind alles faule Ausreden, die die Trägheit zu tun unterstützen und stärken.


    Ich wollte nie Koch werden und ich bin auch keiner geworden, aber ich habe gelernt gut zu kochen. Andere halten mich für einen Koch, die haben keine Ahnung, dass ich nie einer war.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • In Japan gibt es ja den Begriff des Shokunin - das ist so eine Art meisterlicher Kunsthandwerker. Diese Idee ist mit einer eigenen Spiritualität behaftet - die aber natürlich mehr aus dem Shinto kommt als auch dem Zen.


    Shokunin bedeutet nicht nur handwerkliches Geschick, sondern impliziert auch eine Haltung und ein soziales Bewusstsein ... eine soziale Verpflichtung, sein Bestes für das allgemeine Wohl des Volkes zu geben, [eine] Verpflichtung sowohl in materieller als auch in geistiger Hinsicht

    Das war doch mal ein interessanter Beitrag, danke dir... ich hab bis jetzt Handwerksberufe trotz handwerklichem Geschick abgelehnt, wegen der Dumpfheit und Sinnlosigkeit. Aber mit dem Faktor des Shokunin ist wieder mehr denkbar...

  • Den Soldaten, der verteidigt, würde ich gar nicht pauschal kritisch sehen. Genauso wenig wie den Banker, der eine faire Baufinanzierung zur Verfügung stellt. Ich glaube, in vielen Branchen lohnt es zu differenzieren, was genau an einem Arbeitsplatz gemacht wird, ob die konkrete geleistete Arbeit positiv in die Welt hineinwirkt.

    Da gehe ich mit. Sofern eben nicht die befehlskette doch einen Angriff befiehlt. Das führt dann zur Frage: ist es ethisch geboten die Freiheit/unabhängigkeit zu maximieren, um nicht Werkzeug zu werden.

  • Ich wollte nie Koch werden und ich bin auch keiner geworden, aber ich habe gelernt gut zu kochen. Andere halten mich für einen Koch, die haben keine Ahnung, dass ich nie einer war.

    Solche Töne hörte ich auch öfter von meinem Mann, der seinen Beruf nie wirklich liebte.... ;)


    Ein Onkel war "schuld", der ihm einst den Beruf des Kochs anempfahl ("Gegessen wird immer und du kannst dich selbständig machen.").

    Aus der Sicht der Ehefrau kann ich nur sagen, dass dieser Beruf meiner "besseren Hälfte", dazu führte, dass ich quasi alleinerziehend war, Urlaube fielen kurzfristig ins Wasser, Wochenenden, Feiertage, die Abende - immer musste Otto in der Küche schuften (Lehrlinge brachen meist nach kurzer Zeit ab, weil sie nur ausgebeutet wurden)...


    Und ich bekam dann bei jeder Gelegenheit, in unserer Kleinstadt, wo er bekannt ist, wie ein bunter Hund, die Bewertungen seiner Kochkünste ungefragt mitgeteilt..... :lol:

    "Sag mal dem Otto, dass die Bratkartoffeln gestern Abend matschig waren!" :roll: "Der Otto macht die besten Frikadellen!" :grinsen: ...)


    (Wenn du mal eine Familie gründen möchtest, lieber Mentus , werde bitte nicht Koch! ;))


    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    Loslassen....öffnen... - und alles fügt sich.


    "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." (F. Hölderlin)


    "...In der Aufhebung des Begehrens (tanha) besteht die Aufhebung des Leidens.

    Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..."

    (AN.VI.63)

  • Den Soldaten, der verteidigt, würde ich gar nicht pauschal kritisch sehen. Genauso wenig wie den Banker, der eine faire Baufinanzierung zur Verfügung stellt. Ich glaube, in vielen Branchen lohnt es zu differenzieren, was genau an einem Arbeitsplatz gemacht wird, ob die konkrete geleistete Arbeit positiv in die Welt hineinwirkt.

    Da gehe ich mit. Sofern eben nicht die befehlskette doch einen Angriff befiehlt. Das führt dann zur Frage: ist es ethisch geboten die Freiheit/unabhängigkeit zu maximieren, um nicht Werkzeug zu werden.

    Freiheit zu maximieren hat auch Kosten. Sicherheit gleichermaßen wie Verbundenheit oder Effizienz und Nutzen von persönlichen Interessen, Freude und Interessen bei der Arbeitsteilung.

    Ich habe beim Wort Maximieren Fragezeichen im Kopf, gerade mit der Ethik im Satz. Weil die Ethik im Alltag in komplexen Situationen mitunter keine eindeutigen Lösungen mehr bereit hält.

