Vorab: Ich bin mir über die Platzierung des Postings innerhalb des Forums etwas unsicher.
Meine Intention ist in sich gesehen »buddhismusneutral«. Da ich die Kultur eines Austausches aber für sehr zentral halte, schien mir die Plauderecke auch nicht angemessen.
Ich habe in einigen meiner letzten Thread-Postings schon in die Richtung geschrieben. Tenor war z.B. »Unsicherheit zulassen«, »zu der Unschärfe zwischen dem Ziel und der eigenen Befindlichkeit stehen« oder »von sich selber statt von den Idealen sprechen«.
Angesichts der erstaunlichen Schärfe, die sich gestern in dem ein oder anderen Thread abbildete, möchte ich das noch einmal in einem eigenen Thread als Anregung geben und auch zur Diskussion stellen.
Von sich selbst sprechen verkündet keine Wahrheit
Für mich ist der Kampf – denn das ist es – Selbstbefindlichkeiten auch als Unsicherheiten zuzulassen ein Faden, der sich durch inzwischen 45 Jahre leben zieht. Dabei ist es unerheblich, ob diese Unsicherheiten zeitweise, kapitale Orientierungslosigkeiten darstellen, ob sie aus einer wahrgenommenen Distanz zwischen einem gegebenen Ziel und einer aktuellen Position oder aus der Irritation eines Schicksalsschlages kommen.
Wir alle tendieren dazu, nach Sicherheit zu suchen. Möglicherweise ist diese Sicherheit synonym mit der Abwesenheit von Leiden.
Wir suchen diese Sicherheit in uns und/oder in Lehren und Wegen, die uns von außen begegnen. Das ist für mich völlig jenseits jeglicher Bewertung. Mir scheint, dass der in sich suchende zwei Möglichkeiten hat. Er hält diese Suche in sich verschlossen oder er spricht über diese Suche. Da er sie mangels Fund nur als Suche darstellen kann, kann er nur die Unsicherheit darstellen.
Der in einer Lehre suchende hat die beiden Optionen des in sich suchenden und eine zusätzliche, wenn er über seine Befindlichkeit kommunizieren will: Er kann die Ziele der Lehre darstellen. Unabhängig davon, wie weit seine Suche gediehen ist, oder wie unsicher er sich in dem Moment fühlt.
Wie wird nun mit diesen beiden Charakteren umgegangen?
Setzen wir einmal einen idealen Gesprächsraum voraus. Alle Beteiligten sind sprachlich mit den Begriffsdefinitionen vertraut, sind höflich, respektvoll und einfühlsam.
Der in sich suchende kommuniziert nicht, wenn er in sich bleibt. Das Ergebnis ist null, neutral. Trägt er seine Unsicherheit nach außen, wird er als Mensch erkennbar und im Licht des idealen Gesprächsraum kann Bewegeung in seiner Suche entstehen, durch das, was ihm andere aus ihrer Sicht kommunikativ geben. Ich sage bewusst nicht »raten«, »vorschlagen« oder »zu bedenken geben«.
Der in einer Lehre suchende kann mit den ursächlich gleichen ersten beiden Optionen in diesem Raum mit ähnlichen Ergebnissen rechnen. Kommuniziert er aber aus der dritten Option heraus, behaupte ich, dass er selbst nicht hinter den Zielen und Mechanismen seiner Lehre erkennbar wird.
So wenig Optionen?
Naturgemäß gibt es unendlich viele mögliche Positionen zwischen den von mir angeführten Extremwerten. Zwischen völlig isolierter Selbstsuche und der kompletten Aufgabe aller Barrieren gegen die Außendarstellung der eigenen Unsicherheit liegen unendlich viele.
Auch der einer Lehre folgende muss sich nicht vollständig hinter den Begrifflichkeiten der Ziele seiner Lehre unsichtbar werden. Dazwischen liegen viele fruchtbare Optionen, sich selbst, seine aus sich heraus wahrgenommene Befindlichkeit und Position im Kontext mit einem Element, einem Text oder einer Praxisanweisung seiner Lehre zu formulieren. Um im idealen Gesprächsraum auf einen einer Lehre folgenden richtig eingehen zu können, ist es sogar nötig, dass die anderen wissen, wo er da gerade steht, und in welchem Zusammenhang man sich seiner Aussage widmen kann.
Ich habe aber bewusst idealisierend für den einer Lehre folgenden nur die Option gelassen, dass dieser nur seine Lehre, ihre Begriffe und Praktiken darstellen kann, um in dieser klaren Projektion eines zu verdeutlichen: Je mehr dieser dazu neigt, aus der Welt seiner Lehre zu kommunizieren, und je weniger er dabei von sich erkennen lässt, desto schwieriger wird es dem Gegenüber, ihn selbst zu erkennen und fruchtbar auf das von ihm gesagte zu reagieren.
