Hat Zen ein Marketingproblem?

  • Ich kopiere hier man einen Text ein, den ich woanders geteilt habe und zur Diskussion ganz interessant fand:


    Das beobachte ich in meinem Kreis aber auch: Das Motto "Zen is good for nothing" trifft womöglich den Kern, ist aber kein gutes Marketing. Jeder kommt mit einem Ego zum Zen und will etwas bekommen/erreichen oder loswerden. Im Zen findet man sicherlich eine Antwort darauf - aber die will erstmal keiner hören, weil "sie demjenigen nichts bringt". Man braucht erstmal eine "Karotte", die einen dazu bringt, die anfängliche Arbeit auf sich zu nehmen um einen verstehen zu lassen, dass die Ursache der Probleme nicht die fehlende Karotte, sondern die Suche nach ihr ist.


    Was macht man nun als ein Zenkreis?

    Ist man ehrlich genug zu sagen, dass eine Karottensuche nix bringt und schreckt damit schon viele Leute ab, die etwas suchen?

    Oder stellt man sich auf eine Ebene mit den Scharlatanen, die die Karotten anbieten, wissentlich, dass es keine Karotte zu gewinnen gibt?

  • Wenn Zen ein Marketingproblem hat, dann stellt sich für mich die Frage, warum man Zen vermarkten will?


    Der Theravada vermarktet sich hier ja auch nicht. Die Anhänger des Theravada erklären hier auf vielfältige Weise das was im Theravada gelehrt wird.


    Ich habe den Eindruck, dass dies von den Zenanhängern hier auf dem Buddhaland nicht in gleicher Weise getan wird. Das erschwert für Nicht-Zennis den Zugang zum Zen, das sich in vielen Aspekten vom indischen Buddhismus deutlich unterscheidet.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Als nicht-zennie habe ich oft den Eindruck dass nur klar ist was nicht-Zen ist. Zen wird gerne als sehr mysteriös dargestellt, das mag es auch sein, oder auch nicht. Ich weiß es nicht, aber ich suche einfach etwas anderes, eine Möglichkeit spiritueller Übung, einen Weg für weniger Dukkha, zugegeben auch etwas um meine philosophische Neugier in produktive Bahnen zu lenken.


    Insofern kann man sagen entweder Zen ist nichts für mich, oder das Marketing adressiert mich nicht gut sodass ich es nicht erkenne. Was von diesen beiden Aspekten nun zutrifft kann ich selbst nicht beurteilen. In der Folge höre ich mir gerne an wenn „Zennies“ hier schreiben aber ich suche jetzt nicht aktiv Praxis und habe mir die klassischen Texte der „Japaner“ auch nicht zugeführt.


    (Merke gerade ich hatte ein Zen Buch

    Von Deshimaru „Za-Zen“ so ca 2010. es hat mich nicht eingefangen damals).

  • Was macht man nun als ein Zenkreis?

    Das gibt es doch jede Menge Möglichkeiten zur Werbung oder Information. Webseite, Flugblätter, Anzeige in der "Bäckerblume" oder der regionalen Hauswurf-Zeitung ....


    Ich verstehe das Problem nicht ganz - vielleicht gibt es einfach ein Überangebot an Zen-Kreisen, also "Too many chiefs, not enough indians".

    :zen:



  • Ist man ehrlich genug zu sagen, dass eine Karottensuche nix bringt und schreckt damit schon viele Leute ab, die etwas suchen?

    Oder stellt man sich auf eine Ebene mit den Scharlatanen, die die Karotten anbieten, wissentlich, dass es keine Karotte zu gewinnen gibt?

    Die Zen „Lehrer“ sagen, dass die Karottensuche nichts bringt und handeln entgegengesetzt, weil sie das selbst nicht glauben wollen.

    Und.

    Zeigen die Karotten, von denen sie selbst schon wissen, dass sie nur Verlockungen sind, die Suchenden einzufangen, selbst Essen macht fett.


    Ein guter „Priester“ kann sehr überzeugend sein im Handeln gegenüber den Schäfchen, ganz besonders, wenn er sicher ist, dass er ihnen als Paradies eine mit Goldbrokat verschleierte Leere anbietet. Erkennt ein Schäfchen die Leere, dann ist es vorbei mit der Finanzierung des Goldbrokates. Früher wurden diese Ketzer schnellstens beseitigt.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Vielleicht bin ich hier etwas mehr Kontext schuldig:


    Es gibt viele Leute, die sich für die Einführungen anmelden (etwa 5-10 Interessierte) pro Monat. Die wenigsten kommen im Anschluss noch ein weiteres Mal wieder, und seit Jahren gibt es keinen, der ganz dabei geblieben ist.

