Was ist das Ich? Wir Menschen erleben uns in der Regel als ein Ich oder Selbst. Wir erfahren uns als Handelnde und Erleidende mit einem erfahrenden Zentrum, dem Ich oder Selbst. Was ist dieses Ich oder Selbst, das wir in unserer alltäglichen Erfahrung so unhinterfragt und selbstverständlich erleben? Wenn wir es untersuchen, woraus besteht es? Wo ist es verankert? Welche materielle Basis hat es möglicherweise? Gibt es einen Unterschied zwischen Seele, Ich und Selbst?
Was ist das Ich?
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Das ich ist ein Konstrukt meines Hirns. Es entsteht dadurch dass im Hirn nur Wahrnehmungen über die Sinnesorgane ankommen. Es ist also letztlich die Konsequenz eines großen Informationsfilters, einem biologischen Zensor.
Für eine Unterscheidung zu einem selbst sehe ich wenig Anlass. Interessanter wäre die Frage wie sich das ich zum „Du“ verhält, und wie es sich zum „wir“ verhält.
Die Seele ist die These, dass das ich eine Essenz hätte (also nicht leer ist im buddhistischer Sinne). Ich denke nicht dass es eine solche Seele gibt.
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Das ich ist ein Konstrukt meines Hirns. Es entsteht dadurch dass im Hirn nur Wahrnehmungen über die Sinnesorgane ankommen. Es ist also letztlich die Konsequenz eines großen Informationsfilters, einem biologischen Zensor.
Du meinst also, dass das Hirn die materielle Basis für das Ich darstellt? Und die Wahrnehmungen sind der Stoff, aus dem das Hirn dann das Konstrukt "Ich" schafft?
Ich mache auch mal einen Versuch einer Definition:
Frei nach Kant ist das "Ich" eine Vorstellung, die alle meine Gedanken, Gefühle und Empfindungen begleitet. Ich bin es, der der dies denkt, fühlt und empfindet. In diesem Sinn ist es das Zentrum oder die Perspektive aus der ich die Welt erlebe. Man könnte das auch als eine raumzeitliche Positionalität bezeichnen. Ich bin hier und nicht dort. Ich bin jetzt und nicht vergangen oder zukünftig.
Dazu kommt für mich auch die biographische Gewordenheit des Selbst. Ich bin das Selbst, das durch meine Erfahrungen und Lebensgeschichte bestimmt und geprägt wurde. Das vergegenständlichte Selbst meiner Erfahrungen, Überzeugungen, Ansichten, biologisch-leiblichen Reifung und Krankheit, usw...
Für eine Unterscheidung zu einem selbst sehe ich wenig Anlass. Interessanter wäre die Frage wie sich das ich zum „Du“ verhält, und wie es sich zum „wir“ verhält.
Das "Ich" und das "Du" stehen sich erstmal undurchsichtig gegenüber. Sie brauchen die Sprache und den körperlichen Ausdruck, um sich überhaupt verstehen zu können.
Das "Wir" ist eine Ansammlung von "Ichs", in denen das einzelne "Ich" aufgehen kann. Mit dem es sich identifizieren kann.
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Du meinst also, dass das Hirn die materielle Basis für das Ich darstellt? Und die Wahrnehmungen sind der Stoff, aus dem das Hirn dann das Konstrukt "Ich" schafft?
Ja, ich bin in dieser Hinsicht schon in gewisser Weise „materialist“, man kann ja beobachten wie z.b. hirnverletzungen ändern wie sich das „ich“ verhält. Und es gibt für mich keine evidenz dafür dass das ich exkorporal zu finden ist. Das Hirn ist natürlich nur ein Teil des ich’s, der ganze Körper trägt auch bei (Hormone, Nerven, Puls, etc).
Ein absoluter physikalismus ist aber oft einfach für die Fragestellungen des Alltags nicht hilfreich. Das räume ich ein.
