Lehrte Thich Nhat Hanh wirklich Chan?

  • Was für eine Vorstellung vom Universum hast Du? Wir kennen es ja nicht mal in seiner Gänze.

    Klasse Frage.


    Das Universum, das ich (als "kleiner Geist") zur Gänze kenne, ist mein Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken und vor allem mein Denken. Es ist ein verdammtes Ding nach dem nächsten, erträglich gemacht durch viele faszinierende Ablenkungen und Zerstreuungen. Der kleine Geist ist ein genialer Magier.


    :cry: :taenzer:

    Edited once, last by JoJu91 ().

  • es ist auch schön, wenn man da einen Zen-Helden aus einer Geschichte zum Vorbild nehmen kann

    Ja, das war die Geschichte von Hakuin und dem Kind und wo Hakuin immer maximal antwortete „Ist das so?“


    Die Geschichte fiel mir irgendwie zum „großen Geist“ ein. Später erinnerte ich mich das das von Hakuin war.


    Um die Umstände in der Sache besser zu verstehen, muss man nämlich auch wissen, das ein Mönch auf einmal ein kleines Kind hatte, und alle sich fragten, woher hat er das? Hatte er eine Affäre? Ein Mönch macht das doch nicht. „Sein Ruf (Beruf) stand auf dem Spiel“.


    Aber Hakuin blieb gelassen. Noch wusste er wie lange das Kind bei ihm sein würde oder ob die Frau je wieder kommen würde. Noch hielt er es für notwendig sein Verhalten („Universum“) anderen „besser zu erklären“.


    Es gibt viele ähnliche Geschichten. Auch die Geschichte mit der Tasse Tee, wo der Meister ganz langsam Tee dem fragenden Schüler bereitet, dieser aber ganz ungeduldig auf die Antwort von ihm wartet auf die „Geheimnisse des Universums“ und den „Sinn des Lebens“:


    Der Meister antwortet aber nicht sondern lässt ganz langsam die Tasse Tee beim einschenken überlaufen und sagt dann zum Schüler: so wie diese Tasse Tee voll ist bist Du voll von Meinungen, Fragen, Begierden, Fantasien. Wie könntest Du etwas empfangen wenn Du so voll bist? Wenn Du etwas empfangen möchtest musst Du erst „deine Tasse leeren“...

  • Natürlich hatte Hakuin da, weil er im genau dem Moment seine Praxis des stetigen Übens praktizierte, eine loslassendere Haltung, das ist aber immer noch nicht der "große Geist". Wenn du die Tasse leeren willst, vergiss diesen "großen Geist".

  • Die Geschichte lässt sich leicht konterkarieren mit den Dingen, die uns im Leben eher passieren. So ging ich neulich beim Spazieren an einem Karton vorbei, in dem ein offensichtlich sterbendes Kätzchen neben Futter lag. Draußen sprangen noch zwei dünne Junge rum, die Mutter befand sich auf einem Dach und fauchte mich an, als ich mich den Jungen näherte. In dem Karton war ein Schild auf Thailändisch, auf dem wohl "Zum Mitnehmen" stand oder so was. Wahrscheinlich war die Mutterkatze nicht in der Lage, ihren Jungen Milch zu geben.


    Hakuin hatte die Chance, das Kind von vornherein nicht anzunehmen und die Sache zu klären. Die Frage ist ja auch, warum er von Anfang an seinen Mund nicht aufmachte (wobei die ganze Story ja wahrscheinlich erfunden ist oder das Kind am Ende sogar doch von ihm war, wenn man sich so anschaut, was moderne Zen-Lehrer alles treiben).


    Für mich (und andere) stellt sich in solchen Situationen die Frage, welche Wahl wir treffen. Der Zen-Adept, der meint, er hätte keine und es ginge neben dem "Loslassen" nur ums "Annehmen", hat etwas Wesentliches unserer Existenz nicht kapiert - und das fehlt eben in dieser Geschichte.