    Spätestens nach dem zweiten/dritten Mal sieht man sie nie wieder.


    Wenn Zen ein Marketingproblem hat, dann stellt sich für mich die Frage, warum man Zen vermarkten will?

    Das sollte nur ein überspitzter Threadtitel sein.


    Ich verstehe das Problem nicht ganz - vielleicht gibt es einfach ein Überangebot an Zen-Kreisen, also "Too many chiefs, not enough indians".


    Womöglich - aber größeren Zuwachs konnte ich in den anderen Gruppen auch nicht feststellen. Die Zengruppen (hier in der Nähe) haben eher einen festen Kern, bei dem mal alle paar Jahre jemand dazustößt.


    Hingegen scheint sich "Samurai-Zen" bei Hinnerk Polenski, oder Shi Heng Yi's Albernheiten besserer beliebtheit zu erfreuen...

  • Vielleicht bin ich hier etwas mehr Kontext schuldig:


    Es gibt viele Leute, die sich für die Einführungen anmelden (etwa 5-10 Interessierte) pro Monat. Die wenigsten kommen im Anschluss noch ein weiteres Mal wieder, und seit Jahren gibt es keinen, der ganz dabei geblieben ist.

    Spätestens nach dem zweiten/dritten Mal sieht man sie nie wieder.

    Das liegt wahrscheinlich an deren („falschen“) Erwartungshaltung bzw. fehlenden Ernsthaftigkeit:


    Sie sind gekommen um „was zu erleben“, „das was aufregendes geschieht“. Aber nicht um nur zu sitzen „und nichts geschieht“, außer einen unruhigen Geist der sagt „was ist das denn? da gehst du aber nicht noch mal hin“… „Ich bekomme ja gar nichts?“, „Wo bleibt der Spaß?“


    Stille und sich nicht mehr bewegen, das erste Mal so zu ertragen,, kann sehr schwierig für viele sein. Gefühlt „Hammerhart“.


    Ich glaube das ist normal. Und da wird auch die Spreu vom Weizen getrennt. Die die ernsthaft interessiert sind werden bleiben.


    Und das spiegelt ja auch die Gesellschaft an sich wieder in der wir leben…


    Für viele gilt: Lieber „Unterhaltung“ und „Erregung“…


    Bei „berühmten“ ist da so:


    Da gehen sie eher hin oder hören ihnen und ihren Videos nur zu (muss man ja dann selbst nämlich nichts weiter tun), weil sie darin einen „Gewinn“ für sich sehen:


    Oh, heute habe ich wieder zusammen mit einem „berühmten Meister“ sitzen dürfen…


    Oder:


    Oh, der Meister kann aber gut reden…


    Usw.


    Den „weniger berühmten Meister“ ist es egal wieviele kommen:

    Sie prüfen den Neuankömmling sogar, ob er geeignet ist. Führen vorher ein Gespräch mit ihm. Erläutern vorher worum es geht. Fragen ihn warum er gekommen ist. Um ihn vorab falsche Erwartungen nehmen zu können.


    In einer festen spirituellen Gemeinschaft, wie einen Tempel, der sich über die Jahre etablieren konnte, der feste Anzahl Mitglieder für die Aufrechterhaltung der Anlage hat, ist das auch noch einmal anders.


    Viele „Einzelunternehmer“ im Westen bieten daher auch mehreres an:

    ZB Meditation und Yoga und Massage, Vorträge, Teezeremonie


    Sofern sie davon leben wollen.

  • Als jemand, der grundsätzlich erst mal großen Respekt vor den anderen Traditionen hat (und den intertraditionellen Austausch hier wertschätzt) erschreckt es mich schon manchmal, was für seltsame Vorstellungen doch teilweise über Zen kursieren.