Ich mache auch mal einen Versuch einer Definition:
Frei nach Kant ist das "Ich" eine Vorstellung, die alle meine Gedanken, Gefühle und Empfindungen begleitet. Ich bin es, der der dies denkt, fühlt und empfindet. In diesem Sinn ist es das Zentrum oder die Perspektive aus der ich die Welt erlebe. Man könnte das auch als eine raumzeitliche Positionalität bezeichnen. Ich bin hier und nicht dort. Ich bin jetzt und nicht vergangen oder zukünftig.
Dazu kommt für mich auch die biographische Gewordenheit des Selbst. Ich bin das Selbst, das durch meine Erfahrungen und Lebensgeschichte bestimmt und geprägt wurde. Das vergegenständlichte Selbst meiner Erfahrungen, Überzeugungen, Ansichten, biologisch-leiblichen Reifung und Krankheit, usw...Diese Definition ist nachvollziehbar. Aber irgendwie fühlt sich die Definition des Ichs etwas „rekursiv“ an (also der Teil „das Zentrum oder die Perspektive aus der ich die Welt erlebe“). und ich würde sagen dass ich und selbst nach deiner Begrifflichkeit einfach zwei Seiten einer Medaille sind. Also wenn man einen Zylinder betrachten von der Seite sieht man je nach Perspektive ein Rechteck (etwa das ich) und einen Kreis (etwa das selbst). Was wäre dann ein geeigneter Begriff für den ich-selbst-komplex?
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Ja, ich bin in dieser Hinsicht schon in gewisser Weise „materialist“, man kann ja beobachten wie z.b. hirnverletzungen ändern wie sich das „ich“ verhält. Und es gibt für mich keine evidenz dafür dass das ich exkorporal zu finden ist. Das Hirn ist natürlich nur ein Teil des ich’s, der ganze Körper trägt auch bei (Hormone, Nerven, Puls, etc).
Ich stimme da zu. Der ganze Körper trägt zur Ich-Erfahrung bei, wobei das Hirn sicher einen besonders großen Beitrag leistet. Wobei ich der sozialen Welt der Sprache, des Sinns und der Bedeutung eine ebenso großen Beitrag zu der Ich-Erfahrung unterstelle.
Ein absoluter physikalismus ist aber oft einfach für die Fragestellungen des Alltags nicht hilfreich. Das räume ich ein.
Hier würde ich von zwei Seiten einer Medaille sprechen: den Erscheinungen auf einer körperlichen oder hirnphysiologischen Ebene und den Ich-Erfahrungen auf einer Ebene des Sinns und der Bedeutungen.
Diese Definition ist nachvollziehbar. Aber irgendwie fühlt sich die Definition des Ichs etwas „rekursiv“ an (also der Teil „das Zentrum oder die Perspektive aus der ich die Welt erlebe“).
Inwiefern rekursiv, kannst du das näher erläutern?
und ich würde sagen dass ich und selbst nach deiner Begrifflichkeit einfach zwei Seiten einer Medaille sind. Also wenn man einen Zylinder betrachten von der Seite sieht man je nach Perspektive ein Rechteck (etwa das ich) und einen Kreis (etwa das selbst). Was wäre dann ein geeigneter Begriff für den ich-selbst-komplex?
Mich überzeugt die pragmatistische Unterscheidung, dass das "Ich" eine Spontanitätsinstanz ist und das Selbst ein vergegenständlichtes Konstrukt, das aus unserer sozialen Interaktion und unserer Lebensgeschichte entstanden ist.
Man könnte das auch als unterschiedliche Ebenen der Ich-Erfahrung begreifen. Das eine ist das spontane Erleben der Ichhaftigkeit jeder Erfahrung, das andere ist unser Selbstbild, in dem sich unsere Geschichte und unser Bezug zur Welt ausdrückt.
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Wobei ich der sozialen Welt der Sprache, des Sinns und der Bedeutung eine ebenso großen Beitrag zu der Ich-Erfahrung unterstelle.
Die Sprache ist natürlich ausgesprochen wichtig. Und ist aber auch am Hirn gekoppelt. Also die Wichtigkeit der Sprache steht nicht in Widerspruch dazu dass die Organe eine wichtige Rolle spielen. Bei Computern haben wir Hardware und Software. In unserem Organismus haben wir keine unveränderliche Hardware. alles ist soft inklusive dem physischen.