    Abgesehen davon, dass ich hier keine Katzen mit aufs Zimmer nehmen darf, habe ich wegen zeitlicher und örtlicher "Verpflichtungen" für mich entschieden, die Kätzchen nicht mitzunehmen. Das Loslassen besteht hier darin, die Katzen ggf. auch sterben lassen zu können. Wie man leicht erkennen kann, wird auch so eine Zen-Geschichte draus, wenn man nur will. Vor allem ist es unverkennbar "das Universum, das durch mich wirkt" (Zitat gemäß dem Zen-Lehrer Muho), das hier der Natur ihren Lauf lässt - denn nichts anderes tut das Universum ja. Allerdings ist es nicht besonders "kreativ". In diesem Fall hätte die Kreativität in einer individuellen Entscheidung bestehen können, wie mit den Katzen zu verfahren ist, in einem individuellen "Eingriff".


    Auch Hakuin hätte weiterziehen können.


    Der Denkfehler liegt darin zu glauben, hier hätte irgendetwas anderes als eine individuelle Entscheidung stattgefunden und sie sei - selbst unausgesprochen - vom "Universum inspiriert" gewesen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Edited once, last by Bebop ().

  • Der Denkfehler liegt darin zu glauben, hier hätte irgendetwas anderes als eine individuelle Entscheidung stattgefunden und sie sei - selbst unausgesprochen - vom "Universum inspiriert" gewesen.

    Manchmal ist es auch einfacher von etwas Loszulassen, weil es gar keine andere Möglichkeit gibt:


    zB ein geliebter Mensch stirbt, Oder wir werden ausgeraubt.

    Dann bleiben entweder Wut oder Traurigkeit.

    Und die Frage ist dann wie gehen wir damit um.

    Erkennen wir darin auch das Schicksal des Lebens des Universums, Yin und Yang, an sich?


    Manchmal haben wir auch Erwartungen, das die Dinge so und so laufen.

    Und dann fangen ebenfalls Schwierigkeiten an wenn wir nicht merken das wir Erwartungen haben und wenn die Dinge nicht so laufen wie erwartet.

    Und wir auch nicht merken das wir selbst daran gar nichts ändern können.

    Bzw. den Zeitpunkt Loszulassen nicht erkennen.


    Erkennen wir darin auch das Schicksal des Lebens des Universums, Yin und Yang, an sich?


    Seltsamerweise scheinen wir der Natur eher vergeben zu können als Menschen:

    Weil wir in Menschen entweder böse Absichten erkennen, oder uns nicht geliebt und verstanden fühlen.


    Manchmal wünsche ich mir auch, ich könnte Selbstversorger sein, „eine Hütte im Wald“. Und meine notwendigen Aktivitäten ergeben sich daraus von selbst auf ein Minimum reduziert. Aber auch das ist für einen Anfänger oft schwerer als gedacht.

    Auch Thoreau hat das mal versucht und ist dann doch wieder in die Zivilisation zurück gekehrt: Mit Langeweile und Allein sein umzugehen ist nämlich auch nicht einfach.


    So ist das Ganze (Zen) auch eine ewig neue Übung.

    Und wenn man vorher nicht bereits lange geübt hat, wird man wahrscheinlich auch schneller an täglichen Aufgaben scheitern.


    Irgendwie bin auch auf Yasutani wieder gekommen, der Rinzai und Soto irgendwie versuchte gemeinsam zu lehren. Nach Kensho wäre noch nicht Schluss. Es ginge auch um die Umsetzung im Alltag. Oder so ähnlich.


    Wenn ich Bücher von Rinzai lese dann geht es darin nämlich hauptsächlich immer um Kensho. Und wenn ich Bücher von Soto lese hauptsächlich mehr um den gewöhnlichen Alltag: „die quietschende Türe Ölen oder den Boden zu wischen“.


    Damals hat mich das anfangs verwirrt. Und auch Fragen in mir aufgeworfen, wie jetzt, „was ist den nun Zen“?


    Zum „Universum“ möchte ich noch sagen, das es nicht so einfach vorstellbar oder erklärbar ist, so ähnlich wie die „Leerheit“, oder das HerzSutra, und das das Universum natürlich auch in uns enthalten ist. Das wir ein Teil davon sind. Das wir uns aber durch unsere Gedanken (Dualismus) oft davon getrennt fühlen und dadurch auch Leiden entsteht. Weil wir oft auch viel Zuviel denken und eben auch Emotionen haben. Und auch der Umgang mit den Emotionen ist auch nicht immer einfach. Mal mehr mal weniger. Je nach Situation.


