Missbrauch des Konzeptes der Wiedergeburt zur Rechtfertigung

  • Kannst du die Passage mal "färben", nicht dass noch jemand denkt, Sudhana oder Kongjiazhong hätten so gesagt.


    Jut, ick mal wieda:


    CurtainCall hat geschrieben:

    Zitat

    Aber nun zum eigentlichen Thema dieses Beitrags:
    Ich habe letztens, als ich mich mit Kritik über den Buddhismus beschäftigt habe, gelesen, dass einige "Buddhisten" folgende These aufgestellt haben:
    << Ausschwitz war gut, da diese Juden in ihrem früheren Leben schlechtes Karma gesammelt haben.
    >>
    Das ist aus ethischer Sicht abscheulich.


    ps. Thema wurde schon einige male "kontrovers diskutiert" seit der feierlichen Eröffnung von Butterland.,
    unter selbiger oder ähnlicher Prämisse,nämlich: manche hätten gesagt, dass...siehe oben... ( und dann ging halt Karmadisse los, was janz normal is )
    Wer ist jetzt Antisemitisch ? Unbekannte Sockenpuppen ?


    Die sg. Kritikseiten zum Buddhismus sind oft extrem populistisch.

    3 Mal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Engelbert:

    bevor der Stolz dazukam, auf das, was Du weißt.


    Mach mal halblang, was weiß ich denn schon. Einen gesunden Stolz würde ich mir zwar nicht absprechen, aber das ist ganz harmlos. Abgesehen davon kann ich doch nicht, gerade dort, wo ich wohne, mit gesenktem Blick an den Hauswänden entlang schleichen, was meinst Du, wo das enden würde?


    Zitat

    Er erheitert sie, macht sie heiter froh (sampahamsako), so daß die Lehre Freude macht und wohltut, sich als befreiend zeigt, als erhellend.


    Also, daran mangelt es nicht, der Dalai Lama und viele Lehrerinnen und Lehrer grinsen, kichern, lachen leise und schalend, ständig, sie strahlen ihre gute Laune, ihre positiven Energien (fast schon gnadenlos) aus und machen alle heiter und froh. Ist dir das immer noch zu wenig?


    Zitat

    Das kommt aus Deinem Pali Kanon


    Ich fetischisiere diesen Kanon nicht, bin auch kein schriftgelehrter Kenner, sondern nur ein kleines Lichtlein. Ich wüsste auch nicht, wann ich ihn hier das letzte Mal zitiert hätte, vielleicht verwechselt Du mich mit jemandem anderen, ist aber kein Problem.


    Zitat

    Es ist die Art, wie junge Mönche gelehrt werden sollen.


    Bist Du denn ein Mönch? Wie ich hörte, sei das Lehrleben eines Mönchs, oder einer Nonne nicht gerade ein Zuckerschlecken (es mag verwöhnte Ausnahmen geben). Schaue dir mal bei Gelegenheit die Lehrjahre von Milarepa an, er hatte jedenfalls nicht viel zu lachen (das hat auch etwas mit "Abtragen von unheilsamen Karma" zu tun, hießt es), und er war "noch nicht einmal" Mönch.


    Zitat

    Nicht mit Überheblichkeit und aufgeblähten Weisheitsmuskeln.


    Warum agierst Du so, wenn Du es nicht magst?


    Zitat

    Es ist doch kein Wunder, dass Du mir überlegen bist.


    Ich gebe dir eine Handreichung in vier Absätzen zum Verständnis dessen, was gesagt, geschrieben und getan wird. Du kannst das universell und bezogen auf alles mit Erfolg anwenden, der Witz ist gerade, dies wirklich auf alles anzuwenden, dann wirst Du mir rasch das Wasser reichen können:


    Betrachte alle, inklusive dich selbst, als ziemlich unvollkommen, es gibt aber keinen Grund dich selbst als besonders und vollkommen unvollkommen zu betrachten.


    Betrachte alles und jeden als provisorisch, als letztlich unausgegoren, mal steht der eine Aspekt, mal ein anderer Aspekt im Vordergrund, mal wird von der einen Seite geschaut, mal von der anderen, nichts ist abgeschlossen, alles befindet sich in Entwicklung, in Bewegung, nichts ist ganz wahr, es gibt nur verschiedene Elemente, die man zusammenlegen und wieder trennen kann, alles ist Prozess.


