Wahrscheinlich liegt das wiederum an der Tatsache, dass viele Menschen jegliche Gedanken an den Tod (zumindest den eigenen und den der Nächsten) - so lange wie möglich - verdrängen.
Ich melde mich hier kurz zurück. Genau darum geht es. Auch Irvin Yalom behandelt in der "Existenziellen Psychotherapie" diese Frage sehr ausführlich.
Der Buddhismus geht weiter. Bhikkhu Anālayo empfiehlt, sich alle möglichen Veränderungen bei der Verwesung eines Leichnams sehr bildlich vorzustellen, ebenso den Moment, als ob er der letzte wäre.
Wenn ich mich richtig erinnere, erzählte er in einem Interview, dass bei ihm eine tödliche Krankheit diagnostiziert wurde; dann hat er alles an sich selbst ausprobiert (bei meinem Chaos kann ich momentan den Artikel nicht finden), und er berichtet, wie diese Technik ihm persönlich geholfen hat.
In seinem praktischen Ratgeber zu Satipatthāna erweitert er die gesamte Technik; leider ist das Buch nur auf Englisch verfügbar.
Aber du, liebe Anna Panna-Sati , hast natürlich recht: Es ist nicht für jeden geeignet.
In einem Video des Muttodaya-Klosters erzählt auch ein Mönch über seine eigenen Erfahrungen, wie er in der Leichenhalle sehr lange meditiert hat, und für uns, die darüber hinwegsehen, klingt das eher morbide und obskur.
Aber es ist der Kern des Theravada; man kann es drehen und wenden, aber die Vergänglichkeit kann man nicht aus Büchern studieren, sondern nur durch unmittelbare Erfahrung verstehen.
Am Ende zitiere ich dazu eine Stelle aus dem Pali-Kanon:
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"Diejenigen, ihr Mönche, die die Betrachtung über den Tod üben, indem sie denken: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, einen Tag und eine Nacht am Leben zu bleiben - noch einen Tag - einen halben Tag - solange wie ein Almosenmahl dauert - solange wie ein halbes Almosenmahl dauert - solange wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von vier oder fünf Bissen dauert! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Viel, wahrlich, könnte ich dann noch erwirken!' - von diesen Mönchen, ihr Mönche, sagt man, daß sie nachlässig leben und auf langsame Weise die Betrachtung über den Tod üben, um der Triebe Versiegung zu erreichen.
Von demjenigen Mönche aber, der die Betrachtung über den Tod übt, indem er denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, solange am Leben zu bleiben, wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von einem einzigen Bissen Reis dauert! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Viel, wahrlich, könnte ich dann noch erwirken!'
-Oder der denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, noch während der Zeitspanne am Leben zu bleiben, die zwischen einer Ein- und Ausatmung oder einer Aus- und Einatmung liegt! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Viel, wahrlich, könnte ich dann noch erwirken!'-
Von einem solchen Mönche sagt man, ihr Mönche, daß er vollen Ernstes lebt und eifrig die Betrachtung über den Tod übt, um der Triebe Versiegung zu erreichen.
Darum, ihr Mönche, habt ihr danach zu streben: 'Vollen Ernstes wollen wir leben und eifrig die Betrachtung über den Tod üben, um der Triebe Versiegung zu erreichen!' Das, ihr Mönche, sei euer Streben!"
A.VIII.73 Die Betrachtung über den Tod I - 3. Paṭhama-maraṇassati Sutta