    Und wenn der eigene Geist aber immer größer wird, sich so weit im wahrsten Sinne des Wortes ausdehnt, „bis er das ganze Universum erfasst“, dann ist da auch keine Trennung in dem Augenblick mehr. Und damit meine ich auch nicht Fantasien wie auf einmal irgendwo im Weltraum rumfliegen zu können.


    Also muss man das auch üben. Bzw. es ist immer eine Übung. Eine täglich neue Herausforderung.


    Heute fällt mir dazu noch eine Unterhaltung von Nansen und Joshu und „Empty Space“ ein:


    One day Nan-sen allowed Jo-shu to meet him in his room. Jo-shu asked Nan-sen, “What is the true Way?”

    “Ordinary mind is the true Way,” said Nan-sen.

    “Is it something to be attained or not to be attained?” asked Jo-shu.

    “To try to attain it is to avert from it.” said Nan-sen.

    “When you do not try to attain it, how do you know the true Way? asked Jo-shu.

    To this question, Nan-sen’s answer was very polite.

    “The true way is not a matter to be known or not to be known.

    To know is to have a limited idea of it, and not to know is just psychological unawareness. If you want to achieve the absolute, where there is no doubt, you should be clear enough and vast enough to be like empty space.”

  • To be like empty space, ist eine Metapher, keine wörtliche Übersetzung.


    Linji said


    Your physical body cannot expound the teaching or listen to the teaching, your spleen, stomach, liver, or gall bladder cannot expound the teaching or listen to the teaching. Empty space cannot expound the teaching or listen to the teaching.

    What is it that can expound the teaching and listen to the teaching?

    It is something quite evident, right here, an individual independent light- this can expound the teaching and listen to the teaching.

    If you can see in this way, then you're no different from Buddha and Chan masters. Just don't interrupt it anymore, at any time-whatever meets the eye is "It."

  • Ich habe mich nun auch noch an Katagiri Roshi erinnert (Irgendwie hängt das alles zusammen „mit damals“) in der Sache „Zen und Ethik“:


    Er war verheiratet und hatte in der Zeit mindestens zwei Affären mit Schülern. Nach und nach habe ich mich deshalb dann auch gefragt, welcher „Zen Meister“ denn noch wirklich „Zen Meister“ war oder ist.

    Weil man je genauer man sie sich anschaute, „Fehltritte“ fand.


    Also auch der „Meister“ übt noch und muss immer üben.


    Zumindest haben einige Institute Ethikregeln seit einiger Zeit von vornherein öffentlich gemacht (s.a. DBU).


    https://www.mnzencenter.org/ethics.html

  • Sobald du ein Upaya wie die Gebote als oberste einhaltbare Regel nimmst und nicht ihre relative Ader anerkennst, ist das ziemlich exakt die Definition von anhaften.

  • Natürlich ist die Geschichte von Hakuin nicht durch die von Bebop "konterkariert"

    Auch Hakuin hätte weiterziehen können.

    Hätte, hätte, Fahrradkette.

    Hat er nun aber nicht. Sicher war ihm auch bewusst, dass er nicht alle gerade ungewollten Kinder der Welt retten kann. Aber in dieser Situation, hat er halt seine persönliche Entscheidung so getroffen, wie Bebop seine. An beiden Entscheidungen gibt es nichts von dritter Seite rumzumäkeln und auch nichts zu erklären. Man selbst muss aber mit allen möglichen Konsequenzen solcher Entscheidungen klarkommen - das betrifft den 2ten Teil von Hakuins Story. Und damit ist die auch zu Ende erzählt, bei Bebop allerdings nicht. Ist nur ne Feststellung.


  • Und damit ist die auch zu Ende erzählt, bei Bebop allerdings nicht.

    Der (Bebop) hängt ja immer noch an den Katzen und macht sich Gedanken über deren Schicksal - von Loslassen kaum eine Spur. :)

    :zen:

  • Dazu bitte einmal Mumonkan Fall 2 und sein Gedicht. Loslassen = 1 Millionen Probleme. Bei 1 Millionen ist wohl auch das Sorgen um das Schicksal der Katze abgedeckt. Man braucht hier ja kein metaphysischen Quark gedeihen lassen, wenn es auch konkret geht.


    Aber wenn Loslassen für einige bedeutet, sich nicht mehr um das Schicksal anderer zu interessieren, welches sich fundamental gegen das Bodhisattva-Ideal stellt, bitteschön.