    „Zen is good for nothing“ ist vielleicht eine treffende Antwort auf hochmotivierte Zen-Schüler*innen, die sich mit voller Entschlossenheit auf die Praxis einlassen und es unbedingt erreichen wollen. Der Kern der Lehre ist es aber nicht. Hier könnte man schon eher die (im Zen) immer wieder gerne aufgegriffene Begebenheit nennen, derzufolge Buddha nach seinem großen Erwachen gesagt haben soll: „Die Wesen sind bereits vollkommen erwacht; nur aufgrund ihres verblendeten Denkens (und Anhaftens) werden sie sich dessen nicht gewahr.“ Erst in diesem Kontext erschließt sich die Lehre „Zen is good for nothing.“


    Zen hat ein klares Ziel: Zu erwachen. Da wir aber gemäß dieser Lehre bereits erwacht (vollkommen) sind, können wir genau das nur erkennen und verwirklichen, indem wir aufhören, unsere vielen, vielen Ziele zu verfolgen.


    Helmut: Ich kann natürlich nicht wissen, auf wen oder was sich dein „Eindruck“ zurückführt. Für mich kann ich allerdings sagen, dass es (abgesehen vielleicht von ein paar Posts im Corona-Faden) in allen meinen Beiträgen darum geht, „auf vielfältige Weise“ die Zen-Lehre wiederzugeben bzw. zu erklären. Auch die meisten Beiträge von z.B. Leonie oder Sudhana u.a. erlebe da ähnlich.


    Pauschalisierungen a la „wir Theravadins sind so und so, ihr Zennies seid so und so“, finde ich generell nicht besonders hilfreich, um ehrlich zu sein.


    pano: Die Zen-Lehre hat überhaupt nichts Mysteriöses. Sie ist im Grunde sehr einfach und klar. Wenn manche Koans geheimnisvoll, paradox oder kryptisch klingen, dann liegt das i.d.R. daran, dass unser komplexes Denken mit der Schlichtheit solcher Koans nicht kompatibel ist.


    Von Dogens und Hakuins Hinterlassenschaften mal abgesehen sind die gängigen klassischen Zen-Texte und meist erwähnten Zen-Meister i.a.R. chinesisch bzw. Chinesen und keineswegs „Japaner“.

  • Tai genau deswegen habe ich es offen gelassen woran es liegt. Wenn ich dich hier lese, dann scheint es schon auch ein Marketing Problem zu sein.

  • Vielleicht bin ich hier etwas mehr Kontext schuldig:


    Es gibt viele Leute, die sich für die Einführungen anmelden (etwa 5-10 Interessierte) pro Monat. Die wenigsten kommen im Anschluss noch ein weiteres Mal wieder, und seit Jahren gibt es keinen, der ganz dabei geblieben ist.

    Spätestens nach dem zweiten/dritten Mal sieht man sie nie wieder.

    Dazu müsste man herausfinden, warum die nicht wiederkommen bzw. was ihnen nicht gefallen hat.


    Wie könnte man das rausfinden?

  • Ich bin schon recht lange dabei und wenn ich damals von dem zeitlichen Horizont gewusst hätte, wäre ich tief erschrocken. Ich hatte auch sehr lange ein kleines Dojo geleitet und habe eine gewissen Ahnung woran es liegen mag, dass mancher kommt und nicht dabei bleibt.


    Es ist zunächst mal nur für wenige Menschen möglich diese Praxis auszuüben - und es sind ganz subtile Dinge, die dann dazu führen, das mancher nicht mehr wieder kommt.

    Ich selbst weiß von mir, dass in den Phasen der Praxis, wo es schwierig wurde, es geringfügig Anlässe bedurft hat, um mich zu verabschieden. Ich hatte da auch richtige Durststrecken und war genau deshalb dankbar, durch die Gruppe nicht einfach das Handtuch werfen zu können.

    Nun habe ich auch ein Koan-Studium durchlaufen und auch das hat dazu geholfen, dass ich durchgehalten habe. Ich kenne aber auch wieder viele, die da einfach abgebrochen haben.

    Im Rinzai ist die Lehrer-Schüler-Beziehung wichtig und im Soto ist es die Sangha.

    Da gibt es dann auch Soll-Bruchstellen - . An denen habe ich dann immer mich gefragt, wie die Alternative aussieht und dass ich egal wo ich bin, immer mit mir zusammen bin, ganz gleich wie das Ambiente so aussehen mag.


    Es gibt da einfach ein paar Punkte, die man mitbringen sollte, wenn man sich auf Zen einlässt.

