Shobogenzo - Welche Ausgabe?

  • Ich möchte mir Dogens Shobogenzo kaufen. Nun gibt es aber zwei Gesamtausgaben: eine im Angkor-Verlag erschienene einbändige Ausgabe und eine vierbändige Ausgabe des Kristkeitz Verlages. Letztere kostet ungefähr doppelt soviel, ist aber eine direkte Übersetzung aus dem Japanischen, was ein großer Vorteil sein dürfte, während der einbändigen Ausgabe die Übersetzung ins Englische von Roshi Kosen Nishiyama zugrunde liegt, wobei mir unbekannt ist, wie weitreichend die auf der Verlagsseite behauptete Überarbeitung war.


    Wer kennt eine der Ausgaben (optimal wäre: beide) und kann darüber etwas sagen? Was sind die Stärken und Schwächen beider Ausgaben?

  • Ich empfehle dir die Ausgabe im Angkor-Verlag. Ich besitze die beiden Bände, die vormals im Theseus-Verlag erschienen sind und wenn ich diese vergleiche mit Gudô Wafu Nishijima im Kristkeitz-Verlag, dann bin ich froh, dass es damals diese Ausgabe nur gab.
    Im übrigen ist es eben nicht korrekt zu sagen "erstmals aus dem japanischen Urtext ins Deutsche übersetzt", denn Nishijima hat aus dem Japanischen der Kamakura-Zeit - Mittel-japanisch- ins Englische übersetzen lassen und von da ins Deutsche. Was das jetzt für ein Verkaufsgag sein soll, entzieht sich meiner Beurteilung.


    Optimal sind nicht beide - optimal ist die gemeinsame Praxis in einer Sangha mit einem Lehrer, der was von Dogen versteht. Denn Studium und Praxis bedingen sich.
    Das wesentliche ist daher nicht so sehr die Ausgabe, sondern die Praxis, die letztlich die Grundlage liefert für das Verständnis der Texte Dogens.
    Die Texte sind Teisho, die Dogen während der gemeinsamen Praxis mit seiner Sangha gehalten hat und daher sind sie in allen Sprachen schwer verständlich, weil sie etwas Unaussprechliches aussprechen. Sie sind von unterschiedlicher Qualität, manche waren auch zur Veröffentlichung vorgesehen, manche nicht.


    Den kompletten Shobogenzo gibt es online auch in Englisch in einer sehr guten Ausgabe.

  • Hallo Yasunari,


    das ist ein heiß umstrittenes Thema unter den 'Experten'... - da will ich nicht in noch ein Fettnäpchen treten... :grinsen:
    Ich habe die Nishiyama-Version, die auch bei Theseus ursprünglich auf vier Bände angelegt war, aber dann nach dem Bd.2 eingestellt wurde, weil sie nicht 'ging' (sie wurde dann von Angkor übernommen und fertiggestellt) - die Bde. 3 und 4 auf Englisch; und in die Nishijima-Version bei Kristkeitz interessiert 'reingesehen. Mein persönlicher Eindruck war, dass letztere sprachlich präziser ist und den Originaltext genauer wiedergibt, während erstere mehr interpretiert - aber das ist wie gesagt mein ganz persönlicher Eindruck...


    () Wolfgang

  • Dass es ein heißes Thema ist, weiß ich schon. :D


    Den beiden bisherigen Reaktionen nach dürfte die einbändige Ausgabe von Angkor verständlicher sein als die vierbändige von Kristkeitz. Ist mein Eindruck richtig?


    qilin:

    Mein persönlicher Eindruck war, dass letztere sprachlich präziser ist und den Originaltext genauer wiedergibt, während erstere mehr interpretiert - aber das ist wie gesagt mein ganz persönlicher Eindruck...


    Nun gibt es verschiedene Kriterien für Genauigkeit. Meinst Du also mit "genauer", dass die Kristkeitz-Ausgabe wörtlicher ist als die von Angkor und den Text syntaktisch präziser wiedergibt? Mit "genauer" könnte z.B. auch gemeint sein: gibt den Sinn treffender wieder.


    Mir ist der Sinn wichtiger als die syntaktische Struktur. Was nützt es mir, wenn in einer Übersetzung japanische Idiome wörtlich übersetzt sind, wenn ich diese ohne Japanisch-Kenntnisse nicht verstehen kann? Ich persönlich bevorzuge philologische Übersetzungen, zu wörtliche und zu paraphrasierende Übersetzungen mag ich nicht. Wenn man das bedenkt: Welche Übersetzung ist am wahrscheinlichsten die für mich geeignetere?

  • Yasunari:

    Welche Übersetzung ist am wahrscheinlichsten die für mich geeignetere?


    Das kannst nur du entscheiden.