    Solch Nihilismus ist aber dann eben solcher, vom Loslassen keine Spur.

  • Der (Bebop) hängt ja immer noch an den Katzen und macht sich Gedanken über deren Schicksal - von Loslassen kaum eine Spur.

    Ich mache mir hier beispielhaft Gedanken, um die Gegenwart einer Situation, in der Loslassen geübt werden kann, zu beschreiben (hilfsbedürftige Katzen). Das ist das Gleiche wie in der offensichtlich erfundenen Geschichte um Hakuin. Meine ist weder erfunden noch ist in meinen Erwägungen vor dem Loslassen so getan worden, als hätte ich keine Wahl.


    Wenn du oder Samadhi also meint, Hakuin hätte "nur losgelassen", dann sage ich: Nein, er hat ja das Kind angenommen - denn Loslassen kann ja auch Weggehen oder Ablehnen bedeuten.


    Es geht darum, diese naiven Metaphern, Geschichten usw. zu hinterfragen, die dann zu Vorstellungen wie "Universum" führen, sogar bei bekannten Zen-Lehrern. Oder, die - um es konkret zu machen - hier ein Verhalten als "richtig" unterstellen, dass es per se nicht ist - nämlich erst ein Kind anzunehmen und es sich dann wegnehmen zu lassen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • denn Loslassen kann ja auch Weggehen oder Ablehnen

    Ja kann es auch sein. Wie aber soll man sich manchmal entscheiden im Leben?


    Möglichst allem aus dem Wege gehen?

    Sich auch mal ab und zu ins Gesicht schlagen lassen?


    Mir fällt der Bodhisattva des Mitgefühls ein, Herz Geist fällt mir ein


    Seiner Intuition zu vertrauen


    Alternativ hättest Du die Katzen auch mit nehmen können. Vielleicht wäre es niemand aufgefallen und sie hätten dich nicht rausgeschmissen. Oder sie hätten dich auf die Straße gesetzt mit den Katzen und du wärst jetzt obdachlos. Aber all das wäre dir egal.


    Oder du hättest die Katzen mitgenommen und noch nicht gewusst was als Nächstes geschieht. Vielleicht wäre dir auf dem Weg nach Hause ein schöne Mädchen begegnet und hätte gesagt: oh wie süß die Katzen sind, so welche hätte ich gerne


    Wir können nicht immer alles genau planen oder wissen was geschieht


    Manchmal vertrauen wir stattdessen einfach unserem Herzen (Mitte)

  • Streunerhilfe in Thailand


    Das hat ja wenig zu tun mit Loslassen, wenn man an Leid und Elend bedauernd vorbei geht und gerade das noch mit der Geschichte von Hakuin zu vergleichen, ist doch sehr abwegig. Ob die erfundene Geschichte ein Beispiel für Loslassen bzw. Anhaften ist, halte ich für sehr weit hergeholt. Mir ist da viel mehr die Geschichte mit den beiden Mönchen eingefallen, die über einen Fluß gehen und einer der beiden eine Frau mit ihren kostbaren Kleidern über den Fluß trägt, damit sie nicht naß wird. Als er sie am anderen Ufer absetzte sind sie dann weiter gegangen. Nach längerer Zeit, regte sich sein Dharmabruder auf, dass er eine Frau über den Fluß getragen habe, wo das doch nicht erlaubt sei. Darauf sagte dieser: Ich habe sie vorhin abgesetzt, aber du trägst die noch immer.

    Es geht also um ein geistiges Loslassen - und wenn man dann als Beispiel das Erlebnis mit ausgesetzten Katzen am Straßenrand wieder erinnert, dann ist das eben ein geistiges Anhaften und kein Loslassen. Da ist eben durch diese Tat wie üblich was hängen geblieben - man hätte ja auch anders handeln können - und deshalb habe ich den link oben gepostet, als Möglichkeit auch in Thailand was für die ausgesetzten Tiere zu tun.


    Natürlich geht es nicht um falsch oder richtig - wie das im Fall 2 des Mumonkan berichtet wird. Jede Tat - jeder Gedanke, jedes Wort, jede Handlung - sind mehr oder weniger vollkommen und enthalten einen positiven oder negativen Rest, der an einem hängen bleibt und den man loslassen soll, ansonsten gibt es da keine Befreiung.

