Das selbstverständlich ist kein logischer Weg, wie sollte das auch gehen? Es gibt eine empirische Stringenz.
void erinnerte mich daran, bei der Frage des "Anfängers" zu bleiben. Was steckt m.E. hinter manchen Fragen von Kaiman (Thread hier)? Dass er - wie ich - über die Unlogik der schriftlichen Überlieferung stolpert. Was könnte die Lösung sein? Sich von vornherein klarzumachen, dass es nicht darum geht, eine Religion zu adaptieren, also das Geschriebene nach- oder anzubeten, sondern einen spirituellen Weg zu betreten, bei dem ich mich von Überlieferung inspirieren lassen kann. Empirische Stringenz ist dann lediglich "meine" Erfahrung mit der Überlieferung. Das ist wichtig, und im Zen ist es, vereinfacht ausgedrückt, der Unterschied zwischen dem Autor des Biyänlu (Hekiganroku), Yuanwu Kegin, der unbedingten Glauben einforderte, und Dahui, der den "großen Zweifel" verlangte (bzw. im Palikanon jene Lesart des Kalamer-Sutra, nach der alles kritisch selbst zu prüfen sei). Es braucht da von vornherein eine gewisse Ergebnisoffenheit bei gleichzeitigem Vertrauen, dass am Gesagten was dran sein könnte. Sonst sucht man lediglich nach Bestätigungen, wie einer, der einen geliebten Menschen verlor und dann nach "Zeichen" seiner Anwesenheit in Natur, Tieren usw. fahndet und wahrscheinlich auch Bestätigungen findet, weil er das eben so will.
Ich gebe jetzt ein Beispiel aus o.g. Thread, was das in der Praxis bedeutet. Lesart Sotta ist "Glauben", d.h. der Text wird einfach als solcher als die Antwort präsentiert, ohne weitere Reflektion.
Kaimans Frage war:
Wenn jedoch alles unpersönlich und vergänglich ist , wie kann dann überhaupt etwas anderes daraus entstehen, nämlich persönliches Bewusstsein.
Sotapannabumms Antwort besteht aus MN 44: Der Ursprung der Persönlichkeit ist Begehren, nämlich nach Sinnesintensität und Dasein. Dieses führe zum "Wiederwerden".
Was passiert hier wohl mit dem "Anfänger"? Er sagt sich, ich soll also das Begehren nach Sinnesintensität und nach dem Dasein abstellen, dann fällt auch "Persönlichkeit" weg. Als nächstes wird ihm klar, dass er ein solcher Zombie nicht sein will. Er will weiter sein Essen genießen, seine Freundin, das Sonnenlicht auf der Haut, und vor allem will er gerne leben (Begehren nach Dasein). Wenn er so ein bisschen darüber nachdenkt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als "empirisch" zum Schluss zu kommen, dass diese Ansicht von einem Asketen stammen muss. Oder aber der "Anfänger" wird religiös, er glaubt das Gesagte, wohl wider seine eigene Erfahrung, und trainiert sich das Begehren ab und schaut, was da sonst noch so alles steht.
Auf jeden Fall ist hier bereits durch eine durchaus passende Textantwort das große Fass aufgemacht, nämlich dass der Buddha, wie der Anfänger dann bei weiterer Lektüre feststellen würde, an ein "Wiederwerden" infolge Begehren glaubte, und zwar ein Wiederwerden im Dasein. Der Buddha glaubte also letztlich - denn der Anfänger hat ja deutschen Biologie-Unterricht genossen und weiß es besser - dass nicht das fitteste Spermium sich durchsetzte, um seine Mutter zu befruchten, sondern dass "er" irgendwann mal jemand war, der zu sehr am Dasein haftete und sich nun wieder als Kaiman irgendwo inkarnierte. Nun kann Kaiman sich aber nicht an sein Dasein als Spermium erinnern und die Vorgeschichte und den Buddha nicht wirklich widerlegen.
Aus diesem Dilemma kommt man m.E am Besten heraus, wenn man diese Geschichten gleich umsetzt von ihrer Wörtlichkeit in eine brauchbare Bedeutung im Alltag. Was passiert, wenn ich nach Sinneslust strebe? Ich werde zuweilen frustriert. Was passiert, wenn ich am Dasein hänge? Ich werde Angst vor dem Sterben haben. Usw. Dann kommt man dem Motiv von Buddhas Suche auf die Spur und kann sich selbst den "mittleren Weg" durch diese Texte bahnen. Der Buddha war einer, der sich Frust ersparen wollte.
Begehren nach Dasein und Sinnesintensität sind wesentliche Antriebskräfte und sichern unser Überleben. Man kann also wirklich nur hoffen, dass ein Anfänger solche Texte ganz aufrichtig mit dem abgleicht, was er tatsächlich empfindet. Ein Psychologe auf Tiktok gab kürzlich einen Rat, den er als den einzigen aus seiner klinischen Erfahrung bezeichnete, der praktisch immer Depressiven geholfen habe (ich nehme an, nur kurzfristig): Man solle den Papagei im Hirn, der einen ständig mit Müll zuplappert, darauf trainieren, einem ständig zu sagen: "Du bist großartig, du schaffst das, du bist okay!"
Der Anfänger im Buddhismus sollte sich - da er ja meist aus einer Krise sich dem Buddhismus zuwenden wird - genau das Gleiche sagen, um sich dagegen zu impfen, vom Buddha etwas anderes eingeredet zu bekommen ("wie du denkst und was du tust, alles falsch"). Auf diesem Hintergrund kann er sich dann gern vom Buddha kritisieren lassen. Aber der eigene Papagei muss auf die o.g. Weise dagegenhalten, weil man sonst das Opfer eines Menschen wird, der ein "Begehren danach, Lehrer zu sein" hatte und schon nach seiner Geburt sich einbildete, er sei "der einzige unter dem Himmel ...". Man braucht für so einen eingebildeten Reichen auch eine gehörige Portion Misstrauen.