    Es gibt diese Lehrmeinung und jene, der eine denkt so, der andere anders. Die Unterschiede sind in gleicher Weise Oberflächenphänomene und verschiedene konventionelle Aspekte des Einen, der Leerheit. Und dieser Zustand ist nicht wertlos und minderwertig, sondern es ein großartiger Zustand der Freiheit der Bewegung. Der Prozess selbst ist alles, das Ganze.


    Über Themen wie Karma usw. solltest Du so wenig wie möglich reden und denken, Du könntest die Erläuterungen der Meister der Vergangenheit und Gegenwart zur Kenntnis nehmen, aber sie nicht überbewerten, auch nicht missachten. Bete und sitze! Wenn Du schon meinst, Buddhastatuen füllen zu sollen, so mache es nicht aus höheren Gründen, sondern deshalb, weil es in der Tradition, mit der Du dich möglicherweise verbunden fühlst, eben so gemacht wird.


    Mache es, wie Du willst. Anhand der Früchte wirst Du deine Entscheidungen erfahren.


    Übrigens halte ich mich für einen der humorvollsten, undogmatischsten und demütigsten Schreiber in diesem Forum, was ich dir nur deshalb so explizit sage, weil ich befürchten muss, dass es dir selbst, vielleicht aufgrund innerer Hindernisse, noch nicht aufgefallen ist, dabei ist es gerade das, was mich mit einem Hauch von berechtigtem Stolz erfüllt.


    Kongjiazhong

    • Offizieller Beitrag


    Das ist ja ein Ansatz mit einem ganz starken Gewicht auf der Erkenntnis der Leidhaftigkeit (dukkha) und der Leerheit. Während ich Engelbert als jemand erlebe, der großes Leid durchgemacht hat und dem Buddhismus hilft, von einem Leben in Scherben hin zu Ganzheit und Freude zu finden. Von daher kann ich verstehen, das dein Fokus auf das Unvollkommene da als arrogant und destruktiv rüberkommt. Ich finde jetzt keine gute Metapher nur diese verquer-pathetische: Wo Engelbert vom Schlachtfeld sagen wir (Ausschwitz) hin zur Freude, zum Frieden und zur Harmonie wendet bis du so ein Schädel der aus den Gräsern lugt und vom nächten Krieg erzählst. Und das dann Demut und Mitgefühl nennst.


    Gibt es sowas wie arrogante Demut? So Am Tisch wackeln, das auch die Klötzchen-Türme der anderen einstürzen und die Instabilität offenbar wird?

  • Frank1:

    Und selbst Buddha ist davon ausgegangen, dass er nicht unfehlbar ist und hat gesagt, man solle seine Aussagen überprüfen und nicht einfach übernehmen.


    Könnte man denken....

  • void:

    Während ich Engelbert als jemand erlebe, der großes Leid durchgemacht hat und dem Buddhismus hilft, von einem Leben in Scherben hin zu Ganzheit und Freude zu finden.


    Ich kenne "Engelbert", den strahlend leuchtenden Engel, nicht, aber es ist sehr schön, zu versuchen ein Leben in Scherben zu verlassen und einen reinen Ort der Ganzheit zu erreichen. "Reine Länder" sind ja ebenfalls etwas von dieser Art. Dies strebe ich in gewisser Weise auch an, denn Dukkha ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Der Buddhismus lehrt so viele Mittel, wie es Wesen gibt.


    Dieses Forum, und das gilt für andere auch, ist ja kein intimer Ort der Begegnung, wie es ihn im privaten Bereich oder, zum Beispiel, in einer buddhistischen Übungshalle geben mag. Darüber sollte sich jeder bewusst sein und sich keine Illusionen darüber machen - den unrealistische Erwartungen werden enttäuscht, je früher, meine ich, desto besser. Ich nehme fast nichts, was gesagt wird, für wirklich bare Münze, für mich gibt es nur Andeutungen, was aus dem Gesagten nichts "Minderwertiges" macht - so verstehe ich auch die Beiträge anderer.