    Und in diesem Sinne gibt es überhaupt keine Probleme oder Fehler.

    Hakuins Frage - Ist das so - war auch gleichzeitig die Antwort - das ist so.

    :zen:

  • Wir können nicht immer alles genau planen oder wissen was geschieht.

    Genau. Wir rationalisieren aber gern im Voraus, etwa "der Vermieter schmeißt mich raus", oder, "ich werde sozial geächtet". Aber Hakuin tut das eben nicht. Stattdessen dreht Bebop wieder seine Leier vom "wenn und aber und hätte".
    Mir gefällt an der Geschichte, dass sich Hakuin das Kind ja nicht zu eigen macht. Deshalb kann auch keine Rede davon sein, dass er sich es dann wieder hat "wegnehmen lassen".
    So konstruiert die Geschichte ganz sicher ist, ich erlebe sie gerade (bei etwas geänderten Rahmenbedingungen) persönlich. Sie kommt öfter vor als man denkt.

  • Wieso sollte ein Hakuin das nicht tun. Der 2. Fall des Mumonkan warnt doch auch genau vor so einem wörtlichen Verständnis des Loslassens. "Enlightenment people do not fall for cause and effect [sprich rationalisieren im Vorraus]. You are reborn 500 times as a fox if you think that!"

    Er nimmt das Kind an, weil er A denkt die Mutter ist eventuell noch zu jung, unerfahren für das Kind und er könnte es eventuell erstmal besser. Auch wenn ich nicht weiß wie wichtig Muttermilch für ein Baby ist und wie der Wissenstand zu der Zeit darüber war.


    Oder B er sieht wie die Frau am verzweifeln ist, weil sie einem Fischersjungen als Babyvater hat und ihre wohlhabenden Eltern davon nichts wissen dürfen. Sowas scheint in der Familienehre und Dynamik für manche ein schweres Vergehen. Da ist ein eventuell angesehener Mönch schon besser.


    Hakuin hat das Kind angenommen und dann wieder weggegeben. Warum sollte das Denken denn getrennt von der Praxis sein. Wer soll das behauptet haben?


    Wie rational Hakuin die Sachen sah sieht man ja auch an den hier schon zitierten Kritiken zum reinen Land oder den "silent meditation-only" Buddhisten.

  • Das hat ja wenig zu tun mit Loslassen, wenn man an Leid und Elend bedauernd vorbei geht und gerade das noch mit der Geschichte von Hakuin zu vergleichen, ist doch sehr abwegig

    Wenn ein Kind sich an eine Bezugsperson gewöhnt hat und man gibt es mir nichts, dir nichts auf, geht man auch an potentiellem "Leid und Elend" vorbei.


    Diese Geschichte ist eben nicht so perfekt, wie sie scheint. Zwar soll die Obhut nur ein Jahr gedauert haben, aber das ist ja eines der wichtigsten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Hakuin (der wohl nie formell Dharma-Übertragung erhielt) so einen Wert auf den bodhicitta-Geist legte.


    (Ich habe mich mal um ein weiteres Kind als das von mir zuvor erwähnte nur am Rande gekümmert, im Grunde hatte ich es als Baby nur eine Stunde auf dem Arm und kurz nach der Geburt ein Weilchen, und es gab diverse nur sporadische gemeinsame Unternehmungen mit (seiner) Familie. Der Vater war nicht bekannt. Mit ca. 5 Jahren ist es bei einem Ausflug in einen Spielpark aus etwa 80 cm Höhe auf den Kopf gefallen und blutete deutlich. Es ist in meine Arme gerannt und nicht in die seiner leiblichen Mutter. Deshalb werfe ich diesen Aspekt auf.)

    Da ist eben durch diese Tat wie üblich was hängen geblieben - man hätte ja auch anders handeln können

    Ja, eine Erinnerung. Und genau darum, dass man "auch anders handeln kann", geht es mir ja. Allerdings unterstelle ich nicht, a) dass die Abgabe von Katzen in irgendeinem hiesigen Tierheim das einzig richtige Handeln darstellt, b) dass dies KEINE Erinnerung erzeuge, c) dass es irgendeine höhere Form von "Loslassen" darstelle.