    Edited once, last by GKH ().

  • Den Soldaten, der verteidigt, würde ich gar nicht pauschal kritisch sehen. Genauso wenig wie den Banker, der eine faire Baufinanzierung zur Verfügung stellt. Ich glaube, in vielen Branchen lohnt es zu differenzieren, was genau an einem Arbeitsplatz gemacht wird, ob die konkrete geleistete Arbeit positiv in die Welt hineinwirkt.

    Da gehe ich mit. Sofern eben nicht die befehlskette doch einen Angriff befiehlt. Das führt dann zur Frage: ist es ethisch geboten die Freiheit/unabhängigkeit zu maximieren, um nicht Werkzeug zu werden.

    Freiheit zu maximieren hat auch Kosten. Sicherheit gleichermaßen wie Verbundenheit oder Effizienz und Nutzen von persönlichen Interessen, Freude und Interessen bei der Arbeitsteilung.

    Ich habe beim Wort Maximieren Fragezeichen im Kopf, gerade mit der Ethik im Satz. Weil die Ethik im Alltag in komplexen Situationen mitunter keine eindeutigen Lösungen mehr bereit hält.

    Freiheit kostet sehr viel, genauso viel wie das sich Unfrei gemacht haben, auf Heller und Pfennige genau gleich. Das Aufbauen von Leid ist genauso teuer wie das Abbauen von Leid.

    Abbauen geht mit einem Schlag, ein Ende mit Schrecken, wer will das schon. Die meisten sind an den Schrecken ohne Ende gewohnt.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Weil es hier öfter um den Beruf Koch/Köchin geht, ein kleiner Exkurs hin zu einer buddhistischen Nonne, die als Köchin weltweit berühmt wurde:


    Mittlerweile gibt es auch schon einen Film dazu, lohnt sich anzuschauen.Please login to see this attachment.

  • ... ich hab bis jetzt Handwerksberufe trotz handwerklichem Geschick abgelehnt, wegen der Dumpfheit und Sinnlosigkeit ...

    Was ist denn an einem Handwerksberuf "sinnlos"?


    Mal generell: Sicher mag es sinnvoll sein, sich zu fragen: "Was möchte ich beruflich eigentlich wirklich machen?" Aber wenn du nicht gerade einen Riesenwunsch in dir verspürst, etwas ganz Bestimmtes zu tun, werden dich solche Überlegungen kaum weiterbringen; Vorschläge und Ratschläge von anderen Menchen ebenso wenig.


    Denn was einen Beruf oder eine berufliche Tätigkeit wirklich erfüllend macht, lässt sich nur im realen Prozess erfahren. Das geht über die Lust, etwas Bestimmtes machen zu wollen oder Spaß an bestimmten Tätigkeiten zu haben, weit hinaus. Ein erfülltes Berufsleben entsteht i.d.R. mit der Zeit, in der Tätigkeit. Es ist etwas, das kultiviert werden will. Das hat wahrscheinlich sehr viel mehr mit deiner Einstellung, mit deiner Haltung von Augenblick zu Augenblick zu tun als damit, durch vorheriges Nachdenken genau den einen richtigen Beruf zu finden.


    Mit einer guten Einstellung können sicher viele unterschiedliche Berufe für dich erfüllend sein und zwar immer genau dann, wenn es dir gelingt, ganz in deiner Tätigkeit aufzugehen. Es geht dabei viel um Offenheit für das, was gerade ansteht, um Hingabe und um Loslassen. Darin liegt zugleich der große Segen einer beruflichen Tätigkeit: Es geht hier einmal nicht mehr darum, was ich gerade will oder wozu ich Lust habe. Und was kann befreiender und beglückender sei, als das endlich mal loszulassen, um einfach nur das tun, was gerade ansteht?


    Eine solche Haltung des Loslassens (der eigenen Vorlieben) bringt eine ganz andere Qualität von Glück und Erfüllung. Es ist gewissermaßen so, dass du dich schon qua Definition in jeder beruflichen Tätigkeit ein Stück weit von dem Diktat deines Egos befreist. Und je entschlossener und konsequenter du das umsetzt, desto besser wirst du in dem, was du tust. Und das wird dir dann auch von deinem Umfeld zurückgegeben durch Kolleg*innen, Klientel, Vorgesetzte usw. Alles in allem ist die Hingabe, an das, was immer genau jetzt zu tun ist, auch eine zutiefst buddhistische Haltung.


