Eine seltsame Sache ist, dass früher ja sehr traditionelle Männer und Frauenbilder durchaus mit der Anerkennung christlicher zölibatärer Lebensformen kompatibel waren. Man hätte das nicht als Infragestellung der eigenen Identität empfunden dass es auch Ordinierten gibt. Aber je mehr man sich da von der Liberalisierung der Geschlechterrollen I
unter Druck gesetzt fühlt, desto dünnhäutiger werden da anscheinend manche.
Woher kommt dieses extreme Hängen an der Geschlechterrolle?
Ich sehe dafür zwei Ursachen.
Erstmal, wie ich schon am Anfang schrieb: Wenn mentale Modelle kaputtgehen, macht uns das handlungsunfähig und das erzeugt Stress, und bei alten, gut verbundenen Modellen, noch mehr. Bleiben wir beim angeführten Beispiel eines cishet Manns: Lehnt er wirklich alles außer einer cishet Frau als Partner ab? Was ist mit einer biologischen Frau, die nicht-binär ist? Wieviele Männer gaben heimlich schon zu, thailändische Ladyboys gemocht zu haben? Das ist im binären Modell alles sehr einfach zu beantworten und es liegt nahe, alles Andere als ungültig zu erklären, wenn man sich die Fragen nicht stellen will.
Zum anderen haben wir auf persönlichem Level schlechte wirtschaftliche Zeiten, weil die Ausgaben immer weiter steigen, aber das Realeinkommen oft sogar sinkt. In solchen Zeiten sind konservative Positionen beliebt, die eine idealisierte Vergangenheit versprechen, die es so nie gab und auch nicht wieder geben wird, und die gerne Minderheiten als schuldig erklärt. Das ist einfach angenehmer als progressive Positionen, die noch mehr Chaos anrichten wollen. Dieses Muster gab es in der Vergangenheit schon oft. Letztlich löst eine Ideologie eine Andere ab, und jede scheitert, weil Ideologien universelle Antworten geben, die aber irgendwann nicht mehr passen.
Zusammen ergibt sich dann schnell die genervte Position "Ich hab schon genug Mist im Leben, mich nicht auch noch mit so einem Kram befassen zu müssen."