    Um nur ein Beispiel zu geben: Ich habe vor vielen Jahren in einem ähnlichen Fall einer Putzhilfe zwei solche Kätzchen überlassen. Am nächsten Tag bekam ich sie wieder. Eine davon hatte offenbar einen Hirnschaden, weil ihre kleine Tochter sie in der Toilette unter Wasser gedrückt hatte. Mit dem "Weggeben" habe ich es also nicht mehr so.

    und wenn man dann als Beispiel das Erlebnis mit ausgesetzten Katzen am Straßenrand wieder erinnert, dann ist das eben ein geistiges Anhaften und kein Loslassen.

    Ich habe den Eindruck, dass du völlig verkennst, wie unser Denken funktioniert. Du setzt hier Loslassen mit Nicht-Erinnern gleich, also praktisch mit Demenz. Das ist eine Krankheit. Der gesunde Mensch kann sich willentlich an vieles erinnern, wenn auch an etliches nicht, und er wird sich auch unwillentlich erinnern.


    Die Geschichte von dem Frauentragenden Mönch funktioniert nur deshalb, weil man Mönchen damals noch unterstellte, sie sollten nichts mit Frauen zu schaffen haben (im heutigen Zen-Kontext in Japan ist das ja erlaubt). Der andere "trägt" also nicht eigentlich die Frau, sondern noch ein moralisches Problem mit sich herum. Das führt dann auch zu solchen Erörterungen. D. h. die Geschichte mit Hakuin übersieht einen Aspekt der Moral (Bindung durch Fürsorge), die andere Geschichten hat einen spezifischen Aspekt buddhistischer Moral zur Grundlage.

    enthalten einen positiven oder negativen Rest, der an einem hängen bleibt und den man loslassen soll, ansonsten gibt es da keine Befreiung.

    Wir haben da ein unterschiedliches Verständnis von Loslassen und Befreiung. In meinem Verständnis erwirbt man sich durch die Zen-Übung (eine Geistesübung) eine Fähigkeit zum Loslassen von dem, was als "leidhaft" empfunden wird. Wenn das klappt, fühlt man sich befreit.


    Da man auch von Erinnerungen lebt und Gefühlen, ist das, was "positiv" oder "negativ" ist, also ein wesentlicher Teil des Menschseins. Sich davon zu befreien, ist ziemlich uninteressant und würde jegliches Brainstorming, kreative Denken, Liebe und andere Gefühlsaufwallungen zerstören. Ich habe daran kein Interesse. Mein Weg ist lediglich, davon lassen zu können, wenn ich sie als "leidhaft" empfinde, nicht, wenn sie irgendjemand als leidhaft per se definiert, und sei es ein Shakyamuni. Auch "Erwachen" und selbst "Großes Erwachen" ist für mich nur ein momentanes Ereignis, d. h. es steht für mich fest, dass nichts ein für alle Mal und für den Rest des Lebens dadurch "erledigt" wird. Ich kenne, wie ich schon oft sagte, keine lebenden Beispiele für so etwas und habe selbst genug Erfahrung, um zu wissen, wie es wirklich läuft. Es bleibt eine Übung bis zum Schluss.


    Im Falle des Leides von Wesen, über das man stolpert, ist es z.B. viel wahrscheinlicher, dass dem Wesen geholfen wird, wenn ein Gefühl entsteht, als wenn nur rein sachliches Denken stattfindet (die Katzen sind entbehrlich etc.). Das heißt für den bodhicitta-Geist ist auch Anhaften nötig, nicht nur Loslassen.


    Wenn ich mich frage, woher diese Vorstellungen rühren oder sich verstärken, ist es mir allerdings klar. Z. B. sagt ein Lehrer zu Schülern, die kein Zazen mehr machen: "Schön, wenn du so loslassen kannst, an nichts mehr haftest ..." Damit unterstellt er genau das, was ihn selbst aufs Kissen zurückbringt: Die immer wieder neue Notwendigkeit zum Loslassen, weil etwas einen "zu sehr beschäftigt", zu viel Platz im Denken einnimmt, zu starke Gefühle verursacht usw. Mit anderen Worten, der Lehrer glaubt oder gibt vor, es gäbe einen Idealzustand, in dem das alles weg sein müsse, und erst dann könne man von einer bestimmten Übung lassen.