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Und es gibt für mich keine evidenz dafür dass das ich exkorporal zu finden ist.
Die außerkörperliche Basis für das "Ich" ist für mich die Beziehung zum "Du", also die soziale Interaktion mit Anderen, und die Sprache als sozial existierendes Medium von Sinn und Bedeutung.
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Die Sprache ist natürlich ausgesprochen wichtig. Und ist aber auch am Hirn gekoppelt. Also die Wichtigkeit der Sprache steht nicht in Widerspruch dazu dass die Organe eine wichtige Rolle spielen. Bei Computern haben wir Hardware und Software. In unserem Organismus haben wir keine unveränderliche Hardware. alles ist soft inklusive dem physischen.
Allerdings haben wir als Menschen alle die gleiche evolutionär entwickelte biologische Ausstattung, die uns dazu befähigt uns als Ich wahrzunehmen und (Selbst-) Bewusstsein zu entwickeln. Das könnte man schon als Hardware bezeichnen.
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Das ich ist ein Konstrukt meines Hirns. Es entsteht dadurch dass im Hirn nur Wahrnehmungen über die Sinnesorgane ankommen. Es ist also letztlich die Konsequenz eines großen Informationsfilters, einem biologischen Zensor.
Angenommen, dass das Ich eine Konsequenz eines biologischen Zensors im Hirn ist, warum finden denn dann die Neurobiologen seit Jahrzehnten diesen biologischen Zensor nicht?
Dass im Gehirn nur die Sinneswahrnehmungen ankommen und verarbeitet werden, stimmt ja auch nicht. Schließlich gibt es das geistige Bewusstsein, das wahrnimmt ohne sich auf physische Sinnesorgane zu stützen.
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Das Ich ist ein geistiges Gebilde. Das Bewusstsein erfährt körperliche und geistige Phänomene, allen voran das Ich: Ich sehe, höre, denke, fühle usw. Aufgrund von Unwissenheit und Begehren werden Körper und Geist als ein Ich wahrgenommen, obwohl es nur zusammengesetzte Elemente sind.
Das Ich ist ebenfalls ein Objekt - es scheint als könnte ich mich selber wahrnehmen, in Wirklichkeit ist die Person auch nur eine Erscheinung im Bewusstsein und das Bewusstsein selber ist ebenfalls kein Ich.
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Als Romulus Rom gründete zog er zuerst mal mit dem Pflug eine Furche - dies sollte seiner zukünftige Stadtmauer sein. Aber sein Bruder Remus verspottete ihn, indem er darüber sprang - worauf ihn Romulus mit dem Worten „So möge es jedem ergehen, der über meine Mauern springt!“
erschlug.
Die genaue Form der Furche - ob Romulus jetzt sechs oder sieben Hügel umfurchte ist relativ egal - wichtig ist die Gewalt die beim Überschreiten der Grenze ausbricht
Von daher geht auch die Frage "Was ist das ich" in eine falsche Richtung. Es ist nur eine Recht beliebige Furche. Wichtig ist der sehr reale Prozess des "Anhaftens an einem Ich" - die Gewaltbereitschaft wenn die Grenze verletzt wird. Allein dies ist wichtig. Angenommen Remus wäre über die "Mauer" gesprungen wenn Romulus geschlafen hätte. Das wäre recht egal gewesen. Oder auch ob Romulus seine Stadt ein paar Kilometer nördlich gegründet hätte.
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Desto mehr das ICH durchschaut wird, desto klarer werden die verheerenden Auswirkungen, sobald es meint, sich verteidigen zu müssen.
Das fällt besonders ins Auge, wenn es bei "Anderen", die (noch) nicht bereit sind oder davon noch nicht einmal gehört haben, ihre unheilsamen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen (müssen).
Allein dafür ist es schon ein Segen, sich mit der Lehre vom Nicht-Ich zu beschäftigen.