    Zitat

    Von daher kann ich verstehen, das dein Fokus auf das Unvollkommene da als arrogant und destruktiv rüberkommt.


    Mein Fokus liegt auf dem Vollkommenen, das ist aber nicht das Gegenteil des Unvollkommen. Aber wer kann das schon wem und wann richtig "vermitteln". Beten und sitzen mag helfen, aber das tut jeder, am besten in guter Gemeinschaft mit den Buddhas, Bodhisattvas und den Mitmenschen, allein. Es wird zu viel über zu Verborgenes geredet. Gut, ich mache das teilweise auch, bin mir aber wenigstens des Provisorischen und sozusagen Künstlichen der Sache bewusst. Ich nehme das nicht zu ernst, aber es ist auch kein bloßes (jetzt negativ gemeint) Spiel. Mir ist schon klar, dass man diesen Ansatz als "arrogant" und "destruktiv" empfinden kann, aber gerade im Buddhismus gibt es ein breites Wellness-Angebot, so dass man sich von arrogant-destruktiven Zumutungen gleich wieder erholen kann.

    Zitat

    Ich finde jetzt keine gute Metapher nur diese verquer-pathetische: Wo Engelbert vom Schlachtfeld sagen wir (Ausschwitz) hin zur Freude, zum Frieden und zur Harmonie wendet bis du so ein Schädel der aus den Gräsern lugt und vom nächten Krieg erzählst. Und das dann Demut und Mitgefühl nennst.


    Ein sehr schönes Bild. Nur ein aus den Gräsern lugender Schädel - das ist von Demut nicht weit entfernt. Ich versuche das mal in eine exotische Sprache zu übersetzen, es wäre als Name eine gute Alternative zu Kongjiazhong, wenigstens eine Ergänzung.


    Zitat

    Gibt es sowas wie arrogante Demut?


    Ja, bei religiösen Menschen kommt so etwas vor. Das entspricht aber nicht meinem Selbstbild.


    Zitat

    So Am Tisch wackeln, das auch die Klötzchen-Türme der anderen einstürzen und die Instabilität offenbar wird?


    Wenn die anderen allzu sicher sind, allzu arrogant sind, allzu stark (kommt auch bei Leuten vor, die von sich sagen und meinen dass sie Anfänger sind, dass es ihnen schlecht geht, dass sie das arme Opfer sind usw.) daherkommen, alles allzu besser wissen, sich allzu moralisch überragend finden - dann ist die Verwandlung von Klötzchen-Türmen und Klötzchen-Twintower in einstürzende Neubauten ein Freude machender Zeitvertreib, der sogar noch zu etwas gut ist, in mehrfacher Hinsicht.


    Kongjiazhong

  • Engelbert:

    Es ist doch kein Wunder, dass Du mir überlegen bist.


    Fall doch nicht auf sein Gequake rein. Genau besehen redet der nur vollkommen ideologisch vernagelten Unsinn. Bloß dir fehlt das Selbstvertrauen das zu erkennen.

  • blue_aprico:


    Wer ist jetzt Antisemitisch ?


    Na das hier könnte schon die buddhistische Manifestation antisemitischer Konditionierung sein:

    Zitat

    << Ausschwitz war gut, da diese Juden in ihrem früheren Leben schlechtes Karma gesammelt haben. >>


    Ohne das "gut" wär's offensichtlich irrationaler Unsinn. aber mit dem "gut" könnte es antisemitischer irrationaler Unsinn sein.

  • kongjiazhong:
    Sudhana:

    "Die Juden" haben Auschwitz definitiv nicht geschaffen (als Ursache und Bedingung gesetzt), auch nicht durch ihr karma.


    Die spezifische Seinsweise der Juden - als Realität und als Vorstellung anderer davon - war eine Bedingung ihrer teilweisen Vernichtung.