In der Realität
Nun ist weder unser Alltagsleben, noch und insbesondere dieses Forum ein wie oben beschriebener, idealer Gesprächsraum. Begrifflichkeiten sind mit unterschiedlichen Inhalten kodiert, Höflichkeit, Respekt und Einfühlsamkeit sind bestenfalls statistisch normalverteilt, aber keineswegs vorauszusetzen. Es kommen also noch eine Menge zusätzlicher Aufgabenstellungen hinzu. All dies verstellt zusätzlich den Weg, fruchtbar auf Gesagtes zu reagieren.
Nun könnte man darum bitten, Höflichkeit, Respekt und Einfühlsamkeit zu steigern. Eine Verabredung im Sinne einer Absichtserklärung ist sicherlich auch hilfreich, nicht etwa um jeglichen Streit zu vermeiden, sondern um selbst im Streit das Ideal der Fruchtbarkeit dieser Kommunikation noch zu tragen.
Meiner bescheidenen Erfahrung nach ist es dem durchschnittlich höflichen und einfühlsamen Menschen aber erstaunlicherweise möglich, seine mittelmäßige Empathie in dem Moment unbewusst zu verbessern, wenn er erlebt, dass sich ihm ein Gegenüber öffnet. Dieses Öffnen, der Mensch dahinter ist ungleich schwerer zu erkennen, wenn in der vordersten Frontlinie Kanon-Zitate, Lehreranweisungen oder wiedergekäute Definitionen der eigenen Linie/Schule aufgefahren werden.
Appell
Von sich selbst sprechen verkündet keine Wahrheit. Wenn wir von uns selbst sprechen, statt von den Wahrheiten, nach denen wir doch nur auf der Suche sind und uns gleichzeitig leidlich vor denen schützen können, die sich einer solchen Öffnung gegenüber rüpelhaft verhalten, können wir eine Gesprächskultur anstreben, die Berührung und Bewegung ermöglicht. In alle Richtungen, übergreifend, ohne vereinnahmend oder gleichmachend zu sein. Weil es uns um uns selbst geht. Nur wir selbst können Schritte auf Wegen gehen, die zu einer Wahrheit führen.
Folgender Auszug aus dem Unbuddhist-Blog (Link zum kompletten Text nach dem Zitat) hat mich neben meiner eigenen Befindlichkeit angregt, hier so ausführlich zu der Aufgabe, von sich selbst zu sprechen, zu schreiben.
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Das Situationsbewußtsein das mit der Verantwortung entsteht – das vielleicht etwas mit dem Ideal des Bodhisattva zu tun hat – beide Eines, das ohne das andere nicht existiert, könnte die Basis sein auf der sich endlich ein Gespräch entwickeln könnte. In diesem Moment, nur durch den Versuch ein ehrliches Gespräch zu beginnen, ein herzliches, ohne jeden Anflug von Kraft und Stärke oder von Selbst-Behauptung verzerrtes Gespräch, in diesem Moment könnten sich diese Qualitäten entfalten.
All das könnte eine Basis bilden für etwas viel Größeres. Aber zuerst geht es darum, die Umstände zu schaffen in denen überhaupt erst ein Gespräch stattfinden kann. Im westlichen Buddhismus gibt es das meistens nicht. Das Wort kommt immer von dem Typ der vorne sitzt, von dem Typ der mit der notwendigen Investitur ausgestattet ist, mit den Paraphernalia der Macht, die ihm seinen Monolog gestattet. Aber das alles ist nur eine Maskerade, eine Indianerspiel wie wir es als Kinder spielten, eine Maskerade die so tut als ob die Hierarchie nie verloren gegangen sei – als die Disziplin verloren ging und die Kontrolle entstand.
Sprechen
Das Gespräch würde bedeuten Gruppen entstehen zu lassen, in denen Gleichberechtigte hierarchielos zusammen treffen um einen Raum der Beschreibung von Erfahrung zu schaffen. In diesem würden verschiedene Gesetzte den Austausch regeln. Zum Beispiel „die Wahrheit ist der Tod der Kommunikation“ oder „jede Erinnerung ist eine Fiktion“ oder „Es gibt kein hohepriesterliches Wissen, das nur den wahrhaft Glaubenden offenbart wird“ – und: jeder Versuch sich mitzuteilen ist frei innerhalb der Grenzen von „das ist das, so wie ich es verstehe“. Gleichzeitig nimmt der immer bereite, affektive, allwissende Kritiker einen der hinteren Sitze ein und hält die Klappe. Es gibt viele Modelle eine Umgebung zu schaffen, die eine offene und kreative Atmosphäre für das Gespräch als Erfahrung schafft.