Was könnte alles verhindert werden.
Zum Glück geht es nur um M-ICH
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Als Romulus Rom gründete zog er zuerst mal mit dem Pflug eine Furche - dies sollte seiner zukünftige Stadtmauer sein. Aber sein Bruder Remus verspottete ihn, indem er darüber sprang - worauf ihn Romulus mit dem Worten „So möge es jedem ergehen, der über meine Mauern springt!“
erschlug.
Das ist im Grunde ja eine Erzählung der Inbesitznahme von Land. So haben sich manche Philosophen auch den Übergang von einem - je nach Sichtweise entweder anarchischen oder paradiesischen - Naturzustand in einen Zustand mit Eigentumsverhältnissen vorgestellt. Da hat sich einer entschieden seine Flagge in die Scholle zu rammen und von da an war dies sein Land. Das Ich ist zu einem gewissen Grad vielleicht auch so ein herrenloses Land im Naturzustand. Wann ist der Zeitpunkt, an dem das Anhaften beginnt und der paradiesische Zustand verlassen wird. Das ist doch die entscheidende Frage, die natürlich mit der Frage danach, was denn das Ich eigentlich ist, was zu ihm gehört und was nicht aufs engste zusammen hängt. Oder nicht?
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Das Ich ist ein geistiges Gebilde. Das Bewusstsein erfährt körperliche und geistige Phänomene, allen voran das Ich: Ich sehe, höre, denke, fühle usw. Aufgrund von Unwissenheit und Begehren werden Körper und Geist als ein Ich wahrgenommen, obwohl es nur zusammengesetzte Elemente sind.
Das Ich ist ebenfalls ein Objekt - es scheint als könnte ich mich selber wahrnehmen, in Wirklichkeit ist die Person auch nur eine Erscheinung im Bewusstsein und das Bewusstsein selber ist ebenfalls kein Ich.
Das ist ja so in etwa die gängige buddhistische Lehre. Das ist das Ergebnis der Untersuchung des Ichs, wie es in der Tradition übermittelt ist. Aber was begegnet uns, wenn wir das Ich untersuchen tatsächlich, was nehmen wir wahr, was erfahren wir, wenn wir uns als ein Ich erfahren?
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Das fällt besonders ins Auge, wenn es bei "Anderen", die (noch) nicht bereit sind oder davon noch nicht einmal gehört haben, ihre unheilsamen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen (müssen).
Von daher geht auch die Frage "Was ist das ich" in eine falsche Richtung. Es ist nur eine Recht beliebige Furche. Wichtig ist der sehr reale Prozess des "Anhaftens an einem Ich" - die Gewaltbereitschaft wenn die Grenze verletzt wird.
Spannend ist ja auch die Frage, wodurch wird das Ich zu einer Grenze, die verletzt werden kann.
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Durch Angst wird das Ich zu einer Grenze.
Wenn ich die Angst vor Verlust, Schmerz, Tod ... verloren habe, ist da kein ICH mehr, das verletzt werden kann - weder durch scheinbare Beleidigung noch durch Ablehnung und mangelnde Anerkennung und und und
Und da gibt es keine Grenze mehr, denn da ist kein Feind. Sie ist aufgehoben.
Für mich übrigens das Symbol des Mauerfalls - daher die große Freude, als das geschah, denn das wünschen wir uns im Grunde alle. Und dann ging dieses "Tor" wieder zu.
Wir schützen UNS, weil wir Angst voreinander haben.
Erst wenn unser Vertrauen so stark ist, dass wir vor Niemandem und NICHTS mehr Angst haben, können wir das Kämpfen aufgeben.
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Wenn ich die Angst vor Verlust, Schmerz, Tod ... verloren habe, ist da kein ICH mehr, das verletzt werden kann - weder durch scheinbare Beleidigung noch durch Ablehnung und mangelnde Anerkennung und und und
Da stimme ich dir prinzipiell zu. Aber ein Ich ist trotz dieser Verminderung oder sogar Auflösung von Ich-Anhaftung weiterhin da, in dem Sinne, dass du dich als ein Ich erlebst, oder ?