    1. Es geht um einem selbst.

    2. Es ist eine lebenslange Beziehung. Man kann also nicht vor sich selbst weglaufen.

    3. Es ist eine Selbsterforschung - und das bedeutet nichts zu beschönigen, aber auch nichts runter zu machen.

    4. Gleichmut und Gelassenheit werden da entfaltet und das geht nur durch Gleichmut und Gelassenheit.


    Irgendwann bin ich auf die Sieben Punkte der Praxis von Uchiyama gestoßen und die haben mir auch sehr viel gegeben.


    Zitat

    Sieben Punkte der Praxis

    von Uchiyama Kōshō Rōshi

    Aus seinem letzten öffentlichen Vortrag in Antaiji, am 23. Februar 1975.

    1. Lass dich beim Studium und der Praxis des Buddhadharma nur vom Buddhadharma selbst leiten, nicht von deinen persönlichen Gefühlen oder weltlichen Ideen.
    2. Der Gegenstand deines Respekts muss Zazen selbst sein, denn Zazen ist dein wahrer Lehrer.
    3. Zazen bedeutet die Lehre „Gewinn ist Illusion, Verlust ist Erwachen“ konkret umzusetzen. Zazen muss sich in den beiden Praktiken des Gelübdes und der Reue manifestieren und durch die drei Herzen im Alltag lebendig sein: das freudige Herz, alte Herz und große Herz.
    4. Mach die Gelübde zu deinem Leben und lass ihre Wurzeln in die Tiefe wachsen.
    5. Sei dir darüber im Klaren, dass es nur an dir selbst liegt, ob du mit deiner Praxis voran kommst oder Rückschritte machst. Tue deshalb dein Bestes, um voranzukommen.
    6. Sitz erst einmal schweigend für zehn Jahre und dann weitere zehn Jahre. Im Anschluss sitz noch einmal zehn Jahre.
    7. Arbeite mit anderen zusammen um einen Ort für die Praxis zu schaffen, an dem ernsthafte Übende ohne unnötige Sorgen sich der Praxis widmen können.


    Und ganz grundsätzlich: es kommt nicht darauf an, was andere machen und weshalb sie kommen oder/und gehen und warum der so viele Anhänger hat und der andere weniger. Es kommt nur auf dich selbst an. Es ist dein Leben.

    :zen:



  • Ich möchte dir gerne etwas bieten, um dir zu helfen. Aber in der Zen-Schule haben wir absolut nichts.


    - Ikkyû Sôjun -

  • Dazu müsste man herausfinden, warum die nicht wiederkommen bzw. was ihnen nicht gefallen hat.


    Wie könnte man das rausfinden?

    Womöglich könnte man diese Frage in einem öffetnlich zugänglichem Forum stellen. So hätte jeder die Möglichkeit seine Erfahrung mit dieser Situation zu teilen. Die Hürde anonymisiert seine Meinung darüber zu teilen, ist sicherlich kleiner, als vor fremden Leuten in einem Zendo.

  • Ich finde, da hast du ein paar gute Punkte angeprochen. Bei einem möchte ich ergänzen:

    1. Es geht um einem selbst.

    Punkt 1 und 3 zielen in die Richtung ab, sich "selbst zu ergründen" wie es im Genjōkōan heißt.


    Ich sah mich mal mit der Frage konfrontiert, wenn es um einen Selbst geht, wozu dann die Fahrtzeit aufnehmen? Schließlich kann man sich auch Abends selbst für sich alleine hinsetzen.

    Aber der Punkt ist, dass man zwar "sich selbst studiert", aber den weiteren Absatz: "sich selbst ergründen heißt dich selbst zu vergessen". dabei außer Acht lässt. Es ist ein Widerspruch, sich für sich selbst hinzusetzen und dabei sich selbst vergessen zu können. Ich hatte daher die Fahrtzeit wieder auf mich genommen.

  • Ich möchte dir gerne etwas bieten, um dir zu helfen. Aber in der Zen-Schule haben wir absolut nichts.


    - Ikkyû Sôjun -

    Marketing Problem auf den Punkt gebracht. Zumindest wenn ich die Zielgruppe bin.


    (Es ist ok, ich erwarte nicht dass um mich geworben wird).

  • wozu dann die Fahrtzeit aufnehmen?

    Niemals verloren gegangen –

    Warum dann suchen?


    Wozu den Ochsen suchen, wenn er doch niemals verloren gegangen ist?