    Das Wichtigste zum Schluss: Letztlich wirst du trotz aller noch so reiflichen Überlegungen keinen Schritt weiterkommen, wenn du nicht ganz komkret anfängst. Lass dich auf etwas ein. Gerade die heutige Zeit ist perfekt dafür, weil überall Leute gesucht werden. Du kannst Praktika machen, ein FSJ. In viele Berufe kann man wegen des Fachkräftemangels heute auch per Quereinstieg reinkommen. Mein persönlicher Rat wäre: Probier einfach mal dies oder das aus, sammle Erfahrungen und versuche eine Haltung zu kultivieren. Nur so kannst du wirklich erleben, was dir eher liegt und was vielleicht weniger bzw, wo es dir leichter fällt, die gebotene Hingabe zu entwickeln und wo vielleicht schwerer. Wenn sich auf diese Weise ein Weg für dich abzeichnet, wird sich möglicher Weise auch die nötige Motivation für eine Berufsausbildung finden (z.B. berufsbegleitend).


    Wie gesagt: Das sind alles Entwicklungen, die sicht nicht von selbst einstellen, sondern die erarbeitet werden wollen - aber es lohnt sich!

  • Danke Tai, vorallem für die Frage "was ist denn an einem Handwerksberuf sinnlos".


    Gerade im Zen wird das hoch geschätzt. Und ich wünschte, dies würde auch hier so geachtet.


    Im übrigen kann handwerkliche Arbeit, z.B. Tischlerin, sehr meditativ sein. Und man sieht, was man "schafft".


    :heart:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Das war doch mal ein interessanter Beitrag, danke dir... ich hab bis jetzt Handwerksberufe trotz handwerklichem Geschick abgelehnt, wegen der Dumpfheit und Sinnlosigkeit. Aber mit dem Faktor des Shokunin ist wieder mehr denkbar...

    Also, jetzt muss ich mich auch mal einmischen.

    Mentus , Du schreibst, wenn Du als Kind allein warst, dann hast Du alles bis in den hintersten Winkel erforscht, Schubladen undsoweiter. Nichts konnte Deiner Neugier standhalten.

    Es ist aber so, dass neugierige Menschen die Intelligentesten sind, siehe A. Einstein:

    "Ich habe keine besondere Begabung. Ich bin nur leidenschaftlich neugierig."

    Im äußerst krassen Gegensatz dazu steht, dass Du überhaupt keine Idee hast, was für einen Beruf Du ausüben könntest, Zen hin oder her (ist vermutlich nur vorgeschoben, das mit dem Zen).

    Wie kann es da sein, dass Du Handwerksberufe als dumpf und sinnlos betrachtest? Das ist doch immer eine Frage der Perspektive! Als Tischler zum Beispiel kannst Du eine eher monotone Schiene wählen, indem Du Dich als Einbauküchen-Aufbauer in einer Möbelfirma betätigst (obwohl selbst das spannend sein kann!). Aber Du kannst Dich auch spezialisieren und atemberaubende, außergewöhnliche Unikate und Prachtstücke kreieren, die Deiner ganz eigenen Fantasie entspringen.

    Mir scheint, Du hast ein ganz anderes Problem. Du bist lustlos. Irgendwas zieht Dich runter, und es wird nicht mehr lange dauern, dann wird das Zen Dich auch langweilen.

    Man kann in einen Menschen nicht hineinsehen und ich habe keine Ahnung, was da los ist. Das ist was für Spezialisten.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Naja, Spezialisten Amdap. Es reicht schon zu wissen, dass Lustlosigkeit ein Verlust an Energie ist und wie man sie "wiedergewinnt".


    "Alles, was ich brauche, ist Energie. Und Energie bekommt man, indem man sich selbst und alle/ andere/n vorurteilsfrei beobachtet und untersucht."

    Carlos Castaneda


    Immer wieder in all den Jahren, wenn ich mich so ähnlich fühlte, fiel mir zum Glück dieses Zitat ein. Und ich erkannte, ich war nur negativ, alle sind blöd, Leben ist Scheiße und ich habe nicht mal Kraft saubermachen.

    So ging es mir auch in diesem Jahr und nun bin ich wieder frei. Durch Hinwendung zur Lehre, durch "Üben an Rechter Rede ...", Vorurteile, die sich wieder angesammelt hatten, abbauen.


    Ansonsten stimme ich Dir voll zu.


    :heart: Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Man, man, da mag einer's Handwerk nicht und das Dorf ist in Aufruhr. :grinsen:

  • Kleine Ergänzung zu #43:

    Sehr neugierige Menschen sind gleichzeitig sehr kreative Menschen.