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Ja, natürlich. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, es zu durchschauen, zu er-kennen und sich nicht dieser Illusion zu unterwerfen.
Das kann ich aber nur, wenn ich weiß, wie es funktioniert, wie es aufgebaut ist, also konditioniert durch Erziehung, Abstammung, Vorlieben und Abneigungen.
"Verblendung - Gier - Hass"
Das ICH ist für mich identisch mit dem sogenannten Verstand, den ich nicht als meinen Meister betrachte, sondern als meinen Diener - ähnlich einer Speicherkarte. Da kann nur rauskommen, was reingetan wurde.
Und auch das muss ich immer wieder überprüfen, ob das noch so stimmt.
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Spannend ist ja auch die Frage, wodurch wird das Ich zu einer Grenze, die verletzt werden kann.
Es ist "Anhaftung" ( upādāna) die Beliebiges zu einer Grenze macht, die durch Gier und Hass aufrecht erhalten wird.
Bei einfachen Tieren ist die Grenze der Körper. Einzeller haften an bestimmten Sollwerten für Salzgehalt, Nährstoffegehalt, PH-Wert und wenn ein Wert falsch ist setzt das ein Tun in Bewegung - Membranen werden geöffnet oder geschlossen, Geiseln wedeln. Alles dient der Auferhaltung einer Form inmitten wechselnder Umstände
Auch beim Mensch ist das Ziel der Anhaftung sehr stark der eigene Körper und sein materielles Wohl. Aber wir haben die Freiheit auch an allen möglichen andere zu haften und da die wichtige Ich-Grenze zu errichten. An Menschen zu haften, an Ideen wie "Nation" oder "Gerechtigkeit", an Organisationen oder Emotionen.
Bei Romulus triggert man Gewalt wenn man über seine Furch hüpft, bei wem anderes wenn man seine Mutter beleidigt oder seinen Präsidenten oder wenn man Star Trek besser findet als Star Wars. Das Ich selber ist so beliebig dass man da gar nicht groß drüber reden muß.
Wichtig sind die Prozesse des Anhaftens die der Grenze Realität verschaffen. Bei Romulus war ja die Stadt Ein nur so eine Idee - und eine Furche ist ja echt nicht impressiv. Nur durch die in die inverstierte Anhaftung und Gewalt wurde etwas reales und wirkmächtiges daraus.
Nur so lange Romulus da eisern wacht und seine Furche abschreitet geht das. Wenn er schläft oder isst, kann jeder Spatz aus und raus hüpfen. Das Gras innen sieht nicht anders als das Gras außen.
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Bei einfachen Tieren ist die Grenze der Körper. Einzeller haften an bestimmten Sollwerten für Salzgehalt, Nährstoffegehalt, PH-Wert und wenn ein Wert falsch ist setzt das ein Tun in Bewegung - Membranen werden geöffnet oder geschlossen, Geiseln wedeln. Alles dient der Auferhaltung einer Form inmitten wechselnder Umstände
Das ist ja noch keine Anhaftung, sondern automatisierte Selbsterhaltung eines biologischen Organismus (mittels Autopoeisis).
Auch beim Mensch ist das Ziel der Anhaftung sehr stark der eigene Körper und sein materielles Wohl. Aber wir haben die Freiheit auch an allen möglichen andere zu haften und da die wichtige Ich-Grenze zu errichten. An Menschen zu haften, an Ideen wie "Nation" oder "Gerechtigkeit", an Organisationen oder Emotionen.
Also ist das Ich nach Deinem Dafürhalten nur die Anhaftung an beliebige Inhalte?
Ich tendiere momentan eher zu der Auffassung, dass es unterhalb des Ich-Anhaftens eine Art bloßes Ich gibt, das eher unschuldig und unproblematisch ist, aber trotzdem unter die Kategorie Ich fällt. Ich denken, dass es sozusagen verschiedene Stufen oder Schichten der Ichheit gibt.