    Was hat das für einen Sinn, wenn man weiß, weshalb die Leute kommen und wieder gehen? Will man dann das Angebot auf die Bedürfnisse anpassen? Kann man das überhaupt? Was soll denn überhaupt eine Gruppe oder anders gefragt, was hat sich derjenige gedacht, als er das Angebot "Zen-Gruppe" in die Welt brachte?

    :zen:



  • Ich kenne die näheren Gegebenheiten in deinem Fall nicht. Normalerweise reicht eine Webseite aus damit man dich finden kann, wo Du vorab etwas über Dich selbst und Zen teilst.


    Vielleicht auch noch Aushänge in Gemeinden und Kirchen, Yoga Studios (Zen Meditation wird auch oft in Zusammenarbeit mit Kirchen oder anderen spirituellen Organisationen angeboten).


    Sicherlich spielt es auch eine Rolle, ob Du auf einem Dorf wohnst oder in einer größeren Stadt, ob in deinem näheren Umkreis wenige oder viele Menschen wohnen.


    Alles weitere kann man selbst eigentlich nicht „beeinflussen“.


    Und muss man meine ich auch nicht.

  • Zuviel „Marketing“ kann auch den Anschein von etwas „Besonderem“ bei vielen erwecken: dann gehen die Menschen auch in Erwartung von etwas „Besonderem“ dorthin und werden dann aber womöglich enttäuscht: Gerade bei (Za) Zen, das eigentlich gar nichts „Besonderes“ ist, sondern nur ganz schlicht und einfach.

  • Das mit der Karotte ist eine gute Idee, meine ich.


    "

    Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, ihnen Arbeit zuzuweisen und die Arbeit zu erledigen, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer

    "


    :taenzerin: :taenzer:

  • Es gibt viele Leute, die sich für die Einführungen anmelden (etwa 5-10 Interessierte) pro Monat. Die wenigsten kommen im Anschluss noch ein weiteres Mal wieder, und seit Jahren gibt es keinen, der ganz dabei geblieben ist.

    Spätestens nach dem zweiten/dritten Mal sieht man sie nie wieder.

    Das ist normal und hat nichts mit Zen zu tun.

    Ich beobachte das seit bald vierzig Jahren in allen Gemeinschaften, deren Ziel mit Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Anstrengung verbunden ist.


    Der "Meister" meiner ersten und einzigen Zen-Gruppe Anfang der 1990er:


    "

    Ich brauche Euer Geld nicht.

    Ich bin nicht am Wachstum dieser Gruppe interessiert.

    Ihr kommt hierher nicht für mich, sondern nur für Euch selbst.

    "


    Er berichtete von seinem Verhältnis zu seiner eigenen "Meisterin" in Japan sinngemäß:

    "Sie hat mich behandelt wie eine Katze. Wenn ich kam, hiess sie mich willkommen, wenn ich wieder mal für längere Zeit ging, verfolgte sie mich nicht, wenn ich wiederkam, hiess sie mich willkommen ..."


    :zen:

  • Wir versuchen es bei uns mit einem niederschwelligen Angebot. Meditationsdauer auf 2x 25 Minuten reduziert, bei 5 Min. Kinhin; man darf auch (bei Schmerzen) mal liegend meditieren. Die Meditation soll vor allem am Anfang als angenehm erlebt werden, damit sich überhaupt eine Gewohnheit etablieren kann.


    Generell wird vor und nach der Meditation gerne auch geschwatzt und gelacht (was wir unterstützen). Die Atmosphäre ist weniger formell oder kühl als im Tempel. Hund und Katze sind von Zeit zu Zeit anwesend. Wir treffen uns in unregelmäßigen Abständen schon nach 15 Minuten Meditation extra zum Reden bei Tee und Keksen.


    Es gibt keine japanischen Rezitationen (aber eine deutsche Widmung). Es gibt mehrfach im Jahr ein Zen-Open-Air in Wiesen und Wäldern hier in der Gegend, was den ganzen Tag geht und von einem Zen-Mönch begleitet wird.


    Wir nehmen und also "Freiheiten". Aber wir haben uns auch nie als "offizielles" Zen-Dojo angemeldet haben, sondern als offene Meditationsgruppe. Unsere Erfahrung ist, dass relativ viele Menschen gerne wiederkommen, auch schon seit vielen Jahren. Manche sind Buddhisten geworden und besuchen nun auch das Zen-Kloster zu längeren Sesshins oder melden sich für ein tibetisches online-Studium z.B. in Hamburg an.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Wir versuchen es bei uns mit einem niederschwelligen Angebot. Meditationsdauer auf 2x 25 Minuten reduziert

    Für Beginner ist es am Anfang natürlich sehr schwierig zB 2x35 wie oft in der Deshimaru-Linie praktiziert zu sitzen, oder gar 2x45min. Und zu vorzeitigem Abbruch, Resignation führen.