    Hmm ... bist Du Nichtjude? Wenn nicht, was weisst Du dann über die spezifische Seinsweise der Juden? Und das meine ich jetzt "als Realität", nicht "als Vorstellung". Wie die Vorstellung aussah und zum Teil noch aussieht, weiß ich zur Genüge. Bist Du Jude? Nun, dann musst Du es selbstverständlich wissen - aber Du wirst es schwerlich einem Nichtjuden verständlich machen können. Dass Vorstellungen "über die spezifische Seinsweise der Juden" in Auschwitz eine wichtige Bedingung ihrer Vernichtung waren, ist mir nicht neu und unstrittig. Bitte missverstehe mich da nicht - ich will Dir da wirklich nichts unterstellen. Ganz im Ernst. Ich will auch Dich nicht missverstehen.

    kongjiazhong:

    Eine andere Bedingung war zum Beispiel der Organisationsgrad und die Zuverlässigkeit der Deutschen Reichsbahn.


    geschenkt. Die Welt, so wie sie sich uns gewöhnlich in unserem Geist darbietet, ist multikausal. Unüberschaubar multikausal, erzählen uns die Chaostheoretiker.

    kongjiazhong:

    Solch eine Aussage kann man auch, um mal von den Juden wegzukommen, die auf allen Gebieten maßlos überschätzt werden, sowohl als Handelnde, als auch als Täter und Opfer, auch für die Toten der Bombardierungen von Tokyo oder Dresden treffen (es müssen nur ein paar Worte ausgetauscht werden).


    Auch geschenkt. Wobei Du statt "Tokyo" vielleicht eher Hiroshima und Nagasaki, die ich mir hier auszutauschen erlaube, gemeint hast. Ja. Ich habe Augen, um ein Kriegsverbrechen zu erkennen wenn ich es sehe und ich habe eine Stimme, es auch so zu nennen. Die Angst, die schweigen macht, habe ich im Lauf der Jahre verlernt.

    kongjiazhong:
    Sudhana:

    Notabene: aus dem o.g. folgt auch, dass es so etwas wie ein "Gruppenkarma" (z.B. das Karma der Juden) nicht gibt. Das ist eine rassistische Sichtweise und hat mit dem Dharma nichts zu tun. Auch, wenn Einzelne zumindest teilweise durch gleiche Ursachen und Bedingungen bestimmt (z.B. ein KZ) existieren, so existieren sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe.


    Wieso die Besinnung, gerade in der Not, auf das Eigene, auf die Familie und Gruppe, auf das Kollektiv und die Ethinizität, auf gemeinsame religiöse und politische und kulturelle Werte und Überzeugungen, wieso die Abgrenzung von Fremden und Feindseligen, also die Besinnung auf gegenseitige Hilfe und Solidarität, auf die Affirmation des Menschen als soziales Tier als "rassistisch" (ein ausgelutschter und daher unbrauchbarer politischer Kampfbegriff) bezeichnet wird und warum das gemeinsame und zusammen erfolgende Agieren, das nur passieren kann, wenn das Gemeinsame schwerer wiegt, als das Trennende, als nicht mit dem Dharma vereinbar denunziert wird, ist mir schleierhaft.


    Ja, das hat was. So oft ich es höre, ich bin jedes Mal wieder erschüttert, wenn ich Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" höre und die Todgeweihten das Sch’ma Israel anstimmen. Es ist herzzerreißend. Tja - wieso das alles? Gute Frage. Das ist Zufluchtsuche und -nahme am falschen Ort. "Looking for Love (in several wrong places)". Habe ich am Computer trainiert, mit "Leisure Suit Larry 2". Ein echter Brüller. Ist schon n'e Weile her, hatte 'ne Menge Spaß dabei. Hab noch bis "Leisure Suit Larry 6" mitgespielt("Shape Up or Slip Out!"). Aber - mal im Ernst - funktioniert es denn? Ist es das, was Menschen glücklich macht? Ich meine jetzt nicht "Leisure Suit Larry", das klappt schon irgendwie. Wenn auch meistens nicht so, wie man will, was das Glück kräftig mit Wermut würzt. Es wird halt auf die Dauer fad. Einmal durchspielen reicht. Das meine ich nicht. Ich meine die Zuflucht

    kongjiazhong:

    auf das Eigene, auf die Familie und Gruppe, auf das Kollektiv und die Ethinizität, auf gemeinsame religiöse und politische und kulturelle Werte und Überzeugungen