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Allein dafür ist es schon ein Segen, sich mit der Lehre vom Nicht-Ich zu beschäftigen.
Was könnte alles verhindert werden.
Na ja, es tut mir leid, aber ich kann es mir nicht mehr verkneifen. Bevor ein normaler Mensch sein "Ich" aufgeben möchte, sollte er ein starkes und gründlich verankertes "Ich" besitzen, um im Leben zurechtzukommen. Andernfalls geht er ein großes Risiko ein, in der Gesellschaft nicht normal funktionieren zu können.
Bitte nimm das nicht persön-lich , Monika . Danke!
Abschließend bemerkt: Ich habe irgendwo bei Alan Watts gelesen, dass es im alten Indien so ein Brauch war, dass ein Mensch erst dann alles loslassen konnte, wenn er alle seine Verpflichtungen erfüllt hatte. Erst dann zog er sich in eine absolute äußere und innere Abgeschiedenheit zurück und konnte – metaphorisch gesprochen – seine "Speicherkarte" entfernen. Ein PC würde doch auch kaputtgehen, wenn man die Speicherkarte einfach so herauszieht, oder?
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Ich tendiere momentan eher zu der Auffassung, dass es unterhalb des Ich-Anhaftens eine Art bloßes Ich gibt, das eher unschuldig und unproblematisch ist, aber trotzdem unter die Kategorie Ich fällt. Ich denken, dass es sozusagen verschiedene Stufen oder Schichten der Ichheit gibt.
Ja, genau - so eine Zwiebel. Wo ganz draußen das soziale Ich ist. Und dann drunter ein emotionales Ich, ein Trieb-Ich bis eben zu so basalen Sachen wie Hunger und Durst die in der biologischen Selbsterhaltung (Autopoesie) wurzeln.
Die Worte "unschuldig" und "unproblematisch" passen mir nicht so ganz. Ein Ertrinkende der reflexhaft andere in den Tod zieht weil er sich irgendwo festhält um nicht zu sterben ist sicher "unschuldig" in dem Sinne dass er nicht weiß was er tut. Aber unproblematisch ist es nicht.
Ich glaube nicht an eine verlorene Unschuld. Es gibt einen stufenlosen Übergang zwischen dem blinden Lebenstrieb bei einfachen Wesen und unseren Begierden und Anhaftungen. Dies kommt im griechischen Wort "Hybris" rüber, dass beides umfasst:
Das griechische Verb ὑβρίζειν (hybrízein) bedeutet bei Homer ‚zügellos werden‘ oder ‚sich austoben‘ und wird auch auf Flüsse, wuchernde Pflanzen und überfütterte Esel angewandt, die schreien und aufstampfen. Hybris bedeutet demnach ‚mutwillige Gewalt‘ und ‚Frechheit‘ (etwa in der Odyssee gebraucht für Penelopes Freier). Sie bedeutet auch ‚Gier‘ und ‚Lüsternheit‘. Hybrisma bedeutet Frevel, Vergewaltigung, Raub, und fasst im Recht alles zusammen, was einer Gottheit oder einem Menschen an schwerer Unbill zugefügt wird
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Das Ich ist ein geistiges Gebilde. Das Bewusstsein erfährt körperliche und geistige Phänomene, allen voran das Ich: Ich sehe, höre, denke, fühle usw. Aufgrund von Unwissenheit und Begehren werden Körper und Geist als ein Ich wahrgenommen, obwohl es nur zusammengesetzte Elemente sind.
Das Ich ist ebenfalls ein Objekt - es scheint als könnte ich mich selber wahrnehmen, in Wirklichkeit ist die Person auch nur eine Erscheinung im Bewusstsein und das Bewusstsein selber ist ebenfalls kein Ich.
Das ist ja so in etwa die gängige buddhistische Lehre. Das ist das Ergebnis der Untersuchung des Ichs, wie es in der Tradition übermittelt ist. Aber was begegnet uns, wenn wir das Ich untersuchen tatsächlich, was nehmen wir wahr, was erfahren wir, wenn wir uns als ein Ich erfahren?