    Andere Kriterien die mir noch einfallen sind:

    Soto oder Rinzai oder Mischform.

    Vor der Wand sitzen oder nicht.

    Kinhin im Gehen oder Laufen wie bei Willigis-Jäger.


    Sicherlich könnte man für Beginner wie Du sagst entsprechend niedrigere Zeiten anbieten, in separaten Kursen.


    Oder wie im „TNH-Style“ auch mal gemeinsam still und langsam im Wald zu gehen.

  • Es gibt viele Leute, die sich für die Einführungen anmelden (etwa 5-10 Interessierte) pro Monat. Die wenigsten kommen im Anschluss noch ein weiteres Mal wieder, und seit Jahren gibt es keinen, der ganz dabei geblieben ist.

    Spätestens nach dem zweiten/dritten Mal sieht man sie nie wieder.


    Dazu müsste man herausfinden, warum die nicht wiederkommen bzw. was ihnen nicht gefallen hat.


    Wie könnte man das rausfinden?

    Ganz recht, wie noch ein/e Dritte/r schrieb, mal so jemanden zu fragen. Und ich bin so ein 'Sangha-Abbbrecher'.


    Tja, ich machte einen Einfuehrungskurs bei einem Soto-Zen Sangha. Mir wurde aber nichts weiter beigebracht was ich nicht eh schon wusste. Tja, Internet u.co sind sehr ergiebig. Und ich nehme auch mal an, das ist der Grund, warum Viele 'keinen Bock' auf Zen-Sanghas haben.


    Bei mir im Speziellein ist die Sangha-Muffeligkeit dadurch geschuldet:


    Der Sangha braucht einen Leher und auch ein Dojo. Beides kostet Geld. Tja. Aber ja. Das ist eben eine Notwendigkeit. Denn der Lehrer muss ja von irgendetwas leben. Bei uns hier kostetet Sangha-Mitgliedschaft 50 Euro Monatsgebuehr. Dann ist es ausserdem so, dass das Dojo nur zu ganz bestimmten Zeiten offen steht. Zeiten, die unguenstig fuer mich sind.


    Ich hatte mich entschieden, Zafu und Zabuton zu kaufen. Jetzt kann ich immer dann Praktizieren, wenn ich zuhause Zeit habe. Und wegen der Sangha-Mitgliedsgebuehr:

    Ich benutze das Geld stattdessen lieber, um fuer wirkliche Beduerftigkeit zu spenden. Also Menschen, die in Not sind. Wuerde ich stattdessen regelmaessig die Mitgliedsgebuehr der Sangha bezahlen, dann koennte ich das Geld nicht fuer andere Spenden aufwenden, koennte also weniger spenden.


    Und dank Internet habe ich natuerlich trotzdem einen Sangha-Ersatz. Ich meditiere immer regelmaessig von 05:00 bis ca. 06:00 via Zoom in einer Gruppe. Augen beim Meditieren geschlossen, Anfang und Ende mit Chanting. Tja, ist eben ein Therevada-Sangha. Ist mir egal.


    Ein Sangha ist kein Selbstzweck. Und, speziell bei Soto-Zen nur ein 'kann', vielleicht eine Hilfe, regelmaessig am Ball zu bleiben und sich gegenseitig bei 'Haengern' zu motievieren, weiterzumachen. Aber im Internetzeitalter - ganz ehrlich - solle mir doch jemand ernsthafte Gruende nennen, warum ich da in ein Dojo kommen muss.


    Hat Zen ein Marketing-Problem?

    Ich weiss es nicht. Aber wenn doch, dann denke ich eher, ein Zu Viel an Marketing. Vielleicht vielzuviel.


    Und noch eine Karotte vor meinenem eigenen Esel:


    "Offene Weite - nichts zu erreichen"

    -- Kann mir kaum Namen merken, sorry --

    "Moegen alle Wesen frei von Leid sein."

  • Im Zen findet man sicherlich eine Antwort darauf - aber die will erstmal keiner hören, weil "sie demjenigen nichts bringt".