    Das klassische, leider etwas löchrig gewordene Biedermeieridyll. Verzeih den Spott. Macht das wirklich glücklich? Nicht, dass ich den Wert von Solidarität nicht anerkennen würde ... Aber macht das glücklich? Beendet das Leiden? Die lautstärksten, die massenwirksamsten Prediger der Solidarität haben im Namen der marx'schen Eschatologie ein Desaster angerichtet. Großer Vorsitzender - dein Reich der Freiheit jenseits der Notwendigkeit komme. Was hatten wir stattdessen? Eine brutale Bürokratie, die sich unaufhaltsam zur korrupten Kleptokratie entwickelte. Und davor, die Prediger von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Auch ein Desaster. Was ist vom 'Projekt Aufklärung' geblieben? Ein Geschäftsmodell. Von den Totempfahlschnitzern der diversen wilden Stämme, die derzeit ihre alten Jagdlieder wieder lauter heulen, will ich gar nicht erst anfangen. Unser Revier, unser Stamm, unser von der Vorsehung gesandter Häuptling ... Hat das alles eigentlich jemals was gebracht?

    kongjiazhong:
    Sudhana:


    Auch, wenn Einzelne gleich oder gar gemeinsam handeln, so handeln sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe. Der Einzelne ist konkret, er hat eine persönliche sinnliche Erfahrung seines Seins und er hat einen persönlichen Willen. Gruppen sind nur Abstrakta - eine Gruppe hat weder sinnliche Erfahrung noch einen Willen, noch handeln Gruppen.


    Diese "These" passt in die vom Kapital vorgegebene Ideologie der "Individualisierung" (Atomisierung) als Instrument der Zerstörung jedweder Gemeinschaftlichkeit und Gesellschaftlichkeit. Selbstverständlich handeln Gruppen und Kollektive (auch: Klassen). Sie machen auch sinnliche, und zwar teilweise außergewöhnlich erotische, Erfahrungen. Ich habe jedenfalls solche Erfahrungen gerne gemacht, und kann immerhin bestätigen: Das gibt es.


    Ja, also was Letzteres angeht, bin ich auch sehr spät aus dem Lausbubenalter herausgekommen. Das gibt es wirklich, kann ich bestätigen. Auch ich habe solche Erfarungen gerne gemacht und denke ohne Reue und Schuldgefühle (aber auch ohne den Zwang, bereits gemachte Erfahrungen zu wiederholen) daran. Aber trotz Deiner auf den ersten Blick einleuchtenden Beispiele (die ich jetzt nicht eigens zitiere) denke ich nicht, dass Kollektive tatsächlich eine sinnliche Erfahrung machen (sie sind freilich eine, das zugestanden). Einzelne machen sie (die angesprochene sinnliche Erfahrung des Kollektivs) im Kollektiv - sie stecken sich gegenseitig an, wie die Tafelnden auf der Rosenmontags-Prunksitzung mit ihrem Gelächter. Aber das Kollektiv - wie gesagt, das ist nur ein Abstraktum (fast hätte ich geschrieben "ein leerer Begriff"). Abstrakta haben keine Gefühle. Sie haben keine skandhāḥ. Sicher, auch die skandhāḥ sind leer - aber trotzdem ist da zumindest Wahrnehmung, Empfindung, gestaltendes Wollen und Benennen (und natürlich der zugehörige Körper als Werkzeug). Aber bloße Begriffe wie "Kollektiv" oder "Volk" (vornehmer: "Ethnie") oder "Klasse" oder "Staat" - das sind nur Hirngespinste. Das ist nur ein skandhā - nämlich gestaltendes Wollen. Da fehlen die potentiell nützlichen Dinge: Wahrnehmung, Empfindung und Benennen. Es ist allenfalls so, dass das kollektive "gestaltende Wollen" den Wahn des Einzelnen verstärkt. Er gewinnt nicht dabei, er verliert. Das "gestaltende Wollen" wird so hypertroph, dass es die anderen skandhāḥ erdrückt. Der Mensch in der Masse ist nur zu häufig blind und taub und vor allem völlig hirnlos, wenn das kollektive "gestaltende Wollen" ins Extrem wächst. Dann folgt ziemlich bald die Katastrophe. Unvermeidlich, wie wenn man blind Geisterfahrer spielt. So werte ich jedenfalls meine Erfahrungen aus.

    kongjiazhong:

    Die nationalsozialistischen Parolen, "Du bist nichts, dein Volk ist alles" und "Volksgemeinschaft" haben dies, wenn auch zu pathetisch und als "Lüge" gut zum Ausdruck gebracht. Das interessante ist, dass dies nichts Besonderes, sondern das Normale ist (zum Beispiel das maoistische "Dem Volke dienen" oder der Zusammenhalt irgendwelcher orientalischer Clans in Berlin oder Bremen, um nur zwei Orte zu nennen).