    Diese Texte erschließen sich nicht, in dem man sie liest - den Sinn versteht man nur, wenn man in dem gleichen Sinn bereits selbst ist. Und das ergibt sich durch die gemeinsame Praxis in einer Sangha mit einem Lehrer, der in dieser Praxis zu hause ist.

  • Nun, mit 'genauer' meinte ich schon auch 'philologsch genauer', aber am besten Du siehst Dir beide mal an - kannst sie ja per Fernleihe über eine Bibliothek bestellen - dann siehst Du was Dir besser zusagt...


    () Wolfgang

  • Kokoro:

    Im übrigen ist es eben nicht korrekt zu sagen "erstmals aus dem japanischen Urtext ins Deutsche übersetzt", denn Nishijima hat aus dem Japanischen der Kamakura-Zeit - Mittel-japanisch- ins Englische übersetzen lassen und von da ins Deutsche. Was das jetzt für ein Verkaufsgag sein soll, entzieht sich meiner Beurteilung.


    Als Verkaufsgag würde ich das jetzt nicht bezeichnen. Es gibt zwei Ausgaben und eine davon, die frühere Ausgabe, ist aus dem Englischen übersetzt worden. Da die zweite Ausgabe nicht eine englische Übersetzung als Grundlage hat, sondern das japanische Original, ist es schlicht zutreffend, dass das Werk in dieser Ausgabe erstmals direkt aus dem japanischen Urtext übersetzt worden ist.


    Das ist an sich ein großer Vorteil (wobei eine Übersetzung aus dem Original theoretisch auch so schlecht sein kann, dass eine sorgfältige Übersetzung einer sorgfältigen Übersetzung besser ist). Allerdings ist die ältere Übersetzung in der neuen einbändigen Ausgabe überarbeitet worden. Je nachdem, wie gründlich die Überarbeitung war, kann damit der Nachteil gegenüber der anderen Ausgabe wettgemacht werden. Ich gehe mal davon aus, dass das der Fall ist.


    Ich werde einfach mal sehen, ob ich nicht zumindest mehrere Abschnitte in den beiden Übersetzungen miteinander vergleichen kann. Der Haken ist halt der, dass ich den korrekten Sinn erst einmal erfasst haben muss, um die Qualität beurteilen zu können. Aber gut, die vierbändige Ausgabe kostet das Doppelte und offenbar ist die günstigere auf jeden Fall gut. Zur Not würde ich dann einfach die nehmen.


    Danke für Deine Meinung! Hat mir weitergeholfen.

  • Hallo,


    ich möchte auch gern etwas dazu sagen:


    Ich habe beide Übersetzungen, den überarbeiteten Gesamtband vom Angkor-Verlag (636 Seiten) und die neue Übersetzung in vier Bänden vom Kristkeitz-Verlag (zusammen 1352 Seiten). Zu den früheren getrennten Bänden vom Theseus und Angkor Verlag kann icht nichts sagen, die kenne ich nicht. Die Gesamtausgabe wurde ja noch einmal überarbeitet und die fehlenden 4 Kapitel ergänzt. Zusätzlich sind die neuen Bücher "Zen Schatzkammer - Einführung in Dogens Shobogenzo" von Yudo J. Seggelke für das Verständnis des Shobogenzo sehr hilfreich. Mit Unterstützung von Gudo Wafu Nishijima Roshi versucht er jedes der 95 Kapitel des Shobogenzo leicht und verständlich zu erklären. Ich finde, es ist eine gute und hilfreiche Ergänzung. Ich bin der Meinung, dass die ältere Übersetzung vom Angkor-Verlag mehr interpretiert, dadurch ist der Text aber "leichter", weil man sich nicht so viel mit der Sprache selbst befassen muß sondern mehr Raum für das was vermittelt wird hat. Die neue Übersetzung vom Kristkeitz-Verlag hält sich eng an den originalen japanischen Urtext. Man beachte alleine den verschieden großen Umfang an Seiten beider Werke. Meiner Erfahrung nach ist ein Text aus der japanischen Sprache nicht einfach so 1:1 zu übersetzen, dazu ist die Sprache zu bildhaft, es werden zu viele Metaphern benutzt und auch Querverweise und Anspielungen auf Kultur, Geschichte und wichtigen Personen sind enthalten. Ich meine, das ist ohne Kenntnis der japanischen Sprache selbst, der Kultur und der Geschichte Japans so gut wie unmöglich bzw. sehr schwer. Das Verständnis wird dadurch rapide herabgesetzt, wenn man es überhaupt verstehen kann. Daher ist die neue Übersetzung mit vielen Kommentaren und Fußnoten versehen, die Bilder, Umstände, Übersetzungshinweise wie Eigennamen und Zusammenhänge erklären. Teilweise sind diese Bemerkungen fast genau so lang wie die Kapitel selber. Dies ist für das Verstehen der Texte sehr hilfreich, eine wirklich tolle Leistung der Übersetzer! Daher und durch die schöne und stabile Aufmachung der 4 Bände kommt es wahrscheinlich auch zu dem hohen Preis. Ich sehe das aber als sehr lohnenswert an!