    Ich finde, du solltest erst einmal selbst das Zitat im Zusammenhang aufmerksam lesen, z.B. in Kodo Sawaki "Zen ist die größte Lüge aller Zeiten", Kapitel 46 "Du hast für deine Geburt nichts bezahlt ....", Übersetzung von Muho.
    Was erwartest du denn von Zen?
    Ich finde, es ist wichtig, dass man den Neuen, und nicht nur denen, absolut "reinen Wein" einschenkt, in angemessener Sparsamkeit. Natürlich ist das, von der Person abhängig, jeweils etwas anderes. Mach die Sache kurz und bündig. Wer schwafeln will und Schwafel hören möchte, kann es ja in täglichen Häppchen auch auf Youtube bekommen; das ist hoffentlich nicht dein erwünschtes Publikum.
    Sei einfach ehrlich und rede von nichts anderem als du selbst erfahren hast.
    Das ist das beste "Marketing".

  • Im Eingangsposting werden zwei Metaphern aufgegriffen, die ich nicht für besonders gelungen halte (auch wenn ich sie selbst publiziert habe) und die beide häufig von einem bestimmten Lehrer in einer bestimmten Tradition ("Dogen-Zen"/Antaiji) benutzt werden. Zen bringe nichts, und "die Karotte". Ein Erklärungsversuch lautet:

    Zen hat ein klares Ziel: Zu erwachen. Da wir aber gemäß dieser Lehre bereits erwacht (vollkommen) sind, können wir genau das nur erkennen und verwirklichen, indem wir aufhören, unsere vielen, vielen Ziele zu verfolgen.

    In diesem Widerspruch liegt das Problem. Und Dôgen hat es m. E. nie gelöst. Er versuchte die ursprüngliche Erleuchtung, hongaku, damit zu versöhnen, dass es dennoch eine "Praxis" bräuchte, und kam darauf, sie mit Zazen gleichzusetzen. Diese Verschärfung seinerseits ist die große Irrlehre, die es zu durchschauen gilt. Hier noch einmal, wie etabliert diese Anschauung ist:

    Es ist zunächst mal nur für wenige Menschen möglich diese Praxis auszuüben -

    Das Gegenteil ist der Fall, wenn man "Praxis" als das versteht, was der sechste Patriarch darunter verstand (und meines Erachtens das Chan/Zen in seiner wesentlichen Tradition), nämlich als Geistesübung. Nicht jeder mag rituell sitzen, und was in den Zen-Gruppen geschieht, ist Ritual und Religion. Das schreckt, neben den Schmerzen und der Unbequemlichkeit, viele ab. Wer glaubt, die Menschen müssten rituell sitzen, um mit ihrem Geist klar zu kommen und ihn zu durchschauen, baut eine unnötige Hürde ein.

    Dazu müsste man herausfinden, warum die nicht wiederkommen bzw. was ihnen nicht gefallen hat.

    In Einzelfällen kommt noch die Hierarchie hinzu, wenn z.B. einer mit entsprechendem Gehabe der Sangha als Meister vorsteht, das ist auch nicht jedemanns Sache.


    Es ist doch ganz offensichtlich, dass Zen selbst denjenigen was gebracht hat, die behaupten, es bringe nichts. Zum Beispiel einen Lebensunterhalt. Zum Beispiel einen Titel ("Zen-Meister") bzw. eine "Ermächtigung" in einer Linie. Dafür braucht es ein gewisses Einhalten gängiger Vorgehensweisen, die sich als erfolgreich erwiesen haben (z.B. langjährige Anwesenheit m Tempel, interessante Thumbnails bei den YouTube-Clips, Kooperationen mit Leuten, die am Markt eine gewisse Verbreitung haben usw.). Wenn einem das klar ist und wenn man das auch noch so offensichtlich macht (eine Alternative wäre ja, in der Versenkung zu verschwinden, also öffentlich kaum in Erscheinung zu treten), dann sollte man m.E. sparsam mit o.g. Metaphern umgehen. Sonst kommt man in die Lage, schulterzuckend zu behaupten, manche Widersprüche seien eben gewollt. Aber: Die Widersprüche, die im Zen gewollt waren (wie solche, die Koan erzeugen), hatten nicht den Sinn, in Widersprüchen zu leben oder in der Öffentlichkeit zu reden.