    Die extreme "Individualisierung" ist das Unnormale, das normal werden soll - dafür dient auch eine entsprechende Auslegung des Buddhadharma und anderer religiösen Lehren.


    Was Du "Individualisierung" nennst, nenne ich "Hauslosigkeit". Und ja, das ist "unnormal" und ich finde die Vorstellung, dass das normal wird, eigentlich ganz charmant. Wem das nun dient - nun ich hoffe, nicht nur mir. Natürlich gehört auch das gelegentlich unter "kollektiver Wahn" abgelegt. Aber das Kollektiv saṃgha ist ein heilsamer Wahn - das macht den Unterschied aus. Das mit der Heilsamkeit ist - mit aller gebotenen Nüchternheit betrachtet - natürlich auch nur eine spekulative Idee, ich bestreite es nicht. Und es erfordert eine Menge Vertrauen (oder Verzweiflung), sich danach zu orientieren und darauf einzulassen. Vertrauen auf andere Menschen, die mir in der Erfahrung dessen, was ich für einen heilsamen Weg halte, ein Stück voraus sind - und bereit, zu helfen. Von mir aus kann man das auch dienen nennen. Die Dienste vergilt man, indem man sie als Dienst an Andere weitergibt, das ist nur fair. Das (vor allem das "sich helfen lassen") braucht ein Stück Überwindung. Billiger hab zumindest ich es nicht im Angebot.

    kongjiazhong:
    Sudhana:

    Auch die falsche Sicht von Gruppen ist nur ein feiges, bequemes Ausweichen vor der Verantwortung, die man als Einzelner für sein ganz persönliches Handeln (auch in einer Gruppe verschiedener Einzelner) und dessen Früchte trägt.


    Insofern Kollektive gemeinsam handeln, ernten sie auch gemeinsame Früchte.


    Die erfolgreiche Zersetzung des, um einen klassischen Ausdruck zu verwenden, Proletariats als Klasse für sich mit der historischen und globalen Aufgabe seiner eigenen sozialen Liquidation und ihre tendenzielle Verewigung als Klasse für das Kapital (d.h. ihre Atomisierung, die Auflösung kollektiver Bande untereinander) könnte man zum Beispiel als Ursache der gegenwärtigen Misere hinsichtlich der sogenannten Flüchtlinge betrachten.


    Sicher. Wie ich schon schrieb: ich habe ein Auge, das sieht und Ohren, zu hören - und auch die Fähigkeit zu unterscheidendem Denken. Und ich habe eine Stimme, Sklaverei als Sklaverei und Sklavenjagd als Sklavenjagd zu benennen.

    kongjiazhong:

    Der Siegeszug des Einzelnen (und seines Eigentums) ist der Siegeszug der Barbarei.


    Wenn der Einzelne Max Stirner heisst, dann ja. Wenn der Einzelne Dein wahres Selbst, die Dir angeborene Buddhanatur ist - dann ist Barbarei nur noch eine ferne Erinnerung. Eine, die man bewahren sollte. Auch deswegen lese ich auf meinem persönlichen "Siegeszug" (Dein Ausdruck, nicht meiner) Zeitungen und Bücher, auch dazu nutze ich das Internet. Spass macht das nicht. Aber man muss wissen und sich doch wenigstens gelegentlich daran erinnern, was es hinter sich zu lassen gilt und wen es nicht hinter sich zu lassen gilt.

    kongjiazhong:

    Es ist schade, dass es gelungen ist den Buddhismus von der Höhe des Gemeinsamen in die Hölle der Individualität zu befördern. Ausnahmen und Gegentendenzen bestätigen natürlich die Regel.


