Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten

  • Another one:
    "Trotz meiner weiterhin existierenden Leidenschaft für die Ideen und Praktiken des Dhamma fühle ich mich ambivalent, wenn ich mich als eine 'religiöse' Person bezeichnen soll. (...) Falls man eine 'säkulare Religion" nicht als Widerspruch in sich betrachtet, würde ich mich einem solchen Konzept gerne anschließen." S. 299

  • Ich habe dieses Buch auch gelesen. Nun frage ich mich, ob es so etwas wie einen "real-existierenden Buddhismus" überhaupt gibt? Welches Etikett wäre so passend, daß alle zufrieden wären? Dürfen nur Buddhisten sich als solche bezeichnen oder dürfen auch andere sie bezeichnen? Wie sieht der Durschnittsbuddhist aus, der ein solches Etikett verdiente?


    In der Sammlung The Martian Chronicles von Ray Bradbury gibt es eine Story (August 2002), in der der Mensch Tomas Gomez und der Marsianer Muhe Ca aufeinandertreffen. Ihre Kommunikationsprobleme und gegenseitigen Bezeichnungen füreinander, sowie die exsistentiellen Grundvoraussetzungen eines jeden führen zur Katastrophe: Sie möchten einander näher kennenlernen, doch sie wissen, dass dies jenseits ihrer Erfahrungsmöglichkeiten ist.


    Levy Strauss drückt es in "Traurige Tropen" so aus:

    Zitat

    .......Was die Schöpfungen des menschlichen Geistes betrifft, so existiert ihr Sinn nur in Bezug auf ihn selbst, und sie werden im Chaos versinken, sobald er erloschen sein wird. So dass sich die ganze Kultur als ein Mechanismus beschreiben lässt, in dem wir nur zu gern die Chance des Überlebens sehen möchten, die unser Universum besitzt, wenn seine Funktion nicht darin bestünde, das zu produzieren, was die Physiker Entropie und wir Trägheit nennen. Jedes ausgetauschte Wort, jede gedruckte Zeile stellt eine Verbindung zwischen zwei Partnern her und nivelliert die Beziehung, die vorher durch ein Informationsgefälle, also durch größere Organisation gekennzeichnet war. Statt Anthropologie sollte es „Entropologie“ heißen, der Name einer Disziplin, die sich damit beschäftigt, den Prozess der Desintegration in seinen ausgeprägtesten Erscheinungsformen zu untersuchen.............

    "Nichts ist schlimmer, als eine juckende Stelle zu haben, die man nicht kratzen kann!"

  • Bodo Sass:

    Ich habe dieses Buch auch gelesen. Nun frage ich mich, ob es so etwas wie einen "real-existierenden Buddhismus" überhaupt gibt? Welches Etikett wäre so passend, daß alle zufrieden wären?


    1) Hallo Bodo,
    Dieses passende Allround-Etikett gibt es nicht. Alle zufrieden zu stellen - das ist unmöglich. Auch wenn sich 10 Menschen das Etikett "Buddhist" aufkleben, so verbergen sich doch hinter dieser 10 Etiketten 10 Menschen, von denen ich nicht weiß, wie sie das Etikett interpretieren.


    Zitat

    Dürfen nur Buddhisten sich als solche bezeichnen oder dürfen auch andere sie bezeichnen?


    2) Da noch nicht einmal Buddhisten einen Konsens darüber finden, was ein "Buddhist" ist, verbietet es sich für Außenstehende, mit diesem Etikett zu hantieren. Es gibt nicht den Buddhismus, es gibt nur Buddhismen


    Zitat

    Wie sieht der Durschnittsbuddhist aus, der ein solches Etikett verdiente?


    3) Es gibt keinen Durchschnittsbuddhisten. Siehe Punkt 1.


    Gruß
    Lena

  • Lena:


    1) Hallo Bodo,
    Dieses passende Allround-Etikett gibt es nicht. Alle zufrieden zu stellen - das ist unmöglich. Auch wenn sich 10 Menschen das Etikett "Buddhist" aufkleben, so verbergen sich doch hinter dieser 10 Etiketten 10 Menschen, von denen ich nicht weiß, wie sie das Etikett interpretieren.


    Hallo Lena,
    Du und ich sind aber auch zwei von den zehn. Wie könnten wir uns enthalten, ohne nicht denselben Umstand zu erzeugen, den Strauss Desintegration nennt?



    Zitat

    2) Da noch nicht einmal Buddhisten einen Konsens darüber finden, was ein "Buddhist" ist, verbietet es sich für Außenstehende, mit diesem Etikett zu hantieren. Es gibt nicht den Buddhismus, es gibt nur Buddhismen


    Aus meiner Position würde ich sagen, daß gerade darum die anderen(Nicht-Buddhisten) das Recht haben, zu beschreiben, wie sich etwas verhält. Das ist eine Art Supervisoring. Wenn aber keine immanente Struktur des Buddhismus vorhanden ist, warum diskutieren alle darum? Wenn die Diskussionen aber um Transzendenz gehen, wie sollte man sich dahingehend noch verständigen geschweige denn einigen können?



    Zitat

    3) Es gibt keinen Durchschnittsbuddhisten. Siehe Punkt 1.


    Dazu möchte Ich Levy Strauss noch einmal bemühen:


    Zitat

    .....Dennoch existiere ich. Sicher nicht als Individuum; denn was bin ich in dieser Hinsicht anderes als der Einsatz im Kampf zwischen einer Gesellschaft, welche aus Milliarden von Nerven unter dem Termitenhügel des Schädels besteht, und meinem Körper, der ihm als Roboter dient? Weder die Psychologie noch die Metaphysik, noch die Kunst können mir Zuflucht sein, Mythen, die von nun an, auch von innen her, einer Soziologie neuer Art unterworfen sein können, die eines Tages entstehen und sie nicht freundlicher behandeln wird als die alte. Das Ich ist nicht allein hassenswert; es hat auch keinen Platz zwischen einem Wir und einem Nichts. Und wenn ich mich letztlich für dieses – wie auch immer scheinhafte – Wir entscheide, so deshalb, weil mir, will ich mich nicht selbst zerstören – eine Tat, welche die Bedingung der Entscheidung aufheben würde –, nichts bleibt, als eine Wahl zwischen diesem Schein und dem Nichts zu treffen, so dass ich durch eben diese Wahl meine menschliche Lage ohne Vorbehalt auf mich nehme: Indem ich mich von einem intellektuellen Hochmut befreie, dessen Eitelkeit ich an der seines Gegenstands ermessen kann, bin ich auch bereit, seine Ansprüche den Anforderungen unterzuordnen, welche die Befreiung einer großen Masse von Menschen stellt, denen die Möglichkeit einer solchen Wahl seit jeher verweigert wird. Sowenig das Individuum in der Gruppe und eine Gesellschaft unter den anderen allein ist, sowenig auch ist der Mensch allein im Universum.......(Traurige Tropen)


    Danke
    Bodo Sass

    "Nichts ist schlimmer, als eine juckende Stelle zu haben, die man nicht kratzen kann!"