    Dieses Problem geht wie gesagt auf Dôgen zurück. Wenn Praxis Sitzen ist und sich darin die ursprüngliche Erleuchtung manifestiert, braucht es natürlich nichts mehr zu bringen, d.h. man selbst braucht es nicht mehr zu bringen - ein "erleuchtetes" Handeln außerhalb des klösterlichen Komplexes ist unnötig. Praxis dreht sich da nur noch um sich selbst. Jedoch können Außenstehende recht leicht erkennen, warum der Sitzende dies überhaupt tut - er war in emotionalen/geistigen Schwierigkeiten und wandte sich dem Zen zu. Die "Praxis" erleichterte die Probleme, also blieb er/sie dabei.


    Die Dôgen-Rhetorik scheint ihm nach seiner Lesart jedoch zu gebieten, dass Sitzen zu einem Selbstläufer wurde und nicht eine solche Zweckmäßigkeit verfolge. Nun ja, wenn alles gekärt ist, warum sitzen? Aber wenn man behauptete, es sei (noch) nicht alles geklärt, warum dann die "Ermächtigung", das Lehrerdasein usw.? Die Antwort lautet: Es ist eben nicht alles geklärt, da sitzt jeder, weil er sich weiterhin mit gedanklichen Vorgängen rumschlägt, die ihm nicht immer in den Kram passen und die er/sie so besser bewältigt. Alles andere ist eben m.E. eine Lüge, und die wird nur deshalb in dieser kruden Rhetorik aufrecht erhalten, weil man Dôgen falsch liest.


    Dôgen wollte erwachen, und zwar mehrfach, deshalb ging er nach seiner Rinzai-Bestätigung noch extra nach China, um sich eine weitere abzuholen, über die er stolz berichtet. Dôgen wollte, dass es was bringt, darum sein Ringen um einen wirkmächtigen Tempel wie Eiheiji, der ihn auch bei den Mächtigen vorstellig werden ließ. Er hängte sich also ständig selbst Karotten vor die Nase, eine war so groß, dass er die gefährliche Fahrt übers Meer in Kauf nahm. Da seine Praxis sich um sich selbst drehte, bemerkte er auch nicht mehr, wie er sie vernachlässigte, indem er zunehmend für eine Mehrklassen-Gesellschaft (Kloster vs. Laientum) eintrat und auf bedeutenden Vorläufern wie Vimalakirti und Linji rumhackte.


    Das Ganze löst man auf, indem man Zazen als Kôan betrachtet, wie es mal ein Buddhologe aus Dôgen las. Dann ist es eine von vielen Möglichkeiten, sich in einen Widerspruch zu begeben, um ihn aufzulösen, aber nicht die einzige - nicht pars pro toto.


    Niemand ist ursprünglich erleuchtet im Sinne von weise oder moralisch rein, denn ein Neugeborenes hat keine Fähigkeiten in dieser Hinsicht - es ist noch ungebildet und es hat kein Ich, kann also gar nicht moralisch fehlgehen im eigentlichen Sinn. Sitzen kann es natürlich auch nicht. Die ursprüngliche Erleuchtung beschreibt etwas, das völlig unabhängig vom Ego existieren soll, manche nennen es Buddha-Natur, andere Dao usw. Es gibt da nichts zu manifestieren.


    Das, was wir später manifestieren, ist die "erworbene Erleuchtung", die Erkenntnis der ursprünglichen - und da können wir dann in "moralischem" Handeln und in der momentanen Zurückstellung des Ego konkretisieren, wie wir das verstehen. Selbst wenn wir es nicht täten, würde es an der Buddha-Natur oder dem ursprünglichen Erwachen nichts ändern. Alles, was sich da draufsetzt an "Praxis" ist also individuelles, stets auch mangelhaftes Verständnis dessen, was überhaupt nicht manifestiert werden muss. Das ist dann die "Erleuchtung", die anzustreben ist, denn je klarer diese Erkenntnis, desto klarer könnte sich da etwas manifestieren.


    So könnte deutlich werden, dass die Menschheit sich darum in einen angenehmeren Zustand brachte, weil sie "Ziele verfolgte". Behauptet jemand, dies solle man abstellen, werden die meisten Menschen mit gesundem Menschenverstand erkennen, dass dies ein Irrtum ist. Wir hätten kein Penicilin, wir würden mit 40 sterben, es stänke überall nach Kot mangels Kanalisation und es gäbe nicht mal Streamingdienste, um unsere Freizeit zu versüßen - denn all das hat sich verändert, weil Menschen dezidiert Ziele hatten.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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