    Was man dabei nur verstehen muss, ist, dass deshalb auch der Lehrer immer wieder Zazen macht. Dem geht es nicht anders. Tatsächlich ist es m.E. so, dass für individuelle Menschen nicht alles in gleichem Maße Leid erzeugt und sie darum auch nicht die gleichen Bedürfnisse nach Loslassen von all dem haben. Der Zen-Lehrer ist da in einer Zwickmühle, denn er soll ja einerseits diesen Idealzustand absoluter Befreiung manifestieren, kann aber nur allzu leicht widerlegt werden. Er strebt nach Unmöglichem.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Hakuin hat das Kind angenommen und dann wieder weggegeben. Warum sollte das Denken denn getrennt von der Praxis sein. Wer soll das behauptet haben?

    Hakuin soll ja davon überzeugt gewesen sein, dass es darum geht, anderen Gutes zu tun (bodhi-Geist verwirklichen). Jemand, der so denkt - oder empfindet -, sieht in der Übergabe eines Babys natürlich eine Chance. Ich kann das nachvollziehen und habe ja mal dokumentiert, wie ein auf meinen Balkon gefallenes Spatenjunges, das nicht mehr versorgt wurde, dann von mir (vergeblich) versucht wurde, durchgebracht zu werden. Das ist der eine Aspekt.


    Was dabei wirklich passiert, sollte man sich selbst fragen, statt sich was zurechtzufantasieren von völlig indifferenten Meistern, die weder die Sorge um ein Kind noch das Rückgeben des Kindes letztlich kratzt. So einer war Hakuin nicht, darum befiel ihn ja auch die "Zen-Krankheit" und deshalb hatte er seine große Einsicht nach einer Lektüre des Lotussutras. Selbst wenn man bei solch einer Tat nicht an "Gutes tun", bodhicitta, richtig und falsch denkt, "bewegt" einen da was. Das sollte man doch wenigstens ehrlich zur Kenntnis nehmen. Wenn nichts bewegt wird (oder etwas "anderes"), tritt man den Vogel einfach tot (was ich in einer anderen Situation auch schon getan habe).


    Es findet natürlich eine Überlegung statt. Hätte Hakuin geplant, am nächsten Tag durch die Gegend zu ziehen (was er ja später reichlicht tat), hätte er womöglich abgelehnt (oder er hätte seine Pläne insgeheim begraben). Wenn Hakuin nicht so getickt hätte wie wir auch, hätte er kein Koan-Studium betrieben und so ein Gedöns um den Ton der einen Hand gemacht.


    Für solche Geschichten ist es eben unabdingbar, sich ein reibungslos richtiges Verhalten von Meistern zurechtzufantasieren und keine kritischen Fragen zu stellen. Wenn man das in seiner Fürsorge nicht tut, fängt man sich vielleicht sogar das Hantavirus von einem Tier ein und stirbt, wie Gene Hackmans Frau neulich. Und wenn die einzige Bezugsperson um einen rum Gefühle und Denken wegen Demenz nicht mehr zusammenbekommt (bzw. nicht mehr genug von Zweifeln "gekratzt" wird), verrottet man eben neben ihr.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Edited once, last by Bebop ().

  • Da man auch von Erinnerungen lebt und Gefühlen, ist das, was "positiv" oder "negativ" ist, also ein wesentlicher Teil des Menschseins. Sich davon zu befreien, ist ziemlich uninteressant und würde jegliches Brainstorming, kreative Denken, Liebe und andere Gefühlsaufwallungen zerstören. Ich habe daran kein Interesse. Mein Weg ist lediglich, davon lassen zu können, wenn ich sie als "leidhaft" empfinde, nicht, wenn sie irgendjemand als leidhaft per se definiert, und sei es ein Shakyamuni

    Das hört sich nach „Normalbürger“ an: normalerweise fügt sich auch niemand gerne selbst Leid zu oder lässt sich Leid zufügen.


    Viele Menschen kämen wahrscheinlich auch nie auf die Idee ZaZen zu machen, wenn es bei ihnen doch privat mehr oder weniger gut läuft. Man relativ zufrieden ist:


    Oft fängt das Interesse an ZaZen und Buddhismus auch erst in richtigen Krisensituationen des Lebens an…


    Oder wenn es einem schwer fällt, das Leid um einen herum zu ertragen…


    Oder wenn man beginnt nach dem Sinn des Lebens zu fragen…


    Oder wo werde ich sein wenn ich gestorben bin…


    Usw.