    Ich fürchte, da haben wir einen Dissenz. Die "Höhe des Gemeinsamen" im Buddhismus verorte ich derzeit (man sehe es mir nach, und das soll nun wirklich kein Theravada-Bashing sein) eher in Sri Lanka und Burma mit seinem Prälatentum, seinen Bonzen, die Bürgerkrieg und ethnischer Verfolgung das Wort reden. Oder (das sind jetzt Thai und das Beispiel ist natürlich weit weniger extrem) einem Ajahn Brahmavamso Mahathera ein Vinaya-Verfahren an den Hals hängen und ihn aus ihrer Gemeinschaft (das Wort "saṃgha mag ich hier nicht in den Mund nehmen) ausschließen, weil er es wagt, in Australien vier leibhaftige - horribile dictu - Frauen als Bhikkuni anzuerkennen.

    kongjiazhong:

    Eben: 末法, Mò Fǎ, Mappō.


    Genau. Wer nur mag für diese ganz besonders bittere Frucht das Karma erzeugt haben? Ein Einzelner dürfte damit überfordert gewesen sein.


    Danke für den (für mich jedenfalls) hochinteressanten Gedankenaustausch.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • void:
    Engelbert:

    Boh ist das wahnhaft. Ich glaube wir haben es hier mit einer Art "Buddhistischer Staat" zu tun.
    Ich glaube ich lasse das mit dem Buddhismus schnell sein, denn so werden möchte ich nicht.


    Ich glaube kongjiazhong hat sich mit seinem Beitrag unglaublich viel Mühe gegeben, bei dieser so diffizilen Angelengenheit in kein Fettnäpfchen zu treten und jetzt kommst du mit den kompletten Hämmern........


    Wenn behauptet wird, daß jemand aufgrund von Karma/Phala ins KZ gekommen ist - und ehrlich gesagt, scheint mir das eine buddhistische Mainstream-Ansicht zu sein - dann kann man nicht schnell genug von diesem "Buddhismus" das Weite suchen.
    Da gibts nix mehr zu "differenzieren".


    Auch diese Sichtweise gehört ganz klar dazu:

    Zitat

    Die spezifische Seinsweise der Juden - als Realität und als Vorstellung anderer davon - war eine Bedingung ihrer teilweisen Vernichtung.


    Auch wenn sie eloquent erscheint. Gehört es zur "spezifischen Seinsweise des Juden als Realität" - welche Vorstellungen andere sich davon machen? Diese beiden Dinge im einen Satz so unbedarft zu vermischen, zeigt die ganze Gefährlichkeit der gängigen Karma-Theorien, mithin die Gefährlichkeit des "Buddhismus", wo sie vertreten werden.
    Diskussion ist da auch völlig sinnlos.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • kongjiazhong:


    Wieso die Besinnung, gerade in der Not, auf das Eigene, auf die Familie und Gruppe, auf das Kollektiv und die Ethinizität, auf gemeinsame religiöse und politische und kulturelle Werte und Überzeugungen, wieso die Abgrenzung von Fremden und Feindseligen, also die Besinnung auf gegenseitige Hilfe und Solidarität, auf die Affirmation des Menschen als soziales Tier als "rassistisch" (ein ausgelutschter und daher unbrauchbarer politischer Kampfbegriff) bezeichnet wird und warum das gemeinsame und zusammen erfolgende Agieren, das nur passieren kann, wenn das Gemeinsame schwerer wiegt, als das Trennende, als nicht mit dem Dharma vereinbar denunziert wird, ist mir schleierhaft.


    Klar, das Edle, das Gemeinsame. Das Kollektiv.


    kongjiazhong:


    Diese "These" passt in die vom Kapital vorgegebene Ideologie der "Individualisierung" (Atomisierung) als Instrument der Zerstörung jedweder Gemeinschaftlichkeit und Gesellschaftlichkeit. Selbstverständlich handeln Gruppen und Kollektive (auch: Klassen). Sie machen auch sinnliche, und zwar teilweise außergewöhnlich erotische, Erfahrungen. Ich habe jedenfalls solche Erfahrungen gerne gemacht, und kann immerhin bestätigen: Das gibt es.