Wir erfahren den Körper als Ich. Genauer betrachtet sind da nur Knochen, Fleisch, Muskeln Sehnen, Organe, Flüssigkeiten, Haut und Haare. So gesehen schwindet der Eindruck, dass ich der Körper bin, es ist tatsächlich nur ein zusammengesetzter Organismus. Da scheint es als wäre ich etwas Geistiges, das den Körper betrachtet. Die Betrachtung des Geistes ergibt nun, dass er aus einem Zusammenwirken von Denken, Fühlen, Wollen und Bewusstsein besteht.
Ebenso wie ich kein Knochen, kein Fleisch usw. bin, bin ich auch kein Gedanke, kein Gefühl und kein Wille. Wir sind nicht das, was wir gewöhnlich als Ich erfahren, das wird klarer wenn man so genau betrachtet. Das mag ein Unbehagen auslösen, oder Angst den Halt zu verlieren und ins Bodenlose zu stürzen. Das Ich droht sich aufzulösen und der Wille wehrt sich dagegen. Deshalb bleibt die Erfahrung, was das Ich wirklich ist, vorerst verschlossen.
So fragen wir: Was erfahre ich, wenn ich mich als Ich erfahre? Und kreisen weiter um ein imaginäres Selbst. "Ich bin" das ist nicht wahr? Absurd. Die Analyse führt allerdings immer wieder zu dem Ergebnis, dass ich nicht das sein kann, was ich wahrnehme und auch nicht das, was wahrnimmt. So dass am Ende dabei herauskommt, dass ich nicht bin, sondern dass das Ich ist, ein Objekt, ein geistiges Gebilde. Es wird klar, dass diese Erfahrung erst am Ende des achtfachen Übungsweges eintreten wird. Bis dahin lässt sich immer wieder eine kleine Erleichterung erfahren, sobald die Ichbezogenheit etwas zurücktritt. Besonders wenn sich der Eindruck Körper und Geist zu sein ein wenig löst, entsteht eine Ahnung von Freiheit und höheren Glücks.
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Es wird klar, dass diese Erfahrung erst am Ende des achtfachen Übungsweges eintreten wird. Bis dahin lässt sich immer wieder eine kleine Erleichterung erfahren, sobald die Ichbezogenheit etwas zurücktritt. Besonders wenn sich der Eindruck Körper und Geist zu sein ein wenig löst, entsteht eine Ahnung von Freiheit und höheren Glücks.
mukti ,
Ich habe eine kleine Frage. Danke. Wem gehört dann die cetanā? Oder ist alles vorbestimmt? Dann wäre folgerichtig keine
persön-liche Befreiung möglich, oder?Anders ausgedrückt: Wenn absolut alles abhängig entstanden ist, wo bleibt der freie Wille? Wer würde den Weg gehen, um irgendwann Nirvana zu erlangen? Oder wer schreibt das hier? Hm, interessante Frage, oder?
Oder: Wer sollte den achtfachen Pfad üben? Tja..
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mukti ,
Ich habe eine kleine Frage. Danke. Wem gehört dann die cetanā? Oder ist alles vorbestimmt? Dann wäre folgerichtig keine
persön-liche Befreiung möglich, oder?Anders ausgedrückt: Wenn absolut alles abhängig entstanden ist, wo bleibt der freie Wille? Wer würde den Weg gehen, um irgendwann Nirvana zu erlangen? Oder wer schreibt das hier? Hm, interessante Frage, oder?
Oder: Wer sollte den achtfachen Pfad üben? Tja..
Der Wille kann mir nicht gehören, weil seine Regungen Objekte der Wahrnehmung sind. Das Wahrgenommene kann ich nicht sein. Allerdings leide ich noch unter an einem erheblichen Maß an Identifikation, also will ich mit dem Floß der Lehre das andere Ufer, Nibbana, erreichen. Dort wird der Wille nicht mehr gebraucht und fällt weg, vermutlich lässt sich dann auch diese Frage beantworten. Einstweilen ist diese Antwort die einzige Lösung, die ich gefunden habe.