    Ich sehe oft Menschen, die scheinbar Alles haben, zufrieden erscheinen, aber doch sind sie ständig auf der Suche nach Etwas. Unzufrieden. Auch wenn sie es selbst nicht bemerken…


    Mir ist das früher selbst nie so aufgefallen. Auch bei mir selbst nicht. Manches fällt einem auch erst durch ZaZen auf. In Stille. Mit sich selbst ganz allein sein. Das ansonsten nur schwer auffällt.


    Letzendlich muss es jeder selbst wissen…


    Buddhas Lehre und Za(Zen) kann man als ein stilles Angebot an jeden dafür interessierten Menschen betrachten

  • Dazu muss man sich natürlich fragen, was denn die Normalbürger dann eigentlich anders machen, wenn sie Zen praktizieren. Sich keine Sorgen mehr zu machen trifft es nicht. Sich keine Sorgen, über sich keine Sorgen mehr zu machen schon eher.

  • Dazu muss man sich natürlich fragen, was denn die Normalbürger dann eigentlich anders machen, wenn sie Zen praktizieren. Sich keine Sorgen mehr zu machen trifft es nicht. Sich keine Sorgen, über sich keine Sorgen mehr zu machen schon eher.

    Ich kann dazu nur sagen, das sich meine Lebensweise und Lebenssicht dadurch an sich verändert hat.


    Es ist zumindest anders als ohne ZaZen üben.


    Angst vor dem Sterben, „dem großen Ungewissen“, ist durch ein Kensho Erlebnis so gut wie weggefallen:


    Dazu ist mir gestern auch noch mal eingefallen, das „körperliches Sterben“ Oder durch körperliche Schmerzen im ZaZen zu gehen, nicht dasselbe ist.


    Zum Anderen gehe Ich anders mit Dingen im Leben um als zuvor. Vielleicht mehr gelassen als zuvor.


    Natürlich gibt es auch bei mir immer neue Schwierigkeiten im Leben, oder Fragen, wie, was soll ich „damit tun“.


    Heute kann ich mich auch mehr an Kleinigkeiten erfreuen als früher. Und auch mehr Dankbarkeit und Freude darüber empfinden was da ist, und nicht Unlust über das was nicht da ist.


    Auch brauche ich gefühlt nicht mehr soviel wie zuvor.


    Durch ZaZen, Stille, mal lernen mit dem Augenblick an sich auszukommen, und das für zumindest mal 45min, das verändert auch die Achtsamkeit und Umgang auf das was kommt, wenn man wieder aufgestanden ist.


    Ich glaube ohne das mal zu üben, regelmäßig zu üben, bleibt es ansonsten nur eine Vorstellung, eine Einmalige Erfahrung.


    Und man verfängt sich dann früher oder später auch wieder in alte Verhaltensmuster und Denkweisen.

  • Z.B. dann wenn man vom Zazen aufsteht. Deswegen ist der alltägliche Geist der Weg, ob dieser sitzt oder nicht. Der zweite Fall zeigt doch ganz gut, das ein Kensho Erlebnis dahingehend rein gar nichts verändern muss.



    Mein ganzes Leben lang habe ich mein Schwert geschärft

    Und nun, da der Tod naht,

    nehme ich es heraus und finde es gebrochen. Alas!


    Dairin Soto

  • Mein ganzes Leben lang habe ich mein Schwert geschärft

    Ja, aber um zu erkennen, das man sein „Schwert“ gar nicht hätte „schärfen zu brauchen“, braucht es umgekehrt so etwas wie eine gewisse zumindest einmalige tiefere Erfahrung dessen.


    Zum Anderen kann es auch zu einem Missverständnis über den „alltäglichen Geist“ und die damit verbundenen Handlungen kommen:


    Egal was geschieht oder was ich tue…

    „Alles ist in Ordnung“…


    Weil man irgend wann auch wieder beim Nihilismus oder Egoismus landen kann wenn man nicht aufpasst.

  • Moderation

    Der Thread hat sich ein Stück weit vom Thema "Lehrte TNH wirklich Zen" wegbewegt.


    Von daher wäre es gut, das Thema des Threads wieder klar zu machen um Ablenkung zu vermeiden. Wie würdet ihr das Thema benennen?