    Gemeinschaftlichkeit. Das sinnlich erotische Kollektiv.


    kongjiazhong:


    Die extreme "Individualisierung" ist das Unnormale, ...


    kongjiazhong:


    Der Siegeszug des Einzelnen (und seines Eigentums) ist der Siegeszug der Barbarei.


    kongjiazhong:


    Es ist schade, dass es gelungen ist den Buddhismus von der Höhe des Gemeinsamen in die Hölle der Individualität zu befördern.


    Was bist du? Romantischer Kollektivist? Vor solch irrationalen Kollektivisten möge man sich schützen. Sie sind die potentiellen Despoten, die Räuber individueller Freiheiten. Man gebe ihnen Saures, aber bloß niemals die Macht. :lol:


    Das hier hatte doch die gleiche Zielrichtung, oder? Bist du schon besessen? ;)

  • Im Rahmen dieser Diskussion ist "Holocaust" nur ein Platzhalter. Aber einer, für den wir als Deutsche besonders sensibel sein sollten.

  • bel:

    Zitat

    und ehrlich gesagt, scheint mir das eine buddhistische Mainstream-Ansicht zu sein -


    ehrlich ? ich hör sowas nie, nicht weil ich es nicht hören wollte, es hat mir noch nie jemand im dialog gesagt, und auch nicht "in öffentlicher runde". video s gucke ich echt extrem selten, aber da auch nicht. also, woher stammte jene vorgebliche "mainstream ansicht" deiner erfahrung nach ?

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Du vertritts die doch selbst. LOL: Die Wesen sind die Eigner ihrer Taten.

  • bel:

    Du vertritts die doch selbst. LOL: Die Wesen sind die Eigner ihrer Taten.


    vermutlich seh ich wesen nicht als "fixe personen" an, aber als eigner und hervorbringer, ja. ich seh sie auch gar nicht als getrennt von ihrem umfeld an, von einflüssen, nicht mal vom "universum".

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Frank1:

    Und das von nichts, nichts kommt auch.
    Damit kann man die Diskussion m.E. abschließen.


    Was kommt von was? Dass die Insassen der KZs/Gulaks/usw selbst die karmischen Ursachen für ihre dortige Einlieferung gesetzt haben?
    Das auch als Frage an Blue_

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • nein, sehe ich nicht so. das sind "äußerlichkeiten", raum, zeit, bedingungen, form.
    da ist weder individuelles karma, noch kollektives, noch universelles.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • bel:

    Was dann? komm mal in die Puschen, konkret.


    weiß nicht. ne art "naturgesetz".

  • blue_aprico:
    bel:

    Was dann? komm mal in die Puschen, konkret.


    weiß nicht. ne art "naturgesetz".


    Wofür? mach doch mal n konkretes Beispiel, das sich auf die Diskussion hier bezieht.

  • "Wofür ?" - esoterische Ansicht ... 8);)
    ps: hat natürlich keinen höheren sinn, dat karma-vipaka.

  • Du redest von "Naturgesetz". Ich frage: "Wofür"? Meint: Was ist der Inhalt des Gesetzes. Mach es konkret.
    Und du meinst, diese Frage sei "esoterisch"?

  • ich meine, das ist ne ganz grobe, irrelevante, dumme, ja kranke ansicht, zu sagen: die sind dort um negatives karma abzubauen.
    nur, weil du nach einer zeile bezüglich "des urspr. thema s fragst. du hast natürlich auch mal wieder meine frage nicht beantwortet.

  • Aber sie sind dort "Eigner ihrer Taten"? Inwiefern?
    Wie lautete deine Frage?

  • der "inhalt des gesetztes" ist, dass taten auf verursacher "zurückfallen". eine energetische angelegenheit, die sich halt "manifestiert" als vipaka, als eine art "geschmack" innerlich und äußerlich, es ist ne art wirkungsraum oder nen raum, indem wirkung stattfindet.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • blue_aprico:

    der "inhalt des gesetztes" ist, dass taten auf verursacher "zurückfallen". eine energetische angelegenheit, die sich halt "manifestiert" als vipaka.


    Konkret, auf die Diskussion hier bezogen.