    Das steigert sich gegenseitig, und darum langweilen sie sich nie. Sie sprühen nur so vor Ideen und können es kaum erwarten, sie umzusetzen.

    Darum bin ich so perplex, dass wir hier einen Fall haben, bei dem es scheinbar nicht so ist.

    Ich bin sprachlos, wie hier Neugier und Ratlosigkeit gleichzeitig existieren können. Nach meiner Erfahrung schließen sie sich gegenseitig aus.

    Darum meine Ahnung, dass hier noch ein anderer Zustand bzw. Sachverhalt vorliegen müsste, dessen es wahrscheinlich eines Spezialisten bedarf.

    Ich bin überzeugt, dass wir hier nicht weiterhelfen können. Die Vorschläge, die gemacht wurden, hat Mentus sicherlich schon selbst alle durchdacht, das wird ihm wohl kaum weitergeholfen haben.

    Ich möchte Carlos Castaneda zurufen: Neugier ist ein Ausdruck von Energie, kann sie außerdem befeuern.

    Neugier ist das Zauberwort! Und wenn du neugierig bist, dann bist du ganz natürlicherweise Anderen gegenüber vorurteilslos.

    Bist du kreativ, dann bist du neugierig, und bist du neugierig, dann bist du kreativ.

    Jedes Ding birgt eine explosionsartige Weiterentwicklung in sich, darum kann das Leben gar nicht langweilig sein, auch am Fließband nicht.


    ( @Ole1 : Welches "Dorf"?)

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Neugier und andere zur Neugier anstacheln und das gefundene zerlegen und neues um zu machen oder anderes zu finden.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Sehr neugierige Menschen sind gleichzeitig sehr kreative Menschen.

    Das steigert sich gegenseitig, und darum langweilen sie sich nie.

    Das muß nicht so sein. Neugierig zu sein kann ja bedeuten, dass man dauernd Neues und Ungewohntes braucht, was dann umgekehrt bedeuten kann, dass man darunter leidet, wenn etwas gleichbleibend und monoton ist. Kreativität entsteht nur bei Menschen, die es schaffen, den freien Flug der Gedanken mit der Mühsal der Umsetzung zu verbinden. Thomas Edison sagte, mal " Kreativität ist zu 1% Inspiration und zu 99% Transpiration”. Phasen der Ideenfindung wechseln mit Phasen fruchtloser Experimente, mit rigider Analyse und dem Hinarbeiten auf ein Ziel ab, was Sitzfleisch, Disziplin und Fokus braucht. Neugierde ist für Kreativität zwar notwendig aber nicht hinreichend.

  • Und so wird es zu einer Sucht stilisiert, die unbedingt geheilt werden muss, Neu-Gier bringt ja alles durcheinander. Und ein Fachmann ist auch schon da. Kreativität ohne Neugier ist blöde vor sich hin dümpeln. Blöde heiß nicht des Selbstdenkens und Entwickeln seines eigenen Lebens fähig. Wenn kein Fachmann da ist kein Wissen. Was man heute für normal hält, nannte man früher Dorftrottel, weil nichts Eigenes erscheint.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Und so wird es zu einer Sucht stilisiert, die unbedingt geheilt werden muss, Neu-Gier bringt ja alles durcheinander. Und ein Fachmann ist auch schon da. Kreativität ohne Neugier ist blöde vor sich hin dümpeln.

    Es gibt auch eine Neugierde ganz ohne Kreativität. So sind ja manche von ihrem Alltag so gelangweilt, dass sie immer neue Reizen brauchen - neue Serien, neue Spiele, neue Computerspiele.


    Bei dieser Gier nach Neuem verwendet man das Wort "Neugier" aber meistens nicht. Neugierig sein ist eher ein aktiver und spielerischer Prozess, wo man sich dem dem Unbekannten aussetzt. Es ist freudvoll. Das unterscheidet es von einer Guer nach Neuem, das eher eine innere Leere überdecken soll. Kreativität ohne Neugierde ist nicht möglich.


    Was ich verblüffend finde ist, wenn Leute in Bereichen die für mich vollkommen langweilig sind, Neugierde und Kreativität entfalten. So ist für mich z.B eine Steuererklärung vollkommen öd ( geradezu schrecklich) aber ich habe Steuerberater erlebt die in der Materie freudig und gewand bewegen wie ein kleines Kind das einen verborgenen Schatz sucht. Das ist toll.