    Man sollte beide Übersetzungen nicht als schlecht ansehen, jedes ist auf seine Weise hervorragend. Ein Durcharbeiten beider Ausgaben ist sinnvoll und kann sich positiv auf das Verständnis auswirken. Es ist natürlich auch eine Preisfrage, aber man kann ja mit einer Ausgabe anfangen und ggf. später die andere Übersetzung hinzuziehen.


    Ich denke, dass Meister Dogen ein Mann war, der das Buddha-Dharma voll und ganz durchdrungen und verwirklicht hat. Seine ganzen Erfahrungen und Erlebnisse der Wahrheit sind in sein Werk eingeflossen. Daher halte ich das Shobogenzo als eines der wichtigsten Werke im Buddhismus und weil ich es gerne verstehen möchte, habe ich mir alles darüber besorgt. Es ist mir klar, dass man Dogens Werk nicht allein mit dem Intellekt aufnehmen und "verstehen" kann, trotzdem möchte ich mich auch verstandesmäßig in dieses wichtige Werk vertiefen und dazu habe ich mir beide Übersetzungen und die Erklärungen zugelegt!


    Liebe Grüsse
    Chris

    Es gibt jetzt, weil es einst gab und es wird einst geben, weil es jetzt gibt.

  • Hallo Chris,


    Zitat


    Ich denke, dass Meister Dogen ein Mann war, der das Buddha-Dharma voll und ganz durchdrungen und verwirklicht hat. Seine ganzen Erfahrungen und Erlebnisse der Wahrheit sind in sein Werk eingeflossen. Daher halte ich das Shobogenzo als eines der wichtigsten Werke im Buddhismus und weil ich es gerne verstehen möchte, habe ich mir alles darüber besorgt. Es ist mir klar, dass man Dogens Werk nicht allein mit dem Intellekt aufnehmen und "verstehen" kann, trotzdem möchte ich mich auch verstandesmäßig in dieses wichtige Werk vertiefen und dazu habe ich mir beide Übersetzungen und die Erklärungen zugelegt!


    Ich kann nur von meinen Erfahrungen mit dem Shobogenzo berichten.Als ich mir die beiden Bände von Dogen aus dem Theseus Verlag kaufte, habe ich um ein Verständnis gerungen.Nach Jahren der Praxis werden mir Aspekte davon klarer - und heute sage ich - Genjokoan ist der Text, der reicht.


    Natürlich kann sich jeder kaufen was er möchte und jeder muss auch seine eigenen Erfahrungen machen.


    Nun zu der Übersetzung und dem falschen Eindruck, der da erweckt wird, hinsichtlich der Sprachen.
    Der Übersetzung von Manfred Eckstein ins Deutsche liegt die englische Übersetzung von Kosen Nishiyama und John Stevens zu Grunde. Diese Übersetzung wiederum ist aus dem Kohonkotei Shobogenzo, gesammelt von Doshu Okuba.


    Beide Übersetzungen aus dem "Urtext" stammen von Doshu Okuba - wo ist also das Problem?


    Das liegt m.E. nur in der Person Nishijimas.
    http://www.dogensangha.org/gwn.htm
    Ich habe den, durchaus unangenehmen Eindruck, dass hier Nishijima sich mittels Dogen vermarktet. Sowas muss ich nicht haben - und dann lese ich lieber in den blogs der beiden alten Herren und überlege mir für das eingesparte Geld alternative Verwendungsmöglichkeiten.


    Hingegen dieser Übersetzer Kosen Nishiyama Roshi ist Zenmeister, Lehrer und Priester, sowie Abt (31. Patriarch) des Daimanji-Tempels, einem großen Tempel in der nord-japanischen Metropole Sendai mit ca. 450 aktiven Mitgliedern. Nishiyama Roshi ist gleichzeitig Professor für Buddhologie und Englisch an der Tohoku Fukushi Universität.
    Kosen Nishiyama Roshi wurde 1939 in Sendai geboren. Seine Unterweisung im Zen erhielt er im Hauptkloster der japanischen Sotoschule des Zen, dem Sojiji-Tempel in Yokohama. 1975 erschien seine Übersetzung von Dogen Zenjis Shobogenzo im Englischen. Weiterhin übersetzte Nishiyama Roshi das Denkoroku von Keizan Jokin ins Englische (erschienen 1994).