Lieber Igor07,
ich glaube, Du hast da etwas missverstanden, aber ganz sicher bin ich mir nicht.
Wenn ich sage, dass ich da einfach keine Verbindung fühle, dann bezieht sich das auf die vorausgegangenen Sätze. Darum zitiere ich das hier im Zusammenhang noch mal:
Wie kann es sein, dass nach - sagen wir mal - vier Jahren eine Amitabha-Puja für eine(n) Verstorbene(n) irgend etwas ausrichten soll, obwohl sich die Bewusstseinsformationen längst ganz anders wieder formiert haben und ein völlig anders zusammengesetztes "geistiges Produkt" daraus eine ganz neue materielle Erscheinung, missverständlicherweise "Wiedergeburt" genannt, in die Welt eingetreten ist?
Ich fühle da einfach keine Verbindung.
Daher kann ich entsprechende Rituale wirklich auch als "magisch anmutende Praktiken" empfinden, die ich entweder sehr neugierig betrachte oder mich peinlich berührt fühle.
Genau gesehen gehören sie eigentlich gar nicht zum essentiellen Buddhismus. Sie sind viel älter, kommen aus dem Schamanismus, und wurden einfach vom Buddhismus absorbiert.
Gleichzeitig nenne ich es auch einen "krassen Widerspruch" (s. Anfang von Beitrag #23), diese Gegenüberstellung von grundlegender Auffassung im Kernbuddhismus einerseits, und Ritualen, die auf Beeinflussung des "Seelen"lebens eines Wesens bzw. dessen Geschlossenheit abzielen, andererseits.
Also hier nochmals:
der Buddhismus kennt ursprünglich kein Weiterleben als geschlossene Seeleneinheit, so, wie es im Hinduismus gelehrt wird (doch ich denke, es gibt auch im Hinduismus davon abweichende Auffassungen, denn den Hinduismus gibt es ja gar nicht, vielmehr ist er religionsphilosophisch sehr heterogen).
Ich habe auch nie gesagt, dass ich an ein weiterexistierendes Etwas nicht glaube. Zugleich muss man skeptisch sein, sofern es nur um Glauben geht. Das sagst Du selbst, denn Du sprichst von dem, was Du spürst. Dabei kommt es zu mir so rüber, als ob Du meinst, dass ich gar nichts verspüren würde, aber das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil ich mich mit meiner Mutter verbunden fühlte, genau deshalb konnte und kann ich kein Porträtfoto von ihr aufhängen.
Meine Mutter war ein sehr nachgiebiger, defensiver Mensch, ließ sich alles gefallen und machte, was andere von ihr wollten. Ihr einziger Anker war ich. Zuletzt war sie sehr schwer dement, doch erstaunlicherweise war sie innerlich immer bei mir und ich war die einzige Person, welche sie noch erkannte.
In den ersten Stunden nach ihrem Versterben sprach ich darum ganz eindringlich zu ihr, sie solle sich nicht zu mir umschauen, sie schaffe es, in das strahlende rote Licht allein zu gehen. Sie sei stark.
Es heißt ja, in der unmittelbar ersten Zeit nach dem Sterben fühlt es sich für den Verstorbenen noch so an, als ob er eine Seeleneinheit sei. Das ist ja auch verständlich, denn die neue Situation ist völlig ungewohnt und der Verstorbene "muss sich erstmal sortieren". So wollte ich auch nicht, dass sie sich nun, da sich bald die Bewusstseinselemente auflösen, an mich klammert oder irgend etwas anderes sie behindert, und das kann z. B. auch so ein aufgehängtes Porträt des Betreffenden sein. Ihr Porträt anzuschauen war nur mein persönliches Bedürfnis, aber wie gesagt nach einer Woche empfand ich es als falsch und als behindernd für das Subtile, was wohl von meiner Mutter übrig geblieben war, darum steckte ich das Bild weg.
Wie Du siehst, sind wir, was das Empfinden betrifft, also gar nicht so weit auseinander.
Allerdings glaube ich nun, dass bei mir doch mehr vorherrscht, dass ich das alles nur träume, während Du erklärst, Dir käme Dein Erleben real vor.
Ich kann mir gut vorstellen, dass schamanische Rituale da eine Verbindung zwischen einem selbst und dem, was das Ritual bewirken soll, schaffen können. Hilfsmittel sozusagen, damit man sich innerlich besser öffnen kann. Im alten Buddhismus dominierte aber eine Skepsis gegenüber solcher vielen bunten Rituale, ganz zu Recht.
Und heute muss man sich wieder fragen: warum hat der Buddhismus immer dort, wo er hingekommen ist, die vorhandenen Riten absorbiert? Nun, es waren ähnliche Gründe wie beim Christentum. Das ist aber ein anderes Thema.
Doch das ist der Grund, warum wir oft, wenn wir so etwas in fremden Ländern verfolgen, uns befremdet und befangen fühlen und uns gar nicht damit verbinden können.
Warum sollte man nicht selbst ein Ritual erfinden, wenn einem danach ist?
Was meint Ihr dazu, habt Ihr sowas schon mal gemacht?